Dorian Hunter 124 (eBook)

Das zweite Gesicht

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5085-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 124 - Neal Davenport
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Kurz vor dem Einbruch der Dämmerung hörte Agni einen durchdringenden Schrei. Der Dämon hob den Kopf, und seine Ohren spitzten sich. Sein rosiges Gesicht begann zu leuchten. Es glühte jetzt dunkelrot, und seine Augen schienen aus Flammen zu bestehen.
Ein Opfer war in eine seiner zahlreichen Fallen getaumelt. Er durfte keinen Augenblick Zeit verlieren. Blitzschnell verließ er die riesige Höhle, trat ins Freie und hob lauschend den Kopf.
Wieder war der entsetzliche Schrei zu hören. Agni wandte sich nach links, übersprang einen Steinhaufen und eilte eine steil in die Tiefe führende Felsplatte hinunter.
Im schwindenden Licht der Sonne sahen die Bergwände bizarr und fast unwirklich aus. In dieses einsame Gebiet des Himalaja verirrte sich nur selten jemand. Die verborgenen Täler in Kaschmir waren Agnis Reich ...


1. Kapitel


Vor dem Sterbenden, der in seiner magischen Falle gefangen gehalten wurde, blieb er stehen. Der Gefangene war ein alter Mann. Sein Schädel war kahl, und sein Gesicht war faltig.

»Befreie mich«, keuchte der Alte. »Ich verbrenne!«

Agni stieß ein höhnisches Lachen aus. »Du Narr!«, zischte er. »Ich lasse dich nicht frei. Denn wer sich in mein Gebiet wagt, der ist verloren!«

»Hilfe!«, kreischte der Alte mit versagender Stimme. Sein Körper wurde von winzigen tanzenden Flammen umzüngelt.

»Dein Tod wird mir neue Kräfte bringen, Alter«, sagte Agni zufrieden. Den Namen Agni hatte der Dämon vor vielen Jahren wegen seiner besonderen Fähigkeiten gewählt. In der indischen Mythologie war Agni der Feuergott, und nach ihm hatte sich der Dämon genannt, da auch er das Feuer beherrschte.

Die Flammen, die den Alten einhüllten, schlugen höher. Agni trat ein paar Schritte näher und hob die Arme. Die Flammen sprangen auf ihn über. Verzückt schloss er die Augen und gab sich dem Genuss hin, den ihm die Flammen bereiteten, die den Alten langsam verbrannten. Die Schmerzensschreie des alten Kaschmiris klangen wie wohltönende Musik in den Ohren des Dämons. Seine Nasenflügel bebten vor Entzücken. Gierig sog er den Gestank des brennenden Fleisches ein. Es dauerte nur wenige Sekunden – dann war der Alte verbrannt, und die Flammen erloschen. Nur ein Häufchen Asche war übrig geblieben.

Agni ließ die Arme sinken. Sein Körper war in rotes Licht getaucht, das langsam schwächer wurde. Der Dämon bückte sich und überprüfte die magische Falle. Sie war intakt.

Gemächlich drehte er sich um. Er lachte spöttisch und ging langsam zu seiner Höhle zurück. Er fühlte sich wie neugeboren. Schon lange war kein Opfer mehr in eine seiner Fallen gegangen.

Vor langer Zeit hatte er sich hier niedergelassen. Er war ein unbedeutendes Mitglied der Schwarzen Familie, der sich nur wenig darum kümmerte, was in der Welt vorging. Seine Welt waren die schmalen Seitentäler, die er mit magischen Fallen und Sperren abgesichert hatte. Hier gab es ein halbes Dutzend kleiner Bergdörfer, deren Bewohner ihn fürchteten und wie einen Gott verehrten. Die Zivilisation war ihnen unbekannt – dafür hatte er gesorgt. Nur selten bekam er Besuch eines anderen Mitglieds der Schwarzen Familie, das ihn dann über die neuesten Entwicklungen unterrichtete.

