Der Duft von Palmenblättern (eBook)

Erinnerungen an schicksalhafte Jahre | Die Autobiografie des Zen-Meisters Thich Nhat Hanh über die Anfänge seines spirituellen Lebenswegs
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
224 Seiten
O.W. Barth eBook (Verlag)
978-3-426-46810-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Duft von Palmenblättern -  Thich Nhat Hanh
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Die Autobiografie des Zen-Meisters Thich Nhat Hanh über die Anfänge eines beispiellosen spirituellen Lebenswegs Wie wurde Thich Nhat Hanh zu einem spirituellen Meister? Was sind die Schlüsselereignisse in seinem Leben? Nirgendwo werden diese Fragen so deutlich beantwortet wie in Der Duft von Palmenblättern. Der auf Tagebüchern Thich Nhat Hanhs beruhende Text aus den sechziger Jahren erzählt von dem Kontrast von Gewalt und Krieg in Vietnam und der Konsumgesellschaft in den USA. Vor allem lebt er aber von den berührenden und poetischen Passagen über seine ganz menschlichen Gefühle und seine außerordentlichen spirituellen »Durchbrüche«. Der einzigartige Weg des jungen buddhistischen Mönchs und seine Suche nach spiritueller Befreiung und authentisch gelebter Friedfertigkeit beginnt genau hier. In Phuong Boi 'Duftende Palmenblätter' beginnt der spirituelle Weg Enttäuscht vom offiziellen Buddhismus in Vietnam baut eine Gruppe junger Mönche ein Kloster in den vietnamesischen Bergen, um ihr Ideal von einem kontemplativen und praktischen Leben zu verwirklichen. Phuong Boi 'Duftende Palmenblätter' nennen sie diesen Ort, an dem alles anfängt.   Inmitten der wilden Natur und zurückgezogen in die Abgeschiedenheit der Meditation macht Thich Nhat Hanh die ersten tiefen Erfahrungen der Einheit von völliger Leerheit reinen Gewahrseins und bei gleichzeitiger Verbundenheit mit allen und allem. Wie immer bei Thich Nhat Hanh zeigt sich dies auch in seinem praktischen Engagement, in diesem Fall für die notleidenden vietnamesischen Bauern.  Achtsamkeit und Spiritualität - auch in der westlichen Welt Seine Aktionen zwingen Thich Nhat Hanh jedoch bald zur Ausreise ins die USA als Stipendiat in Princeton: Ein Kulturschock! Es ist spannend und rührend zugleich, wie er sich geduldig und aufmerksam an die Verhältnisse im Westen gewöhnt. Und auch hier macht er einschneidende innere Erfahrungen, deren Schilderung zum Schönsten gehört, was dieser authentische Meister je verfasst hat. Die Geburtsstunde einer großen spirituellen Berufung!

Thich Nhat Hanh (1926-2022), in Vietnam geboren,  ist als buddhistischer Lehrer, Friedensaktivist, Dichter und Vertreter eines engagierten Buddhismus weit über buddhistische Kreise hinaus bekannt geworden. 1967 schlug Martin Luther King jr. ihn für den Friedensnobelpreis vor. Mehr als siebzig Jahre lang lehrte Thich Nhat Hanh Achtsamkeit und inspirierte Millionen von Menschen durch seine Präsenz. Seine Fähigkeit, Menschen im Westen Buddhismus, Meditation und Achtsamkeit nahe zu bringen, war einzigartig. Im Exil in Frankreich gründete er 1982 in der Nähe von Bordeaux das bekannte Kloster Plum Village, mittlerweile gibt es weltweit über tausend Praxiszentren und Klöster. www.eiab.eu www.plumvillage.org

