Das Volk der Fata Morgana, Band 1: Königin im Schattenreich (eBook)
Bärenklau Exklusiv (Verlag)
978-3-7579-2675-5 (ISBN)
Bärenklau Exklusiv präsentiert »Königin im Schattenreich«, den ersten Teil der Saga des Volkes der Fata Morgana, eine Übersetzung aus dem Amerikanischen von Lore Sraßl.
Eine Expedition ins Land des kleinen Volkes.
Schon einmal in seinem Leben ist Leif Langdon, der Bergwerksingenieur, dem Unerklärlichen begegnet. Es geschah in der Mongolei, als er Khalk'ru, dem schrecklichen Oktopus-Gott, gegenübertrat.
Seit dieser Zeit ist Leifs Persönlichkeit gespalten. In ihm wohnt Dwayanu, ein Krieger aus längst vergessener Zeit. Und als Khalk'ru ruft, hat Leif keine andere Wahl. Zusammen mit seinem Gefährten Jim, alias Tsantawu, einem Tscherokese Indianer, erreicht er das Schattenland, in dem die Pygmoiden leben und dort erwarten ihn schwierige, kaum lösbare Aufgaben ...
<p>Abraham Merritt war ein begnadeter amerikanischer Fantasy-Autor.<br> Lore Straßl war eine bedeutende Übersetzerin. Sie hat unzählige Romane und Serien ins Deutsche übersetzt.</p>
1. Geräusche in der Nacht
Ich hob den Kopf, lauschte – doch nicht nur mit den Ohren! Alles in mir wartete darauf, befürchtete, dass der Laut, der mich geweckt hatte, sich wiederholte. Aber nun war es still. Ein geradezu absolutes Schweigen herrschte: kein Rauschen der Zweige im Wind; kein Rascheln von huschenden Tieren im Unterholz. Durch die Wipfel der hohen Tannen glitzerten schwach die Sterne in der kurzen Dämmerung, die die Nacht im Frühsommer Alaskas ersetzte.
Da neigte eine plötzliche Brise die Baumwipfel – sie brachte diesen gleichen Laut mit sich, der mich aus dem Schlaf gerissen hatte: ein Hämmern wie auf einen Amboss!
Ich schlüpfte hastig aus meinem Schlafsack und rannte um die letzte Glut unseres Lagerfeuers hinüber zu Jim. Seine Stimme ließ mich anhalten.
»Schon gut, Leif. Ich höre es.«
Der Wind seufzte und erstarb. Mit ihm verklang auch der stumpf dröhnende Nachhall des Hammerschlags.
Ehe wir noch Vermutungen darüber anstellen konnten, kam der Wind erneut auf. Wieder trug er denselben schwachen, zweifellos fernen Laut mit sich. Und wieder erstarb der Wind, und mit ihm dieses eigenartige Hämmern.
»Ein Amboss, Leif!«
»Horch!«
Ein plötzlicher, heftigerer Windstoß brauste durch die Bäume, rüttelte an ihnen. Er brachte ein fernes Singen mit sich – die Stimmen vieler Männer und Frauen in einer eigenartigen Weise in Moll. Der Gesang endete mit einem klagenden, unharmonischen Akkord.
Ein Trommelwirbel in raschem Crescendo folgte. Er schloss abrupt. Danach hörten wir schwach ein lärmendes Durcheinander. Ein tiefes, anhaltendes grollendes Donnern, dem nur die Entfernung die Kraft raubte, verschlang es. Es klang wie eine trotzige Herausforderung.
Atemlos lauschten wir. Doch mit dem neuerlichen Abklingen des Windes erstarb erneut jeglicher Laut. Kein Zweig bewegte sich mehr. Der Wind kehrte auch nicht wieder zurück.
»Seltsame Geräusche, Jim.« Ich bemühte mich, meine Stimme normal klingen zu lassen.
Er setzte sich hoch. Ein dürrer Ast in der Glut flackerte auf. Der Feuerschein hob Jims Züge gegen die Düsternis ab – sein Gesicht war schmal, gebräunt, ein scharf geschnittenes Adlerprofil. Er blickte mich nicht an.
»Jeder befiederte Vorvater der letzten zwanzig Jahrhunderte ist erwacht und ruft! Besser, du nennst mich jetzt Tsantawu, Leif. T’si Tsa’lagi ich bin ein Tscherokese! Und im Augenblick – hundertprozentig Indianer.«
Er lächelte, aber er blickte mich immer noch nicht an.
