Der Hering ist krumm -  Petra Langenhorst

Der Hering ist krumm (eBook)

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2023 | 1. Auflage
276 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-9932-5 (ISBN)
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Wie man zum Camping kommt? Diese Frage wird jeder Campingliebhaber nur für sich allein beantworten können. «Ich war eine typische Zeltgeburt. Da bin ich förmlich reingewachsen. Meine Eltern behaupten, dass mir die Nabelschnur mit einer Abspannleine abgebunden wurde!» Reingeboren oder reingewachsen, wer diese Urlaubsform favorisiert, sollte auch über Nehmerqualitäten verfügen. Auf dem Campingplatz wird das Leben auf wenige Meter Stellfläche mit Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil reduziert und nicht immer läuft alles rund. Der Freizeitspaß kann durch geheimnisumwitterte Nachbarn und Disharmonien in der Beziehung zur harten Zerreißprobe werden. Im spielerischen Umgang mit der Sprache, erzählt dieser Roman die Geschichte der Antiheldin Dorothea Sieglinde und ihrem Partner Ulfried. Nach abenteuerlichen Reisen haben sie sich für einen malerischen Saisonplatz auf ihrem Lieblingscampingplatz direkt am Wasser entschieden. Ein Traumplatz, der seinem Namen alle Ehre macht. Schöner konnte es nicht sein, doch wenn im entscheidenden Moment der Hering krumm ist, hängt auch der Zeltsegen schnell schief.

Petra Langenhorst ist Ur-Westfälin und eingefleischte Camperin. Auf wenige Meter Stellfläche reduziert, spielt sich das Leben auf dem Campingplatz im Zelt, im Wohnwagen oder im Wohnmobil ab. Ein Mikrokosmos und für die Autorin eine unerschöpfliche Quelle, die ihre Fantasie beflügelt und ihr die Impulse für ihre humorvollen Geschichten liefert. Dies ist ihr erster Roman.

„Nein danke, geht schon!“, stöhnte Ulfried und lächelte dabei verbissen.

Der Mann verharrte noch für eine kurze Zeit hinter dem Dünengraswall, erkannte aber, dass seine Unterstützung nicht gefragt war. Gemächlich bummelte er durch seine Parzelle und zurück in sein schlaff aufgestelltes Tunnelzelt. Er war sonderbar bekleidet mit einem langen, schwarzen Mantel. Im Inneren des Zeltes mussten sich noch weitere Personen aufhalten, denn Dorothea hörte Stimmen. Erst eine, dann zwei Frauenstimmen, die aufgeregt durcheinanderredeten und höchst laut wurden, als er eintrat. Sie zeterten in so übertriebener Weise, dass Ulfried sich genervt fühlte. „Wer keift denn da so? Kommt das von nebenan? Massakrieren die sich? Fürchterlich! Und jetzt glotz du da nicht rüber, sondern tu deine Arbeit. Lass dich doch nicht immer so schnell ablenken. Dosi, verdammt! Ich flipp gleich aus! Hier jetzt festhalten, damit ich die Abspannleinen alle fixieren und ordentlich strammziehen kann. Ich hab mir schon alles genau zurechtgelegt, aber ich kann natürlich nicht den Einzelkämpfer machen und alles alleine stemmen. Du musst hier bei der Sache bleiben!“

Was war denn jetzt passiert? Dorothea war sich keiner Schuld bewusst und für die Schreierei nebenan fühlte sie sich nicht verantwortlich. Bis hierhin waren die Sandkastenspiele mit ihrer Hilfe gut gelaufen und natürlich brachte der Aufbau eines neuen Zeltes neue Herausforderungen mit sich und war anstrengend, aber seine destruktive Kritik an dieser Stelle war völlig überflüssig. Und was wollte er mit der ungeheuerlichen Behauptung: „Er könne nicht alles alleine stemmen“, erreichen? Vor ihr lag der Fäustel. Sie nahm ihn hoch und schritt zu ihm. Er kniete, als sie ihm das Ding drohend über seinen Kopf hielt. Unmissverständlich sollte das für ihn bedeuten, dass jede weitere unangemessene Äußerung schmerzhaft enden würde.

