Gerettet (eBook)
191 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77828-8 (ISBN)
Bei einem Tropengewitter stürzt ein peruanisches Flugzeug über dem Dschungel aus 3000 Metern Höhe ab. Nur die siebzehnjährige Juliane überlebt. Mit ein paar Schrammen, ohne Brille, mit nur einer Sandale und einem Tütchen Fruchtbonbons schlägt sie sich durch den Urwald. Fast elf Tage ist sie unterwegs, bis sie auf Einheimische trifft ...
Das Mädchen, das vom Himmel fiel; der Segler, der ein dramatisches Schiffsunglück überlebte; die Frau, die im eisigen Wasser unter einer Eisschicht eingeschlossen war und die doch vier Stunden später von Rettungssanitätern wiederbelebt werden konnte ...
David Long erzählt in 23 bewegenden, abenteuerlichen - und wahren - Geschichten von Menschen, die Extremsituationen in der Wildnis überlebt haben - unterhaltsam, lehrreich und spannend.
David Long, Historiker und Autor, hat mehr als zwanzig Bücher für Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene zu den unterschiedlichsten zeitgeschichtlichen Themen verfasst. Er lebt in Suffolk und hat zwei Söhne.
Juliane Koepcke
Das Mädchen, das vom Himmel fiel
(Peru, 1971)
An Heiligabend befand sich die siebzehnjährige Juliane Koepcke hoch über dem südamerikanischen Regenwald, als das Flugzeug, in dem sie und ihre Mutter saßen, in einen heftigen Sturm geriet. Am Abend zuvor hatten sie noch Julianes Abschlussball an der Schule gefeiert, das Halbjahr war vorbei, und nun wollten sie die Ferien zu Hause verbringen. Zu Hause, das war ein abgeschiedener Ort namens Pucallpa im Amazonasgebiet von Peru, wo Julianes Vater, Hans-Wilhelm Koepcke, als Biologe arbeitete. Ihre Mutter Maria war Ornithologin und erforschte das Verhalten von Vögeln. Da Juliane sich ebenfalls für alles begeisterte, was mit der Natur zusammenhing, wollte sie dem Beispiel ihrer Eltern folgen und Biologie studieren.
Beim Besteigen der viermotorigen Lockheed Electra hatten sich noch einige Passagiere beschwert, weil der Flug fast sieben Stunden Verspätung hatte. Doch nun waren sie in der Luft, und Juliane freute sich auf die Ferien und das Wiedersehen mit ihrem Vater. Von ihrem Fensterplatz aus sah sie in der Ferne Unwetterwolken, doch sie flog für ihr Leben gern und hätte nicht gewusst, warum sie sich fürchten sollte.
Ihre Mutter war weniger entspannt. Da sie nie recht glauben mochte, dass etwas aus Metall mit den Vögeln, die sie beobachtete, mithalten konnte, flog sie selbst bei besten Bedingungen nur ungern. Nun, als die Electra plötzlich absackte und in eine massige, dunkle Regenwolke eintauchte, wurde sie nervös. Bald darauf wurde das Flugzeug von Turbulenzen durchgerüttelt, und schließlich beschlich auch Juliane das Gefühl, dass hier etwas nicht mehr stimmte.
Aus den Gepäckfächern über den Sitzen fielen die ersten Koffer und Taschen heraus, Getränke ergossen sich in den Schoß von Passagieren. Weihnachtsgeschenke und Päckchen purzelten durch die Kabine, als das Flugzeug von den Luftwirbeln auf und ab geschleudert wurde.
Durch ihr Fenster sah Juliane Blitze um das Flugzeug zucken. Der Sturm hatte sie offensichtlich im Griff, und nun wurde auch ihr mulmig zumute. Über das Röhren der Propeller hinweg hörte man Passagiere schreien; sie griff nach der Hand ihrer Mutter.
