Der Ferienhof im Schwarzwald - Der Neubeginn (eBook)
398 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-4793-6 (ISBN)
Die alleinerziehende Elli weiß kaum, wo ihr der Kopf steht. Tagtäglich stemmt sie Haus, Kinder und die eigene Polsterei. Da erreicht sie die Nachricht, dass Onkel Ludwig ihr und ihrem Bruder Florian seinen Bauernhof vermacht hat. Elli bringt es nicht übers Herz, den wunderschönen alten Schwarzwaldhof, in dem sie unvergessliche Sommer erlebt haben, zu verkaufen. Stattdessen möchten sie und ihr Bruder einen idyllischen Ferienhof daraus machen. Doch Elli hat die Rechnung ohne die Bewohner des kleinen Dorfes gemacht, die wenig von der bunten Wohngemeinschaft und den Umbauplänen halten. Werden der Zauber des Schwarzwaldes und die überraschende Aussicht auf eine neue Liebe siegen?
Folgt Elli auf den WOLKENHOF, den wunderbaren Urlaubsort, wo Herz und Humor zu Hause sind
Auftakt einer frischen und charmanten Reihe rund um eine Patchworkfamilie mit mehreren Generationen
Sandra Poppe, geboren 1975, lebt mit ihrer Familie in Bonn. Nach dem Geschichtsstudium arbeitet sie heute bei einer NGO für faire Mode. Wenn sie nicht an einem Buch schreibt, arbeitet sie gerne mit den Händen: nähen, Gartenarbeit, kochen. Ihre Romane punkten mit viel Charme und besonderen Schauplätzen. In ihrem neuesten Roman widmet sie sich einer Region, für die ihr Herz besonders schlägt: dem Schwarzwald, wo sie erlebnisreiche Jahre verbrachte.
Sandra Poppe, geboren 1975, lebt mit ihrer Familie in Bonn. Nach dem Geschichtsstudium arbeitet sie heute bei einer NGO für faire Mode. Wenn sie nicht an einem Buch schreibt, arbeitet sie gerne mit den Händen: nähen, Gartenarbeit, kochen. Ihre Romane punkten mit viel Charme und besonderen Schauplätzen. In ihrem neuesten Roman widmet sie sich einer Region, für die ihr Herz besonders schlägt: dem Schwarzwald, wo sie erlebnisreiche Jahre verbrachte.
Warum nicht einfach
ein neues Leben?
Ich lasse das Auto an der Landstraße stehen und gehe zu Fuß weiter. Eine schmale Straße führt stetig den Berg hinauf. Es ist mühsam und gleichzeitig wunderschön. Mit jedem Schritt fliegt eine Erinnerung herbei. Wie oft haben wir gestöhnt, wenn wir die Holzbrücke am Bach mit den üppig bewachsenen Blumenkästen am Geländer erreicht haben und der ganze Weg noch vor uns lag? Danach kommt die Pferdekoppel, auf der, wie früher, Pferde grasen. Zwei von ihnen werfen mir einen Blick zu, und eines der Tiere schnaubt lange, als wolle es mich begrüßen. Autos fahren die Landstraße entlang, doch mit jedem weiteren Schritt verblassen die Geräusche der Zivilisation. Ich gehe langsam und bewusst. Links und rechts erstrecken sich saftige Wiesen, gesäumt von Apfelbäumen, voll mit roten oder grünen Äpfeln. Dazwischen stehen Bienenstöcke. Sie müssen neu sein, denn an Bienen kann ich mich nicht erinnern. Ein Schwarm Spatzen fliegt herbei und lässt sich nieder, nur um nach einem kleinen Konzert wieder davonzufliegen, und ein Hausrotschwanz setzt sich mitten auf den Weg und wippt munter mit dem Schwänzchen.
»Was willst du hier?«, scheint er zu fragen.
»Ich verabschiede mich von meiner Kindheit.«
»Na gut, das erlaube ich dir«, antwortet er und fliegt davon.
Die erste lange Gerade ist geschafft. Ich halte inne und genieße den Blick über das Dorf. In die Enge des Tals gebaut, lang und schmal, wird es dominiert von Schwarzwaldhäusern, alten wie neuen. Die weiße Kirche mit Ecksteinen aus rotem Sandstein wird von der Sonne angestrahlt, als wäre allein das ihre Aufgabe. Zur anderen Seite hin öffnet sich das Tal. Wiesen, Berge und dahinter noch mehr Berge. Die Luft ist klar, die Sicht reicht bis zum Horizont. Hier oben scheint es, als wäre ich allein auf dieser Welt. Dabei leben auf jedem Berg und in jedem Tal Menschen, und vielleicht stehen einige von ihnen so wie ich gerade mitten in der Einsamkeit.