„Das machst du nicht.“

„Doch!“

Natürlich hätte sie das niemals in die Tat umgesetzt, jedoch zeigte ihre Drohgebärde Wirkung. Ohne erwähnenswerte Zwischenfälle brachten sie den Zeltaufbau erfolgreich zum Abschluss und seine kritische Endabnahme überzeugte ihn vom positiven Ergebnis. Die unschönen Töne vergaß er schnell, Dorothea aber war nicht sicher, ob sie auf einen kleinen Denkzettel ganz verzichten sollte, verschwendete dann aber keine weiteren Gedanken daran. Zu groß war die Freude, dass ihr prächtiges Campingensemble durch Teamarbeit in vollem Glanze erstrahlte.

Es wurde ein herrlicher Urlaub, den sie jeden Morgen mit frischen Brötchen und der Tageszeitung, beides hing stets am Eingang ihres Vorzeltes, einläuten konnten. Beim Einchecken hatte man auch Dorothea einen Zettel überreicht, auf dem sie Sonderwünsche ankreuzen konnte. Nebst Informationen über die Brötchensorten und die Abfahrzeiten des Pendelbusses, durfte sie sich aussuchen, ob sie folgenden Service in Anspruch nehmen wollte:

„Bringdienst der Brötchen direkt zum Zelt?“

„Bringdienst der Tageszeitung direkt zum

Zelt?“

„Abholdienst durch den Spielebus am Nachmittag?“

Dorothea hatte überall: „Ja“, angekreuzt.

Das Team des Platzes war einfach unschlagbar. Ab sieben Uhr morgens konnte man sich felsenfest darauf verlassen, dass ein verschlossener Jutebeutel mit den erwählten Backwaren oben am Zeltdach hing und die regionale Tageszeitung vor der Tür lag. Die Abholung durch den Spielebus hatte Dorothea wohl missverstanden. Nur Kinder, nicht aber verdrießliche Lebenspartner wurden mitgenommen. Und trotzdem konnte man mehr wirklich nicht erwarten und sie überreichte einer Rezeptionsangestellten ein Geldscheinchen für die gemeinsame Kaffeekasse.

Nach dem Frühstück lockte sie herrlichstes Wetter größtenteils an den Strand. Hier konnte man prima den ganzen Tag verweilen. Ob es nun lange Wanderungen waren, ein Bad in der Sonne, danach ein köstlicher Drink in einem der zahlreichen Pavillons oder abschließend ein Abendessen bei Sonnenuntergang mit Blick auf das Meer. Mit derartigen Erlebnissen konnte man zurückkehren, wenn man Lust dazu hatte.

„Die sind ja schon wieder zugange! Können die nicht endlich mal Ruhe geben?“, beschwerte sich Ulfried am dritten Abend, als sie an der Dünenpfanne ihrer Nachbarn zur Rechten vorbeikamen und diese wieder laut stritten. Es machte den Eindruck, als würde das Dreiergespann seine Behausung nur im Ausnahmefall verlassen und wann dieser genau eintrat, erschloss sich Ulfried und Dorothea nicht. Saßen sie mal vor ihrem Zelt, tuschelten sie komischerweise, als könne man sie nur draußen hören. Er, mit seinem langen, nach oben geformten Spitzbart, kauerte dann im Schneidersitz vor seinen Frauen. Familie „Merkwürden“ war gar keine Familie, sie waren alles andere.

„Zusammen kiffen haben wir abgemacht, aber nicht zusammen bumsen!“, hatte die Ältere später abends mit schriller Stimme ins Getuschel geblökt und ein Machtwort unter freiem Himmel gesprochen. Geschätzt war sie so Anfang vierzig, die Jüngere so Mitte bis Ende zwanzig und er, der Hagere, so Mitte dreißig. Mutmaßlich hatte er sich wohl mit seiner Vorstellung einer Ménage-à-trois verzettelt und seine Hühner vor Reiseantritt nicht in seine kühnen Träume eingeweiht. Während sie zeterten, hörte man ihn nie die Stimme erheben. Er blieb ruhig und wirkte zufrieden, was wiederum die beiden Damen zunehmend feindseliger machte.

