Jahrmarkt der Eitelkeit (eBook)

Roman ohne Held
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2023 | 1. Auflage
950 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962197-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jahrmarkt der Eitelkeit -  William Makepeace Thackeray
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Die charmanteste Intrigantin der Weltliteratur Die erfinderische Becky Sharp ist eine moralisch fragwürdige Romanheldin, der jedes Mittel recht ist, um die Stufen der gesellschaftlichen Leiter im viktorianischen London zu erklimmen. Mit ihrem scharfen Verstand, ihrer unwiderstehlichen Schönheit und ihrem unerschütterlichen Willen strebt sie nach Macht, Reichtum und Ansehen - koste es, was es wolle ... William Thackerays Beschreibungen des menschlichen Miteinanders sind so klug wie vergnüglich, und sein schwarzer Humor hat bis heute seine Frische bewahrt. Hans-Christian Oesers Neuübersetzung des Klassikers ist dem Original in punkto Leichtfüßigkeit und Schärfe ebenbürtig. Eine farbenprächtige Zeitreise durch das Europa der Napoleonischen Kriege und eine überzeugende Charakterstudie.

William Makepeace Thackeray (1811-1863) war einer der bedeutendsten englischen Schriftsteller des Viktorianismus und ist bekannt für seine Gesellschaftssatiren.   Hans-Christian Oeser arbeitet als Übersetzer, Autor und Herausgeber. Er hat zahlreiche Werke irischer, britischer und amerikanischer Autorinnen und Autoren ins Deutsche übertragen und vielfache Auszeichnungen erhalten, u. a. den Europäischen Übersetzerpreis.

William Makepeace Thackeray (1811–1863) war einer der bedeutendsten englischen Schriftsteller des Viktorianismus und ist bekannt für seine Gesellschaftssatiren.   Hans-Christian Oeser arbeitet als Übersetzer, Autor und Herausgeber. Er hat zahlreiche Werke irischer, britischer und amerikanischer Autorinnen und Autoren ins Deutsche übertragen und vielfache Auszeichnungen erhalten, u. a. den Europäischen Übersetzerpreis.

Erstes Kapitel

Chiswick Mall


Eines sonnigen Junimorgens, als das gegenwärtige Jahrhundert noch in den Flegeljahren steckte, fuhr eine große Familienkutsche, gezogen von zwei wohlgenährten Pferden in gleißendem Geschirr, gelenkt von einem wohlgenährten Kutscher mit Dreispitz und Perücke, mit einer Geschwindigkeit von vier Meilen pro Stunde durch das mächtige Eisentor von Miss Pinkertons Akademie für junge Damen in der Chiswick Mall. Kaum hatte die Equipage vor Miss Pinkertons blankem Messingschild angehalten, entflocht der schwarze Diener, der neben dem wohlgenährten Kutscher auf dem Kutschbock thronte, seine krummen Beine, und als er den Glockenzug betätigte, waren wenigstens zwanzig junge Köpfe zu sehen, die aus den schmalen Fenstern des imposanten alten Backsteinbaus lugten – ja, ein scharfer Beobachter hätte sogar das rote Näschen der gutmütigen Miss Jemima Pinkerton erkennen können, das im Fenster des Salons jener Dame über einigen Geranientöpfen sichtbar wurde.

»Es ist Mrs Sedleys Kutsche, Schwester«, sagte Miss Jemima. »Soeben hat Sambo, der schwarze Diener, geläutet; und der Kutscher trägt eine neue rote Weste.«

»Hast du alle nötigen Vorbereitungen bezüglich Miss Sedleys Abreise getroffen, Miss Jemima?«, fragte Miss Pinkerton, eine hoheitsvolle Dame; die Semiramis von Hammersmith, Freundin von Doktor Johnson, Briefpartnerin von Mrs Chapone.

»Die Mädchen sind seit heute Morgen um vier auf den Beinen und haben ihr die Koffer gepackt, Schwester«, antwortete Miss Jemima. »Wir haben einen Blumenstruz für sie gebunden.«

»Sag ein Bouquet, Schwester Jemima, das klingt vornehmer.«

»Na schön, ein Bukett, fast so groß wie ein Heuhaufen; für Mrs Sedley habe ich zwei Flaschen Gewürznelkenwasser und das entsprechende Rezept in Amelias Koffer gelegt.«

»Und ich hoffe, Miss Jemima, du hast eine Abschrift von Miss Sedleys Rechnung angefertigt – das ist sie, ja? Sehr gut – dreiundneunzig Pfund vier Shilling. Sei so lieb, adressiere sie an John Sedley, Esquire, und versiegele das Billet, das ich seiner Gattin geschrieben habe.«