Fast zehn Minuten lang hielt dieses Gerüttel und Geschüttel an, das die Maschine heftig beutelte. Juliane umklammerte die Hand ihrer Mutter fester und sah beim Blick aus dem Fenster, dass eine Tragfläche aufflammte. Ihre Mutter bemerkte es ebenfalls und sagte ganz ruhig: »Das ist das Ende. Jetzt ist alles vorbei.« Es waren die letzten Worte, die Juliane von ihr hörte.
Kurz darauf wurde es in der Kabine dunkel, und die Electra ging in einen Sturzflug über. In der Stockfinsternis konnte Juliane nichts erkennen, sie hörte nur noch das Dröhnen der Triebwerke. Und dann war es auf einmal totenstill. Zu ihrem Entsetzen fand sie sich mitsamt ihrem Sitz plötzlich irgendwo außerhalb des Flugzeugs wieder, wo sie sich, immer noch angeschnallt, pausenlos überschlug. Um sie herum nichts als brausende, kalte Luft; wie ein Stein fiel sie Richtung Dschungel.
Als sie aus den Wolken heraus war, sah sie ganz kurz die Baumkronen, die einem Feld aus Riesenbrokkoli glichen und auf sie zuzurasen schienen. Ein Anblick, bei dem man vor Schreck hätte erstarren können, doch hatte sie wohl im nächsten Moment schon das Bewusstsein verloren und kam erst am folgenden Morgen wieder zu sich. Es war der erste Weihnachtstag. Sie saß noch immer angeschnallt auf ihrem Sitz, der sich in den Boden gerammt hatte.
Vierzig Minuten nach dem Start war das Flugzeug offenbar von einem Blitz getroffen worden, woraufhin ein Treibstofftank explodierte und die rechte Tragfläche abriss. Als der Rumpf allmählich zerbarst, war Juliane aus dem fliegenden Wrack geschleudert worden und fast dreitausend Meter tief in den Dschungel gestürzt.
Das wurde ihr sofort klar. Sie sah zu den Bäumen hoch und wusste, dass sie eine Flugzeugkatastrophe überlebt hatte – vielleicht nur deshalb, weil das dichte Laubwerk und ihr Sitz den Aufprall abgefangen hatten.
Die Siebzehnjährige litt, wie man sich denken kann, unter starken Schmerzen und Schwindel. Sie hatte einen Schlüsselbeinbruch, einen Kreuzbandriss im Knie sowie Prellungen und tiefe Schnittwunden. Ihr linkes Auge war zugeschwollen, dennoch kam sie auf die Beine und war sich bewusst, dass sie zusehen musste, sich in Sicherheit zu bringen.
Ihre Eltern hatten ihr viel über den Dschungel beigebracht, daher wusste sie, dass er nicht so gefährlich war, wie man gerne denkt. Wenn man ihn durchwanderte, musste man einen kühlen Kopf bewahren und sich vor Dummheiten hüten; allerdings hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand und wo die anderen Passagiere nach dem Absturz gelandet waren. Zudem hatte sie einen Schuh und ihre Brille verloren, was die Sache noch erschwerte, da sie stark kurzsichtig war. Außerdem war ihr leichtes Baumwollkleid nicht gerade dazu geeignet, sie vor den Bissen und Stichen der Insekten zu schützen, die sie von allen Seiten umsurrten.
Als Erstes musste sie herausfinden, ob sonst noch jemand in der Nähe war, vor allem natürlich ihre Mutter; doch auf Julianes Rufe kam keine Antwort, außer dem Gekakel aufgescheuchter Tiere. Einige Zeit später hörte sie in heller Aufregung, dass ein Flugzeug über ihr kreiste. Vermutlich hielt die Crew Ausschau nach Überlebenden, doch da Juliane den Flieger durch das dichte Baumkronendach nicht sehen konnte, war ihr schnell klar, dass es sich umgekehrt ebenso verhielt. Sie fühlte sich buchstäblich mutterseelenallein.