Nach einer engen Kehre führt der Weg weiter hinauf zu den Berghöfen. Ich aber biege auf einen Feldweg. Durch Wiesen hindurch und an Obstbäumen vorbei schlängelt er sich über eine von dunklen Tannenwäldern umrahmte Hochebene, die aussieht, als habe jemand nachlässig eine Tischdecke in Grüntönen ausgeworfen. Mal geht es ein bisschen bergan, mal ein bisschen bergab. Ich bin nun hinter dem Berg, habe die Laute der Zivilisation endgültig abgestreift und genieße eine magische Ruhe. Während ich den Weg entlangwandere, ärgere ich mich ein wenig. Warum habe ich Sandalen angezogen? Ich kenne den Weg doch! Jetzt verirren sich ständig spitze Steinchen unter meine Fußsohlen, und ich muss immer wieder stehen bleiben, um sie aus den Schuhen zu nesteln. Immerhin habe ich die Pumps im Schrank gelassen, die wären noch unpraktischer. Nicht, dass ich eine Frau bin, die oft Pumps trägt, aber ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt. Die schicken roten hätten wunderbar zu dem Sommerkleid gepasst, das ich nur angezogen habe, weil der Sommer nach wochenlangem Regen endlich ein Gastspiel gibt. Dabei liegt der Geruch des Herbstes bereits in der Luft.
Der Hof liegt am Ende dieser Wiesenlandschaft, eingebettet in eine kleine Senke, dahinter geht es stetig hinauf in die schwarz bewaldeten Berge. Ich atme erleichtert auf, als ich den Bauernhof von Onkel Ludwig erreiche, betrete den geschotterten Hof und blicke rundum. Wehmut. Die spüre ich. Ich lasse mich auf den Findling neben der riesigen Buche am Rande des Hofs plumpsen, deren Blätter langsam gelb werden. Die Reifenschaukel, auf der ich geträumt, gelacht und gealbert habe, hängt immer noch da. Sie war meine Heidi-Schaukel, denn sie schwingt über Berge hinweg und in den Himmel hinein.
Ich betrachte den imposanten, für die Gegend typischen Schwarzwaldhof aus den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Wie die meisten dieser Höfe ist er in den Hang gebaut, trutzig und weithin sichtbar in einer Postkartenidylle. Das tief heruntergezogene Walmdach, die Holzschindeln, die weißen Sprossenfenster und hellbraunen Fensterläden sind typisch für die Gegend. Etwas unterhalb, auf der linken Seite, steht der in den Fünfzigerjahren gebaute Stall, ein lang gezogenes Gebäude, das auch Ludwigs Werkstatt beherbergte. Dahinter mäandert ein kleiner Bach durch die Streuobstwiese, die gleichzeitig auch die Weide ist. Rechts des Haupthauses, ein Stück weiter den Weg hinauf, der in den Wald und in die Berge führt, steht das Gästehaus. Das ehemalige Altenteil sieht aus wie eine Miniaturausgabe des großen Hauses. Und unterhalb des Gästehauses steht natürlich das Backhäusle – windschief und mit roten Schindeln gedeckt, könnte es auch das Haus der kleinen Hexe sein.
Unzählige Erinnerungen sind mit diesem Hof verbunden, jeden Sommer haben wir hier verbracht, gerade sehe ich nur die traurigen Dinge: Wiesen, die niemand mäht, Äpfel, die niemand erntet, Unkraut, Farbe, die abblättert, kaputte Fensterscheiben. Zum Schluss war Onkel Ludwig nicht mehr er selbst. Sein Kopf war leer wie ein weißes Blatt Papier, auf dem der lange Text des Lebens ausradiert wurde. Ich seufze. Wehmütig. Dieser Hof steht für die schönsten Wochen meiner Kindheit. Ich werde Abschied nehmen müssen. Wird sich ein Käufer finden? Ich hoffe es sehr, denn der Hof hat mehr verdient, als weiter zu verfallen.
»Schwesterchen, du siehst aus, als hätte man dir das Herz aus dem Leib gerupft.«
Ich bin so versunken, dass ich zusammenzucke. Dann springe ich vom Felsen und werfe mich meinem Bruder in die Arme.
»Florian! Wo ist denn dein Auto? Und du hast recht. Der Anblick rupft mir das Herz aus dem Leib. Meine Güte, warst du schon immer so groß?«
Florian lacht laut auf. Er ist fast eins neunzig und kann mir auf den Kopf spucken, seitdem ich denken kann. Mit den blonden, immer ein wenig zu langen Haaren, den stahlgrauen Augen und den Sommersprossen auf den Armen kann er nur schwer verbergen, dass wir verwandt sind. Zwei Jahre älter ist er und der beste Bruder, den man sich nur wünschen kann.
