009 - Im Auftrag Ihrer Majestät (eBook)
CCLXXXII Seiten
BookRix (Verlag)
978-3-7554-6646-8 (ISBN)
1.
Was gegen 07:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit auf den Bildschirmen der Durchleuchtungskontrolle erschien, die das BKA und der Secret Service im Zulieferereingang des Flughafens Köln aufgebaut hatten, waren keine verdächtige aussehenden Gepäckstücke, ominösen Aktenkoffer, Handfeuerwaffen oder tödliche Gimmicks, Laptops und mit Kokain gefüllte Teddybären, sondern das Resultat von Eleganz und Stil. Den Mitarbeitern der Security gelang dank der Technik des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts ein Blick ins Innere von Socken, Unterwäsche und einigen teuren Anzügen – untypisch für den besten Mann des MI6, der in den vielen Jahren viele Male die Welt gerettet hatte. Unter anderen Umständen wäre die Prozedur an Normalität kaum zu überbieten gewesen, die Ankunft des Top-Spions war natürlich geheim und für die Security von daher nichts weiter als eine weitere banale Angelegenheit. Zweimal durch die Schleuse gehen, während sein Smartphone, sein Portemonnaie und sonstigen hilfreichen Kleinigkeiten über den Bildschirm geisterten, diverse Male seinen Ausweis vorzeigen, checken, gegenchecken, danke, bitte. Alles sehr unaufdringlich und freundlich, aber von eiserner Entschlossenheit geprägt, in aller Öffentlichkeit einen mutmaßlichen Terroristen zur Not sofort zu erschießen.
James Bond hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was die Polizei von Köln durchmachte. Köln war mit seinem Wahrzeichen selbstverständlich des Öfteren Gastgeber für das White House, Secret Service, CIA, zahlreicher Botschafter und gewisser Prominenz, und damit auch Ziel für Untergrundorganisationen, die vielleicht mehr wollten als nur das Schokoladenmuseum zu besuchen. Die Außenministerin höchstpersönlich war der Meinung gewesen, man könne ruhig die Hilfe aus Großbritannien vertragen, da hier seit nunmehr zwanzig Jahren einer der größten Menschenhändlerringe der Welt zu finden war, sich die Spuren aber verliefen. Der MI6 schloss sich der Idee an, indem sie den langjährigen Diener Ihrer Majestät in einen Kurzurlaub schickten, er könne beim Blick auf den Dom den einen oder anderen romantischen Seufzer nicht lassen. Die Wahl für Köln fiel damit auf Deutz, Kölns rechtsrheinischen Appendix, gottlob in Friedenszeiten, weil man von da so schön auf die andere Seite gucken konnte. Und, wie Bonds Vorgesetzter M bekräftigte, könne er seine langjährige Erfahrung ruhig an die jüngere Generation weitergeben, anstatt die Beine hochzulegen und es sich gut gehen zu lassen.
James Bond saß, eine Zeitschrift auf den Knien, in der Vorhalle und betrachtete das Kommen und Gehen. Der Sitz seines dunkelgrauen Anzugs war perfekt, die dezent gemusterte Krawatte makellos gebunden. Das verhärmte Gesicht ruhig und ausdruckslos, während seine Sinne sich auf die umhergehenden Personen konzentrierten. So wartete er auf die Nummer eins.
Und das war Bonds größtes Problem.
Der eigentliche Grund, warum der Agent im bestgeschützten Gebäude Kölns auf seine Protegés wartete und nicht wusste, ob er darüber lachen oder weinen sollte, war das eigentliche Ziel seiner Mission: er couchte die „Neuen“.
Er legte die Zeitschrift auf den Glastisch neben sich und schlug die Beine übereinander. Die ihm zugeteilten Agenten waren Neulinge, hervorragende Absolventen des "Crime Scene Investigation" und auf ihren Gebieten perfekte Anwärter für einen Platz als Regierungssekretäre, wenn sie es ruhig mochten. Das dreiwöchige Praktikum mit einem der besten Agenten der Welt im Ausland zu fachsimpeln, praktisch Bett an Bett zu schlafen und zu ermitteln, war beim MI6 zu einem heißen Wettbewerb ausgeartet, in der alle Mitarbeiter ihre zehn Finger danach ablecken und sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen wollten. Die oberste Leitung sah sich unter einer Lawine öffentlichen Interesses begraben und nahm via Einrichtung eines Krisenstabs den verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit auf, wohl wissend, dass das rege Interesse auch Unbill hervorrufen konnte. Plötzlich wollten selbst Mitglieder des House of Commons ihre Kinder mit auf die Reise schicken und hatten kein Problem damit, auch direkt vorzugehen. Der Wettbewerb war zu einem Desaster geworden. Wer sich abgelehnt fühlte, wurde nicht selten barsch in seiner Redewahl. Viel zu spät hatte der MI6 realisiert, dass ihr Top Agent viel zu bekannt war und den Ärger an Bond ausgelassen. Von dreiundsechzig Anwärtern hatte man sich auf drei geeinigt. Immer noch zu viel, aber weniger war nicht drin. Mittlerweile war James Bond nur noch genervt. Schöner Urlaub!
