Lassiter 2653 (eBook)

Das Hexenhaus von Socorro
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5262-6 (ISBN)

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Lassiter 2653 - Kenneth Roycroft
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'Socorro!', schmetterte die Stimme des Bahnhofsvorstehers. 'Socorro, New Mexico, Endstation! Alle Passagiere bitte aussteigen!' Seine Ansage machte der dunkelblau Uniformierte durch eine Flüstertüte, mit deren Hilfe er das Schnaufen und Zischen der Lokomotive mühelos übertönte. Das blankpolierte Messing des Schalltrichters glänzte golden im Schein der Julisonne.
Der Zug der Atchison, Topeka and Santa Fé Railway war zum Stehen gekommen. Die Lok umhüllte sich selbst und einen Teil des Bahnsteigs mit einer weißen Dampfwolke. Der Bahnhofsvorsteher ließ sein Sprachrohr sinken und wandte sich der kleinen Gruppe von Frauen und Männern zu, die neben ihm ausharrte. 'Es gefällt mir nicht, dass Sie bewaffnet sind', sagte er und deutete missbilligend auf die Revolverkolben, die an den Hüften der Männer aus den Halftern ragten.
'Wir wissen, was wir tun', erwiderte die Anführerin der Gruppe kühl und herablassend.


Das Hexenhaus
von Socorro

von Ken Roycroft

»Socorro!«, schmetterte die Stimme des Bahnhofsvorstehers. »Socorro, New Mexico, Endstation! Alle Passagiere bitte aussteigen!« Seine Ansage machte der dunkelblau Uniformierte durch eine Flüstertüte, mit deren Hilfe er das Schnaufen und Zischen der Lokomotive mühelos übertönte. Das blankpolierte Messing des Schalltrichters glänzte golden im Schein der Julisonne.

Der Zug der Atchison, Topeka and Santa Fé Railway war zum Stehen gekommen. Die Lok umhüllte sich selbst und einen Teil des Bahnsteigs mit einer weißen Dampfwolke. Der Bahnhofsvorsteher ließ sein Sprachrohr sinken und wandte sich der kleinen Gruppe von Frauen und Männern zu, die neben ihm ausharrte. »Es gefällt mir nicht, dass Sie bewaffnet sind«, sagte er und deutete missbilligend auf die Revolverkolben, die an den Hüften der Männer aus den Halftern ragten.

»Wir wissen, was wir tun«, erwiderte die Anführerin der Gruppe kühl und herablassend.

Es gefällt mir nicht, dass Sie überhaupt hier sind, wollte James Donahue, der Mann in der dunkelblauen Uniform der Railroad-Company, eigentlich noch sagen. Doch er schwieg. Seine ärgerlich zusammengepressten Lippen waren unter dem buschigen Schnauzbart nicht zu erkennen.

Aber sein Gesichtsausdruck sagte alles über seine Abneigung gegen die ungebetenen Gäste auf dem Bahnsteig. Und sein Blick, mit dem er die Anführerin Gertrude Payton maß, spiegelte unverhohlene Verachtung.

Gern hätte er sie und ihre Leute zum Teufel geschickt. Aber ein Hausrecht konnte er nicht geltend machen, weil der Bahnsteig zum öffentlichen Bereich des Bahnhofs gehörte.

Donahue konnte die hagere, streng aussehende Frau nicht leiden. Das hatte er ihr sogar schon einmal ins Gesicht gesagt, als sie mit ihrem Gefolge auf dem Bahnsteig aufgekreuzt war.

Allein mit ihrem Äußeren gab sich Gertrude Payton wenig Mühe, sympathisch zu wirken. Wie sie aussah und sich kleidete, glich sie einer verknöcherten Alten. Mit ihren dreiunddreißig Jahren sah sie aus, als wäre sie im Dienst ergraut und kurz vor der Pensionierung.

Das lag vor allem an ihrem aschblonden Haar, das wie grau wirkte. Sie trug es zu einem Knoten zurückgebunden. Eine Nickelbrille mit runden Gläsern verschärfte das Bild ihrer Strenge. Außerdem kleidete sie sich stets nur in Grau.

