Gespenster-Krimi 121 (eBook)

Der General der toten Soldaten

(Autor)

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2023 | 1. Aufl. 2023
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5151-3 (ISBN)

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Gespenster-Krimi 121 - Mortimer Grave
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Ein gellender Schrei drang an Bettine von Zarows Ohr. Es war der Schrei des Todes, ein von Schmerzen und Angst verzerrtes, panisches Kreischen. Die junge Frau fuhr auf dem Absatz ihrer Stiefel herum. Und erstarrte. Einige Schritte von ihr, scheinbar aus dem Nichts gekommen, stand eine hoch gewachsene Gestalt: ein hagerer Mann in einer grauen, mit Blut besudelten Uniformmantel an dessen Brust etliche Orden prangten. Statt eines Gesichtes hatte er einen Totenschädel, der gespenstisch in der Dunkelheit schimmerte.
'Mein geliebtes Enkelkind!', schnarrte er mit blecherner Stimme und streckte seine Knochenhände aus.
Bettine gefror das Mark in den Knochen. Sie konnte nicht glauben, dass diese Erscheinung ihr eigener, doch längst verstorbener Vorfahre war ...


Der General der
toten Soldaten

von Mortimer Grave

Ein gellender Schrei drang an Bettine von Zarows Ohr. Es war der Schrei des Todes, ein von Schmerzen und Angst verzerrtes, panisches Kreischen. Die junge Frau fuhr auf dem Absatz ihrer Stiefel herum. Und erstarrte. Einige Schritte vor ihr, scheinbar aus dem Nichts gekommen, stand eine hoch gewachsene Gestalt: ein hagerer Mann in einem grauen, mit Blut besudelten Uniformmantel, an dessen Revers etliche Orden prangten. Statt eines Gesichts hatte er einen Totenschädel, der gespenstisch in der Dunkelheit schimmerte.

»Mein geliebtes Enkelkind!«, schnarrte er mit blecherner Stimme und streckte seine Knochenhände aus.

Bettine gefror das Mark in den Knochen. Sie konnte nicht glauben, dass diese Erscheinung ihr eigener, doch längst verstorbener Vorfahre war ...

Schwerer Nebel zog durch den Park von Schloss Zarow. Klamme Schwaden trieben über die verwilderten Wiesen, hingen zwischen den hohen, uralten Bäumen und lagen über den in den Boden eingelassenen Grabplatten der Gräfinnen und Grafen, ebenso wie über den verwitterten Kreuzen der gemeinen Leute weiter im Hintergrund.

Wandte man den Kopf ein wenig, so erblickte man im Nebel die gespenstische Silhouette des klassizistischen Schlosses: einen massigen Bau mit hohen Säulen zu beiden Seiten der Eingangstür. Und drehte man sich noch ein wenig weiter, so gewahrte man die milchigen Scheinwerfer eines SUV, der auf dem geschotterten Fahrweg zum Schloss rollte.

Bettine von Zarow saß hinter dem Steuer. Sie war eine junge Frau von gerade mal dreißig Jahren, eine attraktive Erscheinung mit schulterlangen, blonden Haaren und den blauen Augen der von Zarow. Sie war eine Schönheit, ebenso sportlich wie attraktiv, und zudem war sie eine studierte Architektin mit Masterabschluss.

Für die Familie Zarow war die Wende in der DDR ein Glück gewesen, denn nun endlich, knapp zehn Jahre nach dem Ende der SED-Herrschaft, war der Stammsitz ihrer Familie wieder in ihren Besitz zurück übereignet worden. Bettine erinnerte sich noch sehr gut, wie sie vor einigen Monaten zum ersten Mal durch den halb verwilderten Park zum Schloss gefahren war.

Ein jähes Glücksgefühl hatte sie ergriffen: Dies war ihre angestammte Heimat. Hier gehörte sie hin. Selbstverständlich befand das Gebäude sich in einem ganz heruntergekommenen Zustand, hatten die vergangenen Jahrzehnte ihre Spuren hinterlassen: Der Verputz war an vielen Stellen verschwunden, es gab große Löcher im Dach, und es fehlten nahezu sämtliche Regenrinnen. Die Fenster schlossen nicht mehr, die hölzernen Fußböden im Innern des Gebäudes waren morsch und die alten Tapeten längst von den Wänden gerissen.

