Herr der Seidenstraße -  Birgit Furrer-Linse

Herr der Seidenstraße (eBook)

Tamerlan
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
412 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-4816-3 (ISBN)
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Im Jahr 1336 n. Ch. erblickt Timur ibn Taragai Barlas in einer Jurte bei Kech das Licht der Welt. In jungen Jahren verdient er sich seinen Lebensunterhalt mit Viehdiebstählen und Überfällen auf kleine Dörfer und Karawanen. Als er als Söldner in den Dienst des Emirs Kazagan tritt, beginnt sein schicksalhafter Lebensweg. Der Enkel des Emirs, Hussein, wird sein Freund, seine Enkelin Turmush Agha seine Frau. Gemeinsam durchleben Hussein und Timur viele Höhen und Tiefen, bis sie sich eines Tages als Rivalen um die Macht über Transoxanien gegenüberstehen. Nach dem Tod Husseins gründet Timur die Dynastie der Timuriden, macht Samarkand zu seiner Hauptstadt, heiratet Husseins Frau Saray Malik Khanum und überzieht seine Nachbarstaaten mit von Grausamkeiten gekennzeichneten Eroberungsfeldzügen. Als Feldherr ist ihm das Glück hold. Im familiären Bereich muss er hingegen einen Schicksalsschlag nach dem nächsten hinnehmen. Weitere Romane über die Geschichte der Mongolen: Steppenbrand/ Die Erben des Dschingis Khans Mongolen/ Kublai Khan und Kaidu Khan

Die 1956 in Berlin geborene Autorin Birgit Furrer-Linse hat sich auf das Schreiben historischer Romane spezialisiert. Umfangreiche Recherchen und Reisen kennzeichnen ihre Bücher über das Alte Ägypten, das Reich der Assyrer, Römer und Mongolen.

4.


Nachdenklich blickte Timur in die Runde seiner Gefolgsleute, die um ein Feuer versammelt saßen und ihren nächsten Überfall planten.

Drei Jahre waren vergangen, seit er das Lager seines Vaters verlassen hatte, drei Jahre, in denen er vom Jugendlichen zum muskulösen, selbstbewussten Mann herangereift war, dessen Behinderung des rechten Beins überstrahlt wurde von seiner leuchtenden Erscheinung und seinem Charisma. Selbst die leichte Verwachsung an seiner rechten Schulter mochte den imposanten Eindruck, der von seiner Person ausging, nicht schmälern.

Das Leben in den Bergen war am Anfang hart und einsam gewesen und hatte ihm viel Willenskraft abverlangt, die täglichen Herausforderungen zu meistern. Begonnen hatte er seine Karriere als Räuber mit kleinen Überfällen auf die Schafherden einzelner herumziehender Nomadenstämme. Zuweilen war auch einmal ein Pferd dabei gewesen, das er gestohlen und gewinnbringend verkauft hatte. Sein Leitsatz und seine Rechtfertigung waren stets gewesen: „Wer auf seinen Besitz nicht aufpassen kann, der verdiente ihn auch nicht.“

Schon bald hatte er sich einen Ruf als erfolgreicher Bandit erworben, und es hatte nicht lange gedauert, bis andere zu ihm stießen, die sich seinen Raubzügen anschließen wollten. Sie waren willkommen, solange sie Timurs Autorität anerkannten. Es hatte zwei, drei blutige Auseinandersetzungen gegeben, aus denen Timur als Sieger hervorgegangen war. Danach hatte niemand mehr seine Führerschaft in Frage gestellt. Inzwischen überfielen sie schon lange keine Hirten mehr mit ihren Herden, sondern nahmen sich reiche Karawanen und ganze Dörfer vor und waren dadurch zu einer nicht zu übersehenden Macht in der Gegend geworden. Stets teilte Timur die gemachte Beute gerecht, behielt für sich nicht mehr, als er den anderen zugestand. Das hatte seine Beliebtheit unter seinen Getreuen gesteigert, die ihm inzwischen blind folgten.