Der neue Herr der Schwarzen Familie war Luguri. Ihm hatte er auch sofort seine Ergebenheit versichert, so wie er es vorher bei Asmodi, Olivaro und Hekate getan hatte. Die Intrigen und Streitereien innerhalb der Familie kümmerten ihn nicht. Er war ein Eremit, der sich wochenlang meditierend in seiner Höhle aufhielt und sie nur verließ, wenn ein Opfer in eine Falle gegangen war oder wenn er seine Dörfer besuchen musste.

In der Höhle war es warm und behaglich. Er legte sich auf ein paar dicke Felle, schloss die Augen und verschränkte die wulstigen Hände über dem feisten Bauch. Zufrieden rülpsend döste er vor sich hin, träumte von neuen Opfern und schlief endlich ein.

Nichts störte seinen Schlaf. Nach drei Wochen erwachte er. Er war hungrig. Er trat vor die Höhle. Es war eine wolkenlose Nacht, und der Mond stand hoch am Himmel.

Zeit, eines der Dörfer zu besuchen, dachte Agni. Er kniff die Augen zusammen, konzentrierte sich und riss sie ruckartig auf. Seine Augen rotierten jetzt wie feurige Wagenräder. Sie wurden immer größer und glühender. Blutige Tränen rannen über seine Wangen und verfingen sich in seinem gewaltigen feuerroten Vollbart.

Ein lauter Knall ertönte. Zwei feurige Kugeln lösten sich von seinen Augen, prallten gegeneinander und verschmolzen zu einem haselnussgroßen, pulsierenden Auge, das rasch größer wurde. Das feurige Auge schwebte langsam über seinem Kopf, erreichte schließlich Faustgröße und schoss durch die Luft in eines der Seitentäler.

Nach wenigen Augenblicken würde das magische Auge das Dorf erreicht haben, dem er morgen einen Besuch abstatten wollte. So kündigte er seit vielen Hundert Jahren seinen Besuch an.

Agni wartete noch einige Sekunden. Dann schloss er die Augen und trat in die Höhle. Er kicherte leise, als er sich niedersetzte. Nur zu gut konnte er sich vorstellen, welches Entsetzen das Auftauchen des feurigen Auges im Dorf auslöste. Die Dorfbewohner würden nun die ganze Nacht beraten, wen aus ihrer Mitte sie ihm zum Geschenk machen sollten. Aber nur in den seltensten Fällen hatte er das auserwählte Opfer angenommen. Denn meist waren es uralte Frauen gewesen, in deren Körper keine Kraft mehr steckte. Er hatte dann wild brüllend einen aus ihrer Mitte gewählt, fast immer einen kräftigen jungen Mann oder ein hübsches Mädchen.

Morgen ist es wieder einmal so weit, dachte er und kuschelte sich behaglich in ein Fell. Er wollte nicht schlafen, sondern mit allen Sinnen die Vorfreude auskosten.

Im Morgengrauen verließ er die Höhle. Es war kühl, und er zog seinen Umhang enger um seinen Körper.

Die Sonne ging strahlend auf, als er das Dorf sah. Unweit des Dorfes lagen die Gedenksteine, die für die Toten errichtet worden waren. Vor den Menhiren lagen immer drei kleine Steine, die als Geistersitz und Altar für die Opferungen dienten. Das Dorf bestand aus etwa fünfzig kleinen Häusern, die aus Holz und Bambus bestanden.

Seit er sich in diesem Gebiet aufhielt, hatte sich nichts verändert. Die Bewohner lebten noch genauso primitiv wie vor vielen Hundert Jahren.

Seine Augen glühten stärker, als er die Dorfbewohner erblickte, die sich vollzählig um den Ficus-Baum in der Mitte des Dorfes versammelt hatten. Auf den Wurzeln des heiligen Baumes lagen Glückssteine, die von den Dorfbewohnern besonders verehrt wurden.

