Glut (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
432 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3319-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Glut -  Sven Petter Naess
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Blutige Karwoche in Norwegen.

Als ein junger Mann in Elvestad erstochen wird, ist Harinder Singh von der Kripo Oslo alles andere als begeistert, in seine alte Heimat berufen zu werden. Doch nicht nur der Mordfall und seine Vergangenheit warten in der Provinz auf ihn, nur wenige Tage vor Ostern brennt zudem die Kirche samt Pfarrer Ramsberg nieder. Harinder sucht gemeinsam mit seiner Kollegin Rachel Hauge nach einer möglichen Verbindung. Doch in Elvestad, so viel wird schnell klar, haben viele etwas zu verheimlichen, und nicht jeder wünscht, dass die Wahrheit ans Licht kommt.

»In Sachen Schreibtalent steht Næss dem norwegischen King of Crime Jo Nesbø in nichts nach.« VG.



Sven Petter Næss, 1973 geboren, wuchs in Oslo auf. Er arbeitet mit Informations- und Kommunikationstechnologien im universitären Sektor. Seit 2019 schreibt er zudem erfolgreich Kriminalromane. Der zweite Band seiner Reihe rund um Kripo-Oslo-Ermittler Harinder Singh erhielt 2020 die Auszeichnung für den besten Krimi Norwegens. »Glut« ist sein erster Roman im Aufbau Taschenbuch.

Kapitel 1


20 Monate später Palmsonntag, 25. März

Es war Viertel nach drei am Sonntagmorgen, als in der Polizeistation Elvestad die Meldung über ein Fahrzeug einging, das dem Anschein nach einsam und verlassen an der Brugate außerhalb des Zentrums stand. Ein Taxifahrer war im Laufe einer Stunde zweimal an dem Wagen vorbeigefahren und hatte sich Modell und Kennzeichen notiert, für den Fall, dass er als gestohlen gemeldet war. Der diensthabende Beamte in der Polizeiwache schrieb die Informationen auf einen gelben Zettel. Es sollte noch eine halbe Stunde vergehen, ehe er sich weiter darum kümmern konnte.

Per Lyngstad kam nach einem Einsatz zurück in die Polizeistation. Er und seine Kollegin Dina Martinsen schleppten einen sinnlos betrunkenen jungen Mann mit sich herein, der die Nacht in der Ausnüchterungszelle verbringen sollte.

An den Wochenenden konnte es in der ansonsten recht verschlafenen Stadt mitunter hoch hergehen. Am schlimmsten war es für gewöhnlich in der Strandgate, dieser gekrümmten Straße im Zentrumskern nahe der Glomma. Hier reihten sich die Lokale aneinander, einschließlich zweier schäbiger Spelunken an der Südseite. Meistens ging es um Lärm und Besäufnisse. Schlägereien, Sachbeschädigung, Urinieren in der Öffentlichkeit und – glücklicherweise nicht so häufig – die eine oder andere Messerstecherei.

Wahrscheinlich war es immer schon so gewesen, Per allerdings war der Ansicht, dass es mit den Jahren schlimmer geworden war. Immer öfter gingen bei der Polizei Meldungen über Personenschäden ein, die durch Gewalt und Rauschzustände verursacht waren, und die Betroffenen schienen immer jünger zu werden. Ganz abgesehen von selbst gebranntem Schnaps war es für junge Leute heute viel einfacher, auch an stärkeren Stoff und Designerdrogen heranzukommen.

Der Diensthabende reichte Per den gelben Zettel und fragte, ob er so nett sein und zur Brugate hinausfahren könnte. Falls der Wagen dort noch stünde, könnte er versuchen, den Besitzer ausfindig zu machen, oder das Fahrzeug abschleppen lassen. Auf diesem Abschnitt der Strecke herrschte nämlich Parkverbot.

»Einen Kaffee dürfen wir uns vorher aber noch gönnen, oder?«, fragte Per.

