Das Haus der verwunschenen Kinder (eBook)

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2023 | 1. Auflage
392 Seiten
Hybrid Verlag
978-3-96741-190-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus der verwunschenen Kinder -  Christian Gierend
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Wie jedes Jahr verbringt die 16-jährige Isabell aus Dortmund ihre Sommerferien bei ihren Großeltern in Kirchenbrunn, einem kleinen Ort in Bayern. Bei einem Ausflug mit ihren Freunden entdeckt sie in einem verborgenen Stollen einen halbverwesten Leichnam. Es ist nicht das einzige Mysterium des Ortes. Vor zehn Jahren verschwanden aus Kirchenbrunn spurlos drei Kinder. Es hält sich der Glaube, der Teufel persönlich habe sie geholt. Isabell scheint mit den alten Geschichten mehr in Verbindung zu stehen, als sie wahrhaben will.

Christian Gierend, geboren 1965 in Köln, studierte Elektrotechnik und wohnt mit seiner Familie in Hürth bei Köln. Seit vielen Jahren arbeitet er als Ingenieur in der Entwicklung von Gebäudeinstallationstechnik. Schon in seiner frühen Jugend verfasste er Kurzgeschichten aus dem Bereich Phantastik und Mystery, von denen er einige veröffentlicht hat.

Christian Gierend, geboren 1965 in Köln, studierte Elektrotechnik und wohnt mit seiner Familie in Hürth bei Köln. Seit vielen Jahren arbeitet er als Ingenieur in der Entwicklung von Gebäudeinstallationstechnik. Schon in seiner frühen Jugend verfasste er Kurzgeschichten aus dem Bereich Phantastik und Mystery, von denen er einige veröffentlicht hat.

2.

 

Die wärmenden Strahlen der bayerischen Morgensonne und das laue Lüftchen, das mir durch die Haare weht, rufen die Lebensgeister in mir zurück. Ich atme die reine Luft tief ein und halte sie einen Augenblick lang in meinen Lungen fest. Sofort geht es mir besser. Auch Anja scheint bei guter Laune zu sein. Während ich mein blutiges Nachthemd in der Mülltonne entsorgt und anschließend meine Wunden mit einem Alaunstift behandelt habe, hat Anja die Zeit genutzt, ein Picknick für unseren Ausflug vorzubereiten. Doch ich habe nicht nur mein Nachthemd beseitigt. Auch meine Angst, meine Scham und meine Schmerzen habe ich mit dem Hemd in die Tonne geworfen. Ich will die letzte Nacht aus meinen Gedanken verbannen. Ich will nichts mehr von ihr wissen.

Wir schieben unsere Tourenräder über eine Bergkuppe entlang der wenig befahrenen Dorfstraße nach Kirchdorf, einer Fünfhundert-Seelen-Gemeinde am Hang eines Hügels. Saftiges Gras, gelber Alant und die zarten Blüten des Seifenkrauts wachsen zu unseren Füßen. Beinahe komme ich mir vor wie in einer lebendig gewordenen Kitsch-Postkarte.

»Erika hat geschrieben«, sagt Anja, während sie ihre rechte Hand vom Radlenker nimmt, um das verrutschte Lunchpaket auf ihrem Gepäckträger zu richten. »Sie möchte uns bald besuchen kommen. Ist das nicht schön? Ihr Studium lässt ihr gerade ein wenig Zeit, meint sie.«

»Jaja, die Rechtswissenschaften fordern ihren Preis«, antworte ich und klinge dabei ein wenig schnippisch. »Ich kann mich kaum noch an das Gesicht deiner großen Schwester erinnern, so lange hat sie sich schon nicht mehr bei euch blicken lassen.«

Anjas Stirn zieht eine Falte. »Jetzt übertreibst du aber. Okay, Erika war nie diejenige, die es allzu lange in der Stube ausgehalten hat. Doch wenn es darum ging, die Familie zusammenzuhalten, war sie immer für uns da.«

Ungern möchte ich meiner Freundin wehtun, doch ich komme nicht umhin, dazu meine Meinung zu äußern. »Erika und ihre Extratouren. Ein bisschen ausgenutzt hat sie die Tatsache schon, dass euer Vater früh gestorben und deine Mutter so gutmütig ist. Meinst du nicht auch?«

Damit hängt nun ein Thema zwischen uns in der Luft, auf das Anja für gewöhnlich allergisch reagiert. Sie liebt ihre Schwester über alles, weiß der Himmel, warum. Umgekehrt ist das eher nicht der Fall. Erika liebt nur einen einzigen Menschen: sich selbst. Wenn ich nicht oft genug miterlebt hätte, wie Erika aus reinem Eigennutz Anja um den Finger gewickelt und sie damit in allergrößte Schwierigkeiten gebracht hat, würde ich eventuell anders über sie denken. So aber ist Erika für mich nichts weiter als der Inbegriff purer Selbstsucht. Noch schmerzlicher ist es, zu wissen, dass Anja diese Tatsache bis zum heutigen Tage nicht wahrhaben will. Für Erika würde sie durch die Hölle gehen.

