Liebesrausch & Bettgeflüster -  Claudia von Trausnitz,  Charlie Winter,  Detlev Zesny,  Paul-Ludwig Wust,  Maximillian Wust,  Mag. Doris

Liebesrausch & Bettgeflüster (eBook)

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2023 | 1. Auflage
200 Seiten
Elysion Books (Verlag)
978-3-96000-263-5 (ISBN)
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In dieser Anthologie versammeln wir die schönsten Geschichten rund um gute Nächte, sinnliche Träume, rauschhafte Liebeswünsche und verführerische Abwechslung im Bett. Zum Allein-Lesen, zu Zweit genießen oder zu Dritt vernaschen

2 Die Welt explodiert, wenn man etwas Verrücktes tut


Charlie Winter

 

Es ist laut, stickig und diese unvergleichliche Spannung liegt in der Luft. Diese ganz besondere Atmosphäre zwischen Kontrolle und Ekstase, zwischen sich gehen lassen und vernünftig bleiben, zwischen spielen und es nicht übertreiben. Die Bässe wummern, lassen den Boden unter den hunderten Tanzwütigen zusätzlich vibrieren. Lichteffekte surren über die Köpfe hinweg, Laser formen abstrakte Figuren und Strobos flackern im Einklang mit der Musik.

Mit jeder Stunde, die vergeht, mit jedem weiteren Song, mit jeder auf der Tanzfläche verbrachten Minute, wachsen die Anwesenden mehr zusammen. Körper an Körper, dicht an dicht, Haut an Haut; die Tanzenden bilden eine Einheit. Eine homogene Masse, geformt durch Licht, Sound und dieser einzigartigen Stimmung, die man nur in einem vollen Club an einem Freitagabend findet. Der Stress der Woche fällt langsam ab und die Freizeit öffnet ihre Arme und empfängt einen mit breitem Grinsen.

Julia schließt einen Moment die Augen und saugt alles in sich auf: die Musik, den Geruch nach Alkohol, Zucker und Parfum, die Körper um sie herum, die sie immer wieder berühren. Magisch und einzigartig.

Ein Umstand, den man im normalen Leben eher nicht duldet, sogar eher unterbinden würde, genießt man hier und lässt sich davon treiben. Sie war noch nie eine ausgesprochene Partygängerin, keine die man jedes oder jedes zweite Wochenende in einem Club findet. Und wahrscheinlich ist das auch einer der Gründe, warum sie das alles mit ihren »schon« 26 Jahren immer noch in ihren Bann zieht.

Und wahrscheinlich ist auch ihr Job ein Grund.

Bestimmt sogar.

Trotz der Anonymität gehört man hier zusammen. Hier fügt man sich in die Masse ein oder findet sich mit einem einzelnen Tänzer zusammen und fühlt sich dadurch zugehörig, entspannt. Man ist eins mit der Umgebung, der Situation. Auf Arbeit wird von ihr erwartet, dass sie mit jemanden zusammenarbeitet in dessen Gegenwart sie sich unwohl und eingeschränkt fühlt …

Julia stöhnt, aber nicht vor Freude. Es ist ein genervtes Fruststöhnen. Sie öffnet die Augen und die Magie ist weg. Als wäre der Filter aufgehoben, erstrahlt plötzlich alles in einem anderen Licht. Der Club und die Menschen fühlen sich nicht mehr gut an; eher zu viel, zu stickig, zu voll, zu laut.

Und das alles wegen der Arbeit. Nein, eigentlich eher wegen ihm!

Nicht mehr im Flow der Masse wird die junge Frau von allen Seiten angerempelt. Wie ein Fremdkörper wird sie hin- und hergeschoben. Sie ist kein Teil mehr vom Rest, gehört nicht mehr dazu. Die Nacht hat sich für sie wieder verschlossen und sie allein in der Masse zurückgelassen.

Die junge Frau bahnt sich einen Weg zum Rand Tanzfläche. Mehr als einmal kommt ihr ein Fluch über die Lippen, als sie unsanft beinahe von den Füßen gerissen wird. Aber ihre Worte gehen in Bass und Licht ungehört unter.

