Die Bibliothek der sieben Meere (eBook)
256 Seiten
mareverlag
978-3-86648-830-4 (ISBN)
Alexander Pechmann, geboren 1968 in Wien, arbeitet als Übersetzer und Herausgeber klassischer englischer und amerikanischer Literatur. Er ist Autor mehrerer Sachbücher und Romane, darunter »Sieben Lichter« (2017), »Die Nebelkrähe« (2019), »Die zehnte Muse« (2020) und »Im Jahr des schwarzen Regens« (2021). Seine zahlreichen Klassiker-Erst- und Neuübersetzungen werden vom Publikum hoch geschätzt und von der Presse gepriesen.
Alexander Pechmann, geboren 1968 in Wien, arbeitet als Übersetzer und Herausgeber klassischer englischer und amerikanischer Literatur. Er ist Autor mehrerer Sachbücher und Romane, darunter »Sieben Lichter« (2017), »Die Nebelkrähe« (2019), »Die zehnte Muse« (2020) und »Im Jahr des schwarzen Regens« (2021). Seine zahlreichen Klassiker-Erst- und Neuübersetzungen werden vom Publikum hoch geschätzt und von der Presse gepriesen.
Prolog
I. Das Meer der Mythen
II. Das Meer des Unbekannten
III. Das Meer der Abenteuer
IV. Das Meer der Arbeit
V. Das Meer des Unheils
VI. Das Meer der Angst
VII. Das Meer der Leidenschaft
Epilog
Sindbads Schatzinseln
Sindbad der Seefahrer, eine der berühmtesten Figuren der orientalischen Literatur, ist in mancher Hinsicht ein Nachfahre des alten Helden Odysseus. Seine sieben Reisen führen ebenfalls zu fantastischen Ländern und entlegenen Inseln, wo er wilde Abenteuer mit allerlei Monstern, Riesen und Kannibalen bestehen muss und alle Prüfungen mit List und Verstand meistert. Sindbads Begegnung mit den Riesen während seiner dritten Reise ist der Episode um den Zyklopen Polyphem so auffallend ähnlich, dass Homers Odyssee dem anonymen Autor als Vorlage gedient haben muss, obwohl Homer nie ins Arabische übertragen wurde und die Riesen ein wenig anders aussehen: »Dann kam von der Zinne der Burg ein riesenhaftes Geschöpf auf uns herabgestiegen; es war einem Menschen ähnlich, doch von schwarzer Farbe und von ungeheurem Wuchs, etwa einer großen Dattelpalme gleich; seine Augen waren wie glühende Kohlen, seine Augenzähne wie die Hauer eines Ebers, und sein Maul war weit und tief wie der Schacht eines Brunnens. Ferner hatte er lange, hängende Lippen wie ein Kamel, die fielen ihm bis auf die Brust herab, und Ohren wie zwei Barken, die ihm über die Schulterblätter hingen; und die Nägel seiner Hände waren den Krallen des Löwen gleich.« Dieses Ungeheuer, das einige Schiffskameraden Sindbads schnappt, über dem Feuer röstet und verspeist, wird schließlich – wie sein älterer Kollege Polyphem – besiegt, indem man ihm glühende Spieße in die Augen stößt. Doch während Odysseus’ Sieg über Polyphem den Zorn der Götter heraufbeschwört und zum Auslöser seiner weiteren Irrfahrten wird, bleibt Sindbads Abenteuer nur eine Episode von vielen, die vornehmlich dazu dienen, seine Geschicklichkeit zu beweisen, ohne ihm weitere tragische Verstrickungen aufzubürden.
