Ein tiefer Blick in die Seele (eBook)

Commissario Montalbano geht den Dingen auf den Grund. Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
303 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-4777-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein tiefer Blick in die Seele -  Andrea Camilleri
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Commissario Montalbanos Vize Mimì hat einen Toten entdeckt - unter mysteriösen Umständen. Kurz darauf geht im Kommissariat ein Anruf ein: Der vermögende Theaterliebhaber Carmelo Catalanotti wurde leblos aufgefunden - in der gleichen Position wie der andere Tote. Während die Ermittlungen im ersten Fall sich als besonders delikat erweisen, ahnt Montalbano im Fall Catalanotti bald, dass dieser als Leiter einer Schauspieltruppe mit ungewöhnlichen Auswahlkriterien Zorn auf sich gezogen hat. Montalbano sieht sich mit einer ganzen Schar Verdächtiger konfrontiert. Und muss überdies einer neuen ehrgeizigen Kollegin Paroli bieten - der schönen Gerichtsmedizinerin Antonia ...



Andrea Camilleri (1925-2019) ist der erfolgreichste zeitgenössische Autor Italiens und begeistert mit seinem vielfach ausgezeichneten Werk ein Millionenpublikum. Ob er seine Leser mit seinem unwiderstehlichen Helden Salvo Montalbano in den Bann zieht, ihnen mit kulinarischen Köstlichkeiten den Mund wässrig macht oder ihnen unvergessliche Einblicke in die mediterrane Seele gewährt: Dem Charme der Welt Camilleris vermag sich niemand zu entziehen.

Andrea Camilleri (1925-2019) ist der erfolgreichste zeitgenössische Autor Italiens und begeistert mit seinem vielfach ausgezeichneten Werk ein Millionenpublikum. Ob er seine Leser mit seinem unwiderstehlichen Helden Salvo Montalbano in den Bann zieht, ihnen mit kulinarischen Köstlichkeiten den Mund wässrig macht oder ihnen unvergessliche Einblicke in die mediterrane Seele gewährt: Dem Charme der Welt Camilleris vermag sich niemand zu entziehen.

Eins


Er befand sich auf der Lichtung eines Kastanienwäldchens, der Boden war mit roten und gelben Margeriten einer ihm unbekannten Art übersät, deren Duft wie Balsam in der Luft lag. Er bekam Lust, barfuß zu laufen, und als er in die Hocke ging, um seine Schnürsenkel zu lösen, vernahm er den hellen Klang feiner Glöckchen. Er hielt inne, um zu lauschen, und sah eine Herde weißer und brauner Ziegen aus dem Wäldchen kommen, von denen jede ein Glöckchen um den Hals trug. Als die Tiere näher kamen, schwoll das Gebimmel zu einem einzigen anhaltenden, nicht enden wollenden schrillen Klang an, so laut, dass es ihn in den Ohren schmerzte.

Davon wachte er schließlich auf, und nun dämmerte ihm, dass das Geräusch, das immer noch anhielt, nichts anderes war als das nervige Klingeln des Telefons. Er begriff, dass er aufstehen und den Hörer abnehmen musste, schaffte es aber nicht. Er war noch zu sehr vom Schlaf benommen und hatte ein pelziges Gefühl im Mund. Er streckte den Arm aus, knipste das Licht an und sah auf die Uhr: drei Uhr morgens. Wer rief denn um diese Zeit an?

Das Klingeln dauerte an, es wollte einfach nicht aufhören.

Er stand auf, ging ins Esszimmer und hob ab.

»Pronto, wersnda?«

So war es ihm herausgerutscht.

Nach einem Augenblick der Stille hörte er vom anderen Ende der Leitung die Rückfrage:

»Bin ich da bei Montalbano?«

»Ja.«

»Ich bin’s, Mimì!«

»Was zum Teufel …?«

»Bitte, bitte, Salvo. Mach auf, ich bin gleich da.«

»Was soll ich aufmachen?«

»Die Tür.«

»Warte«, sagte er.

Mit den ruckartigen Bewegungen einer Aufziehpuppe schlurfte er zur Haustür. Er schloss sie auf und schaute hinaus.

Niemand da.

»Mimì, wo steckst du denn, verdammt?«, rief er in die Nacht.

Stille.

Er schloss die Tür.

Hatte er etwa geträumt?

Er kehrte ins Schlafzimmer zurück und legte sich wieder ins Bett.