Anja vermeidet es, auf meine Bemerkung einzugehen, und deutet auf den Horizont. »Das Tal da hinten. Siehst du es? Durch das Tal fließt der Wallersbach, der anschließend in den Weißen Regen mündet. Mit seinen wilden Blumen ist es ein wunderhübsches Fleckchen Natur. Warst du schon mal dort?«

Ich schüttle den Kopf.

»Dann wäre das genau das richtige Ziel für unsere erste Etappe. Außerdem kann man entlang des Bachs prima mit dem Rad fahren«, sagt Anja weiter. »Bei so einem schönen Wetter ist das geradezu ein Muss. Dort können wir auch unser Picknick machen. Schließlich fahre ich den Früchtetee und die leckeren Tomate-Mozzarella-Brötchen nicht umsonst spazieren.«

Bis zu diesem Zeitpunkt bestand unser Ausflug einfach darin, aufs Geratewohl loszufahren und einfach zu schauen, wo es uns hintreibt. Doch Anjas Vorschlag hört sich gut an. Ich stimme ihr zu und schon radeln wir los.

 

Meine Freundin hat mir nicht zu viel versprochen. Der Wallersbach läuft mäanderförmig durch ein unter Naturschutz stehendes Tal mit grünen und saftigen Wiesen. Ich höre das sanfte Plätschern des Wassers, während wir mit unseren Rädern dem Bachverlauf folgen. Nach einer geschätzten Viertelstunde Fahrt lädt uns eine Bank aus grob behauenen Holzstämmen unter einer Gruppe aus knorrigen Kiefern zum Verweilen ein. Wir lehnen unsere Räder gegen die Bäume, setzen uns unter den nach Harz duftenden Zweigen auf die Bank und platzieren den Beutel mit den mitgebrachten Snacks genau zwischen uns.

Ich werfe einen kurzen Blick auf mein Handy. Ich habe eine Gute-Morgen-SMS von Sveta bekommen. »Schöne Grüße an das Bayern-Girl. Genieße deine Ferien«, schreibt sie. Wie lieb von ihr. Ich freue mich, dass meine beste Freundin in Dortmund schon am frühen Morgen an mich denkt. Sveta heißt eigentlich Svetlana, doch dieser Name stünde nur in ihrem Personalausweis, meinte sie einmal. Alle ihre Freunde und ihre ganze Familie würden nur Sveta zu ihr sagen. Sie, ihr Bruder und ihre Eltern sind vor drei Jahren in die Wohnung schräg gegenüber der Wohnung von Mama und mir eingezogen. Ursprünglich kommt ihre Familie aus Polen. Doch Sveta sagte, dass ihre Eltern schon so lange in Deutschland leben und arbeiten, dass sie Polen nur vom Urlaub her kenne.

Ich komme nicht umhin, Sveta eine kurze Antwort zu schicken. Dann stecke ich mein Telefon wieder in die Hosentasche zurück.

Neben mir beißt Anja genüsslich in eines der mitgebrachten Brote.

»Wie sieht es aus? Magst du ein wenig Käse und ein paar leckere Tomaten aus dem eigenen Garten? Aus Rücksicht auf deinen Magen habe ich extra nichts schwer Verdauliches eingepackt«, sagt sie augenzwinkernd.

Ach ja, mein Magen. Ich winke ab und lächle. »Alles halb so wild. Omas Tee wirkt wunderbar.«

Mit lachenden Augen stupst sie mich an. »Prima. Meinst du, du hättest noch ausreichend Puste, heute Abend mit auf ein Wässerchen ins Stübchen zu kommen?«

Ich schaue sie verwundert an, während ich mir eines der belegten Brote aus dem Beutel nehme.

»Du meinst das Stübchen in der Altstadt, nicht wahr?« Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir im letzten Sommer, kurz nach meinem sechzehnten Geburtstag, beinahe jeden Samstagabend dort verbracht haben.

