Das Vogelmädchen von London (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
448 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3297-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Vogelmädchen von London - Mat Osman
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»Die Götter sind Vögel, und die Vögel sind Götter.« 

London, 1601. Shay ist Botenmädchen, Falknerin und Wahrsagerin, die in den Flügen der Vögel die Zukunft zu sehen vermag. Nonesuch ist der Star des sagenumwobenen Blackfriars-Theaters, wo eine Gruppe von Jungen für den Londoner Adel auftritt. Als sie über den Dächern Londons fliehen müssen, weil Shay gefangene Vögel befreit hat, lernen die beiden sich kennen - und verlieben sich. Dann gründen sie gemeinsam das Ghost Theatre, das in den versteckten Winkeln der Stadt phantastische Stücke aufführt. Doch bald verbreitet sich der Ruf Shays als Wahrsagerin - bis auch Königin Elizabeth sie aufsucht. Shay fällt wie üblich in Trance und weissagt der Königin - mit ungeahnten Folgen ...

Eine abenteuerliche Reise in das elisabethanischen London, wie man es noch nie gesehen hat - ein schillernder Roman über Theater, Magie und die Gefahren einer alles verzehrenden Liebe.



Mat Osman ist Musiker, Songwriter, Bassist und Gründungsmitglied der britischen Band Suede sowie Komponist für Film und Fernsehen. Seine Artikel über Kunst und Reisen sind unter anderem im »Guardian«, »Independent« und »Observer« erschienen. Er lebt in Großbritannien.

1


Hätten die Männer anstatt ihrer noblen dressierten Wölfe Hunde dabeigehabt, wäre Shay jetzt tot. Hunde hätte man von der Leine lassen können, und hier oben auf den Dächern hätten die kurzen Prozess mit ihr gemacht. Wölfe dagegen waren einen Sovereign wert, und für ein Göre wie sie wollte man einen so hohen Preis nicht riskieren. Gilmours Jagd auf sie hatte in Eastcheap begonnen, wo Shay mit Leichtigkeit von einem Dach zum anderen sprang. Dort waren die Straßen kaum so breit, dass ein Karren hindurchpasste, und die Häuser lehnten sich aufeinander zu wie Pflanzen, die sich nach der Sonne recken. Shay konnte hier die Lücken zwischen den Dächern so leicht überwinden, als schritte sie über einen Bach. Doch nun drängten die Männer sie nach Westen. Zunächst hatte sie das genossen, denn die Dächer in Westlondon waren mit Ziegeln gedeckt und nicht mit Flechtwerk und Lehm. Hier musste sie sich weniger sorgen, dass sie in eines der Zimmer durchkrachte. Doch als die Männer sie auf die prächtigeren Straßen zu scheuchten, die breit genug für Fuhrwerke waren, wurden die Sprünge echte Schwerarbeit. Shays Beine zitterten vor Anstrengung. Als sie sich waghalsig über St Peter’s Hill stürzte, schaffte sie es nur knapp auf die andere Seite. Ihr vorgestreckter Fuß verfing sich an der Ecke des Strohdachs, und nur der Schwung trug ihren Körper noch weiter, so dass sie bäuchlings auf der Dachschräge liegen blieb. Kleine Steine gruben sich ihr in Hände und Knie. Sie kroch um die Ecke des Gebäudes, lehnte sich fest an die Schräge und verfluchte sich, weil sie den Rhythmus verloren hatte. Drei Stockwerke weiter unten rasten die noch übrig gebliebenen Gilmour-Leute die Straße entlang. Shay sprang über einen kleinen Spalt zwischen zwei Kuppeldächern und rannte über eines der seltenen gläsernen Oberlichter. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf nach oben gereckte Gesichter, die ihren Füßen hinterherschauten. Dann glitt sie über eine Böschung aus bemoosten Dachziegeln auf die flache Dachkante des Hauses hinunter. Vor ihr tat sich eine zehn Fuß breite Schlucht auf. Sie hielt auf dem Dach Ausschau nach einer Leiter, mit der sie den Abstand überbrücken könnte: nichts. Jetzt war Gilmour ganz nah. Die Pfiffe ertönten öfter, und wenn Shay sich umwandte, konnte sie sehen, wie die Wölfe an ihren Leinen zerrten und die Schnauzen witternd vorreckten.

Shay drehte sich wieder zur Dachrinne hin, suchte einen anderen Ausweg. Unten an der Themse standen die Häuser wieder dichter, also schob sie sich vorsichtig am Dachfirst entlang und katapultierte sich dann über eine schmale Gasse. Sie landete auf einer Reihe älterer Häuser, die mit Brettern gedeckt waren. Das Holz bog sich unter ihrem Gewicht. Wenn es einkrachte, drohte ein Beinbruch oder Schlimmeres. Hier waren die Sprünge gut zu schaffen, doch nun rannte sie nicht mehr parallel zu Gilmour, und er kam ihr immer näher. Zum ersten Mal konnte sie das Hecheln der Wölfe und das Dröhnen seiner Füße auf den Brettern hören. Wenn es so weiterging, konnte er es sich leisten, zu warten, bis sie am Flussufer nicht mehr weiterkam.

Mit ächzenden Beinen sprang Shay von den Bretterhäusern auf ein festeres Dach. Ihre krachende Landung scheuchte eine Schar Tauben auf, eine sanfte Explosion von Federn, die himmelwärts aufflog und zerstob wie Wasser in einer Fontäne. Lautlos wiederholte Shay ihren Katechismus: Die Götter sind Vögel, und die Vögel sind Götter. Sie ließ ihre Füße von diesem Rhythmus leiten. Die Götter – Schritt – sind Vögel – Schritt – und die Vögel – Schritt – sind Götter – Sprung.