Nahezu ein halbes Jahrhundert falscher Nutzung als russisches Waffenlager, als Bürgermeisterei und als Polizeigefängnis, später als Kindergarten und Erholungsheim hatte seinen Tribut gefordert. Doch Bettine hatte rasch erkannt, dass die Substanz des Gebäudes in Ordnung war und dass sie alle Schäden würde reparieren können.

Sie stoppte vor der Freitreppe und stieg aus. Ein Nieselregen fiel und sie schlug den Kragen hoch und zog sich den roten Anorak fester um die Schultern. Rasch lief sie die Treppe nach oben und steckte den rostigen Schlüssel ins Schloss. Sie hatte die Elektrik herausreißen lassen, um sie zu erneuern, Licht gab es also nicht. Doch sie hatte ihre große Taschenlampe dabei, und deren Strahl leuchtete suchend durch die hohe Schlosshalle.

Weiter hinten führte die breite Holztreppe nach oben. Ihre Vorfahren waren hier herunter gekommen, wenn sie zu ihrem Gesinde hatten sprechen wollten. Doch diese Zeiten waren vorbei: Bettine arbeitete wie alle anderen auch. Morgen früh hatte sie ein Gespräch mit Investoren und sie hatte am Nachmittag den Ordner mit den neuesten Plänen irgendwo hier liegen gelassen.

In diesem Augenblick hörte sie einen lauten Schlag in ihrem Rücken. Sie drehte sich um und sah, dass die schwere Eingangstür zugeschlagen war. Wie konnte das sein? Es musste der Wind gewesen sein. Dennoch kroch ein mulmiges Gefühl aus ihrer Magengrube aufwärts. Für Sekunden verharrte sie.

Wieder suchte der Strahl ihrer Taschenlampe nach den Unterlagen.

Und dann brach das Grauen los.

Ein gellender Schrei riss Bettine aus ihren Gedanken. Es war ein von Schmerzen und Angst verzerrtes, panisches Kreischen. Der Schrei des Todes. Sie fuhr auf dem Absatz ihrer Stiefel herum. Und erstarrte. Einige Schritte von ihr, wie aus der Wand getreten, stand eine hoch gewachsene, hagere Gestalt: es war ein dürrer Mann in einem grauen, mit Blut besudelten Uniformmantel, an dem etliche blutige Orden prangten.

Die gespenstische Erscheinung trat näher. »Wie schön, du gekommen bist«, sagte seine schnarrende Stimme. Statt eines Gesichtes hatte der Mann einen Totenschädel.

Grauen ließ Bettine erstarren.

Der Knochenschädel veränderte seine Mimik zu einem verdrehten Grinsen. »Oh ja. Ich bin dein Blut. Dein Vorfahr. Ich bin General Joachim von Zarow. Und nun bist auch du zu mir gekommen. Endlich. Sie hatten mich doch abserviert. Ja, abserviert im wahrsten Sinne des Wortes, meine Liebe. Ich war so einsam.«

Die junge Frau rang nach Luft. Entsetzen schnürte ihre Kehle zu. Sie wusste, dass der General vor hundert Jahren bereits gestorben war, kurz nach dem Ende des ersten Weltkrieges.

»Lange waren wir allein«, fügte er klagend hinzu. »Hans und Friedrich sind ebenfalls hier. Und nun wirst auch du dich anschließen. Wie schön! Du weißt nicht, wie kalt es für uns war.«

Wie war so etwas möglich? Fantasierte sie? Ein Satz schoss durch Bettines Kopf: Zwischen Himmel und Erde existiert mehr, als ihr in eurer Schulweisheit euch träumen lasst. Der Untote von Schloss Zarow war wieder auferstanden. Sie drehte sich um und rannte in Panik zur Eingangstür, griff nach der Klinke und riss daran. Doch die schwere Tür ließ sich nicht bewegen. Sie war verschlossen. Bettine zerrte an der Tür, doch ohne jeden Erfolg.

