Aus der Tiefe (eBook)

(Autor)

Mirko Bonné (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023
368 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-29779-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aus der Tiefe - Oscar Wilde
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Weltliteratur von Oscar Wilde - kongenial neu übersetzt von Mirko Bonné
Oscar Wildes langer Brief aus dem Gefängnis an seinen früheren Geliebten Lord Alfred 'Bosie' Douglas ist eine Lebensbeichte. Um ihn zu gewinnen, setzte Wilde alles aufs Spiel, seine Ehe, seine Familie, sein Ansehen, seinen Ruhm und sein Vermögen. Gegen den prüden viktorianischen Zeitgeist setzte er seinen Dandyismus, die Feier der diesseitigen Freuden bis hin zur Verschwendung. Es folgte der Absturz ins Bodenlose: Ein öffentlicher Prozess, in dem er zur Unperson gemacht wurde. 'Aus der Tiefe' ist eine erschütternde Geschichte von verratener Leidenschaft und eine unvergleichliche Liebeserklärung. In dem Band enthalten sind weitere Briefe aus dem Gefängnis sowie die 'Ballade vom Zuchthaus Reading'.

Oscar Wilde wurde 1854 in Dublin geboren. Er war einer der erfolgreichsten und zugleich skandalträchtigsten Schriftsteller des viktorianischen Großbritannien. Wegen homosexueller 'Unzucht' wurde er 1895 zu zwei Jahren Zuchthaus mit harter Zwangsarbeit verurteilt. Nach der Entlassung lebte er verarmt in Paris, wo er 1900 im Alter von 46 Jahren starb.

Briefe von April 1895 bis Februar 1897


An Lord Alfred Douglas

Kgl. Gefängnis Holloway

Montagabend [29. April 1895]

Mein liebster Junge,

diese Zeilen sollen Dich meiner unsterblichen, meiner ewigen Liebe versichern. Morgen ist alles vorbei. Sollten Gefängnis und Schande mein Schicksal sein, so bedenke, dass meine Liebe zu Dir und zur Vorstellung, dass Du mich ebenso liebst — zu diesem sogar noch göttlicheren Glauben —, mich in meinem Unglück stützen und, so hoffe ich, mir ermöglichen werden, meinen Kummer aufs Duldsamste zu ertragen. Ist das Ziel und der Ansporn in meinem jetzigen Leben die Hoffnung, nein eher die Gewissheit, Dir in irgendeiner Welt wiederzubegegnen, ah! — so muss ich deswegen weiter hier auf dieser Welt leben.

Der liebe XXX kam mich heute besuchen. Ich gab ihm etliche Nachrichten an Dich. Er sagte mir eine Sache, die mich beruhigte: Es solle meiner Mutter nie an etwas fehlen. Ich habe immer für ihren Lebensunterhalt gesorgt, und der Gedanke, dass sie Entbehrungen zu verkraften haben könnte, machte mich unglücklich. Was Dich betrifft (holder Junge, christusgleich Dein Herz), was Dich betrifft, bitte ich Dich, sobald Du alles Dir Mögliche getan hast, geh nach Italien, komm zur Ruhe und schreib diese liebreizenden Gedichte mit der Dir dabei eigenen, so sonderbaren Anmut. Halt Dich von England fern, egal, was man Dir sagt. Gäbe es auf Korfu oder einer verwunschenen Insel irgendwo eines Tages ein kleines Haus, wo wir zusammen leben könnten, oh, das Leben wäre süßer, als es je war! Deine Liebe hat breite Schwingen und ist stark, Deine Liebe dringt durch meine Zellengitter bis zu mir und tröstet mich, Deine Liebe ist das Licht all meiner Stunden. Ich weiß, Leute, die nicht wissen, was Liebe ist, werden schreiben, sobald sich das Los gegen uns wendet, ich hätte einen schlechten Einfluss auf Dein Leben gehabt. Sollten sie das, so schreib ihnen, entgegne ihnen, dass dem nicht so ist. Unsere Liebe war immer schön und immer edel, und sollte ich in einer entsetzlichen Tragödie am Ende der Dumme sein, dann deshalb, weil das Wesen dieser Liebe keiner verstanden hat. In Deinem Brief von heute Morgen sagst Du etwas, das mir Mut macht. Ich muss es mir merken. Du schreibst, es sei Dir und mir gegenüber meine Pflicht, trotz allem doch zu leben. Ich glaube, das stimmt. Ich werde es versuchen und will es tun. Unterrichte Du bitte Mr. Humphreys von Deinen Schritten, sodass er mir beim nächsten Besuch berichten kann, wo Du steckst. Ich glaube, Anwälte dürfen Häftlinge ziemlich oft besuchen. So könnte ich mich mit Dir austauschen.

