Der Porzellaner (eBook)

Eine Geschichte aus Meißen. Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
461 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-4779-0 (ISBN)

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Der Porzellaner -  Annick Klug
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Als junger Bergmann bricht Samuel Stöltzel 1706 nach Meißen auf, um bei dem berühmt berüchtigten Alchemisten Friedrich Böttger das Goldmachen zu erlernen - nicht zuletzt, um damit auch das Herz seiner geliebten Sophie zu gewinnen. Statt des ersehnten Goldes, das König August zur Finanzierung seiner Kriege braucht, gelingt die Erfindung des Porzellans. Enttäuscht muss Samuel jedoch zusehen, wie sich die nun entstehende Manufaktur in Machtkämpfen zwischen Böttger, dem kreativen Kopf, und Nehmitz, dem Beamten des Hofes, aufreibt. Samuel sieht sich gezwungen, mit dem Herstellungsgeheimnis nach Wien zu fliehen, wo er auf eine neue Chance für sich und das weiße Gold hofft ...



<p>Annick Klug, geboren 1967, ist Schauspielerin, Sängerin und Drehbuchautorin. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, u. a. das<i><b> NÜRNBERGER AUTORENSTIPENDIUM</b></i>. Als Drehbuchautorin arbeitete sie u. a. für die<i><b> UFA</b></i> und <i><b>STUDIO HAMBURG</b></i>. Für<strong> DER PORZELLANER</strong> erhielt sie das Stipendium des Landes Brandenburg mit Aufenthalt auf Schloss Wiepersdorf.</p>

Annick Klug, geboren 1967, ist Schauspielerin, Sängerin und Drehbuchautorin. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, u. a. das NÜRNBERGER AUTORENSTIPENDIUM. Als Drehbuchautorin arbeitete sie u. a. für UFA und STUDIO HAMBURG. Für DER PORZELLANER erhielt sie das Stipendium des Landes Brandenburg mit Aufenthalt auf Schloss Wiepersdorf.

Samuel


Freiberg, 1706


Ein Goldmacher also. Samuel berauschte sich an dem Wort. Es klang nach Wagnis, nach einer Offenbarung, nach einer ganz besonderen Art des Studiums, abseits der Universitäten, die ja für einen einfachen Bergmann wie ihn unerreichbar waren. Es war schon viel, dass der Bergrat, Pabst von Ohain, ihn als seinen Gehilfen eingestellt hatte. Hier, im Haus des angesehenen Wissenschaftlers, hatte Samuel mehr gelernt, als er sich je hätte träumen lassen. Begierig lauschte er den Gesprächen, von denen ihm kein Wort entging, stellte Fragen, sooft es möglich war, und doch blieb er unter den gelehrten Herren am Ende nur ein Zaungast. Sein unermüdlicher Eifer, der Ohain oft an die Grenzen seiner Geduld brachte, war vielleicht auch ein Grund, warum man ausgerechnet ihn nach Meißen schickte. Dort auf der Albrechtsburg sollte Samuel in den Dienst einiger besonderer Wissenschaftler treten. Einer von ihnen war ein ehemaliger Apothekergeselle, dessen Name Ohain stets mit gedämpfter Stimme aussprach: Böttger. Viel wusste Samuel nicht über ihn, nur, dass der Bergrat seit einiger Zeit den königlichen Auftrag hatte, diesem Böttger bei seiner Arbeit auf die Finger zu schauen und ihn dabei, wo es ging, zu unterstützen – sei es mit Material oder mit Gehilfen. Eine Arbeit, von der stets nur in Andeutungen gesprochen wurde, aber Samuel hatte seinen Herrn von Aurum flüstern hören und von einem Hauptwerk, dessen Gelingen der König ungeduldig erwartete. Es bestand kein Zweifel daran, dass es dabei ums Goldmachen ging.

Den Weg durch das Haus des Bergrats kannte Samuel im Schlaf – die knarrenden hölzernen Stiegen im oberen Stockwerk, die steinernen Stufen, die von der ersten Etage in die Halle hinunterführten, die breite Diele mit den geschnitzten Wäscheschränken, die Nischen in den Mauern, in denen die Talglichter standen, und schließlich die geräumige Küche mit dem altmodischen gemauerten Herd und dem mächtigen Rauchabzug, von welchem Pfannen und Töpfe in allen Größen und Formen herabhingen. Hier schnappte sich Samuel das nötige Geschirr, um in der Speisekammer den Most und die Gurken für den Bergrat zu holen, die dieser immer zum Frühstück aß. Und während seine Füße ihn wie von selbst über die Stufen und Türschwellen führten, preschten seine Gedanken in die Zukunft vor. Warum sollte es nicht möglich sein, Gold herzustellen? Hatte nicht zuvor schon einer rotes Glas gemacht? Und ein anderer den giftigen grauen Kobalterzen die schönste blaue Farbe entlockt und wieder ein anderer das Schwarzpulver erfunden? Warum also nicht auch Gold? Jener märchenhafte Stoff, der seinem Besitzer nicht nur Reichtum brachte, sondern die Tür in ein neues Leben zu öffnen versprach.