Kaum war er eingeschlafen, klingelte es an der Haustür.

Nein, er hatte nicht geträumt.

Er kroch aus dem Bett, ging hinaus und öffnete.

Mimì stieß die Tür mit einem so heftigen Schwung auf, dass der Commissario nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Er wurde voll erwischt und gegen die Wand gedrückt.

Sein Schreck war so groß, dass er nicht einmal einen Fluch herausbrachte, und Mimì, der nicht verstand, wo er abgeblieben war, rief:

»Salvo, wo bist du denn?«

Mit einem Fußtritt warf Montalbano die Tür ins Schloss, sodass Mimì erneut draußen stand.

»Willst du aufmachen oder nicht?«, rief er.

Montalbano öffnete und drückte sich schnell an die Wand, während er den Besucher im Blick behielt, der eintrat und ihn böse anblitzte. Mimì, der sich im Haus gut auskannte, lief an ihm vorbei ins Esszimmer, öffnete die Vitrine und holte die Whiskyflasche und ein Glas heraus. Dann ließ er sich in einen Sessel fallen, goss sich ein und trank.

Bis zu diesem Augenblick hatte Montalbano kein Wort gesagt, und stumm ging er in die Küche und begann mit der Zubereitung der üblichen Tasse Kaffee. An Mimìs Gesicht hatte er abgelesen, dass die Sache, die er ihm zu berichten hatte, ein dickes Ding war.

Mimì kam herein und setzte sich auf einen Stuhl.

»Ich möchte dir sagen …«, begann er, hielt aber inne, als er bemerkte, dass der Commissario nichts anhatte.

Erst jetzt wurde Montalbano sich seiner Nacktheit bewusst und lief ins Schlafzimmer.

Während er eine Jeans anzog, überlegte er, ob er sich nicht auch ein Unterhemd überstreifen sollte, entschied aber, dass Mimì so viel Rücksichtnahme nicht verdiente.

Er kehrte in die Küche zurück.

»Ich möchte dir sagen …«, fing Mimì erneut an.

»Lass mich erst meinen Kaffee trinken.«

Der Commissario setzte sich Mimì gegenüber, zündete sich eine Zigarette an und forderte ihn auf:

»Jetzt kannst du reden.«

Mimì fing an zu erzählen, und Montalbano, immer noch etwas verschlafen, hatte das Gefühl, im Kino zu sitzen. Mimìs Worte ließen sofort Bilder in seinem Kopf entstehen.

Es war tiefe Nacht, auf der ziemlich breiten Straße schob sich der Wagen sachte und ohne Licht an den am Gehsteig parkenden Autos vorbei, er schien nicht zu fahren, sondern über Butter zu gleiten.

Plötzlich preschte der Wagen ein Stück vor, wendete und parkte zügig ein.

Die Fahrertür öffnete sich, ein Mann stieg vorsichtig aus und schloss sanft die Tür. Es war Mimì Augello.

Er schob den Kragen seiner Sportjacke bis zur Nase hoch, zog den Kopf ein, sah sich kurz um, setzte mit drei Sprüngen über die Fahrbahn und stand auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig.

Nach ein paar Schritten blieb er vor einer Haustür stehen, streckte die Hand aus und drückte eine Klingel, ohne einen Blick auf das Namensschild zu werfen.

Die Antwort kam prompt:

»Bist du’s?«

»Ja.«

Das Schloss schnappte auf. Mimì öffnete, schlüpfte durch die Tür, die er sofort wieder schloss, und ging auf Zehenspitzen die Treppe hoch. Er zog es vor, nicht den Lift zu nehmen, der zu viele Geräusche verursacht hätte.

Im dritten Stock sah er Licht durch eine angelehnte Wohnungstür. Er ging darauf zu, drückte sie auf und trat ein. Die Frau, die ihn gleich hinter der Schwelle erwartete, griff mit der linken Hand nach ihm, während sie mit der rechten den Schlüssel im oberen Schloss viermal und im unteren zweimal umdrehte, dann warf sie den Schlüssel auf ein Abstelltischchen. Mimì wollte die Frau in seine Arme nehmen, sie wich ihm jedoch aus, fasste seine Hand und flüsterte ihm zu:

»Lass uns rübergehen.«

Mimì gehorchte.

