Dorian Hunter 122 (eBook)

Der Diamantendolch

(Autor)

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2023 | 1. Aufl. 2023
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5083-7 (ISBN)

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Dorian Hunter 122 - Earl Warren
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Langsam zog der Untote die Hand zurück und ließ den Dolch los, der noch immer zwischen den Rippen des Skeletts steckte.
Die Schlange zischte wieder. Der Untote beachtete sie nicht. Langsam verließ er die Grabkammer. Draußen vor der Tür leuchtete nun Fackelschein. Eine Gruppe von Untoten, in rote Kapuzenumhänge gekleidet, wartete. Zwei hatten Fackeln in den Händen, ein Dritter hielt einen Umhang bereit.
Der Untote, der einmal der Barde Bhairava gewesen war, ging zu ihnen, als würde er gerufen. Ein anderer Untoter zog ihm den Kapuzenumhang über.
Bhairava sah nun genauso aus wie die anderen Untoten. Er trat in ihre Schar, als hätte er schon immer dazugehört. Mit dröhnendem Widerhall fiel das Tor der Grabkammer zu. Das Zischen der Riesenschlange war nur noch ganz schwach zu vernehmen ...


2. Kapitel


Die Augen des Tigers funkelten aus dem Bambusdickicht. Der gestreifte Schwanz bewegte sich hin und her. Die Pilger bei den niedergebrannten Feuern schliefen. Nur wenige Wachen gingen auf und ab.

Der große Königstiger konnte seinen Blutdurst kaum noch bezähmen. Aber nicht nur, um ihn zu stillen, hatte er das Lager umschlichen. Ein Instinkt leitete die Bestie, ein Instinkt, der nicht nur tierischer Natur war.

Als ein junger Wächter in seine Nähe kam, sprang der Tiger los. Der Wächter schrie auf, als der schwere Körper ihn niederriss. Er ließ den Karabiner fallen. Das zweihundert Pfund schwere Raubtier lag über ihm, und er hatte keine Chance, sich zu wehren.

Der Tiger durchbiss seine Kehle und trank das ausströmende Blut.

Schüsse krachten, und Schreie weckten die anderen im Lager. Aber die Schüsse wurden ziellos in die Luft abgefeuert. Niemand wagte sich an den Tiger heran. Er hatte Blut getrunken, es gab nichts Schlimmeres als einen Tiger im Blutrausch.

Die beiden Männer, die an dem Feuer lagen, bei dem der Tiger den Wächter getötet hatte, rollten schreiend weg. Jetzt, da man schießen konnte, ohne Menschen zu gefährden, wurden gezielte Schüsse abgegeben.

Eine Kugel schlug in die rechte Flanke des Tigers. Er brüllte auf. Sein erster Blutdurst war gestillt, jetzt kam das andere an die Reihe. Schnell wie ein Schatten bewegte sich der Tiger. Er packte eine aufschreiende Frau. Seine Reißzähne schnappten nach ihrer Kehle, aber er biss nicht fest zu. Bevor die Pilger im Lager recht begriffen, was vorging, schleifte der Tiger die vor Schreck und Todesangst Gelähmte weg.

Die Wächter wagten nicht mehr, hinter ihm herzuschießen, um die Frau nicht zu treffen. Der Tiger verschwand in dem Bambusgehölz. Der geschmeidige Raubtierkörper verschmolz mit den Schatten der Nacht.

Der Tiger spürte, wie die Kugel aus der Einschusswunde ausgestoßen wurde und wie sich die Wunde schloss.

Der Tiger trug die Frau noch ein paar Meter weit und legte sie dann über einen gestürzten Baumstamm. Seine grün schillernden Augen funkelten sie an, und er blies ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht.

Vor Furcht wurde die Frau ohnmächtig. Der betäubende Atem des Raubtiers verwandelte ihre kurze Ohnmacht in eine lang andauernde.

Der Tiger war kein normales Tier, und weder eine übliche Kugel noch eine Messerklinge oder ein Speer konnten ihn töten.