Der Sonnenstreifen auf dem Lehmboden erlosch, als Samuel die Tür zur Speisekammer hinter sich zuzog. Er hielt inne, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Das Fass mit den Gurken stand hinter der Tür – fünf Stück sollten es sein, der Bergrat nahm es immer sehr genau. Samuel hob den Deckel vom Gurkenfass und rührte mit der Holzzange in der trüben Essigsuppe. Drei Gurken lagen bereits auf dem Teller, da sprang wie aus dem Nichts eine Gestalt hinter dem Sauerkrautfass hervor. Buh! Samuel rutschte vor Schreck der Teller aus der Hand, Essig schwappte auf die Hose und die Gurken glitschten über den Rand. Blitzschnell fasste er nach. Flink war er schon immer gewesen. Vielleicht kein Riese, aber wendig, und man sah ihm die harte Arbeit eines Bergmanns immer noch an. Seine Hände waren während seines Diensts beim Bergrat glatter geworden, aber zupacken konnte er so gut wie eh und je. Er erwischte den Teller kaum eine Handbreit über dem Boden.

»Sophie?«

Die Kammerzofe der Bergrätin. Sie musste ihn abgepasst haben. Keck und zugleich unschuldig wie ein Engel lugte sie hinter dem Fass hervor und verspeiste genüsslich den Rest eines Apfels. »Was denn?«

Jetzt kam sie Schritt um Schritt auf ihn zu, den hübschen Kopf mit dem nussbraunen streng frisierten Haar leicht nach vorne gereckt. Ihre zierliche Gestalt tänzelte um Säcke und Töpfe wie ein Fräulein bei Hofe, bis sie einer Gurke, die ihr im Weg lag, mit der Fußspitze einen gezielten und ganz und gar nicht höfischen Stups versetzte. Die Arme verschränkt, blieb sie vor Samuel stehen. Wild trommelte sein Herz. Es war kühl in der Speisekammer und roch nach Essig, geräucherter Wurst und Dörrobst. Sophie musterte ihn. Wo immer sie ihm über den Weg lief, ließ sie Samuel spüren, dass sie ihn für einen Schwätzer hielt, im besten Fall für einen Träumer. Auch jetzt lag Spott in ihrem Blick, beinahe Verachtung, aber Samuel meinte auch ein neugieriges Funkeln zu erkennen. Nervös strich er sich seine schwarzen störrischen Locken hinter die Ohren und straffte sich.

»Heute siehst du mich vielleicht zum letzten Mal die Gurken für den Bergrat aus der Speisekammer holen.«

»Pfff«, machte Sophie. »Wo soll’s denn hingehen?«

»Nach Meißen gehe ich, um ein Goldmacher zu werden. Und ein Forscher.«

»Und morgen holst du die Sterne vom Himmel?«, fragte Sophie lachend.

»Für dich auch das!«, gab Samuel zurück und legte vorsichtshalber den Teller beiseite, denn bei Sophie wusste man nie, was sie im Schilde führte. Sie aber kam nur immer näher, so nah, dass er die goldenen Sprenkel in ihren Augen sehen konnte. Augen blank und grün wie geschliffener Zöblitzer Serpentin. Dann, als ihre Nasenspitze fast die seine berührte und Samuel kaum noch zu atmen wagte, verzogen sich ihre Züge zu einem Grinsen. Samuel erwischte sie am Überkleid. Sie beugte ihr lachendes Gesicht zu ihm, sodass die Zahnlücke frech vor seiner Nase tanzte. Auge in Auge. Ihre Finger in seine Oberarme gekrallt. Und ihr Atem, ihr apfelsüßer Atem, der sich warm auf seine Wangen legte.

»Sophie«, flüsterte Samuel und suchte nach einem Satz, einem Geschenk, einem Versprechen, das er ihr geben wollte.

»Wenn ich ein Goldmacher werde, nimmst du mich dann?«

»Sicher doch, wenn du ein Goldmacher wirst, dann nehme ich dich.« Ihre Augen blitzen auf, Begierde und Abscheu zugleich. Und bevor Samuel begreifen konnte, was geschah, näherten sich ihre Lippen den seinen. Ihr Kuss war forschend. Er schmeckte fremd und süß, und das Glück überfiel ihn prickelnd, beinahe schmerzhaft, warm, kalt, endlos – und jäh unterbrochen vom Sonnenlicht, das durch die sich öffnende Tür fiel, vom Schrei der Bergrätin und vom Klirren der Schüssel, als diese auf dem Boden zersprang.