„Einen schönen guten Morgen!“, hatte Dorothea am Tag nach Preisgabe des Geheimnisses den Frauen vormittags zugerufen, gelacht und noch hinzugefügt: „Kann schon ganz schön eng werden beim Campen mit der Familie, was?“

„Ach, einen Clown gefrühstückt heute?“, blaffte die Ältere sie an.

Was nebenan genau abging, blieb für Ulfried und Dorothea ein Mysterium bis zum Schluss und nahm sein jähes Ende am Abend mit einem Donnerschlag.

„Das kann noch ungemütlich werden, wenn du dir mal den Himmel anguckst. Das rumst nachher noch, was mich nicht wundern würde, bei dieser drückenden und schwülen Luft“, hatte Ulfried auf dem Kiesweg vom Strand zum Campingplatz angemerkt.

Dem Dreiergespann war der Wetterwechsel natürlich nicht aufgefallen. Ulfried und Dorothea saßen auf der kleinen Sandfläche vor ihrem schönen Vorzelt und entspannten noch im Dämmerschein, als es kam wie befürchtet. Ein Wärmegewitter zog auf, mit allem, wovor so mancher Camper bange war. Dicke Wolkenpakete zogen in einem immens schnellen Tempo vorüber und führten Windböen mit sich, die Kraft ihrer Stärke einiges an Zubehörklump aufs offene Meer hätten hinaustragen können. Die ersten Tropfen platschten laut zu Boden und dann öffnete der Himmel mit Ansage seine Schleusen. Im Sekundentakt donnerte und blitzte es kurz hintereinander und Ulfried und Dorothea eilten in ihr Vorzelt, verschlossen es und ließen sich auf die Eckbank ihres Wohnwagens fallen, um von da aus durch das Rückfenster das Spektakel mitverfolgen zu können. Während ihr eigenes Vorzelt stramm im Wind stand und sich den Mächten widersetzte, bahnte sich nebenan eine Endlösung an. Die Dreiergruppe lief aufgeregt in ihrem flatternden Zelt umher und versuchte dessen Haut, die sich nach innen wölbte, mit den Händen abzustützen. Die lichtspendende Petroleumlampe zauberte ein Schattenspiel an die Wand des Tunnelzeltes, das Ulfried und Dorothea so noch nirgendwo gesehen hatten. Eine Momentaufnahme glich einem Scherenschnitt, in dem zwei unterschiedlich große Frauengestalten einer Männergestalt im Mantel gegenüberstanden und ihn anflehten. Ein darauf folgendes Beschwörungsritual zeigte die Weiber nervös herumwirbeln und dann auf ihn einschlagen. Deutlich zeichneten sich die Silhouetten der hüpfenden Gestalten ab und sein gezwirbelter Bart, einem wildgewordenen Pinsel ähnelnd, zitterte über die Leinwand.

Ulfried und Dorothea knieend auf der Eckbank hinter ihrem Panoramafenster, konnten sich vor lauter Lachen kaum halten. Tränen rannen über ihre Wangen und Dorothea versuchte mit aller Kraft die Frage: „Sollen wir nicht helfen“, herauszubringen.

„Ich kann nicht, aber lass uns das Fenster noch einen Tick aufstellen“, gurgelte Ulfried, der sich gekrümmt seinen Bauch hielt.

„Du spinnst wohl! Schluss jetzt!“, geierte Dorothea und zog die Jalousie herunter.

„Was machst du? Das ist doch voll blöd! Ich will hören und sehen! Ich prophezeie dir, dass da heute Abend noch was Spektakuläres passiert und wir werden uns schwarzärgern, wenn wir das verpassen.“

„Das können wir nicht machen“, flüsterte sie, „wie Spanner hinter dem geöffneten Fenster hocken bleiben. Was ist, wenn sich die Lage weiter zuspitzt? So wie die auf den Typen einprügeln, enthaupten die den zum Schluss noch.“

Fürwahr so schon grotesk genug, würden sie bei einer Eskalation die Bilder bestimmt nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

„Oder die schneiden dem...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7578-9932-6 / 3757899326
ISBN-13 978-3-7578-9932-5 / 9783757899325
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