Das Wetter Buch für Text und Musik (eBook)

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2023 | 1. Auflage
384 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31263-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Wetter Buch für Text und Musik -
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Seit zehn Jahren zählt Das Wetter zu den aufregendsten und schillerndsten Printmagazinen des Landes. Von Anfang an feierte die Zeitschrift nicht nur den Pop, die Indie-Musikszene oder die lyrischen Qualitäten des Straßenraps, sondern auch die Literatur. Dieser Band versammelt das Beste aus den Heften, kombiniert mit großartigem, überraschendem neuen Exklusivmaterial.  Mit seinem stilbildenden, immer wieder Funken schlagenden Mix verschiedener Genres, Sounds und Künstler:innen wurde das Magazin schnell zu einem Darling des Undergrounds - und bald auch des Feuilletons. Bald war klar: Das Magazin ist nicht nur ein präziser Gradmesser für neue kulturelle Trends und gesellschaftliche Entwicklungen, sondern auch eine wichtige Plattform für neue, experimentelle und kontroverse Texte. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens feiert »Das Wetter Buch« die ganze Vielfalt des einzigartigen Kosmos, der in den ersten dreißig Ausgaben entstanden ist. Der Band versammelt dabei einige der wichtigsten und spannendsten Texte und Stimmen aus den bisherigen Heften sowie exklusiv für den Band entstandene Beiträge, und zeichnet so ein stilistisch wie inhaltlich maximal vielseitiges Bild unserer Gegenwart und Zukunft. »Es kann nur besser werden« ist seit der Gründung der Wahlspruch von Das Wetter - und so ist auch dieses Buch eines, das zwar die Vergangenheit stets im Blick behält, jedoch klar und hoffnungsvoll in die Zukunft blickt.

Sascha Ehlert ist Gründer und Chefredakteur von Das Wetter - Magazin für Text und Musik. Er hat von 2013 bis 2015 außerdem die HipHop-Zeitschrift JUICE geleitet sowie als freier Autor bereits unter anderem für die taz, die FAS, Spex, Nachtkritik und viele mehr geschrieben. Außerdem ist er eine:r von drei Verleger:innen des Korbinian Verlags.  Katharina Holzmann arbeitet seit Beginn von Das Wetter - Magazin für Text und Musik in der Redaktion des Magazins mit und ist Mitbegründerin und Verlegerin des Korbinian Verlags. Sie lebt in Berlin und arbeitet als freie Lektorin und Redakteurin für verschiedene Print- und Fernsehformate. 

Sascha Ehlert ist Gründer und Chefredakteur von Das Wetter – Magazin für Text und Musik. Er hat von 2013 bis 2015 außerdem die HipHop-Zeitschrift JUICE geleitet sowie als freier Autor bereits unter anderem für die taz, die FAS, Spex, Nachtkritik und viele mehr geschrieben. Außerdem ist er eine:r von drei Verleger:innen des Korbinian Verlags.  Katharina Holzmann arbeitet seit Beginn von Das Wetter – Magazin für Text und Musik in der Redaktion des Magazins mit und ist Mitbegründerin und Verlegerin des Korbinian Verlags. Sie lebt in Berlin und arbeitet als freie Lektorin und Redakteurin für verschiedene Print- und Fernsehformate. 

Inhaltsverzeichnis

Jan Kedves  ist Autor und Redakteur. Er schreibt viel über Pop, elektronische Musik, Mode-Phänomene und Queeres für die Süddeutsche Zeitung, hat aber lange als Redakteur für Musikmagazine wie Groove und Spex gearbeitet. Bei letzterer war er von 2010 bis 2012 auch Chefredakteur.

Jan Kedves

Ein Vorwort


Essay | 2023

Ein gedrucktes Magazin für Pop und Zeitgeist herausgeben? Nichts leichter als das! Dachte man zumindest früher, als die Anzeigengelder noch sprudelten aus den Budgets von Plattenfirmen, Konzertveranstaltern, Verlagen, Filmverleihen und anderen Kulturbetrieben. Sie alle waren darauf angewiesen, die Informationen, die sie an ihre Kundschaft bringen wollten, in passendem Umfeld auf Papier drucken zu lassen. Das Internet und Social-Media-Marketing waren noch nicht so weit. Die Verlagskassen klingelten also, oder zumindest deckte die Werbung Druck und Vertriebskosten. Und wenn sie nicht gestorben sind … dann gibt es heute Das Wetter.