»Es war ein Amboss«, murmelte ich. »Ein verdammt großer Amboss. Und Hunderte von Menschen sangen – wie ist das in dieser Wildnis möglich? Es – es klang nicht wie Indianergesang …«
»Es waren auch keine Indianertrommeln.« Er kauerte sich dicht ans Feuer und starrte blicklos hinein. »Als es anfing, war mir, als spiele jemand mit Eiszapfen Pizzikato auf meinem Rücken.«
»Mir haben diese Trommeln auch ganz schön zugesetzt«, gestand ich. Ich glaubte, meine Stimme klänge fest, aber nun blickte Jim mich scharf an. Jetzt wandte ich die Augen ab und starrte in die Glut.
»Sie erinnerten mich an etwas, das ich einmal hörte – und zu sehen glaubte –, damals, in der Mongolei. Genau wie das Singen. Verdammt, Jim, weshalb siehst du mich so an?«
Ich warf einen Ast ins Feuer. Gegen meinen Willen spähte ich misstrauisch in den Schatten, als das Holz aufflammte. Dann stellte ich mich Jims Blick.
»Ziemlich schlimm, damals, nicht wahr, Leif?«, fragte er mich leise.
Ich schwieg. Jim stand auf und ging zu unseren Rucksäcken. Er kam mit einer Feldflasche zurück und leerte sie über dem Feuer aus. Danach schob er mit den Zehenspitzen Erde auf die zischende Glut. Wenn er bemerkte, dass ich zusammenzuckte, als die Schatten über uns fielen, ließ er es sich zumindest nicht anmerken.
»Der Wind kam aus dem Norden«, erklärte er. »Von dorther brachte er die Töne. Wer immer sie also verursachte, muss sich nördlich von hier befinden. Nachdem das nun feststeht, bleibt uns nur zu entscheiden, in welche Richtung wir morgen weiterziehen.«
»In nördliche«, erwiderte ich.
Kaum hatte ich die Antwort heraus, war mir, als schnüre etwas meine Kehle zu.
Jim lachte. Er kletterte wieder in seinen Schlafsack.
»Die Ahnen sind sehr stimmgewaltig, Leif. Ich höre sie. Sie prophezeien nichts Gutes – wenn wir uns nordwärts wenden … ›Schlechte Medizin!‹, sagen die Ahnen. ›Schlechte Medizin für dich, Tsantawu! Du gehst ins Usunhi’yi, das Geisterland! Hüte dich! Dreh dem Norden den Rücken, Tsantawu!‹«
»Oh, geh schlafen, abergläubische Rothaut!«
»Na gut. Ich sag’s dir ja nur.«
Eine Weile später brummte er:
»Die Stimmen der Ahnen künden Krieg, Leif. Schlimmeres als Krieg prophezeien sie.«
»Verdammt! Halt endlich den Mund!«
Ich hörte noch ein trockenes Lachen, danach herrschte Schweigen.
Ich hatte mich ins Gras gesetzt, lehnte mich jedoch immer noch an den Stamm. Die Laute, oder vielmehr die schreckliche Erinnerung, die sie in mir weckten, hatten mich mehr mitgenommen, als ich mir selbst eingestehen wollte. Es schien mir, als wäre das Ding, das ich seit zwei Jahren in einem kleinen Lederbeutel an der Kette um meinen Hals trug, plötzlich lebendig geworden und dann zu Eis erstarrt. Ich fragte mich, wieviel Jim erraten hatte, von dem, was ich zu verbergen suchte …
Weshalb hatte er das Feuer ausgelöscht? Weil er wusste, dass ich mich fürchtete? Damit ich mich dieser Angst stellte, sie überwand? Oder war es der Instinkt des Indianers, der in der Dunkelheit Schutz sucht? Er hatte selbst zugegeben, dass dieser gespenstische Gesang und der Trommelwirbel ihm unter die Haut gegangen waren, so wie mir auch …
Angst! Natürlich war es Furcht gewesen, die mir die Kehle zugeschnürt hatte, mich in Schweiß ausbrechen und mein Herz wie wahnsinnig hatte klopfen lassen, dass es wie Trommeln in meinen Ohren klang.
Wie Trommeln – ja!
