Mausohrnächte: Ein Kriminalroman aus Norddeutschland -  Axel Roschen

Mausohrnächte: Ein Kriminalroman aus Norddeutschland (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
304 Seiten
Atelier im Bauernhaus (Verlag)
978-3-96045-103-7 (ISBN)
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Das Leben der norddeutschen Samtgemeinde Klosterthal plätschert beschaulich dahin – sieht man einmal vom Lärm der Bundesstraße ab. Als der junge Biologe Robert Zerg den Auftrag erhält, die Fledermäuse im Vorfeld der Planung einer Umgehungsstraße zu untersuchen, ändert sich das. Zusammen mit der Volontärin der örtlichen Zeitung entdeckt er in einem Mausohrquartier auf dem Dachboden des Gutshofes das Skelett eines Mannes. Die beiden lösen mit ihren Nachforschungen heftige Reaktionen aus, die ein Drama aus Hass, Eifersucht, Gier und Verzweiflung heraufbeschwören. Davon unberührt fliegen Fledermäuse über dem Ort und helfen auf ihre Art bei der Suche nach der Wahrheit. Ein Fremder, der nachts durch die Gegend schleicht und Fledermäuse auskundschaftet, ist schon Unruhe genug. Dass nun auch noch genau dieser Fremde eine Leiche finden muss, lässt die friedliche Fassade Klosterthals bröckeln. Nach kürzester Zeit stehen in dem einst so friedlichen Städtchen nicht nur die Fledermäuse Kopf. Ein Kriminalroman, in dem Geschichte zur Gegenwart wird und die Gegenwart in der Vergangenheit versinkt.

 

 

Über dieses Buch


Das Leben in der norddeutschen Samtgemeinde Klosterthal plätschert beschaulich dahin – sieht man einmal vom Lärm der Bundesstraße ab. Als der junge Biologe Robert Zerg den Auftrag erhält, die Fledermäuse im Vorfeld der Planung einer Umgehungsstraße zu untersuchen, ändert sich das. Zusammen mit der Volontärin der örtlichen Zeitung entdeckt er in einem Mausohrquartier auf dem Dachboden des Gutshofes das Skelett eines Mannes. Die beiden lösen mit ihren Nachforschungen heftige Reaktionen aus, die ein Drama aus Hass, Eifersucht, Gier und Verzweiflung heraufbeschwören. Davon unberührt fliegen Fledermäuse über dem Ort und helfen auf ihre Art bei der Suche nach der Wahrheit.

für Ina

Prolog


 

Um ihn herum herrschte Stille. Eine fette Ratte mit struppigem braunem Fell kam zwischen Mauerresten hervor, langsam, unschlüssig, vorsichtig. Sie setzte sich auf die Hinterpfoten, der Schwanz stützte den Körper, schnupperte dabei, die Augen wachsam, in alle Richtungen und watschelte schließlich dicht an der Mauer aus seinem Blickfeld. Er lag, tief versteckt, unter einer der gewaltigen, verbogenen Stahlplatten, die von dreifachen Nietnähten überzogen waren und wohl einmal zum Rumpf eines Schiffes gehört hatten. Wie von einem wütenden Riesen in Stücke gerissen, lagen die Schiffsteile jetzt auf dem Kai verstreut. Direkt vor ihm blickte er durch bultige Grasbüschel auf die ausgeglühten, verbogenen Träger und Streben eines Ladekrans. Die Reihe der Lagerschuppen dahinter war ausgebrannt. Er meinte, der sanfte Wind trüge noch immer Brandgeruch in seine Nase, obwohl der Krieg nun schon zwei Jahre beendet war.

Sein Versteck war unbequem, doch so gut gelegen, dass er aus dem Hafengebiet heraus auf kürzestem Weg in die sichereren Straßenzüge der Stadt gelangen konnte. Aber er müsste äußerst vorsichtig sein. Wenn er heute erwischt würde, wäre eine Reise nach Sibirien das Mindeste, was er zu erwarten hatte, wenn nicht kurzerhand die Hinrichtung als Verräter.

Trotz der Hitze, die ihm nach dem gnadenlosen Winter jetzt, Anfang Juni, schwer zu schaffen machte, liefen ihm bei jedem unerwarteten Geräusch kalte Schauer über den Rücken. Ein Fahrzeug näherte sich und hielt. Der Mann sah in seinem eingeschränkten Gesichtsfeld die verdreckten Reifen und die untere Karosserie eines Jeeps, dann ein Paar Militärstiefel dahinter. Drei, vier Schritte, dann stoppten die Stiefel auseinandergestellt und ein satter Urinstrahl spritzte gegen einen eisernen Poller. Komisch, dachte er, dass Männer beim Pinkeln immer ein Ziel brauchen.