Ich bin so froh, dass Du weggegangen bist! Ich weiß, was Dich das gekostet haben muss. Ich hätte Todesängste bei dem Gedanken gehabt, dass Du in England bist und vor Gericht Dein Name genannt wird. Ich hoffe, Du hast Ausgaben von all meinen Büchern. Meine wurden alle verkauft. Ich strecke Dir die Hände entgegen. Oh, möge ich leben, um Dein Haar und Deine Hände zu spüren. Ich glaube, Deine Liebe wird über mein Leben wachen. Sollte ich sterben, möchte ich, dass Du ein angenehmes, friedvolles Leben irgendwo führst, mit Blumen, Bildern, Büchern und viel, viel Arbeit. Versuch, bald von Dir hören zu lassen. Ich schreibe Dir diesen Brief mitten in einer gigantischen Qual — dieser lange Tag im Gericht hat mich völlig erschöpft. Liebster Junge, unter allen jungen Männern der süßeste, geliebteste und liebenswerteste. Oh, warte auf mich! Wart auf mich! Ich bin auch jetzt, so wie immer seit dem Tag, als wir uns trafen, sehnlichst und mit unsterblicher Liebe Dein

Oscar

An Lord Alfred Douglas

[? 2, Courtfield Gardens]

[Mai 1895]

Was Dich betrifft, so hast Du mir in der Vergangenheit die Schönheit des Lebens geschenkt und wirst das ebenso in Zukunft, so es eine Zukunft gibt. Deshalb werde ich Dir auf ewig dankbar dafür sein, dass Du mich stets mit Anbetung und Liebe erfüllt hast. Diese Freudentage waren unsere Morgenröte. Noch in Angst und Schmerz, in Kummer und Demütigung, fühle ich jetzt, dass mir meine Liebe zu Dir und Deine zu mir mein Leben bedeuten, göttliche Empfindungen, die mich alle Verbitterung erdulden lassen. Nie in meinem Leben war jemand lieber als Du, nie war eine Liebe größer, heiliger, schöner …

Lieber Junge, im Vergnügen oder im Gefängnis waren mir Du und der Gedanke an Dich alles. Oh! Behalte mich immer im Herzen — nie bist Du meinem fern. Ich denke viel mehr an Dich als an mich selbst, und quält mich auch manchmal der Gedanke an furchtbare, schändliche Leiden, der schlichte Gedanke an Dich reicht aus, mich zu stärken und meine Wunden zu heilen. Sollen allein Schicksal, Nemesis oder die ungerechten Götter die Schuld an allem haben, was passiert ist.

Jede große Liebe hat ihre Tragödie, und so jetzt auch unsere, doch Dich gekannt und mit so tiefer Hingabe geliebt zu haben, Dich eine Zeit lang in meinem Leben gehabt zu haben, die einzige Zeit, die ich für unvermindert wundervoll halte, das ist mir genug. Meiner Leidenschaft fehlen die Worte, aber Du kannst mich verstehen, nur Du. Unsere Seelen wurden füreinander geschaffen, und weil ich Deine kenne, da ich sie liebe, hat meine viele Übel überwunden, hat die Vollkommenheit verstanden und ist eingegangen ins göttliche Wesen der Dinge.

Schmerz, so er kommt, kann nicht ewig dauern; bestimmt werden Du und ich uns eines Tages wiedersehen, und mag dann mein Gesicht eine Kummermaske und mein Körper vor Einsamkeit ausgemergelt sein, Du, nur Du wirst die Seele wiedererkennen, die schöner ist, weil Deiner begegnet, die Seele des Künstlers, der in Dir sein Ideal fand, des Liebhabers der Schönheit, dem Du als ein makelloses und vollkommenes Wesen erschienst. Jetzt denke ich an Dich als einen Jungen mit goldenem Haar und Christi Herz in Dir. Ich weiß jetzt, wie viel größer als alles andere die Liebe ist. Du hast mich das göttliche Geheimnis der Welt gelehrt.

(Brief unvollständig erhalten.)

An Lord Alfred Douglas

[? 2, Courtfield Gardens]

[Mai 1895]

Mein Kind,

heute wurde darum ersucht, die Urteile einzeln zu verkünden. Taylor wird wahrscheinlich in diesem Moment verurteilt, sodass ich hierher zurückkommen konnte. Meine süße Rose, meine zarte Blume, meine Lilienlilie, ich werde womöglich im Gefängnis die Kraft der Liebe erkunden. Ich werde sehen, ob mir das bittere Wasser nicht süß wird durch die Heftigkeit der Dir entgegengebrachten Liebe. Ich habe Momente durchlebt, in denen ich dachte, klüger wäre, sich zu trennen. Ah! Momente von Schwäche und Irrsinn! Jetzt sehe ich, dass dies mein Leben verschandelt, meine Kunst ruiniert und die musikalischen Akkorde unterbrochen hätte, die eine vollkommene Seele ausmachen. Auch mit Schlamm bedeckt werde ich Dich preisen, aus den tiefsten Abgründen werde ich zu Dir schreien. In meiner Einsamkeit wirst Du bei mir sein. Ich bin entschlossen, nicht aufzubegehren, sondern durch Hingabe an die Liebe jeden Frevel hinzunehmen, meinen Körper entehren zu lassen, solange meine Seele stets das Bild von Dir bewahrt. Von Deinem seidigen Haar bis zu Deinen zarten Füßen bist Du die Vollkommenheit für mich. Vergnügen verbirgt die Liebe vor uns, Schmerz jedoch enthüllt sie in ihrem Wesen. O liebstes der Geschöpfe, sollte einer zu Dir kommen, verletzt von Stille und von Einsamkeit, entehrt, ein Gespött den Menschen — oh! Du kannst ihm die Wunden schließen, indem Du...

Erscheint lt. Verlag 23.10.2023
Nachwort Colm Tóibín
Übersetzer Mirko Bonné
Sprache deutsch
Original-Titel De Profundis and Other Prison Writings
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Gefängnis • Homosexualität • Kunst • Liebesbrief • Literatur
ISBN-10 3-446-29779-0 / 3446297790
ISBN-13 978-3-446-29779-1 / 9783446297791
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