Die feinen Ohren der Großkatze vernahmen nun, dass jemand sich näherte. Ein Mensch. Dann konnte er den Mann auch sehen, der zwischen den Bäumen verharrte, um sich zu orientieren. Ein Mann war es, zwei Meter groß und sehr muskulös, nur mit einem Lendenschurz bekleidet. In der Rechten hielt er einen Speer, in der Linken einen kurzen Stab mit verdicktem Ende. Langsam kam er näher. Es war unglaublich, aber dieser Mann schien sich selbst im dunklen Dschungel zurechtzufinden und der Tigerspur folgen zu können.

Sein Instinkt sagte dem Königstiger, dass dieser Mann ein gefährlicher Gegner für ihn war. Der Knochenstab in seiner Linken gefiel dem Tiger ganz und gar nicht. Er spürte die Kraft, die davon ausging.

Der Tiger war der König im Dschungel, er kannte keine Furcht. Wäre nicht die Aufgabe gewesen, die er erfüllen musste, hätte er den großen Mann angefallen. Aber der Befehl in seinem Katzengehirn war unüberhörbar. Der Tiger brüllte kurz. Es war eine Herausforderung an den großen Mann. Du entkommst mir nicht, hieß es, du bist hier in meinem Revier.

Der Tiger drehte die bewusstlose Frau mit der Pranke vorsichtig um, packte sie am Genick und trug sie im Maul vorsichtig davon.

Der große Mann hatte ein sehr scharfes und an die Wildnis gewöhntes Gehör. Er folgte den Geräuschen, die der Tiger mit seiner Beute verursachte. Die Bewusstlose fortschleppend, konnte das große Raubtier sich nicht völlig lautlos bewegen.

Da gellten Schreie vom Lager herüber. Schüsse krachten. Der große Mann kehrte um.

Unga kehrte zum Lager zurück, wo es drunter und drüber ging. Männer schrien, und Frauen jammerten und kreischten. Die drei Kinder, die sich bei dem Pilgerzug befanden, weinten laut.

Unga hatte gerade den Rand des Bambusdickichts erreicht, da krachte ein Schuss. Die Kugel flog knapp am Kopf des Cro Magnon vorbei, sodass er den Luftzug spürte.

»Nicht schießen!«, rief er. »Ich bin es, Unga!«

Reena und ein paar von den Padma-Anhängern beruhigten die anderen Pilger und gaben ihnen Befehle. Mehrere Karabinerläufe zeigten auf Unga, als er aus dem Dickicht trat. Die Menschen im Lager hatten Angst, und das machte sie kopflos.

»Was ist?«, rief ein Mann. »Hast du Maya retten können?« Er redete in der Hindisprache.

Unga schüttelte den Kopf. »Nein. Der Tiger hat sie verschleppt. Was ist hier vorgefallen?«

Alle redeten durcheinander, in mindestens sieben verschiedenen Sprachen und Dialekten. Unga hörte sich dieses Sprachmischmasch eine Weile an, dann unterbrach er die Redenden energisch.

»Ruhig!«, rief er auf Englisch. »Einer soll reden! Reena, was ist passiert?«

»Ein großer Vogel – ein Schattenwesen«, sagte die schöne Padma-Sadhu. »Er schwebte lautlos aus der Nacht auf uns zu, ergriff einen jungen Mann und trug ihn mit sich fort. Wir haben hinter ihm her geschossen, und zwei von den Männern meinen, dass sie ihn getroffen hätten. Aber er reagierte nicht.«

Unga fluchte lautlos. Die Schwierigkeiten nahmen kein Ende. Er hielt nach Don Chapman Ausschau und entdeckte ihn neben einem Baum. Der Zwergmann musste in der allgemeinen Verwirrung aufpassen, dass niemand auf ihn trat und ihn zertrampelte.

Der Cro Magnon wandte sich an Reena. Er sprach so leise, dass nur sie und die ihr am nächsten stehenden Padma-Anhänger ihn verstanden.