Die meisten Männer waren mit weißen Durchziehröcken und blauen Umhängen bekleidet, die bis auf den Boden fielen. Die Frauen trugen lange blaue Röcke, Armreife und Halsketten. Die jungen Männer trugen Schnurrbärte, die älteren patriarchalisch aussehende Langbärte.

Agni ging langsam weiter. Interessiert musterte er die Dorfbewohner. Irgendetwas stimmte da nicht. Sonst blickten ihn die Dorfbewohner furchtsam an, doch diesmal waren ihre Mienen gleichgültig und teilnahmslos.

Misstrauisch beäugte der Dämon den Dorfältesten, der nun die Hände vor das faltige Gesicht hielt und sich tief verbeugte. Die anderen Dorfbewohner folgten seinem Beispiel.

Der Dorfälteste hielt dem Blick seiner glühenden Augen stand – auch etwas, was nie zuvor geschehen war. Agni blickte sich suchend im Dorf um.

Und noch etwas stimmte nicht. Üblicherweise hatten die Dorfbewohner das Opfer, das für ihn bestimmt war, an den heiligen Baum gefesselt.

»Wo ist mein Geschenk?«, brüllte Agni wütend.

»Diesmal wirst du zufrieden sein, edler Feuergott«, sagte der Dorfälteste, und Agni glaubte, einen spöttischen Unterton zu hören. »Wir bringen dir Mojan als Gabe. Tritt vor, Mojan.«

Mojan trat vor. Er war ein ungewöhnlich kräftiger junger Mann, kaum achtzehn Jahre alt, breitschultrig und mit mächtigen Händen. Sein Haar war pechschwarz, und seine Augen waren dunkel. Ein gewaltiger Schnauzbart verstärkte den Eindruck wilder Kraft.

Normalerweise wäre Agni über dieses Geschenk entzückt gewesen. Doch er war es nicht. Sein Misstrauen verstärkte sich. Von den Dorfbewohnern ging eine Kraft aus, die er nie zuvor bemerkt hatte – eine Kraft, die ihm unbegreiflich war.

Agni strich sich sein blutrotes Gewand glatt, das reich bestickt war. Auf der linken Brust prangte das Bild Agnis, des Feuergottes, der in seinen vier Armen die Flamme, den Dreizack, den Rosenkranz und den Wassertopf trug.

Der junge Dorfbewohner verneigte sich tief vor dem Dämon und hob dann rasch den Kopf. Ein spöttisches Lächeln lag um seine Lippen.

Was geht hier vor?, fragte sich Agni verwirrt. Noch nie war es vorgekommen, dass ein Opfer gelächelt hatte. Gewöhnlich hatten sie geschrien und vor Grauen am ganzen Leib gezittert.

»Ich hoffe, unser Geschenk gefällt dir, edler Agni«, sagte der Dorfälteste. »Mojan ist der Kräftigste aus unserer Mitte.«

»Ich bin sehr zufrieden mit euch«, sagte Agni. Zögernd trat der Dämon einen Schritt näher und blickte Mojan zwingend in die Augen. Agnis Augen wurden brandrot, und Flammen schossen hervor, genau auf den jungen Dorfbewohner zu, der weiter lächelte. Die Flammen umtanzten sein Gesicht, steckten aber die Haare und den Bart nicht in Brand.

Überrascht trat Agni einen Schritt zurück. Seine Augen loderten stärker. Immer wieder rasten Flammenbündel auf den Burschen zu. Aber sie verpufften wirkungslos.

Nun setzte sich Mojan in Bewegung. Mit federnden Schritten eilte er auf Agni zu, der entsetzt zurückwich und seine Anstrengungen verstärkte, den Jungen in Brand zu setzen.

Kräftige Hände verkrallten sich in seiner Kehle. Verzweifelt versuchte der Dämon, seine schwachen magischen Kräfte zu mobilisieren, um sich aus der tödlichen Umklammerung zu...

Erscheint lt. Verlag 30.5.2023
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-5085-1 / 3751750851
ISBN-13 978-3-7517-5085-1 / 9783751750851
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