Urland (eBook)
384 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7528-2792-7 (ISBN)
Jörg Hugger, geboren 1968 in Nendingen (Baden-Württemberg), studierte Informatik an der Universität Karlsruhe. Als Datenbank-Spezialist arbeitete er danach in Düsseldorf, Essen und Wien. Aktuell lebt er in Heilbronn, wo auch die Endversion dieses Romans entstanden ist. Seit seiner Jugend beschäftigt er sich intensiv mit Science-Fiction-Literatur - nicht nur als Leser, sondern auch als langjähriges Mitglied im SFCD und PRFZ. Weitere Informationen zum Autor und zum vorliegenden Roman finden Sie im Internet unter www.joerghugger.de.
Kapitel 2: Der Mahlstromtunnel im seltsamen Land
Caspar erwachte. Kopf und Glieder schmerzten. Er wollte sich strecken, doch etwas hinderte ihn daran. Es war dunkel; er konnte nichts sehen.
Hatte man ihn gerettet?
Wo befand er sich? Bestimmt war er nicht in einem Krankenhausbett, so unbequem, wie er lag. Er fühlte sich zu schwach, um sich erheben zu können. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man ihn mitten im Wald rechtzeitig hatte finden können, in der einsamen Lichtung, wo er die Schlaftabletten genommen hatte.
Ein schwerer Gegenstand belastete seinen Bauch. Er drückte ihn zur Seite und versuchte, aufzustehen. Überall trafen seine Hände auf Stoff, sodass er sich hilflos vorkam wie eine Fliege im Netz einer Spinne.
Caspar untersuchte seine Umgebung: Er ertastete eine Stahlflasche, Seile, Säcke und eine ziemlich große Anzahl undefinierbarer Gegenstände. Warum hatte man all das auf ihn gelegt? Wer tat denn so etwas Irres, einen Bewusstlosen im Wald mit all diesen seltsamen Sachen zu bedecken? Hatte jemand eine illegale Wagenladung Müll auf ihn gekippt? ›Nein, es riecht nicht nach Müll‹, stellte er fest.
Seine Füße stießen auf etwas; er konnte sich nicht strecken. Rechts und links war auch kaum Platz.
›Ich bin in einem Sarg!‹, schoss es ihm durch den Kopf. ›Man hat mich für tot gehalten und beerdigt!‹
»Ich lebe!«, schrie er. »Ich bin nicht tot!« Wild schlug er um sich und verhedderte sich dabei immer mehr in der Plane, die ihn bedeckte und in Dunkelheit einhüllte. Wenn er sterben musste, dann auf angenehme Art und nicht in einem Sarg ersticken!
»Nehmt das Leichentuch weg!«, schrie er in der Hoffnung, sich vielleicht noch in einer Totenhalle zu befinden. Aber niemand antwortete ihm, was bedeuten konnte, dass man ihn schon begraben hatte.
Nach einigen Minuten – sie erschienen ihm wie eine Ewigkeit – erkannte er die Sinnlosigkeit seiner panischen Bewegungen. Eines aber hatte ihm seine unkontrollierte Strampelei eingebracht: nämlich die Erkenntnis, dass sich nach oben hin nur Stoff befand, der nachgab. Er richtete sich auf und stellte fest, dass er stehen konnte. Er war immer noch ziemlich verwirrt, weil das vermeintliche Leichentuch so groß und schwer war. Aber unter der Erde befand er sich sicherlich nicht.
Es war auch nicht vollkommen dunkel. Ein wenig Licht drang durch den Stoff, gerade genug, damit es seine Umgebung in farbige Schatten tauchte. Da Caspar noch nie in einem Ballon gefahren war, und die Schlaftabletten immer noch nachwirkten, kam ihm der Gedanke nur langsam, dass er sich im Korb eines Heißluftballons befand, auf den die Hülle gefallen war. Dann dauerte es nicht lange, bis er unter der Ballonhülle hervorkriechend ins Freie gelangte.
Etwas verwirrt blickte er sich um: In der Tat lag vor ihm die Hülle eines Ballons ausgebreitet und er sah auch die Erhebung vom Korb, in dem er aufgewacht war. Aus dem Stoff war die Luft komplett entwichen, weil dieser an einigen Stellen zerrissen war, wie Caspar erkannte. Er befand sich auf dem Grund eines riesigen Tales, das von hoch aufragenden Bergen allseits umschlossen wurde. Oder handelte es sich um einen Krater? Etwa einen Kilometer entfernt entdeckte er ein ungeheures Loch, dessen Schwärze ihm Angst einflößte. Was ihn hierhergebracht hatte, war ihm schleierhaft. Er begriff sofort, dass dieser Ort nirgendwo in Deutschland liegen konnte.
Nein, er befand sich ganz sicher nicht mehr auf der Erde. Steilhänge zu den Bergen ringsum wölbten sich wie gigantische Überhänge in den Himmel. Es wirkte surreal.
Das Sonnenlicht war auch anders, gelblicher wie bei einem beginnenden Sonnenuntergang. Er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, weil das Licht ihn grell blendete, aber irgendetwas stimmte mit der Form und Größe der Sonne nicht. Der Himmel war mehr ein helles Braun als ein helles Blau.
Er erblickte drei Tierkadaver, die nicht alt sein konnten, da das Blut auf ihnen ziemlich frisch wirkte. Sie waren auseinandergerissen und das meiste Fleisch fehlte.
War er gestorben und nun im Jenseits angelangt? In der griechischen Mythologie werden die Toten vom Fährmann Charon über den Fluss Styx ins Totenreich befördert. War an der Sage etwas dran, nur diente statt eines Bootes ein Ballon zur Beförderung?
