Magische Bilder (eBook)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-4799-8 (ISBN)
Vor langer Zeit wurden die Meister der sechs magischen Familien mit einem Zauber in sechs Fotografien gebannt. Nun versuchen ihre Nachfahren sie zu befreien, doch die düsteren Inquisitoren, allen voran ihr Anführer Nicéphore, wollen dies verhindern. Bei dem Versuch, die Meister der Magie zu befreien, erweist sich der junge Art selbst als Magier, der zur legendären siebten Familie gehört. Er gerät in ein halsbrecherisches Abenteuer, das ihn von Paris über Kairo bis nach Peking führt. Er besucht die magischen Enklaven in den Metropolen der Welt - und findet in der Zauberin Wu die Liebe seines Lebens. Doch dann stellt er fest, dass sein eigener Vorfahr versucht, ihn in ein Foto zu bannen ...
Akram El-Bahay hat seine Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf gemacht: Er arbeitet als Journalist und Autor. Für seinen Debütroman FLAMMENWÜSTE wurde er mit dem SERAPH LITERATURPREIS und dem RPC AWARD ausgezeichnet. Als Kind eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter ist er mit Einflüssen aus zwei Kulturkreisen aufgewachsen, deren Mythenwelt ihn gleichermaßen inspirieren. Er ist Mitglied des Phantastik-Autoren-Netzwerkes PAN.
Akram El-Bahay hat seine Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf gemacht: Er arbeitet als Journalist und Autor. Für seinen Debütroman FLAMMENWÜSTE wurde er mit dem SERAPH LITERATURPREIS und dem RPC AWARD ausgezeichnet. Als Kind eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter ist er mit Einflüssen aus zwei Kulturkreisen aufgewachsen, deren Mythenwelt ihn gleichermaßen inspirieren. Er ist Mitglied des Phantastik-Autoren-Netzwerkes PAN.
Zauberkünstler
»Oh, wie schön! Endlich sehe ich einmal Madrid.« Das magische Radio imitierte ein tiefes Luftholen, als wollte es den Duft der Stadt in sich aufnehmen.
»Mit welchen Augen willst du denn sehen?«, fragte Amin und richtete seinen roten Hut. Der Magier blickte sich missmutig um und wischte sich zum wiederholten Mal den Schweiß von der Stirn. Ehe das Radio zu einer empörten Erwiderung ansetzen konnte, seufzte er. »Hier ist es so heiß. Und so stickig. Schrecklich.«
»Du bist doch gewohnt, dass es heiß und stickig ist«, bemerkte Art. »In Kairo herrscht immer Hitze, oder?«
»Ja, aber es ist eine ägyptische Hitze«, erwiderte Amin. »Und die kenne ich. Hier aber zerfließe ich.«
»Könnt ihr beide bitte mal still sein? Sonst fallen wir noch auf.« Wu, die chinesische Magierin, hob eine Augenbraue, und Art und Amin verstummten.
Art warf seinem ägyptischen Freund einen kurzen Blick zu. Amin war der Alunni der gefallenen Enklave von Kairo. Einer der ranghöchsten Magier unter den großen, weitverzweigten Familien. Und in seinem Anzug, der gelegentlich die Farbe wechselte wie eine LED-Birne, und mit dem Hut etwa so unauffällig wie ein bunter Papagei unter Spatzen. Art hingegen musste sich nicht etwas Ausgefallenes anziehen, um aufzufallen. Seine kakaobraune Haut sorgte ganz allein dafür, dass er fremd wirkte. In seiner Heimat Frankreich ebenso wie in Spanien. »Wiederhole noch mal die Textstelle«, forderte er das Radio auf.
Ein Rauschen war zu hören, das in Arts Ohren reichlich beleidigt klang. »Ich sehe eben mit anderen Sinnen«, brummte es, dann knisterte es, als würde es sich räuspern. »Fristón auf dem sinkenden Schiff.«
Sie hatten die Worte Dutzende Male gehört. Meister Fristón, das Oberhaupt der Familie aus Spanien, war wie die anderen seines Rangs vor über zweihundert Jahren in ein magisches Bild gesperrt worden. Die Suche nach diesen Bildern, die Ereignisse zeigten, die sich Jahrzehnte vor der Erfindung der Fotografie ereignet hatten, war lange Zeit vergeblich gewesen. Bis Art in die Welt der Magier gestolpert war. Bis er herausgefunden hatte, dass er selbst ein Zauberer war. Und zwar einer, der die magischen Bilder finden und betreten konnte. Eine einzigartige Gabe.