Es wurde nur langsam dunkel, vielleicht eine Stunde müsste er noch hier verharren, aber er war sich sicher, dass er noch nicht vermisst würde, sonst würden sie ihn suchen. Die dicke Ratte lief wieder zwischen den Trümmern der Schuppen umher. Er schloss die Augen und dachte an seine Flucht und an das glückliche Leben danach.

Mit dem Überfall der Deutschen auf Russland war er seinem Sinn für Gerechtigkeit und Ehre gefolgt und hatte sich freiwillig zum Dienst in der Roten Armee gemeldet. Sein damaliger Idealismus zerbarst unter der alltäglichen Brutalität, mit der der Krieg auf beiden Seiten geführt wurde. Als Ingenieur für Maschinenbau und Anlagetechnik, gebildet und kunstsinnig, blieb er ein Außenseiter. Die Kameraden legten seine Feinfühligkeit als Schwäche aus, seine Vorgesetzten sahen darin Feigheit und schikanierten ihn. Das hatte er beim langen Vormarsch nach Deutschland zu spüren bekommen. Ständig wurde er als einfacher Soldat in dem Pionier­Bataillon für die gefährlichsten oder widerlichsten Aufgaben eingeteilt. Mehr als einmal, zuletzt beim Brückenkopf über die Oder, hatte er nur mit Glück überlebt. Narben und ein geplatztes Trommelfell waren Erinnerungsmale.

Wäre sein Bataillonskommandeur Hauptmann Viktor Ivanowitsch nicht gewesen, ein Verwandter im Geiste, wäre er längst desertiert. Wann immer möglich, rief der ihn zu sich und entriss ihn damit dem Sumpf von Mordlust, Hass und Not, mit Gesprächen über die bessere Zukunft nach diesem schmutzigen Krieg, über Kunst und Musik.

Dann trat Anne-Marie in sein Leben.

Auch diese Begegnung, die sein Leben fortan bestimmen sollte, hatte er seinem Gönner Viktor zu verdanken, der von seinen Fähigkeiten als Ingenieur und von seinen Deutschkenntnissen wusste, die er in den zwanziger Jahren bei einem Studienaufenthalt in Berlin erworben hatte. Viktor nutzte seine Verbindungen, um ihn weg von der Truppe an die Kommission zu versetzen. Nicht ganz ohne eigenen Hintergedanken, wie er am Tag seiner Abreise erfuhr, als der ihm den festen großen Umschlag anvertraute und den geheimen Auftrag gab. Einen Umschlag, von dem er wusste, was er enthielt und der seinen Rucksack zu einer bleischweren Last werden ließ.

Das war vor über einem Jahr. Damals gelangte er, zusammen mit den anderen Mitgliedern der Kommission, die meisten Offiziere, andere Ingenieure in Zivil, in ein Zwischenquartier, wo sie mehrere Wochen verbringen mussten, bevor der Befehl zur Weiterfahrt in die Hafenstadt kam. Während seine Genossen nach ihrer Ankunft die langen Abende in dem prächtigen Gebäude bei wilden Gelagen verbrachten, zog er sich meist in die ländliche Stille des Parks zurück, um dem dröhnenden Lärm und dem rohen Gehabe zu entgehen. Dort traf er sie.

Anne-Marie. Eines Abends sah er sie auf einer steinernen Bank vor der von Efeu überwucherten Mauer in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne sitzen. Anne-Marie. Blass, schlank und zart, wie eine zerbrechliche Glasfigur kam sie ihm vor, mit sanften Augen, deren dunkle Tiefen ihn sofort in den Bann zogen. Die langen Haare hatte sie zu Zöpfen geflochten und in Schnecken gelegt, an jeder Kopfseite festgesteckt. Er sprach sie an, so sanft er konnte, um sie mit seinem fremdartigen Deutsch nicht zu erschrecken. Sie blickte auf, lächelte, und er setzte sich in einigem Abstand zu ihr auf den noch sonnenwarmen Stein. Ihr Lächeln und die unverbrauchte, fast noch kindliche Weiblichkeit ihrer Jugend ließen ihn Krieg und Gegenwart vergessen.