Das Magazin, dessen Zehnjähriges in diesem Buch gefeiert wird und das entgegen aller Printmarktprognosen gedeiht und wächst, wurde von Sascha Ehlert zu einem Zeitpunkt gegründet, als bei den anderen längst das große Sterben eingesetzt hatte. Zwar sollen diese Zeilen hier mit wenig »früher dies, früher das« auskommen, immerhin ist das Jubiläum von Das Wetter ja ein erfreulicher Anlass, trotzdem müssen wir zu Beginn eine kurze Runde über den Friedhof der deutschen Pop- und Kulturhefte drehen: Spex (1980–2018), Intro (1992–2018), De:Bug (1997–2014), Juice (1997–2022) und viele andere gibt es nicht mehr, noch dazu jene, die sich zwar nicht dezidiert Musik widmeten, aber doch kultureller Jetztzeit-Erfassung, etwa Block Magazin (2014–2018) und Die Epilog (2013–2023).

Für ihr Sterben werden tausend verschiedene Gründe genannt, wobei dieser eine Grund immer dazugehört: das Internet. Weil es die Werbegelder ansauge, habe das Internet Printjournalismus wirtschaftlich schwierig bis unmöglich gemacht, heißt es. Das Wetter aber hat einen treuen Abonnent*innenstamm und Anzeigenkund*innen und läuft nicht trotz, sondern gerade wegen des Internets so gut. Das ist jedenfalls meine These, über die wir im März 2023 im Schwarzen Café in Berlin-Charlottenburg sprechen: Sascha Ehlert, Chefredakteur und Herausgeber, Katharina Holzmann, Lektorin und Leiterin des Das-Wetter-Literaturressorts, und ich. Es ist nicht unsere erste Begegnung, ich besuchte schon einmal 2018 die Redaktion zum Fünfjährigen, um für die Medienseite der SZ ein Porträt über das Magazin zu schreiben. Solche Storys mag man ja in großen Zeitungen gern: Wie ein antizyklisch gegründetes Printheft »für Text & Musik«, so die Unterzeile auf den Covern, sich ohne großes Finanzbacking oder fette Erbschaften im Hintergrund behaupten kann, während drumherum fast alles den Bach runtergeht.

Aber zurück zur These: Das Wetter hebt sich dadurch hervor, dass es ein Langstreckenmagazin für die Offline-Zeit ist. Die Redaktion entschied von Anfang an, auf alle kleinteiligen Textformate zu verzichten, die man früher noch in ein Magazin druckte, von denen aber spätestens zu Beginn der Zehnerjahre klar war, dass sie im Internet besser aufgehoben sind als auf Papier. Printmagazine, die vor Das Wetter gegründet wurden, halten bis heute oft an ihnen fest – aus Gewohnheit, oder weil sie mental in analogen Zeiten feststecken, oder weil die wenigen verbliebenen Anzeigenkunden es so wollen. Im Wetter aber gibt es weder einen Vermischtes-Teil noch Rezensionen noch einen Serviceteil mit Terminlisten oder Event-Tipps – ich finde das wahnsinnig angenehm, denn das Heft wirkt dadurch großzügig und entschleunigt. Ehlert, der sich im Schwarzen Café Assam-Tee bestellt hat, sagt dazu: »Ich fand die Kleinteiligkeit in Printmagazinen und den Versuch der Redaktionen, alles abzudecken und sogar News zu machen, nicht mehr zeitgemäß. Zehn Jahre später, im Zeitalter von Instagram und TikTok, zeigt sich das ja noch viel mehr als richtige Entscheidung, auf Papier zu setzen als Alternative zu dem ganzen schnelllebigen Content.« Holzmann, die Kakao ohne Extra-Zucker trinkt, ergänzt: »Wir dachten, dass Rezensionen im Wetter nichts bringen, weil man die ja immer schon woanders konsumieren kann, vor allem im Internet. Und weil man ihnen meist anmerkt, dass es da um Marketing geht. Das fanden wir doof und unangenehm, und wir haben gesagt: Unsere Inhalte brauchen immer einen Storytelling-Mehrwert.«

Dieser Storytelling-Mehrwert – oft erstrecken sich die Beiträge über sechs, acht, zehn, zwölf Seiten – erfordert von den Musiker*innen, Künstler*innen, Schauspieler*innen und anderen Kulturschaffenden, die interviewt und porträtiert werden, dass sie sich Zeit nehmen. Die Das-Wetter-Autor*innen kommen nämlich mit zur Tattoo-Session, zum Waldspaziergang, sie klingeln an der Wohnungstür und gehen dann nicht mehr, sie saufen die ganze Nacht mit durch. Das heißt, es gibt im Wetter keine dieser 15-Minuten-Standard-Promo-Interviews aus Hotelzimmern zu lesen, die man aus anderen Heften zu Genüge kennt. Anzeigen verkauft die Redaktion trotzdem, nicht wahnsinnig viele, aber immerhin: Theater, Kunst, Streetwear, Fashion. Zehn Prozent Werbung, neunzig Prozent Inhalt, so ungefähr ist das Verhältnis. Das Verhältnis zwischen Schreibenden und Beschriebenen ist derweil oft innig. Man ist per Du, steigt mit »Hey, wie geht’s?« ins Interview ein, erinnert sich daran, wie es war, als man sich das erste Mal traf.