»Es ist kein Zufall, dass diese beiden Menschen entführt wurden.

Der Schattenvogel und der Tiger sind keine irdischen Kreaturen. Handelt es sich um Dämonen?«

»Ja«, sagte Reena. »Es sind Diener des Dämons Ravana. Oder vielmehr: Ein Teil seines Karmas manifestiert sich in ihnen. Wir haben schon viel versucht, um diese Ungeheuer zu vernichten, aber sie sind uns immer wieder entkommen.«

Unga seufzte. Er hatte die dämonische Ausstrahlung des Tigers gespürt. Ein normaler Tiger war schon schlimm genug, aber einer, in dem sich ein Dämon verkörperte, musste die furchtbarste Bestie der Welt sein.

Unga hatte Geschichten von Maneatern gehört, von Tigern, die sich an Menschenfleisch gewöhnt hatten und sich nur davon ernährten. Manche dieser Bestien hatten Dutzende von Menschen getötet, bevor sie endlich zur Strecke gebracht werden konnten, und diese Bestien hatten keinen Dämon im Leib gehabt.

»Die Wachen sollen ihre Plätze wieder einnehmen«, sagte der Cro Magnon. »Heute Nacht werden die Bestien wohl nicht wiederkommen. Sind die Karabiner wenigstens mit Silberkugeln geladen, Reena?«

»Nein«, antwortete die schöne Inderin. »Wir Padma haben uns auf unsere geistigen Kräfte verlassen. Wenn Rudra auftaucht, wollten wir ihn damit vernichten.«

»Rudra?«, fragte Unga.

»Die drei Verkörperungen des bösen Ravana heißen Rudra«, erklärte Reena. »Rudra der Tiger, Rudra der Nacht- oder Schattenvogel und Rudra die Schlange. Zwei Rudras haben uns heute Nacht heimgesucht.«

»Ihr seid Narren«, sagte Unga, den es erbitterte, dass drei Menschen sterben mussten. Die beiden entführten Opfer lebten noch, aber nicht mehr lange. »Die Macht des Geistes ist groß, aber ganz darf man auf die technischen und magischen Hilfsmittel nicht verzichten. Ich will ein paar Dämonenbanner um das Lager verteilen. Vielleicht hilft das etwas.«

Der Aufruhr im Lager legte sich nur langsam. Viele von den verängstigten Menschen wagten es nicht mehr, sich zur Ruhe zu begeben. Sie setzten sich an die Feuer und flehten ihre Gottheiten an.

Eine Reihe von Indern waren Hindus und Buddhisten oder Brahmanen zugleich. Die Hauptreligionen und auch die aus ihnen entstandenen Sekten standen in enger Beziehung zueinander, und die Gläubigen erkannten sich gegenseitig an. So konnte es sein, dass ein Inder Gottheiten verschiedener Religionen nebeneinander verehrte, ohne etwas dabei zu finden.

Als Unga seine Dämonenbanner verteilt hatte, kam er zu der Feuerstelle zurück, wo Don Chapman bereits auf ihn wartete.

»Kennst du dich hier noch aus?«, fragte Don Chapman. »Der Pilgerzug, der Dämon Ravana, seine drei Rudras – was hat das nur alles zu bedeuten?«

»Ich glaube, ich weiß es«, antwortete Unga. »Aber ich sage nichts, bevor ich keine Gewissheit habe. Hoffen wir, dass wir bis zum Morgen nicht mehr gestört werden.«

Der Cro Magnon streckte sich neben dem Feuer aus und hüllte seinen nur mit einem Lendenschurz bekleideten Körper in zwei warme Decken ein. Den Speer und den Kommandostab hatte er griffbereit neben sich gelegt. Von den andern Feuern her hörte Unga das Gemurmel der Betenden, die altindische Veden herunterleierten oder Buddha, Shiva und Brahma anriefen.

Bis zum Morgengrauen waren es noch knapp dreieinhalb...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2023
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-5083-5 / 3751750835
ISBN-13 978-3-7517-5083-7 / 9783751750837
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