Kurz bevor sie aus der feiernden Meute heraus ist, streicht plötzlich eine Hand über ihre Hüfte. Sie ist seit über einer Stunde hier und wurde reichlich berührt während des Tanzens, trotzdem durchfährt Julia, ohne, dass sie genau versteht warum, ein Schauer.

Diese Berührung, kurz und flüchtig, ist komplett anders wie alle anderen zuvor.

Sie fühlt sich persönlich an, sie fühlt sich an, wie die Bitte zu bleiben.

Schnell wirbelt sie herum. Ihre braunen Augen versuchen, in der Mischung aus Dunkelheit und bunten Lichtern zu erkennen, wer das gewesen sein könnte. Menschen, Musik, nichts Auffälliges, nichts hebt sich von der Masse ab.

Julia spürt das typische kurze Ziehen in ihrem Nacken, wenn sich ihre Unsicherheit meldet.

Sie ist eine gestandene Frau, weiß, was sie kann und was sie will. In ihrer Teenagerzeit war das eher nicht so. Da hat sie ständig gezweifelt, vor allem und überhaupt, an sich selbst. Und durch diese Zweifel ist sie immer unsicherer geworden, und dadurch immer ängstlicher, bis sie sich schließlich gar nichts mehr zugetraut hat. Mit Hilfe ihres Vaters hat sie an sich gearbeitet, hat Selbstvertrauen und -wertgefühl aufgebaut; aber der alte Schaden ließ sich nie ganz beheben. Wie ein Geist begleitet er sie immer noch, gut versteckt, aber immer präsent.

Und seit einigen Monaten vermehrt sich dieses Problem wieder exponentiell und der Geist gewinnt an Macht über sie. Dieses unangenehme Gefühl, nicht gut genug zu sein, ständig Fehler zu machen und irgendwie im Weg zu sein. Seit er in ihr Arbeitsleben getreten ist, fühlt sie sich wieder wie ihr altes Teenager-Ich; unsicher und ängstlich.

»Boah«, murrt Julia vor sich hin. Wieder versaut er ihr den Moment. Wieder spukt er in ihrem Kopf herum, obwohl sie doch genau für das Gegenteil hierhergekommen ist. Sie hat extra ihre beste Freundin und Kollegin mobilisiert um heute, seit Monaten mal wieder, einen geilen Abend zu verbringen und dann das! Erst sagte Christina kurzfristig ab, weil sie eine Schicht im Krankenhaus übernehmen musste und nun beherrscht er auch noch ihre Gedanken, obwohl sie doch heute ausgelassen sein will.

Nicht an ihn denken will.

Sich nicht den Kopf über ihn und sein unsägliches Verhalten zerbrechen will.

Noch einmal lässt die schwarzhaarige Frau ihren Blick über die Menge schweifen, versucht, denjenigen auszumachen der sie so seltsam berührt hat.

So intim, ohne intim zu sein.

Einen kurzen Augenblick hat sie das Gefühl, dass sie jemand aus dem Schutz der Masse heraus ansieht. Zwei Augen die ihr bekannt vorkommen. Doch als sie sich darauf konzentriert sind sie weg.

Genervt und verwirrt pustet sich Julia eine Strähne aus dem Gesicht. Eine hübsche Hochsteckfrisur ist zwar gut, um den Nacken freizuhalten und wilden Fitz zu verhindern, aber ihre lockige lange Mähne lässt sich nur bedingt zum Halten bringen. Auf Arbeit hat sie es da einfacher; ein Dutt und fertig. Ja, den muss sie auch jede Stunde neu machen, damit er ordentlich aussieht, aber darin hat sie auch die dementsprechende Übung. Heute wollte sie etwas Anderes.

Etwas Schönes, um sich schön zu fühlen.

Doch Pustekuchen!

Der Abend hatte gut begonnen. Sie hatte sich einen Cocktail gegönnt, um anzukommen. Hat getanzt und getanzt. Hat hier und da ein wenig geflirtet. Hat sich in die Nacht und die Feiernden eingefügt wie ein lang vermisstes Puzzleteil.