In der Rahmengeschichte wird bereits deutlich, dass weltliche Anliegen in den Vordergrund rücken und kosmische Mächte eine untergeordnete Rolle spielen, auch wenn hin und wieder Allah, der Allbarmherzige, um Beistand gebeten wird. So erzählt ein reicher Kaufmann namens Sindbad einem gleichnamigen armen Lastenträger, wie er zu seinem Wohlstand gekommen ist. Die Geschichten könnten auch anschauliche Beispiele eines Ratgebers für arabische Kaufleute sein, denn sie zeigen vor allem, wie man mittels Klugheit, Wagemut und Entschlossenheit den Weg zum Erfolg ebnet. Mit anderen Worten: wie man in fernen Ländern Schiffbruch erleidet, gegen Kannibalen und wilde Kreaturen kämpft und am Ende nicht nur mit heiler Haut davonkommt, sondern auch noch mit vollen Taschen heimkehrt.
Die Geschichte der sieben Reisen Sindbads bilden einen eigenen Erzählzyklus, der nur in der europäischen Wahrnehmung zu den Märchen aus Tausendundeiner Nacht gehört. Eigentlich handelt es sich um ein separates Buch, das später von Antoine Galland in seine zwölfbändige, zwischen 1704 und 1717 veröffentlichte Übersetzung der Märchensammlung eingefügt wurde.
Galland gilt als Entdecker der orientalischen Erzählkunst und wird zuweilen auch als ihr Erfinder bezeichnet, da er die Originaltexte nicht nur übersetzte, sondern auch nach eigenem Ermessen ergänzte, überarbeitete und an europäische Lesegewohnheiten anpasste. Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen, entdeckte jedoch schon in jungen Jahren eine Vorliebe für das klassische Griechisch und Latein und studierte in Paris. Dort weckte seine besondere Sprachbegabung die Aufmerksamkeit des französischen Botschafters Marquis de Nointel, der 1670 beschloss, Galland als Dolmetscher an den Hof des osmanisch-türkischen Sultans mitzunehmen. Der junge Mann nutzte den fünfjährigen Aufenthalt, um Türkisch, Neugriechisch, Arabisch und Persisch zu lernen. Er suchte für den Botschafter seltene Handschriften und Kunstgegenstände und sammelte bei weiteren Reisen Kuriositäten für den König von Frankreich. Früh begann er, sich für Märchen und Folklore zu interessieren, veröffentlichte ein Buch mit indischen Geschichten und Fabeln, ein Werk über den Ursprung des Kaffees und eine Sammlung mit »bemerkenswerten Aussprüchen« der Orientalen. Von 1692 an arbeitete er mit Barthélemy d’Herbelot an der Bibliothèque orientale, einem umfassenden Lexikon der Völker des Orients, ihrer Geschichte und Kultur, ihrer Weisheit und ihres Humors, gespickt mit Anekdoten aus arabischen, türkischen und persischen Chroniken. Zugleich Nachschlagewerk und vergnügliches Lesebuch, bildete es den Grundstein der europäischen Orientalistik.
Während Galland für die Bibliothèque orientale recherchierte, fiel ihm eine alte Handschrift des Erzählzyklus um Sindbad den Seefahrer in die Hände, den er übersetzte und 1701 mit großem Erfolg veröffentlichte. Eine spanische Übersetzung war bereits im Jahr 1253 erschienen, ohne im übrigen Europa Verbreitung zu finden. Das arabische Original stammt vermutlich aus dem frühen 9. Jahrhundert und ist älter als das älteste erhaltene Fragment der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Der Ursprung Sindbads liegt also nicht in diesen beliebten Märchen, sondern in einem anderen Genre der mittelalterlichen islamischen Literatur, der sogenannten »Wunderbücher«. Diese sonderbaren, heute fast unbekannten Werke plünderten Reiseberichte, historische Chroniken, Überlieferungen aus der griechischen und römischen Antike und stellten Sammlungen über Adscha’ib (»Wunder«) zusammen: seltsame Phänomene aus aller Welt, Ungeheuer, Kuriositäten, gespenstische Erscheinungen, verrückte Abenteuer und fantastische Irrfahrten. Man machte keinen Unterschied zwischen Legenden und geschichtlichen Tatsachen. Oft versuchte man, die Glaubwürdigkeit der Schilderungen zu unterstreichen, indem man eine bestimmte Person namentlich als zuverlässige Quelle anführte. Zuweilen scheint sich aber auch eine gewisse Ironie eingeschlichen zu haben, wie in der folgenden Einführung: »Der Kapitän Abu’z-Zahr el-Barchati erzählte mir die folgende Geschichte von ibn-Enschartu, einem seiner Onkel von Seiten der Mutter, der sie wiederum aus dem Munde seines Vaters hatte.