»Welches Schiff?«, meinte Amin. Er nahm den Hut vom Kopf und wedelte sich mit ihm Luft zu. »Die Titanic?«
»Nein.« Wu klang, als müsste sie sich zur Geduld zwingen. »Sie ist 1912 gesunken.« Auf Arts und Amins verwunderten Blick hin hustete sie verlegen. »Ich mochte den Film.«
»Das erste bekannte Foto wurde von Joseph Nicéphore Niépce im Jahr 1826 erstellt«, sagte das Radio. »Da die magischen Gefängnisse allesamt Ereignisse zeigen sollen, die vor diesem Jahr stattgefunden haben, kann die Titanic nicht das Schiff sein, von dem die Rede ist.«
Nicéphore. Der Name war Art in den vergangenen Wochen, seit er die magische Welt betreten hatte, allzu oft begegnet. Hinter ihm verbarg sich der Anführer der Inquisitoren, einer ebenfalls weitverzweigten Familie von Fanatikern, die Magier hassten und jagten. Und Nicéphore war, wie sich herausgestellt hatte, selbst ein Magier. Einer, der sich gegen seine eigene Gattung gewandt hatte. Einer, den Art noch nie hatte zaubern sehen, obwohl sie sich einige Male begegnet waren. Nicéphore war ein Rätsel. Doch mit ihm konnten sie sich erst beschäftigen, wenn sie die Meister befreit hatten.
»Jaja«, unterbrach Amin das Radio. »Dann eben irgendein anderes. Und ihr seid sicher, dass eines der Fotos hier ist?«
Art folgte dem Blick des Ägypters zu dem palastartigen Gebäude. Selbst in dieser Straße, in der es nur Villen gab, stach es heraus. Er wollte zu einer Antwort ansetzen, doch das Radio war schneller.
»Senior Alvarez ist ein ebenso zurückhaltender wie erfolgreicher Unternehmer, dessen Rüstungskonzern im vergangenen Jahr mehr als zehn …«
»Bitte keine Wirtschaftsberichterstattung«, ermahnte Amin es. »Ich will es nur noch einmal hören, damit ich weiß, dass sich das Risiko lohnt. Immerhin müssen wir uns auf seine Geburtstagsparty schmuggeln. Und angesichts der vielen Wachleute schätze ich, dass wir ohne Magie nicht herauskommen, falls sie uns enttarnen.«
Im Schein zahlloser Fackeln, die vor dem Palazzo entzündet worden waren, hielten im Minutentakt schwere Autos und spuckten die Gäste des Abends aus. Jeder einzelne wurde von den Wachleuten gemustert und kontrolliert.
»Einer der Cucuys aus El Primero hat gehört, wie Senior Alvarez während eines Empfangs beim spanischen König dem Monarchen persönlich von seinem größten Schatz erzählte. Einem Bild, das die Welt auf den Kopf stellen würde, falls er es je einem Menschen zeigte. Er hatte zu diesem Zeitpunkt unwissentlich einen Garriere-Trank zu sich genommen. Eigentlich war das Gebräu, das einen unkontrolliert quasseln lässt, dazu gedacht, den spanischen König zum Reden zu bringen. Cayetano aus El Primero ging nach den Ereignissen in England davon aus, dass der König womöglich Kenntnis von einem der Bilder hat. Der Cucuy hat es natürlich allen Gästen gegeben, damit der redselige König nicht so auffällt. Es war ein schöner Zufall, dass Senior Alvarez dort war. Eine unverhoffte Spur.«
Art nickte. Sie hatten einen Hinweis darauf gefunden, dass sich die Bilder im Angesicht der damaligen Herrscher befunden hatten. Um dann an deren Nachkommen vererbt zu werden? In England hatte sich eines der magischen Bilder, das die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung zeigte, tatsächlich im Besitz Charles III. befunden. In Spanien schien das Bild indes einen anderen Weg genommen zu haben. Es war wirklich eine unverhoffte Spur, die sie zufällig gefunden hatten. Nein, korrigierte er sich. Nicht durch Zufall. Wir sind auf der Suche. Und nur wer sucht, findet auch etwas.
»Trotzdem wissen wir nicht, ob dieser Alvarez wirklich eines der Bilder besitzt.« Amin zog sich den Hut wieder an und setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Aber das werden wir herausfinden. It’s showtime.« Bei seinen letzten beiden Worten sah Amin an Art vorbei zu jemandem, der hinter ihm stehen musste.