Thich Nhat Hanh (1926–2022), in Vietnam geboren,  ist als buddhistischer Lehrer, Friedensaktivist, Dichter und Vertreter eines engagierten Buddhismus weit über buddhistische Kreise hinaus bekannt geworden. 1967 schlug Martin Luther King jr. ihn für den Friedensnobelpreis vor. Mehr als siebzig Jahre lang lehrte Thich Nhat Hanh Achtsamkeit und inspirierte Millionen von Menschen durch seine Präsenz. Seine Fähigkeit, Menschen im Westen Buddhismus, Meditation und Achtsamkeit nahe zu bringen, war einzigartig. Im Exil in Frankreich gründete er 1982 in der Nähe von Bordeaux das bekannte Kloster Plum Village, mittlerweile gibt es weltweit über tausend Praxiszentren und Klöster. www.eiab.eu www.plumvillage.org

18. Juli 1962


Medford, New Jersey

Seit Tagen regnet es schon. Das Dach meiner Hütte ist undicht, und die Bücher auf meinem Tisch werden allmählich feucht. Ich habe den Tisch schon ein paarmal umgestellt, und heute Morgen hoffe ich nun endlich ein trockenes Plätzchen gefunden zu haben.

Gestern Abend besuchten mich zwanzig Jungen vom »Ranger Village« in meiner Hütte, um von mir eine Einführung in den Buddhismus zu bekommen. Den größten Teil dieses Monats bin ich der »Gastredner« des Lagers gewesen. Ich habe zu insgesamt acht Gruppen gesprochen, auch zu den Jüngsten vom Cherokee Village. Die Rangers sind die Ältesten. Jeder Junge brachte einen Arm voll Holz für den Kamin mit. An kühlen Abenden macht ein warmes Feuer Pomona behaglich. Die Jungen und ich setzten uns ums Feuer. Ich trug die grauen Hosen und das graue Hemd eines Mönchsnovizen und fing an, den Jugendlichen zu erklären, dass dies eigentlich die Alltagskleidung von noch nicht voll ordinierten vietnamesischen Mönchen sei. »Ein voll ordinierter Mönch sollte die braune Robe tragen wie die, die da in der Ecke hängt«, sagte ich. »Ich aber mag es, die Kleider eines Novizen zu tragen. Ich habe so das Gefühl, jung zu sein.« Ich legte dann die braune Robe an und erklärte den Jungen, dass die Mönche in Vietnam braun gekleidet sind, um sich den Bauern gleichzustellen, deren Kleidung auch von brauner Farbe ist. Danach zog ich meine sanghati-Robe an und erklärte, dass diese gelbe Robe nur bei besonders feierlichen Anlässen getragen wird. Ich sprach ein wenig über den Südlichen (Theravada-) und den Nördlichen (Mahayana-)Buddhismus, über buddhistische Weisheit und über die Ähnlichkeiten zwischen Buddhismus und Christentum. Junge Leute sind aufgeschlossene Zuhörer und haben immer viel zu fragen. Ihre Wissbegier ist grenzenlos. Sie fragten: »Warum haben buddhistische Tempel geschwungene Dächer?« – »Bist du Vegetarier?« – »Dürfen buddhistische Mönche heiraten?« – »Welche Haltung nimmt der Buddhismus Jesus gegenüber ein?« Um unserem Zusammensein einen würdigen Abschluss zu geben, rezitierte ich Grenzenloses Leiden ausroden.

Nachdem sie gegangen waren, legte ich ein wenig mehr Holz ins Feuer und saß, in die Flammen schauend, still da. Draußen regnete es weiterhin in Strömen. Ich stellte mir vor, dass es auch in Saigon, Hue und Phuong Boi regnete. Bruder Thanh Tue hatte geschrieben, dass es in Phuong Boi schon seit Wochen regnet und dass der Sturm einen Teil des Daches vom Haus Montagnard fortgerissen hat. Ich weiß nicht, ob er die Absicht hat, es zu reparieren, oder ob er das ganze Haus dem Wind opfern will. Wir haben so viel Arbeit investiert, um dieses Haus hoch oben auf dem höchsten Berg zu errichten. Die steile Schräge des Daches gab ihm das Aussehen von zwei zum Gebet aneinandergelegten Händen. Wir verbrachten viele glückliche Stunden dort; wir studierten, machten Pläne, tranken Tee und hörten Musik, und gewöhnlich saßen wir nach japanischer Art auf den Fersen. Wenn uns aber die Füße und Beine müde wurden, wechselten wir zum kambodschanischen Stil und streckten unsere Beine zu einer Seite hin aus. Die Lotushaltung nahmen wir nur während der Sitzmeditation ein. Heute Abend stelle ich mir vor, wie ich in Phuong Boi mit Nguyen Hung, Tue, Thanh Tu und Tam Hue zusammensitze, und ich lächle still vor mich hin. Jeder von uns gehört zu Phuong Boi, wie Hung gesagt hat. Ich frage mich, ob Hung sich genauso sehr nach Phuong Boi sehnt, wie ich es tue.