Eine Zeitlang hatten die Koepckes in einer entlegenen Forschungsstation gelebt, wo Hans-Wilhelm seiner Tochter einige nützliche Überlebenstipps beigebracht hatte. Er erklärte ihr zum Beispiel, dass es oft sicherer war, durch seichtes Gewässer zu waten, als über Land zu laufen – Schlangen und andere giftige Tiere sind auf dem Erdboden schwer auszumachen und gehen zum Angriff über, wenn ihnen jemand zu nahe kommt. Juliane wusste auch, dass Dschungelsiedlungen meist an Flüssen liegen – wenn sie sich also dicht beim Wasser hielt, stiegen ihre Chancen, jemandem zu begegnen und Hilfe zu finden.
Bis dieser Fall eintrat, sah es jedoch schlimm für sie aus. Zu essen hatte sie nur eine kleine Tüte Süßigkeiten, und natürlich hatte sie keine Ahnung, wie lange sie würde laufen müssen, bis sie in Sicherheit war. Schon bald ließen sich Dutzende von Insekten auf ihr nieder und krabbelten in ihr Haar, und nach Sonnenaufgang wurde es im Regenwald unerträglich heiß. Dazu war es auch noch sehr feucht, weil den ganzen Tag immer wieder Unwetter wie das, dem die Electra zum Opfer gefallen war, über den Dschungel hereinbrachen.
Nachdem sie nirgends Anzeichen finden konnte, dass außer ihr noch jemand in der Nähe war, machte Juliane sich auf den Weg, stieß auf einen kleinen Fluss und beschloss, ihm zu folgen. Zum Glück gab es damit genügend Trinkwasser für sie, doch in der gerade herrschenden Regenzeit hingen noch keine reifen Früchte an den Bäumen; und dank der Unterweisungen ihrer Eltern wusste sie, dass es zu riskant war, irgendetwas anderes zu essen.
Nach Einbruch der Dunkelheit fiel die Temperatur stark ab, und in ihrem ärmellosen, durchnässten Sommerkleid fror Juliane erbärmlich. Außerdem fühlte sie sich einsam und hatte Angst. Sie konnte nicht schlafen, saß nur schlotternd da und lauschte den verstörenden Geräuschen des nächtlichen Regenwalds. Am nächsten Morgen folgte sie langsam weiter dem Flusslauf. Schon bald war die kleine Tüte mit Süßigkeiten leer, und als ihre Uhr stehenblieb, verlor sie rasch jedes Zeitgefühl.
Nach ein paar Tagen hörte sie, dass sich irgendwo in der Nähe ein Königsgeier bemerkbar machte. Von ihrer Mutter wusste sie, dass diese großen Vögel sich nur dort niederlassen, wo jede Menge Nahrung für sie zu finden ist. Da Geier ausschließlich Aas fressen, lag für Juliane die Vermutung nahe, dass der Vogel nach Leichen aus dem abgestürzten Flugzeug Ausschau hielt.
Ihre Befürchtungen bestätigten sich kurz darauf, als sie auf eine Sitzbank aus dem Flieger stieß. Diese war teilweise im Dickicht verborgen, und die drei toten Passagiere saßen immer noch angeschnallt auf ihren Plätzen. Einen Augenblick lang meinte Juliane, eine der Leichen könnte ihre Mutter sein, doch dann sah sie, dass deren Fußnägel...
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2023 |
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Illustrationen | Kerry Hyndman |
Übersetzer | Martina Moersberger, Felix Mayer |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Survivors |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Kinder- / Jugendbuch ► Spielen / Lernen ► Abenteuer / Spielgeschichten | |
Schlagworte | Abenteuergeschichten • Abenteuergeschichten für Jungen • Abenteuergeschichten für Kinder und Jugendliche • Abenteuergeschichten für Mädchen • aktuelles Buch • Bücher für Jugendliche • Bücher für Jungen • bücher neuerscheinungen • Ernest Shackleton • Neuerscheinungen • neues Buch • Survivors deutsch • Wahre Geschichten |
ISBN-10 | 3-458-77828-4 / 3458778284 |
ISBN-13 | 978-3-458-77828-8 / 9783458778288 |
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