Große Dosen Koffein waren Voraussetzung dafür, eine lange Nachtschicht zu überstehen.

Nachdem er den Kaffee in sich hineingekippt hatte, ging er mit Martinsen wieder hinaus zum Streifenwagen. Als die Kollegin aus Røros vor sieben Monaten zu ihnen gekommen war, sozusagen direkt von der Polizeihochschule, war es seine Aufgabe gewesen, ihr zu zeigen, wie die Dinge an ihrer Polizeiwache abliefen. Sogar ein Lokalpatriot wie Per wusste, dass Elvestad nicht der schillerndste Ort war, um eine Karriere zu beginnen, doch in Zeiten wie diesen war es tatsächlich eine Herausforderung, nach Beendigung der Ausbildung überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden. Bis jetzt hatte Dina sich nicht beschwert, jedenfalls nicht so, dass er etwas davon mitbekommen hätte.

Die Luft war feucht und kühl. Und obwohl sich der März dem Ende zuneigte, war vom Frühling nicht das Geringste zu spüren. Ostern stand vor der Tür, aber die bewaldeten Hügel, welche die Stadt umkränzten, waren noch immer schneebedeckt. Der Winter in dieser Gegend zog sich nie einfach widerstandslos zurück.

Immerhin war die dunkle Jahreszeit vorbei, dachte Per voller Optimismus. Jetzt setzte die Dämmerung schon ein, bevor die Tagesschicht begann.

Die Polizeistation lag am nördlichen Ende der Storgate, der Hauptader in Elvestad. Im Volksmund hieß der Ort einfach nur Staden. Langsam rollte der Streifenwagen durch die Hauptstraße, keine Menschenseele war unterwegs. Laub und Papierfetzen trieben ziellos durch die Gegend. Pers Blick fiel auf Essensreste und zerbrochene Flaschen. Er schüttelte den Kopf. Manchmal fragte er sich, was in den Menschen bloß vorging.

Sie kamen an der Busstation und dem alten Bahnhof der schon vor langer Zeit eingestellten Eisenbahnlinie vorbei. Das Gebäude war später zu einem Hotel und Restaurant umgebaut worden. Einer der wenigen Orte in der Stadt, wo man wirklich gut essen konnte.

Sechshundert Meter von der Stelle entfernt, wo die Storgate in die Brugate überging, führte die grüne Stahlbrücke über die Glomma, die die Stadtgrenze markierte. Links zeigte eine Straße nach Eldoråsen hinauf, einer kleinen Anhöhe am Rande der Stadt, wo kaum ein Mensch wohnte. Die Baustelle am Fuße der Anhöhe zeugte von den Plänen, diesen Zustand zu verändern.

50 Meter vor der Brücke stand der gemeldete Wagen. Er nahm fast die Hälfte der nach Süden führenden Fahrbahn ein. Der Besitzer hatte sich auf jeden Fall eines Parkvergehens schuldig gemacht. Per fuhr an den Straßenrand und hielt dicht hinter dem Wagen an. Die Scheinwerfer badeten das Fahrzeug in gleißendes Licht.

Es handelte sich um einen himmelblauen Audi S5. Ein prächtiger Sportwagen der Sorte, die man in einem Ort wie Staden nur selten zu Gesicht bekam. Noch ehe er das Kennzeichen im Register überprüfte, ahnte Per schon, wem der Wagen gehörte. Seine Vermutung wurde bestätigt, als der Name Glenn Davidsen und die Adresse Parkallé 1 auf dem kleinen Display erschienen. Der Fabrikdirektor hatte schon immer eine Schwäche für schnelle Autos gehabt.

Allerdings hatte er nicht die Angewohnheit, sie mitten in der Nacht am Straßenrand abzustellen.

