5 Tage ohne (eBook)

Kapitel 2

Der Schwieger-Drachen

Hanna goss allen ein Gläschen Sekt ein, dann wurde das Essen beim Italiener bestellt und anschließend spielten wir zum Start eine Runde Karten. Ines mopperte sofort wieder los, als sie die ersten beiden Runden verlor, doch wir reagierten nicht auf ihre Meckereien, die erst endeten, als unser Essen geliefert wurde.

“ Anke? Bist du krank? Isst du heute nur einen Salat oder ist das eine Beilage und deine Pasta wird nachgeliefert? ” Ich staunte, denn unsere Freundin liebte und lebte das Essen in vollen Zügen.

“ Der Salat reicht mir heute. Hanna, kannst du mir bitte die Flasche Wasser reichen? ”

“ Ich glaube du bist doch krank. ” Jana schaute skeptisch. “ So kennt man dich gar nicht und Wasser an unserem Cocktailabend zählt nicht. Möchtest du wenigstens noch ein paar von meinen Teigbrötchen haben? ”

“ Nein Danke, der Salat reicht mir wirklich. ” Sie stocherte lustlos in ihrer Schale herum.

*

Satt und zufrieden startete unser Spieleabend in die zweite Runde und Jana, die immer einen Grund für ihren Durst fand, schob diesen diesmal auf die sehr pikant belegte Pizza. In solchen Situationen suchte sie immer jemanden, der mit ihr anstieß. Anke, die nicht so viel gegessen und sogar die Knabbersachen missachtete, hatte bereits nach dem zweiten Verdauungsschnaps einen kleinen Schwips. Beim Spiel Scrabble musste sie etwas länger überlegen, klatschte dann spontan in die Hände, legte das Wort Fasten aus und sah uns herausfordernd an. “ Stoppt mal eben das Spiel Mädels, ich glaube, das wird die Lösung meines Problems. ”

Ich schaute sie erschrocken an. “ Nanu? Was ist denn jetzt los? ”

Anke lachte hämisch auf. “ Was los ist? Wollt ihr das wirklich wissen? ”

“ Na sonst würden wir doch nicht fragen. ” Hanna drehte die Musik leiser, Ines zündete sich eine Zigarette an und Jana füllte schnell ihr Pinnchen. “ Na dann schieß los, ich bin ja froh, wenn nicht immer ich das Problem bin. Skål. ”

Anke holte kurz tief Luft. “ Eigentlich wollte ich ja nicht darüber sprechen und mir selbst einen schönen Abend gönnen, doch Worte können manchmal wie Dornen schön verletzend sein und deshalb müssen sie jetzt gezogen werden. Ich meine, dass mich meine bekloppte Schwiegermutter überhaupt noch verletzten kann, wundert mich zwar selbst, aber sie hat es mal wieder geschafft, dass ich mich über sie ärger. Dass Biest ist so gehässig, dass es dem Fass den Boden ausschlägt! ” Aha, daher wehte der Wind, dachte ich, wahrscheinlich war das auch der Grund, warum sie vorhin so schnell von Zuhause fortwollte.

“ Jetzt mal langsam und auch von Anfang an. Was hat Renate denn diesmal wieder vom Stapel gelassen? ”

Anke, unsere Gelegenheitsraucherin, bediente sich mit den Worten ´ich kauf dir neue` an meiner Schachtel und Hanna bat wacker um eine Geduldsminute um sich schnell neue Batterien in die Hörhilfe einzulegen, damit sie nichts verpasste.

Anke holte tief Luft. “ Ihr wisst doch, dass Peter und ich bald silberne Hochzeit haben, naja, nach Aussage meiner Schwiegermutter hat diese nur Peter, ich gehöre sowieso nicht dazu und heute, wie auch schon die letzten Wochenenden, ist das ihr absolutes Lieblingsthema. ”

“ Naja, darauf könnt ihr ja auch stolz sein ”, schob Hanna dazwischen.

“ Bin ich ja auch, aber die blöde Kuh gibt mir immer noch die Schuld, dass sie jetzt im Seniorenheim und nicht bei uns am Küchentisch sitzt. Ehrlich Mädels, das ist so ein verbitterter alter Drachen geworden. ”

Ich überlegte kurz. “ Geworden? Sie war doch immer schon anstrengend, oder nicht? Wenn ich mich recht erinnere, hat Renate doch nie wirklich zu dir gehalten, sondern immer nur zu ihrem Sohn. ”

Ines nickt zustimmend. “ So kenne ich die Geschichten auch. ”

“ Pssst, jetzt lasst Anke doch erstmal erzählen, es wird doch gerade spannend. ” Jana grinste, froh zu sehen, das auch andere Probleme hatten.