Der Erste war Richard O´Connor, Sohn des Premierministers und Absolvent des SRR (Special Reconnaissance Regiment), mit zwei Jahren Erfahrungen als Analyst. Er kam, mit der Rechten an seinem Smartphone tippend, in der Linken ein angebissenes Sandwich, die Freitreppe vom Café herunter, sah ihn und hielt mit ausladenden Schritten auf ihn zu. Er war schmächtig und schlecht gekleidet. „Es ist mir eine große Ehre“, sagte er etwas zu laut. Es klang, als habe er auf Bond gewartet, nicht umgekehrt. Bond hasste Menschen, die ihre Lautstärke an öffentlichen Plätzen nicht unter Kontrolle hatten. „Ich habe schon so viel über sie gelesen…“
„Blödmann“, grummelte Bond, stand auf und ging vorneweg. Im Gehen sah er sich um. „Wir sind auf einer Mission! Wir sollen nicht zusammengesehen werden.“
„Tut mir leid“, brachte Richard aschfahl geworden hervor und versuchte mit dem großen Mann Schritt zu halten. „Ich… ich habe Ihnen etwas mitgebracht, warten Sie, da kommt eine Nachricht…“
Bond drehte sich nicht um. „Stecken Sie das Ding weg.“
„Meine Mutter will wissen, ob wir schon zusammen sind“, bemerkte Richard kauend. „WhatsApp, das geht ganz schnell. So, jetzt habe ich Zeit. Warten Sie doch mal...!“
„Ich hoffe nur, dass heute bei SPECTRE ebensolche Pfeifen ihren Dienst tun, sonst sind wir geliefert.“
„Ach, die gibt es doch gar nicht mehr. Oder, Sir?“ Richard schien den Wink nicht verstanden zu haben. „Die Organisation wurde zerschlagen. Von Ihnen, Sir. Wie haben Sie das bloß gemacht?“
Spectre war die Abkürzung für die gegnerische Terrororganisation Special Executive for Counterintelligence, Terrorism, Revenge and Extortion. Mit Betonung auf war denn mit dem Tod von Ernst Stavro Blofeld, seinem Leiter und Bonds Todfeind Nummer Eins, hatte die Organisation sich in Rauch aufgelöst. Das war vor zwei Jahren gewesen. Keinerlei Aktivitäten waren noch zu verzeichnen.
„Ich habe meinen Verstand genutzt“, bemerkte Bond grummelnd und wich einer Scharr Touristen aus, die zum nächsten Gate aufbrach. Fast wünschte er sich, er könne mit einem von ihnen den Platz tauschen. „Der Wagen steht im Parkhaus. Nummer zwei sollte…“
„Richard!“
Die beiden Engländer warfen einen Blick zurück, während Bond demonstrativ das Gesicht verzog. Eine kleine Frau mit zwei übergroßen Koffern rollte lärmend hinter ihnen her. „Richard! Du auch? Was sagt man dazu!“ Teri Simmons maß einen Meter sechzig – mit den High Heels, die sie in dutzendfacher Ausfertigung besaß, weil sie fand, auf jeden Zentimeter käme es an. Dünn, blass und eckig war ihr Gesicht. Mit ihrer schmalen, endlosen Nase voller Sommersprossen hätte sie ein Bild von Modigliani entstammen können. Leider fehlte ihren übrigen Formen die entsprechende Üppigkeit, als habe der Italiener nach Fertigung des Porträts die Lust verloren und den Pinsel an Egon Schiele weitergereicht. „Oh, guten Tag, Mister Bond! Es ist mir eine Freude und eine Ehre!“
„Alle wissen´s inzwischen“, sagte Bond. „Ich weiß jetzt auch, warum manche Operationen gleich zum Anfang zum Scheitern verurteilt sind. Wer hätte gedacht, dass die Zusammenhänge so einfach sind!“ Er schob beide nach draußen und beschleunigte seinen Schritt. Vor dem Flughafen wartete ein Shuttle darauf, sie zu einem der öffentlichen Parkplätze zu bringen. Richard stellte fest, dass seine Jacke auf halb acht hing und ein Schürsenkel aufgegangen war, versuchte, beide Probleme gleichzeitig unter Einbeziehung seines Butterbrotes zu lösen und hampelte hintendrein.
„Sir, ich habe mir erlaubt grundlegende Informationen zu sammeln“, rief Teri hinter ihm, wobei die lärmenden Koffer ihre piepsende Stimme fast untergingen ließ.
„Sammeln wir erstmal Nummer drei ein“, zischte Bond und drehte sich beim Shuttle um.
Teri Simmons war nicht nur Sachbearbeiterin für den Verfassungsschutz, sondern auch eine ausgezeichnete Regierungsinspektorin in Probezeit– und die Tochter des Kultur-Attachés, was sie praktisch ins Rennen um den Praktikumsplatz nach vorne katapultierte. Es war kein Geheimnis, das ein entsprechender Vermerk in einer Akte um diese absolvierte Stelle jeden Agenten ein paar Pluspunkte einbringen konnte. „Menschenhandel findet tagtäglich in Deutschland statt. Viele Menschen arbeiten unter prekären Bedingungen, zum Beispiel in der Pflege, im Haushalt, in der Prostitution, Landwirtschaft, Fleischindustrie oder auf dem Bau. Den verschiedenen Formen von...
Erscheint lt. Verlag | 7.1.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Bilderbücher |
Kinder- / Jugendbuch ► Spielen / Lernen ► Abenteuer / Spielgeschichten | |
Schlagworte | action • Agenten • Anschlag • Bond • Kampf • Kindesentführung • Köln • London • Menschenhändlerring • MI6 • SPECTRE • Spion |
ISBN-10 | 3-7554-6646-5 / 3755466465 |
ISBN-13 | 978-3-7554-6646-8 / 9783755466468 |
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