»Oh ja, der letzte Sommer war eine coole Zeit. Zumindest bis zu dem Tag, an dem mir dieser Jens aus meiner Clique zu nahe auf den Pelz gerückt ist.« Anja verzieht das Gesicht.

»Und? Willst du heute Abend mit mir einfach so dahin? Oder gibt es dafür einen bestimmten Grund?«

Einen Moment lang zögert Anja und stiert verlegen auf ihre Stulle, dann formen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. »Einen Grund dafür gibt es schon. Ich möchte dir gerne Derek vorstellen.« Sie gluckst und lacht. Ihre blauen Augen strahlen. Wie auf Kommando fährt eine Windbö durch ihr offenes Haar. Es ist kein Wunder, dass sich alle Jungs in sie vergucken, so hübsch, wie sie ist.

»Nein, das gibt es doch nicht! Das mit Tim ist doch kaum zwei Monate her!« Ich stupse sie gegen die Schulter. »Und? Wie bist du an den gekommen?«

»Das war in der Freinacht in Furth im Wald. Mit der ganzen Clique sind wir durch den Ort gezogen. Derek habe ich dann im Festzelt kennengelernt. Der kannte einen der Jungs aus der Clique wohl vom Volleyball her und kam gleich auf uns zu. Jedenfalls wich mir Derek den Abend lang nicht mehr von der Seite.« Sie gluckst erneut.

»Hey, warte mal! Die Freinacht ist doch hier die Nacht zum ersten Mai. Dann kennst du den Typ also schon ein paar Monate!«, bemerke ich.

Verschämt blickt sie auf den Boden. »Zugegeben, das mit ihm und Tim hat sich ein bisschen überschnitten. Aber was solls. Timmy hatte mich da schon länger allein ziehen lassen. Dieser Idiot ist also selbst an allem schuld. Eigentlich bin ich mit Derek auch erst seit dem Gerlacher Feuerwehrfest zusammen.« Sie legt den Kopf schief und fährt sich durch ihr blondes Haar.

Wie zufällig fällt mein Blick auf ein Wegekreuz, das oberhalb des Bachlaufs einsam auf einer Anhöhe steht. Etwas in der Mitte dieses Kreuzes spiegelt das Sonnenlicht genau in meine Richtung. Das Licht bricht sich darin in allen Regenbogenfarben. Bestimmt ist es nur ein Stück Glas. Ich erinnere mich daran, dass sich nicht weit von hier die berühmte ostbayerische Glasstraße durch die Täler zieht, die ihren Namen den vielen Glashütten verdankt, die es einstmals in diesem Landkreis gegeben hat. Bei den heimischen Kunsthandwerkern hat Glas nach wie vor einen hohen Stellenwert, was unzählige gläserne Skulpturen bezeugen, die es überall entlang der Route zu bewundern gibt.

Spontan lege ich meine Stulle beiseite, hopse von der Bank und schlendere über die Wiese hinauf zur Anhöhe. Hinter mir höre ich, wie Anja mir folgt.

Oben auf der Anhöhe angekommen, erkenne ich, dass das Marterl, wie diese Art Denkmäler in Bayern genannt werden, nicht mitten auf einer einsamen Wiese steht, wie ich es von der Bank aus gesehen hatte. Ein hübsch angelegter Weg, gesäumt von bunten Hortensien, führt um das hölzerne Kreuz herum und von dort aus weiter zu einem nahegelegenen Bauernhof. Ich schaue mir das Marterl aus der Nähe an und vermisse dabei die übliche Heiligenfigur, die normalerweise im Zentrum der Bretter prangen sollte. Stattdessen ist dort ein ovales Glas eingearbeitet, das in einen goldenen Rahmen eingefasst ist. Das also ließ die Sonnenstrahlen so schillernd in meine Richtung blitzen.

»Was soll denn das sein?«, höre ich Anja hinter mir fragen. »Ein normales Wegekreuz ist das aber nicht.«

»Für mich sieht es eher aus wie eine Gedenkstätte«, antworte ich und betrachte das Glas genauer. Ich muss mich dabei so stellen, dass mich die Sonne nicht blendet. Hinter dem Glas erkenne ich das Bildnis eines Mädchens. Nett zurechtgemacht, mit blonden Zöpfen und einem schüchternen Lächeln auf den Lippen. Ich schätze das Alter des Mädchens auf etwa...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bayern • Horror • Krimi • Leiche • Mysterium • Sommerferien • Spannung • Stollen • Teufel • Thriller
ISBN-10 3-96741-190-7 / 3967411907
ISBN-13 978-3-96741-190-4 / 9783967411904
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