An diesem Tag war es ein dunkelgraues Kostüm, das ihre hagere Statur noch unterstrich. Ein topfförmiger Hut im gleichen Farbton wirkte ebenso unvorteilhaft wie die schwarzen Schnürstiefel.

Darüber war ein kurzes Stück ihrer storchendünnen Beine, in graue Wollstrümpfe gehüllt, zu sehen. Der lange Rock verdeckte gnädig weitere Einblicke. Natürlich war sie unverheiratet.

Wie die meisten Leute in Socorro konnte sich James Donahue beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie jemals einen Mann abkriegen würde. Gemessen daran, dass sie keinen Wert auf ihr Erscheinungsbild legte, hatte sie offenbar auch kein Interesse an einer Ehe.

Als Schulleiterin war Gertrude Payton allerdings eine Respektsperson in der Stadt. Ihre Schüler fürchteten sie wegen ihrer Hartherzigkeit.

Und viele Erwachsene empfanden ebenso wie der Leiter des Bahnhofs. Das lag daran, dass Gertrude die Organisation der Temperenzlerinnen in Socorro leitete. Dabei hatten die Erwachsenen von Gertrude und ihren Anhängern nicht grundsätzlich etwas zu befürchten.

Nur die Freunde des Alkohols waren ihre Feinde.

Deshalb waren Gertrude Payton und ihre Mitstreiterinnen vor allem in den Saloons, Tanzhallen und Bordellen verhasst – kurzum, in allen Etablissements, in denen der Alkohol in Strömen floss.

Die Dampfwolken auf dem Bahnsteig senkten sich und lösten sich langsam auf. Die ersten Passagiere stiegen aus. Anfangs schemenhaft, dann rasch deutlicher, schälten sie sich aus den nebelartigen Schwaden hervor.

Zumeist handelte es sich um Gentlemen in eleganten Businessanzügen. Aber auch etliche Cowboys verließen den Zug. Vermutlich kehrten sie aus Kansas City zurück, nachdem sie die Rinderherden ihrer Rancher in den dortigen Verladestationen abgeliefert hatten.

Die Geschäftsreisenden durchquerten die Bahnhofshalle und eilten auf die Mietkutschen zu, die auf dem Vorplatz bereitstanden. Unterdessen machten sie sich die Cowboys auf den Weg zum Ende des Zugs. In den dortigen Güterwaggons waren ihre Pferde und das Sattelzeug untergebracht.

Mit wachsendem Unmut beobachtete James Donahue, wie sich die Haltung der Frauen anspannte. Ihre bewaffneten Begleiter, vier an der Zahl, blieben zwar gelassen, doch das konnte sich jeden Augenblick ändern.

Etwas braute sich zusammen. Die Frauen suchten Verdruss. Donahue witterte es förmlich. Auf ihn wirkten sie wie Löwinnen, die im Begriff waren, sich auf ihre Jagdbeute zu stürzen.

Allerdings waren die Leibwächter Befehlsempfänger. Sie würden nur dann losschlagen, wenn sie entsprechende Order erhielten.

Die Temperenzlerinnen waren zu sechst, Gertrude Payton mitgezählt. Ein vergleichsweise geringes Aufgebot. Bei ihren zornigen Kundgebungen vor Saloons, aber auch vor Privathäusern, in denen private Feiern stattfanden, marschierten sie stets in viel größerer Zahl auf.

Bei solchen Gelegenheiten riefen sie lautstark und im Chor ihre Warnungen vor den schlimmen Folgen der Alkoholsucht. Dagegen ging es hier, auf dem Bahnsteig, eher um die Bekehrung von Einzelpersonen.

So oder so waren diese Frauen kein gutes Aushängeschild für Socorro, fand der Bahnhofsvorsteher. Die Stadt war klein, aber dank der Eisenbahn hatte sie die allerbesten Voraussetzungen für eine aufwärtsstrebende wirtschaftliche Entwicklung.

Doch welcher Firmengründer wollte sich schon an einem Ort niederlassen, an dem ihm und seinen Mitarbeitern Vorschriften gemacht wurden, wie sie ihr Privatleben zu gestalten hatten?