Nachdem wir die sechzig Morgen Land gekauft hatten, war unser Geld restlos aufgebraucht. Wir hatten nicht einmal mehr so viel, um uns Medikamente kaufen zu können (mir ging es immer noch ziemlich schlecht). Also beschlossen Onkel Dai Ha und ich, zehn Morgen Wald urbar zu machen, um Tee anzubauen. Wir stellten drei Dutzend Montagnards an, die uns halfen, die Bäume zu roden, und einen Monat später, als die gefällten Bäume getrocknet waren, verbrannten wir sie. Bevor wir mit der eigentlichen Teepflanzung begannen, mussten wir auf die Regenzeit warten. Es war uns klar, dass es eine Weile dauern würde, bis der Teeanbau rentabel sein würde; also mussten wir uns Gedanken machen, auf welche andere Art und Weise wir zu Geld kommen konnten. Bruder Thanh Tue fuhr nach Saigon, wo er Tantiemen eintrieb, die verschiedene Verlagshäuser mir schuldeten, und Schwester Dieu Am schenkte uns einiges Geld, sodass wir weitermachen konnten.

Fünf Monate später gingen Schwester Dieu Am, Thanh Tue und ich zusammen mit Onkel Dai Ha in den Wald und stellten fest, dass die Teepflanzen prächtig gediehen waren. Onkel Dai Ha hatte unter den Montagnards Arbeiter ausgesucht und angestellt, die die Pflanzung vorgenommen hatten. Mit welcher Hingabe er sich der Verwirklichung des Dharma widmete! Der Wald war feucht und der Weg nicht gut markiert. Einige Male mussten wir stehen bleiben, um Blutegel von unseren Beinen zu entfernen. Onkel Dai Ha machte das alles gar nichts aus. Einmal, so erzählte er uns, hätten sich derart viele Blutegel an seinen Beinen festgesaugt, dass er nur mithilfe einer Bambusfaser, die er an den Beinen hin und her zog, die Egel abstreifen konnte. Thanh Tue und ich fühlten uns von ihnen nicht besonders belästigt. Sobald wir spürten, dass sich welche an uns festsetzten, machten wir eine kleine Pause und zogen sie ab, mit ein wenig Widerwillen. Schwester Dieu Am aber schrie jedes Mal auf, sobald sich einer an ihrem Bein festsaugte, und wir mussten ihr zu Hilfe kommen. Nach ein paar Monaten aber schaffte auch sie es, ihre Abscheu zu überwinden.

Während der Sommermonate konnten wir unbehelligt wandern. Doch sobald es im Wald wieder feucht wurde, waren auch die Blutegel wieder da. Onkel Dai Ha erklärte: »Sie sterben im Sommer nicht; sie trocknen einfach nur aus. Wenn der Regen kommt, erwachen sie wieder zum Leben.« Er erzählte uns, dass einer seiner Arbeiter einmal einen Zweig aufgehoben habe, um ihn als Zahnbürste zu benutzen. Aber plötzlich habe die »Zahnbürste« begonnen, sich zu winden. Es war ein Blutegel, der durch den Speichel des Mannes seine Lebenskraft wiedergewonnen hatte. Er warf ihn zu Boden und musste Wasser holen gehen, um sich den Mund auszuspülen. Die dort in den Bergen lebenden Menschen reiben sich die Beine mit einer Art Salbe ein, die den Egeln widerlich ist, oder sie tragen einen Kalkstein bei sich, wie er zusammen mit der Betelnuss gekaut wird. Wenn ein Blutegel mit ein wenig Kalkstein eingerieben wird, fällt er ab.