Es wurde ihm schwarz vor Augen und er musste sich für einen Moment setzen. Durst, fast ein Brand, quälte ihn. Tot war er noch nicht, schloss er daraus. Caspar wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Aus Liebeskummer hatte er allem ein Ende bereiten wollen.
Nachdem er sich die Gegend besehen hatte, untersuchte er den Ballon näher. Als er den Korb von dem dünnen, leichten Kunststoff befreit hatte, machte er eine schreckliche Entdeckung: Das, was ihm vorhin auf der Brust gelegen hatte, war eine Leiche!
Es war ein junger Mann in Caspars Alter. Er hatte sich das Genick gebrochen. War das sein Retter? Oder waren noch andere mitgeflogen? In Sichtweite befanden sie sich zumindest nicht.
Er fand eine Feldflasche und trank gierig, aber nicht alles. Etwas hob er sich auf. Er entdeckte ein Messer, ein Nylonseil und ein paar Müsliriegel.
Patronenhülsen deuteten darauf hin, dass hier jemand geschossen hatte, doch konnte Caspar keine Waffe finden. Also war noch jemand hier gewesen. Er wollte den Toten nicht einfach liegen lassen. Er fand ein Erdloch, das weiter in den Boden führte, als er sehen konnte. Den Leichnam drückte er hinein und bedeckte anschließend die Öffnung mit Gestein und Geröll. Dass er sich dabei in Lebensgefahr begab, ahnte er nicht. Aber die Staubtaucher, die darin hausten, waren entweder satt, verblutet und tot – oder befanden sich zu tief drinnen in ihrem Höhlensystem.
Caspar schmückte das Behelfsgrab mit einem Kreuz, nachdem er ein paar Worte für den Unbekannten gesprochen hatte. Die Markierung konnte später auch dazu dienen, die Stelle leichter zu finden, wenn er auf Menschen stieß.
Danach ruhte er sich ein wenig aus, bevor er sich auf den Weg machte. Da ihm das dunkle Loch nicht geheuer war, mied er es, und er schlug einen Weg ein, der ihn auf dem kürzesten Weg zu einem Pass führte. Er hatte Rückenwind, dachte aber, dass dieser von der gegenüberliegenden Hangseite kam und nicht aus dem Loch in der Mitte des Trichtertals.
Der Aufstieg war leichter als vermutet. Caspar spürte keine Steigung und kam zügig voran. Nach einigen Hundert Metern machte ihn das stutzig, denn es sah so aus, als ob er einen steilen Berghang hochklettern müsste, dabei lief er aber wie auf ebener Fläche. Verwirrt ging er weiter. Das riesige Loch, von dem er sich entfernte, sah nun immer mehr aus wie eine Höhle in einem Berghang, an dem er hinunterlief. Wie konnte er gleichzeitig einen Berg hinunterlaufen und einen anderen hinauf? Völlig aus der Fassung ging er weiter, und – er konnte es kaum glauben – bald türmte sich der gegenüberliegende Hang direkt über ihm auf! Da war Landschaft über ihm!
An der Absturzstelle des Ballons war er so nahe am Loch gewesen, dass er geglaubt hatte, in einem kreisrunden Tal zu stehen, dessen Berghänge sich ziemlich weit nach oben auftürmten. Jetzt erkannte er, dass das Loch genau an der Spitze eines gigantischen Kreiskegels lag. Die Schwerkraft wirkte senkrecht zur Kegelwand. Wenn man sich auf der Innenseite dieser Form weiter von der Spitze wegbewegte, rückte die gegenüberliegende Wand in den ›Himmel‹, wobei gleichzeitig die Sonne ihre Position direkt über dem Betrachter verließ.
Das erstaunte Caspar so sehr, dass er glaubte, verrückt werden zu müssen. ›Ich muss einen klaren Kopf behalten!‹, schärfte er sich ein. ›Für das alles muss es eine Erklärung geben. Die Erde ist eine Kugel, und in Australien fallen sie auch nicht nach unten ins Weltall. Hier befinde ich mich auf der Innenseite eines Kegels und die Schwerkraft ist nach außen gerichtet. Nichts weiter.‹
Er nahm das eine Ende seines Nylonseils und band einen Stein daran fest. Wie er es auch anstellte, es hing lotrecht nach unten. Er stand nicht auf einem Berghang.
Bilder von rotierenden Riesenraumschiffen gingen ihm durch den Kopf: Science-Fiction-Gemälde, die er einmal gesehen hatte. Befand er sich im Innern eines solchen Objekts? Aber war es nicht viel zu groß dazu? ›Auch die Erde dreht sich‹, rief sich Caspar in Erinnerung. ›Und die ist auch verdammt groß.‹
Caspar ging weiter.
Auf einmal versperrte ihm das Wrack eines Schiffes den Weg!
Schon vorhin war ihm aufgefallen, dass der Boden so aussah, als wären wochenlang Regenfälle auf ihm niedergegangen. Doch nun kam er angesichts des Schiffes zu dem Schluss, dass dieses Gelände ein ehemaliger Meeres- oder Seegrund war. Das Wasser war wohl durch den Schlund sehr schnell abgelaufen.
Er näherte sich dem Schiff und spähte durch eine Kluft in der Hülle. Dort lagen Knochen, von Menschen oder Tieren, er wusste es nicht zu sagen. Entsetzt umging er das eiserne, stark rostende Wrack. Nach ein paar Hundert Metern traf er auf noch mehr Gebeine. In einer kleinen Senke hatte Regen (oder das einstige Meerwasser?) allerlei...
Erscheint lt. Verlag | 27.8.2018 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
ISBN-10 | 3-7528-2792-0 / 3752827920 |
ISBN-13 | 978-3-7528-2792-7 / 9783752827927 |
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Größe: 842 KB
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