In Miss Jemimas Augen war ein eigenhändiger Brief ihrer Schwester, Miss Pinkerton, Gegenstand so tiefer Verehrung, als handele es sich um das Sendschreiben eines Monarchen. Nur wenn ihre Schülerinnen aus der Anstalt schieden, wenn sie kurz vor der Eheschließung standen oder einmal, als die arme Miss Birch an Scharlachfieber gestorben war, schrieb Miss Pinkerton den Eltern ihrer Schülerinnen persönlich; und Jemima war der Überzeugung, dass, wenn irgendetwas Mrs Birch über den Verlust ihrer Tochter hinwegtrösten konnte, es die frommen und eloquenten Formulierungen waren, mit denen Miss Pinkerton das Ereignis bekanntgegeben hatte.

Im vorliegenden Fall hatte Miss Pinkertons »Billet« folgenden Wortlaut:

The Mall, Chiswick, 15. Juni 18—

Madam,

nach Miss Amelia Sedleys sechsjährigem Aufenthalt in der Mall habe ich die Ehre und die Freude, sie als eine junge Dame zu präsentieren, die nicht unwürdig ist, in den eleganten und kultivierten Kreisen ihrer Eltern die ihr gebührende Stellung einzunehmen. Tugenden, wie sie eine junge englische Dame von Stand auszeichnen, Fertigkeiten, wie sie sich für ihre Abkunft und ihren Rang geziemen, wird man bei der liebenswerten Miss Sedley nicht vergebens suchen. Ihre Emsigkeit und ihre Folgsamkeit hat sie ihren Lehrerinnen ans Herz wachsen lassen, und ihre entzückende Sanftmut hat ihre betagten ebenso wie ihre jugendlichen Weggefährtinnen bezaubert.

Man wird feststellen, dass sie in Musik, Tanz und Rechtschreibung, in jeder Art Stick- und Näharbeit den zärtlichsten Erwartungen ihrer Freundinnen entspricht. Geographie lässt noch viel zu wünschen übrig; und zur Aneignung jener würdevollen aufrechten Körperhaltung, die bei einer jungen Dame von Welt vonnöten ist, wird der sorgsame und unablässige Einsatz des Rückenbretts empfohlen, vier Stunden täglich während der nächsten drei Jahre.

In den Grundsätzen der Religion und der Sittlichkeit wird sich Miss Sedley einer Anstalt als würdig erweisen, die durch die Gegenwart des Großen Lexikographen und die Gunst der bewundernswerten Mrs Chapone geehrt worden ist. Bei ihrem Abschied von der Mall führt Miss Amelia die Herzen ihrer Gefährtinnen und die liebevollen Grüße ihrer Lehrerin mit sich, welche, Madam, die Ehre hat, sich zu unterzeichnen als

Ihre dankbarst ergebene Dienerin

BARBARA PINKERTON

PS: Miss Sharp begleitet Miss Sedley. Insbesondere wird darum gebeten, dass Miss Sharps Aufenthaltsdauer in Russell Square zehn Tage nicht überschreitet. Die namhafte Familie, bei der sie angestellt ist, wünscht von ihren Diensten so bald als möglich Gebrauch zu machen.

Nachdem sie den Brief beendet hatte, trug Miss Pinkerton ihren und Miss Sedleys Namen auf dem Vorsatzblatt eines Exemplars von Johnsons Wörterbuch ein – jenem interessanten Werk, mit dem sie ihre Schülerinnen beim Abschied von der Mall zu bedenken pflegte. Auf der Innenseite des Buchdeckels war eine Abschrift der »Verse, gerichtet an eine junge Dame beim Ausscheiden aus Miss Pinkertons Schule in der Mall, vom ehrwürdigen Doktor Samuel Johnson seligen Angedenkens« eingefügt. In der Tat lag jener hoheitsvollen Frau der Name des Lexikographen stets auf den Lippen, und auf einem Besuch, den er ihr abgestattet hatte, gründeten ihr Ruf und ihr Vermögen.

Miss Jemima, von ihrer älteren Schwester beauftragt, das Wörterbuch aus dem Schrank zu holen, hatte dem erwähnten Verwahrort gleich zwei Exemplare des Buches entnommen. Als Miss Pinkerton die Widmung im ersten eingetragen hatte, reichte ihr Jemima mit eher zweifelnder und scheuer Miene das zweite.

»Für wen ist das, Miss Jemima?«, fragte Miss Pinkerton mit furchtbarer Kälte.