Denn genau das wollten Gertrude Payton und ihre Gruppe tun. Vorschriften machen. Ihrer Meinung nach musste Alkohol vollständig verboten werden. Nicht einen einzigen Tropfen sollten sich die Menschen in die Kehle rinnen lassen.

Bislang, als die Frauen dieses Ziel allein verfolgt hatten, waren sie belächelt und nicht ernst genommen worden. Nun aber änderte sich die Lage – zumindest in Socorro. Als Erste in der staatenweiten Anti-Alkohol-Organisation hatte Gertrude Payton eine eigene Schutztruppe engagiert. Die Revolvermänner.

Offiziell dienten die Bewaffneten den Frauen als Beschützer. Das klang plausibel, weil sie bei ihren Kundgebungen nicht selten belästigt und angepöbelt wurden.

Die Zeitungen hatten bereits über Gertrude Paytons Schutzmaßnahme berichtet, und es stand zu befürchten, dass weitere örtliche Gruppen der Temperenzlerinnen dem Beispiel aus Socorro folgen würden.

Ihren Kampf gegen den Alkohol führten die kämpferischen Ladys normalerweise nur mit der Kraft des Wortes. Überall in den Vereinigten Staaten und im Rest der Welt, wo es Organisationen der »Temperance Union« gab, machten die rigorosen Demonstrantinnen Schlagzeilen.

Und mit ihrer wachsenden Popularität wuchs der Widerstand. So rotteten sich in den Saloons immer mehr Freunde harter Drinks zusammen, die nicht davor zurückschreckten, den Temperenzlerinnen Schläge anzudrohen.

In einigen Städten des Westens hatte es bereits Zwischenfälle gegeben. Jedes Mal waren es Angetrunkene gewesen, die die Frauen niedergebrüllt und ihnen angedroht hatten, nachzuholen, was ihre Ehemänner wohl versäumt hatten. Nämlich, sie übers Knie zu legen und ihnen den Hintern zu versohlen.

Und bei Drohungen war es nicht geblieben. In Socorro war zwar noch nichts Derartiges passiert, doch Gertrude Payton hatte beschlossen, ein Exempel zu statuieren. Sie hatte die Revolvermänner engagiert, um möglichen Gewalttätern zuvorzukommen.

Der Bahnhofsvorsteher konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen. »Temperenz heißt doch Mäßigung, nicht wahr, Madam?«

»Ja, da haben Sie recht«, lobte ihn Gertrude Payton schulmeisterhaft wohlwollend. »Ich nehme an, dass Sie allein von Berufs wegen verantwortungsbewusst sind und den Teufel Alkohol aus Ihrem Leben verbannt haben.«

»Das habe ich in der Tat«, bestätigte James Donahue. »Nur nach dem Abendessen genehmige ich mir mal ein kleines Glas Bier. Das ist doch nicht so schlimm, o...?« Das Wort »oder« bekam er nicht mehr heraus.

Denn Gertrude Payton unterbrach ihn mit einer schroffen Handbewegung. Ihr Blick wanderte von ihm ab.

»Der Mann dort!«, rief sie ihrer Gruppe zu. »Den knöpfen wir uns vor.«

Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf einen elegant gekleideten Gentleman, der aus dem Pullman-Wagen gleich hinter dem Postwagen stieg.

James Donahue konnte nur den Kopf schütteln. »Aber der Mann ist doch völlig nüchtern«, entfuhr es ihm.

»Nein«, widersprach Gertrude Payton ihm schneidend. »Er ist sturzbetrunken. Man sieht es ihm nur nicht an.«

Donahue schüttelte ungläubig den Kopf. »Das glaube ich nicht«, wies er standhaft zurück. »Das ist doch ein typischer Großstädter – und wohlhabend noch dazu.«

»Mag...

Erscheint lt. Verlag 23.5.2023
Reihe/Serie Lassiter
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g-f • GF • g f barner • g f unger • Indianer • jack-slade • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • lucky-luke • Männer • martin-wachter • Nackt • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • sonder-edition • Unger • Western • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp
ISBN-10 3-7517-5262-5 / 3751752625
ISBN-13 978-3-7517-5262-6 / 9783751752626
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