»Mein Auto steht unten am Bach neben deinem. Du bist die ganze Zeit vor mir hergelaufen, hast aber mal wieder nichts mitbekommen. Ansonsten werde ich mir Mühe geben zu schrumpfen, damit wir endlich auf Augenhöhe sind, aber ich fürchte, es ist vergebens.«
»Das macht nichts. So kann ich dich wenigstens immer in den Bauch piksen, wenn du mich mal wieder aufziehst.« Ich grinse gemein. Mein Bruder ist bemerkenswert kitzelig.
»Du bist über vierzig, Elli, da sollte sich das mit dem Bauchpiksen langsam auswachsen.«
Lachend pikse ich ihn gleich dreimal. »Ich habe wohl Schwierigkeiten, erwachsen zu werden.«
»Sagt die vernünftigste Erwachsene, die mir je untergekommen ist.«
Ich verziehe das Gesicht. Florian kennt meine Schwächen. »Dann sei froh, dass du mir noch ein wenig Unvernunft entlockst.«
»Los. Piks weiter!«, fordert er mich auf, kneift die Augen zusammen und spannt die Bauchmuskeln an.
»Also, was ist?«, frage ich nach der kleinen Alberei. »Schauen wir uns den Hof an und überlegen, wie wir ihn loswerden, ohne dass es uns das Herz bricht?«
Florian nickt und ein wehmütiger Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht. Es geht ihm wie mir. Viele Erinnerungen hängen an diesem Hof. Es wird nicht leicht, ihn in fremde Hände zu geben.
Ich deute auf die kaputten Scheiben des Stalls. »Ich kann gar nicht fassen, wie verwahrlost es hier ist. Geht es wirklich so schnell, wenn man sich nicht um die Dinge kümmert?«
Florian betrachtet die Gebäude um uns herum. »Es scheint so, und das ist traurig.«
Ich nicke zustimmend. »Wann warst du das letzte Mal hier?«
»Das ist zwei Jahre her. Onkel Ludwig hat mich mit der Mistgabel vertrieben, weil er mich nicht erkannt hat. Danach gab es keine Gelegenheit mehr. Was ich jetzt bereue, aber so ist es eben.«
Ich weiß, wovon er spricht. Die Wege sind weit, ein stressiger Alltag vernichtet die Zeit, und ehe man sich versieht, ist ein lieber Mensch tot und man hat sich nie von ihm verabschiedet. Nach meinem letzten Besuch vor etwa anderthalb Jahren hatte unser Vater versucht, seinen Bruder Ludwig zum Auszug zu überreden, doch der weigerte sich beharrlich. Der Kompromiss war, eine Frau aus dem Dorf auf den Hof ziehen zu lassen, die sich bis zu seinem Tod um ihn kümmerte. Kennengelernt haben wir sie nie, und die Beerdigung fand in aller Stille statt. So wie Ludwig es wollte, neben seiner Käthe im Friedwald. Erst bei der Testamentseröffnung haben wir erfahren, dass er uns den Hof vererbt hat. In Absprache mit meinem Vater, der sich nie für den Bauernhof seines Bruders interessiert hatte. Die Überraschung ist Onkel Ludwig gelungen, und deswegen machen wir gerade diese Reise in unsere Kindheit.
»Ich war auch viel zu lange nicht hier und bereue es. Also sind wir schon zu zweit.«
Zunächst werfen wir einen Blick in den ehemals weiß gestrichenen Kuhstall samt Jungtierstall, der bis auf ein paar Gerätschaften und Strohballen leer steht. Onkel Ludwig hatte nach seiner Alzheimer-Diagnose die Tiere und einen Teil der Maschinen verkauft.
»Hier müssen wir schon mal nichts ausräumen, bevor wir Kaufinteressenten einladen«, stelle ich beruhigt fest.
»Abwarten«, entgegnet Florian trocken. »Wir fangen gerade erst an.«
Er behält recht. Die neben dem Stall im selben Gebäude untergebrachte Hof-Werkstatt ist noch vollständig eingerichtet. Sogar die Pinsel stehen wie früher in den Blechdosen, als warteten sie nur darauf, benutzt zu werden. Wir verlassen die Werkstatt und erklimmen eine kleine Rampe, die links neben dem Haupthaus...
Erscheint lt. Verlag | 29.2.2024 |
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Reihe/Serie | WOLKENHOF-SAGA | WOLKENHOF-SAGA |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2. Chance • alleinerziehend • Bauernhof • buch für frauen • Familienroman • Familiensaga • feel good • Ferien • Ferienhof • Frauenroman • Geschieden • Heiter • Humor • Kerstin Gier • Landschaft • Liebe • Liebe beginnt, wo Pläne ende • Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede • Liebesroman • Neubeginn • Neue Liebe • Neuerscheinung • Petra Hülsmann • Roman • Romantik • romantisch • Saga • Schwarzwald • Schwarzwaldhaus • Schwarzwaldhof • Tabea Bach • Träumen |
ISBN-10 | 3-7517-4793-1 / 3751747931 |
ISBN-13 | 978-3-7517-4793-6 / 9783751747936 |
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