»Für Becky Sharp«, antwortete Jemima. Sie zitterte heftig, und als sie ihrer Schwester den Rücken kehrte, zeigte sich auf ihrem welken Gesicht und Hals eine starke Röte. »Für Becky Sharp; die verlässt uns doch auch.«

»MISS JEMIMA!«, rief Miss Pinkerton in den größten Großbuchstaben aus. »Bist du bei Sinnen? Stell das Dixionär wieder in den Schrank und wage es in Zukunft nicht, dir solche Freiheiten herauszunehmen.«

»Nun, Schwester, es kostet doch nur zwei Shilling neun Pence, und die arme Becky wird ganz unglücklich sein, wenn sie keines bekommt.«

»Schicke Miss Sedley sofort zu mir«, sagte Miss Pinkerton – und so trottete Jemima, ohne ein weiteres Wort zu wagen, überaus beunruhigt und ängstlich davon.

Miss Sedleys Papa war Kaufmann in London und ein Mann von einigem Wohlstand, Miss Sharp dagegen eine Lehrschülerin, für die Miss Pinkerton genug getan zu haben glaubte, ohne ihr bei ihrem Weggang die hohe Ehre des Dixionärs zukommen lassen zu müssen.

Obgleich man Briefen von Schulleiterinnen nicht mehr und nicht weniger Vertrauen schenken sollte als Grabinschriften, so geschieht es doch zuweilen, dass ein Mensch aus dem Leben scheidet, der wahrhaftig all die Lobpreisungen verdient, welche der Steinmetz über seinen Gebeinen einmeißelt, ein Mensch, der ein guter Christ, ein guter Vater, eine gute Mutter, ein gutes Kind, eine gute Ehefrau oder ein guter Ehemann war und der tatsächlich eine untröstliche Familie hinterlässt, welche seinen Verlust betrauert; ebenso kommt es in Bildungsanstalten für das männliche und das weibliche Geschlecht gelegentlich vor, dass ein Schüler oder eine Schülerin der Lobeshymnen würdig ist, mit denen eine uneigennützige Lehrkraft sie überhäuft. Nun, Miss Amelia Sedley war eine junge Dame dieses besonderen Schlages und verdiente nicht nur alles, was Miss Pinkerton zu ihrem Lobe anzuführen wusste, sondern besaß darüber hinaus viele reizende Eigenschaften, die jene aufgeblasene alte Minerva von einer Frau aufgrund der Rang- und Altersunterschiede zwischen ihr und ihrer Schülerin gar nicht wahrnahm.

Denn nicht nur konnte sie singen wie eine Lerche oder eine Mrs Billington und tanzen wie Hillisberg oder Parisot und wunderschön sticken und ebenso gut buchstabieren wie das Dixionär selbst; vielmehr hatte sie ein so freundliches, heiteres, weiches, sanftes und großzügiges Herz, dass sie die Liebe eines jeden gewann, der in ihre Nähe kam, von Minerva höchstselbst bis hinunter zu dem armen Mädchen in der Spülküche und der Tochter der einäugigen Kuchenfrau, der es erlaubt war, den jungen Damen in der Mall einmal in der Woche ihre Waren zu verkaufen. Unter den vierundzwanzig jungen Damen hatte Amelia zwölf enge Busenfreundinnen; sogar die neidische Miss Briggs sprach nie schlecht von ihr; die hochmögende Miss Saltire (Lord Dexters Enkeltochter) konzedierte, dass sie eine gute Figur machte; und was Miss Swartz betraf, die wollhaarige reiche Mulattin aus St. Kitts, so war diese am Tag von Amelias Weggang so in Tränen aufgelöst, dass man Dr. Floss kommen lassen und sie mit Riechsalz halb betäuben musste. Miss Pinkertons Zuneigung war, wie man angesichts der hohen Stellung und der herausragenden Tugenden jener Dame erwarten darf, ruhig und würdevoll; Miss Jemima jedoch hatte bei der Vorstellung von Amelias...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2023
Übersetzer Hans-Christian Oeser
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrundert • Gesellschaftskritik • Gesellschaftsroman • Intrige • Middlemarch • Satire • Sittengemälde • Thackeray auf Deutsch • Thackeray Buch • Thackeray Literatur • Thackeray Übersetzung • Vanity Fair • Vanity Fair Buch zur Serie • Vanity Fair Vorlage • Viktorianik • Viktorianische Literatur • Viktorianisches Zeitalter • William Makepeace Thackeray auf Deutsch • William Makepeace Thackeray Buch • William Makepeace Thackeray Literatur • William Makepeace Thackeray Übersetzung
ISBN-10 3-15-962197-9 / 3159621979
ISBN-13 978-3-15-962197-5 / 9783159621975
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