Gilmour zu ihrer Rechten, der Fluss zu ihrer Linken und das Ende der Stadt vor ihr. Sie schaute zurück: ein Kirchturm, ein Fleckchen Gras, die Türmchen auf einem Tor. Nach Osten abgebogen, hielt sie auf eine Fläche strohgedeckter Häuser zu, rannte schneller. Gilmour war nun so nah, dass sie die Befehle hörte, die er den Wölfen zurief: »Bei Fuß, bei Fuß. Braves Mädchen.« Er stieß einen langen Pfiff aus, und sofort schallte von den Straßen das Echo herauf.

Jeder Schritt riss Shay den Atem in breiten Streifen aus dem Körper. Die Strohdächer waren uneben, und zweimal verfing sie sich mit dem Fuß an einer losen Stelle. Die Enden der Halme brannten ihr an den Händen. Sie hielt Ausschau nach Orientierungspunkten. Aus dem Teppich der Stadt ragte die Kirche von St Paul’s auf, dahinter, von Rauch verhüllt, der alte Glockenturm. Beide nutzten ihr jetzt nichts. Ein Blick nach rechts: Auf einem flachen Dach hockte eine reglose Gestalt, die sich mit der Hand die Augen beschattete. Einen Moment lang beobachtete die Gestalt sie, hob dann eine Hand, stand auf und begann, parallel zu ihr zu laufen.

Die Vögel sind – Sprung – GÖTTER. Das waren beinahe acht Fuß gewesen, mit in die Höhe geschleuderten Armen, um den First des Strohdachs zu packen und sich hinauf- und hinüberzuziehen. An der anderen Seite rutschte Shay hinunter und wäre um ein Haar über die Kante gestürzt. Kleine Steine fielen auf die Straße. Wenn sie so weiterlief, würde diese rennende Gestalt ihr den Weg abschneiden. War es Freund oder Feind? Sie konnte es nicht wissen. Dann ertönte die Stimme eines Jungen über die Dächer hinweg. »Drei Häuser nach rechts und dann auf den Kirchturm zuhalten.« Shay rappelte sich auf und tat einen Schritt über die schmalste Gasse. Dreißig Fuß unter ihr toste ein Strom aus Krach und Lärm. Sie rannte los, wagte keinen Blick zurück und hielt auf das Langhaus mit dem steilen Dach zu, das sicher für die Wölfe zu steil sein würde. So gewann sie kostbare Augenblicke. Sie flitzte über die Schräge, immer ein Auge auf ihre Füße und eines auf den Jungen gerichtet. Er war zwanzig Fuß von ihr entfernt, kam aber immer näher. Ein Junge mit schulterlangem Haar, in Scharlachrot und Schwarz gekleidet. Als er auf gleicher Höhe mit ihr war, hielt er weiter eine Straßenbreite Abstand zu ihr. »Noch drei Sprünge vorwärts, dann ist da ein Dach mit einem rauchenden Schornstein. Da bleib stehen und mach mir alles nach!« Shay versuchte zu nicken, doch der Schmerz in ihren Lungen hatte ihr alle Kraft weggewischt.

Drei Sprünge – Götter, Vögel, Götter –, und sie landeten auf einem Dachquadrat, das kaum genug Platz für sie beide hatte. Aus einem morschen Kamin quoll weißer Rauch: ein süßer, beinahe widerlich süßer Geruch. Der Junge legte sich auf den Bauch und langte über die Kante. Shay hörte ein Klicken und das Knarzen von Holz.

»Schau genau hin, was ich mache.« Es schwang keinerlei Dringlichkeit in seiner Stimme mit. Shay legte sich ebenfalls hin und schaute über die Kante. Sie waren weiter oben, als sie erwartet hatte, und die Straße unten war zu fern, um irgendein Geräusch von dort zu hören. Eine Schweißperle löste sich von ihrer Augenbraue und floss träge abwärts.

»Schau hin.« Der Junge ging in die Hocke, hielt sich an der Dachkante fest und rollte sich dann darüber, während er den Rand weiter mit festem Griff umklammert hielt. Er vollführte einen Salto, und dann war er verschwunden. Shay hielt die Luft an, wartete auf das Krachen eines Aufpralls.

»Jetzt du.« Seine Stimme erklang ganz aus der Nähe. Shay schob sich weiter vor. Unter der Dachkante stand ein Fenster offen. Mit einer einzigen Bewegung hatte er sich über die Kante und in den Turm gerollt. Sein Gesicht blickte zu ihr auf. »Schnell, nicht nachdenken.«

Hinter ihr waren aufgeregtes Pfeifen und das erwartungsvolle Jaulen der Wölfe zu hören.

Shay packte die Kante und warf sich nach vorn. Die Welt geriet ins Trudeln, als ihr volles Gewicht an den schmerzenden Schultern zerrte. Sie begann, rückwärts in das Fenster hineinzufallen, doch dann stieß ihr linkes Bein krachend gegen den Rahmen, und eine Hand rutschte ab. Eine Sekunde lang hing sie an einem Arm da und ruderte mit den Beinen, um irgendwo einen Halt zu finden, ehe der Junge sie bei der Taille packte und hereinzog. Rücken und Arm schrammten hart am Fensterrahmen entlang, und dann fiel sie...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2023
Übersetzer Ulrike Seeberger
Sprache deutsch
Original-Titel The Ghost Theatre
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Elisabethanisch • Geistertheater • Ghost Theatre • Historischer Abenteuerroman • Magie • Shakespeare • Shay • Suede • Theater • Wahrsagerin
ISBN-10 3-8412-3297-3 / 3841232973
ISBN-13 978-3-8412-3297-7 / 9783841232977
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