Am Nachmittag desselben Tages trat Samuel in das Arbeitszimmer des Bergrats, das sich im nördlichen Teil des Hauses befand. Der hohe Raum war zu drei Seiten bis unter die Decke mit Regalen versehen, in denen sich die Bücher und Aktenmappen aneinanderreihten. Als Bergrat und Oberzehntner stand Ohain dem Bergbau in Freiberg zwar vor allem als Beamter und Steuereintreiber vor, aber er hatte sein wissenschaftliches Interesse nie verloren und forschte neben seiner alltäglichen Arbeit, sooft es seine Zeit erlaubte. Durch die beiden quadratischen Fenster fiel das blasse Licht eines fortgeschrittenen Wintertages. Mehrere Tische standen im Zimmer verteilt, auf denen sich weitere Bücher und Mappen türmten, daneben Gesteinsproben, buntes Glas und allerlei Metallklumpen, die in Kästen sortiert oder offen herumlagen. Gottfried Pabst von Ohain saß, die Stirn in Falten gelegt, über seinen Schreibtisch gebeugt und schien nichts um sich herum wahrzunehmen. Er war ein gedrungener, etwas schwerfälliger Mann, der die fünfzig überschritten hatte und sich zu jeder Jahreszeit in warme, wollene Kleidung packte, was seine Rundlichkeit noch betonte. Samuel war noch immer wie benommen von Sophies Kuss, unsicher, ob sie sich vielleicht nur einen Scherz mit ihm erlaubt hatte. Keinen klaren Gedanken konnte er fassen – und das, obwohl er doch eine wichtige Entscheidung zu treffen hatte. Eine Entscheidung, die seinem Leben eine vollkommen neue Wendung geben würde. Leise räusperte er sich, sodass der Bergrat aufsah.

»Und, Stöltzel? Habt Ihr Euch entschieden?«

Samuel hielt die Luft an. Aber nur für einen Wimpernschlag, denn eigentlich hatte er längst einen Entschluss gefasst.

Wieder in der Diele, blieb Samuel am Absatz der Treppe stehen. Aus der Küche klang das vertraute Klappern und Lachen der Mägde herauf. Ganz allmählich kam ihm zu Bewusstsein, was er mit seiner Zusage angestoßen hatte, und bei dem Gedanken an den fremden Ort, der ihn erwartete und an dem er keinen Menschen kannte, wurde ihm nun doch etwas bang ums Herz. Bis zum Abend strich er im Haus herum und suchte nach Sophie. Er hätte sich gern von ihr verabschiedet und ihr gesagt, dass seine Ankündigung, ein Goldmacher zu werden, keineswegs ein Scherz war. Er klopfte gar unter einem Vorwand an die Stubentür der Bergrätin und erschrak, als diese selbst öffnete. Stammelnd machte er unter ihrem strengen Blick kehrt. Sie würde froh sein, dass sie ihn los war und nicht länger um die Sittsamkeit ihrer Zofe fürchten musste. Zurück in seiner Kammer, machte er sich umständlich daran, die wenigen Kleidungsstücke, die er besaß, in ein Tuch zu wickeln, und sah dabei immer wieder nachdenklich aus dem kleinen Giebelfenster hinüber zu den Dächern der Stadt. Kurz fragte er sich, wie sehr er Sophie und sein Leben in Freiberg vermissen würde, dann aber nahm die Begierde zu erfahren, was es mit dem Goldmachen auf sich hatte, überhand, und er schnürte entschlossen sein Bündel.

Hatte es ihn nicht lange schon aus der Enge Freibergs fortgezogen? Und war da nicht immer schon etwas Unbestimmtes gewesen, das Samuel antrieb zu wachsen, zu wissen und die Welt um sich in immer...

Erscheint lt. Verlag 25.8.2023
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Alchemie • August der Starke • Genie und Wahnsinn • Goldmacher • Gräfin Cosel • Habsburg • Historische Romane • Historischer Roman • Johann Friedrich Böttger • Liebe • Mätresse • Meissen • Meißner Porzellan • Reichtum • rotes Porzellan • Ruhm • Sachsen • Samuel Stöltzel • Stein der Weisen • Tschirnhaus • Wien
ISBN-10 3-7517-4779-6 / 3751747796
ISBN-13 978-3-7517-4779-0 / 9783751747790
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