Als Art sich umwandte, blickte er in das Gesicht eines blonden Mannes, der kaum zwanzig Jahre alt sein konnte. Auch wenn er harmlos und beinahe freundlich schien, wich Art unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Ah«, begrüßte der Ägypter den Blonden. »Du bist ein wenig spät, mein Bester.«
Der Mann schenkte Amin ein Lächeln, das einem Raubtier gut zu Gesicht gestanden hätte.
»Cayetano hat mir versichert, dass du der beste Cucuy in El Primero bist. Keiner in der Enklave soll zuverlässiger als du sein.« Amin setzte eine strenge Miene auf.
Cucuy. Art hatte den Begriff noch nie gehört, ehe sie mit dem Zug von England nach Spanien gereist waren. Auf der langen Fahrt hatte Amin ihm von den Gestaltwandlern erzählt. In allen Enklaven gab es sogenannte Creatura magicis: Geschöpfe, die durch Magie erschaffen wurden. In Ägypten waren es Mumien. In Frankreich Gargoyles. Und in Spanien tummelten sich die Gestaltwandler in der Enklave. Die Cucuys allerdings waren weit finsterere magische Wesen als die, denen Art bislang begegnet war. Die Fähigkeit, sich das Äußere eines Menschen zu geben, hatten viele der Cucuys genutzt, um Kinder fortzulocken und dann … zu verspeisen. Amin hatte Art mehrfach versichert, dass dies heutzutage nicht mehr vorkam. Doch als Art dem Wesen vor ihm in die kalten Augen blickte, zweifelte er keinen Moment daran, dass der Hunger der Cucuys noch immer da war. Die Augen verrieten sie. Sie waren vollständig schwarz, was Amins Worten nach die Vorliebe der Cucuys für Sonnenbrillen erklärte, die sie selbst in der Nacht trugen. Als hätte er Arts Gedanken gehört, zog er seine hervor und setzte sie sich auf. »Ich kenne ihn«, entfuhr es Art. »Zumindest das Gesicht.«
Der Cucuy nickte. »Ich habe mir die Haut geholt, die ihr gewünscht habt.« Die Stimme klang wie ein heiseres Flüstern, und das Lächeln, das der Gestaltwandler noch immer aufsetzte, ließ ihn für Art wie einen durchgeknallten Serienmörder wirken.
»Ein Cucuy ist …«, begann das Radio, doch Amin schaltete es kurzerhand ab und steckte es in die Herrenhandtasche, die er sich umgehangen hatte.
»Ich hatte doch gesagt, dass wir uns ein wenig Prominenz zur Hilfe holen«, bemerkte der Ägypter. »Seven ist der angesagteste Magie-Youtuber der Gegenwart. Es war nicht einfach, dafür zu sorgen, dass Senior Alvarez ihn für die Unterhaltung seiner Kinder und der anderen kreischenden Blagen anstellt, aber der gute Cayetano hat es hinbekommen. Der echte Seven wird sich doch an nichts erinnern, oder?«
Wenn Art es richtig im Kopf hatte, musste ein Cucuy denjenigen berühren, dessen Gesicht er stahl. Dummerweise sahen die Gestaltwandler laut Amin üblicherweise wie Skelette aus, über die ein wenig graue Haut gezogen war. Der Anblick blieb sicherlich im Gedächtnis.
Das Schweigen des Cucuys und ein fast genussvoller Ausdruck auf dem gestohlenen Gesicht ließ Amin drohend den Zeigefinger heben. »Du hast ihn nicht gegessen, oder? Cayetano …«
»Zu alt, zu zäh«, fiel ihm das Wesen ins Wort. »Und verboten.«
»Tja, dabei sind die verbotenen Früchte doch die süßesten«, scherzte Amin.
Der Gestaltwandler legte sein Lächeln ab. »Ich habe ihn betäubt. Er wird vielleicht einen Albtraum haben, mehr nicht.« Es klang beinahe bedauernd. Dann drückte der Cucuy Art eine Tasche in die Hände, die er bei sich trug.
»Darin sind ein paar magische Dinge«,...
Erscheint lt. Verlag | 28.3.2024 |
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Reihe/Serie | Die Magischen Bilder | Die Magischen Bilder |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Aaronovitch • Abenteuer • Die Flüsse von London • Fantasy Bücher • Fotografie • Französische Revolution • Inquisitoren • Kairo • Magie • Paris • Peking • Photographie • Verschwörung • Zarenhof • Zeitreise |
ISBN-10 | 3-7517-4799-0 / 3751747990 |
ISBN-13 | 978-3-7517-4799-8 / 9783751747998 |
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Größe: 920 KB
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