“ Egal was ich sage, Peter hält immer zu seiner Mutter. Er nimmt sie immer in Schutz und umgekehrt ist es genauso, da kann ich machen und sagen was ich will. Er spricht ihr total nach dem Mund. Koche ich sein Leibgericht, schmeckt in ihrem Beisein plötzlich alles nur fad, schlage ich mal einen Restaurantbesuch vor, stochert Madame, ähnlich wie ich gerade, gelangweilt in ihrem Essen herum, pflanze ich neue Blumen ein, werden die sowieso nicht angehen und bringe ich ihr Pflegeprodukte ins Heim vorbei, ist es garantiert die falsche Marke. Aber wisst ihr, mit allem kann ich mittlerweile leben und umgehen, denn Gott sei Dank kommt sie ja nur in der Regel samstags zu Besuch und da versuche ich ihr so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen, doch letztens hat die alte Schrulle den Bogen überspannt. Der gute Peter hat mal wieder sein bekanntes Pulled Pork zubereitet, als beim Essen mal wieder das Thema silberne Hochzeit von Renate aufkam. Ich stand direkt auf um noch eine Flasche Wein aus dem Keller zu holen, denn ohne eine kleine Betäubung hätte ich den Nachmittag nicht weiter ertragen und stieß genau wieder zu den beiden, als es um die Gästeliste ging. Peter, der genau wie ich, keine Feier, sondern eine gemeinsame Reise plante, schaute mich hilfesuchend an. Ich enthielt mich erst deren Unterhaltung und aß schweigend weiter, doch als meine Schwiegermutter, die ihrem Sohn die Feierlichkeiten selbstverständlich ausrichten möchte, anfing, einen Teil ihrer Heimbewohner einladen zu wollen und sogar schon eine Lokalität inklusive Menüplan reserviert hatte, verschluckte ich mich fast. Ich trat Peter unterm Tisch so fest vor seinem Schienbein, dass er vor Schreck und Schmerz hochsprang und seine Mutter beinahe einen Herzinfarkt bekam. Im Nachhinein eigentlich schade, dass das nicht klappte. ”

“ ANKE! ”

“ Ist doch wahr, Hanna, denn pass auf, jetzt kommt der Hammer. Als sich Renates Pulsschlag wieder beruhigte, verlangte sie doch tatsächlich von ihrem Sohn, dass er an seinem Ehrentag den Hochzeitsanzug von vor 25 Jahren anziehen müsste! Es sei eine Familientradition. Ich dachte ich hörte nicht richtig und sah den ungläubigen Blick meines Mannes. Ja, da habe ich dann doch etwas geschmunzelt, aber dann … ” Anke bekam feuchte Augen. “ Dann schaute mich das alte Biest zickig von oben bis unten an und zischte höhnisch `Tradition hin oder her, du wirst sowieso nicht mehr in dein Brautkleid passen. Ich verstehe gar nicht wie man sich so vernachlässigen kann, schau mich an, ich war immer schlank und rank wie eine Tanne und hätte mich nie gewagt, mich so hängen zulassen´. ”

Stille. Wir starrten Anke alle mit großen Augen an.

Das war wirklich unerhört. Ich reichte Anke zum Naseputzen meine Serviette. “ Und? Das hast du dir doch wohl nicht gefallen gelassen, oder? ”

“ Nein. Ich habe in diesem Moment zwar geschluckt, mir dann aber ganz ruhig und genüsslich eine Zigarette angezündet, dem Drachen den Rauch ins Gesicht geblasen und freundlich gefragt, was der Unterschied zwischen einer Zigarette und einer Schwiegermutter sei. ”

“ Erzähl! ” Ines war ganz weg.

“ Ganz einfach. Bei der Zigarette ist der erste Zug der Beste, bei der Schwiegermutter der letzte. ”

“ Richtig so, Anke. ” Jana sprang Händeklatschend auf. “ Hätte glatt von mir stammen können, alleine für deinen Spruch spendiere ich doch glatt noch ´ne Runde. ”

Jetzt musste Anke auch etwas grinsen. “ Anschließend kam ich richtig in Fahrt und es folgten noch so ein paar Sachen, die endlich mal gesagt werden mussten. Peter und Renate waren beide Mucksmäuschenstill, keiner wagte es, mich zu unterbrechen und am Ende meiner Durchsage bin ich zu Peter, habe meinen Arm um ihn gelegt und den Schwiegerdrachen direkt in die Augen geschaut.

´Aber weißt du was`, habe ich ihr dann noch gesagt, `ich würde deinen Peter glatt noch einmal heiraten, alleine schon, um dich zu ärgern`. ”

Wir schluckten. So kannten wir unsere Anke nicht, da musste es aber ganz schön in ihr gebrodelt haben.

Ines war sprachlos. Sie hatte zwar manchmal einen speziellen Mann an ihrer Seite, doch wenigstens nette Schwiegereltern und wollte die Geschichte jetzt noch zu Ende hören. “ Ja und dann? Wie hat dein Mann reagiert? Hat sich Peter wenigstens auf deine Seite gestellt und seine Mutter zum Gehen aufgefordert? ”

“ Leider nicht und deshalb war ich natürlich auch doppelt enttäuscht. Peter ist ein Mann wie ein Baum, aber nur äußerlich, innerlich hat er absolut keine Eier in der Hose. ” Anke nippte an ihrem Glas. “ Ich habe die beiden einfach draußen sitzen gelassen und wenn ich sage sitzen gelassen, dann meine ich es auch so, denn ich habe die Tür von innen versperrt, die Türschelle und das Handy abgestellt und die Rollos geschlossen. Erst wusste ich gar nicht, wie ich mich beruhigen konnte, ließ mir zum Entspannen ein Bad ein und machte es mir anschließend mit einer Tüte Chips im Bett gemütlich....