Während wir durch den Wald gingen, erzählten wir einander Geschichten, und es dauerte nicht lange, bis wir unsere Teeplantage auf dem Berg erreicht hatten. Der Berg Montagnard war der höchste im Wald. Wenn man von hier aus Ausschau hielt, war der Himmel vollkommen blau und die Wolken rein weiß. In der Ferne liegende, in Wolken eingehüllte Berge sahen aus wie Inseln, die aus einem Meer herausragten. An klaren Tagen konnten wir die sich in der Tiefe ausbreitende weite Landschaft überblicken. Zwei Jahre lang stieg ich jeden Tag auf die Höhen des Montagnard hinauf, und jedes Mal fand ich Phuong Boi schöner als zuvor. An manchen Morgen war der Nebel so dicht, dass man die Hand nicht vor den Augen sehen konnte, aber selbst dann war es eine überwältigende Freude, dort oben zu stehen. Eines Morgens, als der Wald vom Vogelgesang widerhallte, verließen Hung und ich die Meditationshalle und stiegen den Berg hinauf. Als wir oben angekommen waren, sahen wir auf einmal zwei Hirsche, die inmitten der Teepflanzen tanzten. Im Morgenlicht glänzte ihr Fell wie mit weißen Sternen betupfte goldene Seide. Weil wir die Tiere nicht erschrecken wollten, blieben wir regungslos stehen und beobachteten ihr Spiel auf dem Teeberg. Dann sprangen sie davon und verschwanden im südlichen Teil des Waldes. Wir waren stumm vor Staunen.

Obwohl der Berg mit Tee bepflanzt war, sah es hier noch wild und unkultiviert aus. Wir gingen zwischen den Reihen von Teepflanzen hindurch, mussten dabei aber um viele stehen gebliebene Baumstümpfe herumgehen oder sie übersteigen. Onkel Dai Ha erklärte uns, dass sie innerhalb weniger Jahre verrotten würden, sodass es nicht nötig wäre, sie mit den Wurzeln auszugraben. Die Erde dort war weich und duftend. Wir gingen um den Berg herum und machten dann am Waldrand eine Pause. Dort wollte Onkel Dai Ha weitere fünfzehn Morgen urbar machen, um Häuser zu errichten und einen Garten anzulegen. Ein Jahr später, als Nguyen Hung zu uns zog, warf die Teeplantage bereits einen kleinen Ertrag ab, und Schwester Dieu Am schlug vor, weitere fünf Morgen urbar zu machen und noch mehr Tee anzupflanzen.

Zur gleichen Zeit begannen wir am Fuß des Montagnard mit dem Bau eines zweistöckigen Gemeinschaftshauses. Das obere Stockwerk sollte uns als Meditationshalle dienen, und für das Erdgeschoss planten wir eine Bibliothek, ein Arbeitszimmer, einen Schlafraum, eine Küche und ein Wohnzimmer.

Es gelang mir, ein weiteres Manuskript zu verkaufen, Neue Forschungsergebnisse über den Buddhismus, aber wir waren immer noch in finanziellen Nöten. Wir baten alle, die wir kannten, um Hilfe. Außer Schwester Dieu Am unterstützten uns Nhu Thong, Nhu Khoa und Onkel Dai Has Familie am meisten.

Während des Bauens war es für die Arbeiter außerordentlich schwierig, nach Phuong Boi zu gelangen und von dort wieder fortzukommen. Selbst mit Ketten um die Räder schaffte ein Laster es nicht, den verschlammten Berg hochzukommen, um benötigtes Bauholz oder Proviant abzuliefern. Onkel Dai Ha musste einen weiteren vierhundert...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2023
Übersetzer Irene Knauf
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
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ISBN-10 3-426-46810-7 / 3426468107
ISBN-13 978-3-426-46810-4 / 9783426468104
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