Sie waren im Schlafzimmer, die Frau umarmte ihn und presste ihre Lippen auf seinen Mund. Mimì zog sie fest an sich und erwiderte den leidenschaftlichen Kuss.

In diesem Moment erstarrten sie und sahen einander mit weit aufgerissenen Augen an.

Hatten sie tatsächlich das Geräusch eines Schlüssels gehört, der sich im Schloss drehte?

Den Bruchteil einer Sekunde später gab es keinen Zweifel mehr.

Jemand war dabei, die Tür aufzusperren.

Mit einem fulminanten Sprung hechtete Mimì zur Balkontür, riss sie auf, trat hinaus, und die Frau schloss schnell die Tür hinter seinem Rücken.

Er hörte noch ihre Frage:

»Martino, bist du’s?«

Und dann die Stimme eines Mannes, der nun in der Wohnung war und antwortete:

»Ja.«

Darauf sie:

»Was ist denn passiert?«

»Ich habe mich vertreten lassen, mir ist nicht gut.«

Mimì hörte nicht weiter hin. Er saß in der Falle. Wenn er nicht eine Nacht auf dem Balkon verbringen wollte, musste er sich etwas einfallen lassen, um sich aus dieser ungemütlichen und gefährlichen Lage zu befreien.

Er beugte sich vor und sah nach unten.

Eine Etage tiefer befand sich ein ebensolcher Balkon wie der, auf dem er stand: ein herkömmlicher Balkon mit Eisengeländer.

Wenn er über die Brüstung stieg, konnte er sich an den Stäben festhalten und sich nach und nach hinuntergleiten lassen.

Einen anderen Ausweg gab es nicht.

Er hielt nach rechts und nach links Ausschau, ob auch kein Auto kam, und da alles ruhig war, kletterte er über die Brüstung, setzte die Füße von außen zwischen die Stäbe und ging in die Hocke. Mit der ganzen Muskelkraft seiner Arme hielt er sich an den Stäben fest und ließ sich hinunter, bis seine Fußspitzen das Geländer des unteren Balkons erreichten.

Dann bog er den Rücken durch und schwang sich mit einem athletischen Sprung auf den Balkon der zweiten Etage.

Das war geschafft!

Schwer atmend drückte er sich mit dem Rücken gegen die Hauswand. Er war völlig durchgeschwitzt.

Sobald er sich für die nächste akrobatische Übung bereit fühlte, warf er einen Blick über die Brüstung, um die Lage zu prüfen.

Unter ihm befand sich wieder ein Balkon gleicher Bauart.

Er rechnete sich aus, dass er sich von der ersten Etage aus an einem großen Eisenrohr, das neben der Haustür nach unten führte, hinabgleiten lassen und so auf die Straße gelangen konnte.

Bevor er den Abstieg begann, wollte er kurz Atem schöpfen. Er trat einen Schritt zurück und stieß dabei mit der Schulter gegen den halb geöffneten Laden der Balkontür, und sogleich befiel ihn die Sorge, dass jemand im Zimmer ihn hören könnte. Langsam drehte er sich um. Er bemerkte, dass nicht nur der Laden, sondern auch die Glastür geöffnet war. Er überlegte kurz. War es nicht besser, den Versuch zu wagen, durch diese Wohnung möglichst geräuschlos ins Treppenhaus zu gelangen, statt erneut Kopf und Kragen zu riskieren? Er war schließlich Polizist, wenn man ihn entdeckte, würde ihm schon eine Ausrede einfallen. Vorsichtig schob er Laden und Glastür auf und streckte den Kopf in das stockdunkle Zimmer. Er hielt den Atem an und spitzte die Ohren, hörte aber nur absolute Stille. Jetzt fasste er sich ein Herz. Er machte die Tür weiter auf, beugte sich vor und...

Erscheint lt. Verlag 22.12.2023
Reihe/Serie Commissario Montalbano
Übersetzer Rita Seuß, Walter Kögler
Sprache deutsch
Original-Titel Il metodo Catalanotti
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Commissario Montalbano • Dolce Vita • Kriminalroman • Krimis • Kulinarik • Liebe • Psychologie • Schauspiel • Sicilianità • sizilianische Küche • sizilianische Lebensart • Sizilien • Spiegel Bestseller Autor • Theater • Urlaubskrimi
ISBN-10 3-7517-4777-X / 375174777X
ISBN-13 978-3-7517-4777-6 / 9783751747776
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