Der Himmel war immer noch dunkel, nicht die geringste Andeutung von Licht am Horizont. Martinsen nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und richtete den Lichtstrahl auf die Fahrerseite, während Per durch die Scheibe spähte. Der Audi war leer. Er probierte die Fahrertür und stellte fest, dass sie unverschlossen war. Er beugte sich ins Wageninnere vor und nahm den Geruch der frisch gewienerten Ledersitze wahr sowie den unverkennbaren Duft von Marihuana. Der Schlüssel steckte im Zündschloss. Per trat an die Motorhaube und legte die Hand darauf.

Kalt.

»Kennst du den Besitzer?«, fragte Dina Martinsen.

Per nickte. »Wir sind nicht gerade die besten Kumpel, aber alle in Staden kennen Glenn Davidsen. Seine Familie besitzt die Papierfabrik Davidsen International.«

Martinsen nickte.

»Es heißt, dass ihm die halbe Stadt gehört«, sagte sie.

»So gut wie.«

Glenn Davidsen hatte die Leitung des Familienunternehmens übernommen, nachdem sein Vater sich zurückgezogen hatte. In der Zeit davor hatte Glenn sich einen soliden Ruf als Schürzenjäger und Partylöwe erworben. Die allgemeine Auffassung war indes, dass dies der fernen Vergangenheit angehörte.

Der Marihuanadunst, der den Polizisten beim Öffnen der Tür entgegengeschlagen war, erzählte allerdings eine andere Geschichte.

Per ging einmal um den Wagen herum und stellte fest, dass die Beifahrertür nur angelehnt war. Der Strahl der Taschenlampe erfasste ein paar dunkle Flecken auf dem Asphalt, dicht am Rande der Fahrbahn.

»Blut«, sagte er.

»Sollten wir das nicht der Zentrale melden?«, fragte Martinsen.

»Ja …«, erwiderte Per, während er mit fernem Blick auf die Brücke starrte. »Aber ich will erst was überprüfen.«

Er trat in den Straßengraben neben der Fahrbahn und folgte dem kurzen Abhang zum Flussufer hinunter. Dichtes feuchtes Gebüsch erschwerte das Vorwärtskommen. Der Untergrund war glatt.

Der Bereich unter der Elvestadbrücke war einst ein beliebter Tummelplatz für Jugendliche gewesen. Er lag außerhalb des Zentrums und war vor neugierigen Blicken der Erwachsenen geschützt. Ein passender Ort für ein paar flüchtige Küsse oder auch mehr. Für einen Schluck aus der Flasche, die jemand aus Papas Barschrank geklaut hatte. Auch Per war dort gewesen. In späteren Jahren hatten Vermüllung und Verfall die meisten Jugendlichen vertrieben, während Obdachlose, Herumtreiber und Junkies die Anonymität des Ortes weiterhin schätzten.

»Was glaubst du denn zu finden?«, fragte Martinsen. »Das ist doch hier die reinste Müllkippe.«

Sie hatte natürlich recht, und Per konnte ihre Abscheu gut nachvollziehen. Die Leute hatten unter der Brücke allen möglichen Müll abgeladen, darunter Möbel und defekte Haushaltsgeräte. Alte, von Motten zerfressene Matratzen lagen herum. Einmal hatten sie jemanden, der an einer Überdosis gestorben war, auf...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2024
Reihe/Serie Team Oslo ermittelt
Team Oslo ermittelt
Übersetzer Andreas Brunstermann
Sprache deutsch
Original-Titel Den stille uke
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Augenzeugin • Brandanschlag • Doppelmörder • Harinder Singh • Jo Nesbø • Jørn Lier Horst • Kidnapping • Kriminalroman • Mordfall • Norwegen Krimi • norwegische Provinz • Oslo • Polizeiarbeit • Rachel Hauge • Skandinavien Krimi • Stieg Larsson • Tove Alstedal
ISBN-10 3-8412-3319-8 / 3841233198
ISBN-13 978-3-8412-3319-6 / 9783841233196
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