Im Augenblick dachte Timur jedoch darüber nach, wie lange er dieses Leben als Räuber so weiterführen konnte. Gewiss, er war frei und unabhängig, und solange ihm und seinen Raubzügen reiche Beute beschieden war, würden seine Männer zu ihm stehen. Doch konnte dieses Vagabundendasein ewig gut gehen? Auf Dauer brauchte ein Mann ein Zuhause, einen Ort, an den er nach getaner Arbeit heimkehren konnte, eine Frau, eine Familie. Gewiss, an Frauen mangelte es ihnen nicht, erbeuteten sie auf ihren Raubzügen doch immer wieder hübsche, junge Mädchen, an denen sie ihre Manneskraft beweisen konnten, bevor sie die Frauen an Sklavenhändler verkauften oder gegen Lösegeld an ihre Familien zurückgaben. Doch Timur wusste, dass das auf Dauer nicht genügte.

In sentimentalen Stunden dachte er darum immer öfter an seine Amme Buluyan, die für ihn wie eine Mutter gewesen war, an seine Milchschwester Tulun, die inzwischen zu einer wahren Rose erblüht sein musste, und seine jüngste Schwester Shirinbek, die ihm im Ordu seines Vaters wie ein junger Hund auf Schritt und Tritt gefolgt war. Dann wurde ihm klar, was ihm fehlte. Ein Mann brauchte eine Frau, die ihm Söhne schenkte und damit den Familienstamm am Leben erhielt.

Timur seufzte leise, während er sich mit seinem Messer ein großes Stück Fleisch von dem Hammel abschnitt, der über dem Feuer an einem Spieß briet. Dann dachte er noch einmal über das Angebot nach, das ein Bote des Emirs Kazagan ihm auf Empfehlung seines Onkels Haddschi unterbreitet hatte. Der Emir bot ihm an, mit seinen Gefolgsleuten an dessen Hof zu kommen und in seine Dienste zu treten. Ein Angebot, so fand Timur, das durchaus seine Reize hatte. Am Hof des Emirs würde er eine Position einnehmen, aus der sich für die Zukunft viele Chancen entwickeln konnten. Doch dafür würde er seine Freiheit aufgeben müssen und wäre künftig weisungsgebunden. Andererseits konnte er auch nicht ewig das Leben eines Banditen führen, wollte er in seiner Zukunft mehr erreichen, als als Räuberhauptmann gefürchtet zu werden.

Timur fühlte deutlich, dass er für Größeres bestimmt war. In ihm brannte ein Feuer, das nach Höherem strebte. Auf Dauer würde es ihm nicht genügen, diese Bergregion zu beherrschen und die Durchziehenden in Angst und Schrecken zu versetzen. Darum war das Angebot des Emirs es durchaus wert, darüber nachzudenken, auch wenn bekannt war, dass der Hof des Emirs ein Nest voller Schlangen war, die sich gegenseitig belauerten, um im geeigneten Moment zuzubeißen. Doch wenn er wirklich Macht und Einfluss ausüben wollte, musste er lernen, sich nicht nur bei seinen Getreuen und Kriegern, sondern auch in einer diplomatischen Schlangengrube durchzusetzen.

Das Für und Wider abwägend, beschloss er noch ein paar Nächte darüber zu schlafen, bevor er eine Entscheidung fällte. Niemand drängte ihn. Er konnte sich mit seiner Antwort Zeit lassen.

Tulun legte für einen Augenblick ihre Spindel beiseite, als der Verschlag ihrer Jurte beiseitegeschoben wurde und ein muskulöser Mann mit schulterlangem, rotem Haar und rotem Bart eintrat und sich vorsichtig umblickte. Für einen Augenblick erstarrte sie vor Angst, denn es war nicht üblich, dass ein Fremder ungebeten eintrat. Hatten die aufgestellten Wachen ihn denn nicht bemerkt und aufgehalten? Doch dann flog ein Strahlen über ihre Gesichtszüge, und sie sprang auf und warf sich dem Fremden an den Hals.

„Bist du es wirklich, Timur? Nach all den Jahren. Ich habe schon lange nicht mehr daran geglaubt, dass du je zurückkehren würdest.“

Auch auf Timurs Gesicht zeichnete sich ein Leuchten ab.