In ihrem Rücken hörte sie das scheppernde Lachen des Generals. »Wohin willst du denn, mein kleiner Teufel?« Seine Stimme hallte mit grausigem Echo wider. »Magst du mich etwa nicht? Ja, so seid ihr, ihr modernen Menschen. Doch eure Zeit neigt sich dem Ende entgegen. Jetzt kommen ich und meinesgleichen zurück!«

Bettine drehte sich um, stand mit dem Rücken zur Tür. Drei hagere Gestalten traten jetzt auf sie zu – woher waren die gekommen? Auch sie waren mit grauen, blutigen Uniformröcken bekleidet und auch ihre Gesichter waren Totenköpfe, feixend und von Mordlust erglühend. Sie streckten ihre Arme aus, doch knochige Totenhände griffen nach ihr.

»Blut! Lebendes Blut!«, zischte einer der Totenschädel. Sie wurde ergriffen und eine erste knochige Faust traf hart in ihr Gesicht. Wieder lachte grausig der General. Die Stablampe entfiel ihrer Hand, das Glas zerbrach und das Licht erlosch. Weitere Hiebe trafen sie, sie taumelte, konnte jedoch nicht fallen sondern wurde festgehalten. Knochige Faustschläge trafen in ihr Gesicht, gegen ihren Hals, ihre Brust, in ihren Bauch. Sie bog sich nach vorn und eines der Skelette nahm sie in den Schwitzkasten. Nun rannten sie vorwärts, hinunter in den Keller des Schlosses. Immer war das feixende Lachen des Generals in ihren Ohren. Hier unten hatten sich die alten Zellen befunden. Angeblich hatten Nazis und Russen hier gefoltert. Bettine wurde in eine der Zellen geworfen, eine eiserne Tür fiel hinter ihr in Schloss, nur eine Pechfackel brannte. Sie lag auf dem kalten, harten, feuchten Fußboden und böse, unerbittliche Fußtritte trafen sie ins Gesicht und in den Bauch. »Mit dir werden wir schon fertig«, schnarrte einer der Soldaten.

Bettine von Zarow schrie und schrie und schrie.

Caroline erwachte vom Schrei ihrer eigenen Stimme. Sie hatte geträumt. Ein Unglück war mit ihrer Schwester geschehen. Caro hatte aufgeschrien vor Schrecken und in Angst. Nein, Bettine hatte keinen Unfall auf der Autobahn gehabt wie vor zwei Jahren. Es war viel schlimmer! Caroline atmete schwer und kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Sie fühlte sich, als habe sie einen Schlag in die Magengrube bekommen. In dieser Sekunde wusste sie ohne jeden Zweifel, dass ihre Zwillingsschwester tot war.

Sie richtete den Oberkörper im Bett auf. Birgit lag neben ihr, sie atmete ruhig und tief im Schlaf. Caroline war in Schweiß gebadet. Sie erhob sich leise und schlüpfte in ihren Morgenmantel, trat ans Fenster und blickte hinaus in das nächtliche Berlin, in den nächtlichen Nieselregen des Novembers. Bis auf die Straßenlaternen und das blaue Licht drüben im Slumberland lag der Winterfeldplatz in Dunkelheit.

Regen fiel schräg gegen das Licht. Ein paar Touristen gingen noch nach vorn zum Nollendorfplatz zur U-Bahn.

Der Traum hatte die Wahrheit gesprochen. Bettine war tot. Caro taumelte, hielt sich mit beiden Händen an der Fensterbank fest. Dann wurde ihr schwarz vor Augen, alles drehte sich rings um sie, und ihr schwanden die Sinne. Sie spürte, wie ihre Knie unter ihr wegbrachen, während sie in ein tiefes und schwarzes Loch fiel. Ihre Hände lösten sich von der Fensterbank und sie kippte nach hinten und fiel schwer zu Boden.

»Caro! Was ist mit...

Erscheint lt. Verlag 30.5.2023
Reihe/Serie Gespenster-Krimi
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-5151-3 / 3751751513
ISBN-13 978-3-7517-5151-3 / 9783751751513
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