« Das klingt schon einmal äußerst vertrauenswürdig, nicht wahr? Der Autor berichtet daraufhin von einer Insel, auf der Menschen mit Fischen verkehrten und eine neue Spezies von Fischmenschen zeugten, die an Land und im Meer gleichermaßen heimisch sind. Es handelt sich eigentlich um reinstes Seemannsgarn, präsentiert von Buzurg ibn Schahriyar (»Bozorg« in der deutschen Erstübersetzung), einem arabischen Kapitän und Kartografen, der alles Sonderbare und Bemerkenswerte aufschrieb, was seine Schiffskameraden und andere Seeleute in fernen Ländern aufgeschnappt hatten. Sein Buch Die Wunder Indiens (Adscha’ib el-Hind) wird immer wieder als Quelle für Sindbads Abenteuer genannt, stammt jedoch vermutlich aus einer späteren Epoche, aus dem 10. Jahrhundert, und beschränkt sich keineswegs auf Indiens Sehenswürdigkeiten. Die Gerüchte und Geschichten stammen aus aller Welt, auch aus Persien, China und Afrika. Buzurg ist vermutlich ein Pseudonym, doch seine maritimen Anekdoten sind keine Produkte einer überspannten Fantasie, sondern Nacherzählungen von alten bis uralten Überlieferungen, wie man sie sich vor rund tausend Jahren während der langen Nachtwachen auf arabischen Handelsschiffen erzählte. Und aus solchen, über Generationen mündlich weitergegebenen Geschichten mögen tatsächlich die fantastischen Erlebnisse Sindbads auf seinen sieben Reisen entstanden sein.
Die Wunder Indiens ist nie vollständig ins Deutsche übersetzt worden, 1883 erschien eine zweisprachige, französisch-arabische Ausgabe in Leiden, 1928 eine darauf basierende englische. Die kleine Auswahl, die 1949 auf Deutsch veröffentlicht und zu Unrecht rasch vergessen wurde, enthält jedoch etliche auffällige Parallelen zu den beliebten Sindbad-Geschichten. Sindbads erste Reise führt zu einer Insel, die sich als Rücken eines riesigen Fisches erweist. Buzurg erwähnt eine Insel, die sich als Panzer einer Schildkröte herausstellt. Auf der zweiten Reise begegnet Sindbad dem Riesenvogel Roch, und auch Buzurg weiß einiges über vergleichbar großes Federvieh zu berichten. Ebenso über Kannibalen und Schlangen, gegen die Sindbad auf seiner dritten Reise heldenhaft antritt. Schiffbrüche in fernen Ländern, wie Sindbad sie immer wieder erleiden muss, sind bei Buzurg ein häufiges Thema, und er spricht auch gern von gewaltigen Schätzen und Kostbarkeiten, die von wagemutigen Reisenden entdeckt wurden oder noch auf einen Entdecker warteten.
In Die Wunder Indiens wird darüber spekuliert, wie bestimmte Tierarten entstanden sind. Der Elefant, so heißt es, sei das Ergebnis einer Vermählung von Schwein und Büffel, der Affe sei aus einer Kreuzung von Mensch und Hyäne hervorgegangen, und...
Erscheint lt. Verlag | 26.9.2023 |
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Illustrationen | Orlando Hoetzel |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Abenteurer • Der Fliegende Holländer • Entdecker • Geisterschiff • Klassiker • klassische Literatur • Literatur • Matrosen • Moby Dick • Odysseus • Piraten • Robinsonaden • Schatzsucher • Schiffbruch • Seehelden • Seemann • Seeungeheuer • Vor dem Mast • Walfänger |
ISBN-10 | 3-86648-830-0 / 3866488300 |
ISBN-13 | 978-3-86648-830-4 / 9783866488304 |
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