Aber nicht wie jene Trommeln, deren Wirbel der Nordwind zu uns getragen hatte. Das war wie die Kadenz eiliger Füße gewesen, der Füße von Männern und Frauen, Burschen und Mädchen und Kindern, die immer schneller die Seite einer hohlen Welt hinaufrannten, um hastig ins Nichts zu tauchen – sich im Nichts aufzulösen – die im Fallen verblichen – verschwanden – vom Nichts verschlungen wurden …
Nein, wie jener verfluchte Trommelwirbel war es gewesen, den ich vor zwei Jahren in einem geheimen Tempel in einer Oase der Wüste Gobi gehört hatte!
Weder damals noch jetzt war das, was ich empfunden hatte, Furcht allein gewesen. Ja, Furcht war es wahrhaftig, aber eine Furcht, in der ich mich innerlich auflehnte – eine Auflehnung des Lebens gegen seine Verleugnung – ein rasender, tobender, dem Leben entsprungener Grimm – ein wildes Aufbegehren des Ertrinkenden gegen das würgende Wasser – die Wut der Kerzenflamme auf den, der sie auslöschen will …
Himmel! War es wirklich so hoffnungslos wie meine Vergleiche? Wenn das, was ich vermutete, tatsächlich so war, wie ich glaubte, würde allein eine solche Einstellung von vornherein jegliches Unterfangen in dieser Hinsicht zum Scheitern verurteilen!
Aber ich musste auch an Jim denken! Wie konnte ich ihn heraushalten?
Ich hatte mich nie wirklich über seine übersinnlichen Wahrnehmungen lustig gemacht, was immer sie auch waren, die er die »Stimmen der Ahnen« nannte. Als er von Usunhi’yi, dem Land, gesprochen hatte, war es mir kalt über den Rücken gelaufen, denn hatte nicht der alte Priester der Uiguren das Schattenland erwähnt? Mir war, als hörte ich noch das Echo seiner Worte.
Ich blickte auf den schlafenden Jim. Er stand mir näher als meine leiblichen Brüder. Bei diesem Gedanken musste ich lächeln, denn meine Brüder waren mir nie wirklich nahe gewesen. Für alle, außer meiner nordischen Mutter mit der sanften Stimme und dem vollen Busen, blieb ich ein Fremder in dem streng der Tradition verschriebenen alten Haus, in dem ich das Licht der Welt erblickte. Der jüngste Sohn war ich und ein unwillkommener Eindringling, ein Wechselbalg. Es war nicht meine Schuld, dass ich in der Langdon-Familie ein Atavismus zu sein schien – ein blondhaariger, blauäugiger, muskelstarker Wikinger wie die Vorfahren meiner Mutter – und eben gar nicht den dunklen, hageren Langdons glich mit ihren schmalen Lippen und finsteren Gesichtern, die seit Generationen offenbar allesamt aus dem gleichen Holz geschnitzt waren. Von der Ahnengalerie hatten sie auf mich, den Wechselbalg, mit leicht amüsierter Herablassung oder gar Verachtung herabgeblickt, genau wie mein Vater und meine vier Brüder – echte Langdons –, wenn ich mich mit meiner massiven Statur vielleicht etwas unbeholfen am Tisch niederließ.
Ich war sehr unglücklich darüber, doch gerade das ließ meine Mutter mich noch mehr lieben. Ich fragte mich, wie ich mich schon unzählige Male gefragt hatte, was sie veranlasst hatte, die Frau dieses düsteren, selbstherrlichen Mannes zu werden, der mein Vater war – sie, mit dem Blut der Wikinger in den Adern. Sie war es auch gewesen, die mir den Namen Leif gegeben hatte – ein mit Langdon unvereinbarer Vorname, so unvereinbar wie ich mit der Familie.
Jim und ich waren am gleichen Tag ins Dartmouth College in New Hampshire gekommen. Ich erinnerte mich noch sehr gut, wie ich ihn damals zum ersten Mal gesehen hatte – ein großer, bronzehäutiger Bursche mit einem Adlergesicht und unergründlichen schwarzen Augen, ein reinrassiger Tscherokese aus dem Stamm, aus dem der große Sequoyah hervorgegangen war. Ein Stamm, der durch viele...
Erscheint lt. Verlag | 2.5.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Abenteuer • Dämonen • Drachen • episch • Fantasy • Götter • High Fantasy • Krimi • Krimis • Parallelwelten • Roman • Schattenwelt • Spannung • Thriller • Zauberer • Zwerge |
ISBN-10 | 3-7579-2675-7 / 3757926757 |
ISBN-13 | 978-3-7579-2675-5 / 9783757926755 |
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Größe: 516 KB
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