Sie sprachen an diesem Abend nur über Belangloses, den friedlichen Sonnenuntergang, die Wolken, den ersten Stern am Abendhimmel. Er war bemüht, das Gespräch am Leben zu erhalten und ihre leisen Worte in der fremden Sprache richtig zu verstehen. Sie dagegen war glücklich, weil sich ein wunderschöner Ritter zu ihr herabgelassen hatte, dessen Haare und Bart von der tief stehenden Sonne durchstrahlt wie ein Glorienschein leuchteten. Sie, die Prinzessin in dem verwunschenen Schloss, träumte schon lange von dieser Begegnung. Der strahlende Ritter würde sie entführen. Sie wünschte nur, ihr Herz würde nicht so laut klopfen, um ihn nicht zu verschrecken.

Als es dunkler und kälter wurde, legte er ihr seinen Armeemantel über die Schulter und begleitete sie zu einem Nebengebäude, wo sie mit ihrem Vater, dem Verwalter, der Mutter und dem jüngeren Bruder wohnte. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag zur gleichen Stunde auf der Bank. Ihre Liebe zueinander wuchs mit jedem Abend, an dem sie sich heimlich trafen.

Nachdem die Verlegung der Kommission befohlen wurde, versprach er ihr am letzten Abend, sie abzuholen und zu heiraten, sobald er die Armee verlassen könne. Nur wenige Monate, bat er, müsse sie warten.

Anne-Marie beherrschte seine Gedanken von da an, auch wenn er von ihr getrennt seine neuen Aufgaben in Bremen erfüllte. Hier, in der amerikanischen Enklave, lernte er den für seine Vorstellung unermesslichen Reichtum der Amerikaner kennen, von dem er bisher nur eine vage Vorstellung gehabt hatte. Er sah die Schiffe und Laster voller Lebensmittel, Zigaretten, Schokolade, frischem Obst, Fleisch, Getreide, Anzügen, Hemden und Stiefeln. Der nicht enden wollende Warenstrom, der aus den Bäuchen der Versorgungsschiffe floss, ließ einen Entschluss in ihm reifen. In ihm wuchs die feste Überzeugung, dass es dort, wo die Quelle dieses Reichtums ihren Ursprung hatte, keine Not geben könne. Er beschloss, nach Amerika zu gehen, zusammen mit Anne-Marie.

Um seinem Ziel näher zu kommen, lernte er Englisch in einem Sprachkurs für deutsche Verwaltungsbeamte und wurde Kontaktmann zur amerikanischen Militärverwaltung. Die Freundschaft zu einem der Adjutanten des Stadtkommandanten General Clay eröffnete ihm eines Tages die Möglichkeit, mit einem Truppentransporter von Bremerhaven aus nach New York zu kommen. Allerdings gab es nur einen Platz, nur für ihn, so die Bedingung. Er musste sich sehr schnell entscheiden, denn das Schiff sollte bereits in vier Tagen ablegen.

Er entschied, die Gelegenheit zu nutzen und zu desertieren. Trotz des Risikos wollte er allerdings nicht abreisen, ohne Anne-Marie noch einmal zu sehen und sie in seine Pläne einzuweihen. Sein Freund, der Captain, gab ihm die notwendigen Papiere für eine Passage als Zivilperson auf dem Truppentransporter und die Anweisungen, wo und wann er in drei Tagen spätestens sein müsste, um auf das Schiff zu kommen. Ein Bündel mit Zivilkleidung schob er ihm über den Schreibtisch, eine letzte Geste zum Abschied.

Das war gestern. Jetzt lag er in seiner alten Militäruniform, von der er sich als Vertreter der Siegermacht etwas Schutz versprach, in seinem Versteck. Das Kleiderbündel steckte zusammen mit Viktors Paket im Rucksack. Er hatte viele Nächte wach gelegen, um einen Weg zu finden, die Bitte seines Freundes zu erfüllen ohne seine eigenen Pläne zu gefährden. Er entschied sich für die Zukunft mit Anne-Marie. Das schlechte Gewissen blieb.

Jetzt wurde es Zeit. Er musste die kurze Phase der Dunkelheit nutzen. Trotz der fremden Geräusche, die er nicht sehr weit von seinem Versteck entfernt zu hören glaubte, kroch er unter...

Erscheint lt. Verlag 5.3.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-96045-103-2 / 3960451032
ISBN-13 978-3-96045-103-7 / 9783960451037
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