„Ich bin es wirklich.“ Er schob sie leicht von sich weg und blickte sie an. „Wie schön du geworden bist, noch viel schöner als in meinen Vorstellungen. Die Männer müssen vor deiner Jurte Schlange stehen, um ein Lächeln von dir zu ergattern.“

Ein Schatten senkte sich für einen Augenblick über Tuluns Strahlen. Aber sogleich verscheuchte sie ihre düsteren Gedanken, denn sie wollte diesen Augenblick der Freude nicht durch dunkle Gedanken trüben. Doch Timur hatte den flüchtigen Stimmungswechsel durchaus bemerkt.

„Was ist, Schwester? Habe ich etwas Falsches gesagt und dich gekränkt?“

„Nein, durchaus nicht“, wiegelte Tulun ab. „Setz dich ans Feuer. Ich werde Essen, Wein und Arak holen.“

Bevor Timur sie aufhalten konnte, war sie aus der Jurte geschlüpft, um einige Zeit später mit Essen und Trinken in Begleitung ihrer Mutter wieder aufzutauchen.

Sofort stand Timur von seinem Sitzkissen auf, um seine Amme und Ziehmutter in die Arme zu schließen. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, das Gebrechen seines rechten Beins mit Muskelkraft und Geschicklichkeit auszugleichen, sodass seine Behinderung nicht mehr sofort ins Auge stach.

Herzlich begrüßten sich die beiden. Doch Timur konnte nicht umhin festzustellen, dass seine Ziehmutter in den letzten Jahren gealtert war. Tiefe Falten zeichneten ihr Gesicht, ihr Gang war unsicher geworden und ihr Augenlicht schien ebenfalls gelitten zu haben. Lange schaute sie ihren einstigen Ziehsohn an, bevor ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht huschte.

„Du bist ein richtiger Mann geworden, muskulös und stark. In der ganzen Umgebung spricht man von dir und deinen Gefolgsleuten. Du verbreitest Angst und Schrecken, mein Sohn. Ist das der Weg, den du dir für deine Zukunft gewählt hast?“

Der leichte Tadel in Buluyans Stimme war nicht zu überhören. Doch Timur lächelte nur.

„Nein, Amme. Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden. Ich bin auf der Durchreise. Meine Männer und ich werden in die Dienste Kazagans treten und die Laufbahn eines Kriegers einschlagen. Doch bevor ich mit meinen Männern in dessen Sommerlager reite, wollte ich euch wiedersehen. Wie ist es euch ergangen?“

Buluyan ließ sich mit Timur am Feuer nieder, während Tulun Wein in Becher goss, sowie eine Platte mit Bratenstücken, Brot und Gemüse auf ein Tischchen stellte, damit sich jeder bedienen konnte. Nachdem alle drei einen kräftigen Schluck getrunken hatten, begann Buluyan von den Ereignissen zu erzählen, die sich während Timurs Abwesenheit im Lager seines Vaters ereignet hatten. Es handelte sich dabei um keinerlei spektakuläre Begebenheiten. Darum war Buluyan auch bald mit ihrem Bericht am Ende angelangt.

Timur lächelte wissend. Im Lager seines Vaters lief offensichtlich alles seinen gewohnten Gang. Viehdiebstähle und Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarn waren so ziemlich alles, was das tägliche Einerlei in diesem Lager bestimmte. Er hatte nichts anderes erwartet.

„Wirst du zu ihm gehen, bevor du weiterziehst?“, wollte Buluyan schließlich wissen.

Timur nickte nachdenklich. „Ja, das werde ich, auch wenn wir uns vermutlich nicht viel zu sagen haben. Aber er ist und bleibt mein Vater.“

Buluyan nickte verständnisvoll.

„Der Vorfall, der dich seinerzeit von hier wegführte, ist vergessen. Dein Vater hat damals ein Blutgeld an die Familie gezahlt. Damit war die Angelegenheit erledigt. Du hättest viel früher zurückkehren können.“

„Es ist gut, so wie...

Erscheint lt. Verlag 27.2.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7578-4816-0 / 3757848160
ISBN-13 978-3-7578-4816-3 / 9783757848163
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