Alles war perfekt.

Bis zu dem Augenblick als sie wieder an ihn gedacht hat.

Er, ihr neuer Kollege und Grund für viele schlaflose Nächte.

Vor einigen Monaten ist er als Chirurg in die Notaufnahme gekommen, in der Julia arbeitet. Mit Fanfaren und Trompeten, zumindest symbolisch. Ein herausragender Arzt, mit exzellentem Ruf – aber auch dem geflüsterten Hinweis darauf, dass er sehr fordernd und perfektionistisch ist.

Die junge Frau, als eine der besten Krankenschwestern, wurde ihm »zugeteilt«. Julia erinnert sich noch, wie ihr alle gesagt haben was das für eine Chance wäre, was sie für ein Glück hätte, wie viel sie lernen könnte …

Man konnte sich streiten, ob es ein Privileg oder eine Strafe war mit ihm zu arbeiten. Nach wenigen Wochen hatte sie ihre eigene Meinung dazu.

Der Mann schafft es, sie ständig aus dem Konzept zu bringen, arbeitet nie nach den gängigen Methoden und Protokollen und das sorgt für Reibereien zwischen ihnen. Sie selbst hält sich gern an den üblichen Weg, das gibt ihr Sicherheit und die braucht sie einfach. Seiner oft chaotisch anmutenden Struktur bringt sie einfach kein Vertrauen entgegen, genau wie dem Mann selbst – egal wie erfolgreich das Ganze am Ende immer ist.

Natürlich hat sie viel Neues gelernt und irgendwo ganz hinten in ihrem Kopf hofft sie, dass er sie nicht aus Böswilligkeit quält, sondern einfach um ihr vielleicht zu helfen? Sie zu fördern? Sie besser zu machen?

Aber sicher ist sie sich nicht. Wenn sie ihn mit anderen Kollegen in Gesprächen sieht, wirkt er nett und schelmisch; ein Kerl, den man durchaus interessant und anziehend finden kann. Wenn sie selbst mit ihm zusammenarbeitet, wirkt er mürrisch und genervt; ein Kerl, dem man nicht im Dunkeln begegnen will.

Sie weiß einfach nicht, woran sie bei ihm ist; und will es vielleicht auch gar nicht wissen. Allgemein gibt es ihr bei der Zusammenarbeit mit ihm zu viele »Vielleichts«, auf zu vielen Ebenen.

Und »Vielleichts« machen sie nun mal nervös und unsicher. Und wenn sie unsicher und nervös wird, wird er noch mürrischer und genervter, was sie wiederum noch mehr verunsichert ... Ein Teufelskreis ...

Die junge Frau dreht sich wieder um, um den Tanzbereich zu verlassen. Ihr reicht es offensichtlich und ihre angespannte Haltung transportiert das überdeutlich nach außen. Unerwartet legt sich eine Hand auf ihre Nierengegend, mit der gleichen Intimität und Sanftheit wie sie vorhin ihre Hüfte gestreift hat. Elektrisiert hält sie inne, aber auch das Ziehen in ihrem Nacken ist sofort wieder da.

Bestimmt, aber dennoch weich, wandert die Hand über ihre Taille nach vorn, um in der Nähe ihres Bauchnabels zu stoppen. Mit ein wenig Druck fordert er, den die Hand gehört definitiv einem Mann, Julia, rückwärts wieder mit auf die Tanzfläche zukommen.

Sie braucht einige Sekunden, um sich zu entscheiden; und die Hand lässt ihr die Zeit, drängt sie nicht, sondern wartet.

Ihr fällt wieder ein, was Christina ihr am Telefon gesagt hat, als sie ihr die Hiobsbotschaft überbrachte, dass sie nicht mitkommt heute. »Mach doch einfach mal was Verrücktes; du wirst sehen, dass die Welt davon nicht untergeht, sondern, dass sie bunter wird.«

»Oder sie explodiert...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-96000-263-7 / 3960002637
ISBN-13 978-3-96000-263-5 / 9783960002635
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