Man könnte das auch maximal unjournalistisch finden, im Sinne von: distanzlos. Mir scheint es nur ehrlich. Sonst kommt es im deutschsprachigen Kulturjournalismus jedenfalls auch häufiger vor, dass Personen, von denen man weiß, dass sie entweder gut befreundet sind oder im Borchardt, im Grill Royal, in der Paris Bar oder im Schumann’s schon x-mal beim Dinner zusammengesessen haben, sich plötzlich wieder ganz förmlich siezen, wenn die eine Person die andere für ein Magazin oder eine Zeitung trifft. Als ließe sich so der gebotene journalistische Abstand einfach wiederherstellen. Die Betonung des Subjektiven im Wetter durch das Du im Gespräch und das Ich in Texten ist meinem Verständnis nach eine Maßnahme, so eine Simulation von Objektivität gar nicht erst zu versuchen. Abgesehen davon verabschiedet die Redaktion mit den Dus und Ichs etwas, das sich »Gatekeeperismus« nennen ließe. Ein Relikt der analogen Zeit.

Was ich damit meine: Früher, in Zeiten vor Social Media, mochte man in der Redaktion eines Kulturmagazins noch dem Phantasma anhängen, man sei allein zuständig dafür, aus der Flut der Promo-Zusendungen und Vorabinformationen, die einem von verschiedenen Akteur*innen des Betriebs (Labels, Museen, Galerien, Filmproduktionen usw.) zugespielt wurden, einen verbindlichen Kanon an neuen Platten, Büchern, Filmen und so weiter für die Leser*innenschaft zu destillieren. Man verwaltete, so wurde das hier und da auch genannt, das »coole Wissen«, das ein Herrschaftswissen war. Man entschied, was man von diesem Wissen an die Leserschaft vermitteln wollte und was nicht. Dieses Modell des Kulturjournalismus wurde aber spätestens 2013, im Jahr der Gründung von Das Wetter, hart auf die Probe gestellt, als Beyoncé ihr Album Beyoncé ohne jegliche Ankündigung und vorige Presse-Einbindung veröffentlichte. Surprise release nennt man so etwas seitdem, ermöglicht wird es durch die digitalen Streaming-Plattformen, auf denen ein neues Werk von der einen auf die andere Sekunde global verfügbar sein kann. Der Kulturjournalismus, der früher wochen- bis monatelange Sperrfristen einhalten musste, zugleich aber deren Nutznießer war (weil so eben genug Zeit blieb, all diese schönen, großen Texte zur Diskursbestimmung zu verfassen), ist seitdem nicht mehr derselbe.

Der Gatekeeperismus wählt meist das »man« als angeblich neutrale, sachliche Schreibperspektive: »Diese fünf neuen Alben muss man gehört haben«, und so weiter. Im englischsprachigen Kulturjournalismus ist hingegen das »I«, die Ich-Perspektive, gar nicht so unüblich. Das Wetter scheint sich hier eine Scheibe abzuschneiden, was mir in der digitalisierten Welt, in der zwar nicht alle, aber doch sehr viele Menschen zeitgleich auf dieselben neuen Informationen zugreifen können, als die ehrlichere Schreibperspektive erscheint. Abgesehen davon ist das »man« ja auch oft eine totale Anmaßung, oder: nur eine schlechte Tarnung für ganz individuelle Ressentiments – etwa dieser Art: »Trifonov spielt, das muss man ab und an mal sagen, in einer völlig anderen Liga als Levit.« Das steht dann gedruckt in einer Zeitung, wenn der Autor den Pianisten Igor Levit schlicht nicht leiden kann, aber er traut sich nicht, »Ich« zu schreiben. Vielleicht soll er auch gar nicht Ich schreiben, weil sich das in einer großen Zeitung oder einem großen Magazin nicht gehört. In Das Wetter aber gehört es sich.

Zugleich ist Das Wetter aber ein Magazin für Text, und das schließt Literatur explizit mit ein, sodass man vermuten muss, dass die vielen Ichs auf den Seiten sicher nicht immer hundertprozentig authentische Journalist*innen-Ichs, sondern dass es mehr oder weniger literarisierte Ichs sind, möglicherweise sogar mit autofiktionalen Anteilen. Das gehört zum Reiz mit dazu. Hier wird vielleicht noch etwas von dem Spannungsverhältnis deutlich, aus dem heraus Das Wetter...

Erscheint lt. Verlag 7.9.2023
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Bilderbuch (Band) • Casper • Drangsal • Ebow • Indie • Jella Haase • Jubiläum • Lyrik • Magazin-Kolumne • Maurice Ernst • Pop • Popkultur • Printmagazin • Straßenrap • Theater • Trend • Wetter • @wetteristimmer
ISBN-10 3-462-31263-4 / 3462312634
ISBN-13 978-3-462-31263-8 / 9783462312638
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