In der Blüte des Sturms (eBook)
416 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46464-9 (ISBN)
Di Morrissey ist die erfolgreichste Autorin Australiens. Als Journalistin arbeitete sie für Frauenmagazine, Radio und Fernsehen, schrieb Drehbücher und Theaterstücke und wirkte an zahlreichen TV-Produktionen mit. Sie lebt heute auf einer Farm in Byron Bay, New South Wales. Di Morrissey wurde im Zuge der Australien Book Industry Awards für ihr Verdienst in der australischen Buchbranche der Lloyd O'Neil Award verliehen und damit für ihr Lebenswerk geehrt.
Di Morrissey ist die erfolgreichste Autorin Australiens. Als Journalistin arbeitete sie für Frauenmagazine, Radio und Fernsehen, schrieb Drehbücher und Theaterstücke und wirkte an zahlreichen TV-Produktionen mit. Sie lebt heute auf einer Farm in Byron Bay, New South Wales. Di Morrissey wurde im Zuge der Australien Book Industry Awards für ihr Verdienst in der australischen Buchbranche der Lloyd O'Neil Award verliehen und damit für ihr Lebenswerk geehrt.
2
Ellie parkte hinter dem Chronicle und ging durch die schmale Gasse zur Hauptstraße. Sie beschloss, sich zuerst noch einen Kaffee zum Mitnehmen zu holen.
Ihr Blick schweifte über die hübschen Details des Cafés – die von der Markise hängenden Blumenkörbchen, die farbenfrohen Kunstwerke und Poster an den Wänden, den kleinen Bücherschrank in der Mauernische. Draußen wurden bereits die Tische gedeckt. Sie bestellte ihren Kaffee am Straßenverkaufsfenster, und während sie darauf wartete, nahm sie ein Buch zur Hand und blätterte es durch.
»Bist du das, Ellie?«
Sie drehte sich um. Neben einem der Tische stand ein Mann etwa in ihrem Alter, vielleicht auch ein bisschen jünger. Er trug Jeans, ein zerknittertes T-Shirt und Loafer und machte mit seinem wilden Lockenkopf und dem mehrere Tage alten Bartschatten einen etwas ungepflegten Eindruck.
Die vertrauten Züge ließen sie stutzen. Sie sah noch einmal genauer hin, und als bei ihr der Groschen fiel, verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.
»Ben? Ben O’Neill?«
Sein Anblick brachte sie ein wenig aus der Fassung. Ihr war, als hätte sie diese Begegnung durch das gestrige Gespräch über seine Familie geradezu heraufbeschworen.
Ben schlenderte zu ihr. »Wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist. Lebst du jetzt hier?«
»Nein, in Melbourne. Ich besuche meinen Opa.«
»Macht er immer noch die Zeitung?« Ben warf einen kurzen Blick zur Zeitungsredaktion auf der anderen Straßenseite.
»Na klar. Er kann es nicht lassen. Und was ist mit dir, was treibst du so? In der Schule hast du immer gesagt, du willst Tierarzt werden.«
»Ich? Ach was. Ich bin das schwarze Schaf in der Familie.« Er grinste. »Ich bin Künstler. Hab mich in der Welt herumgetrieben und dies und das versucht. Und du?«
»Ich habe in der IT-Branche gearbeitet.« Ellie wechselte rasch das Thema. »Bist du auch zu Besuch hier?«, erkundigte sie sich.
»Ja. Zum fünfundneunzigsten Geburtstag meiner Großmutter.«
»Wow, wie geht es ihr?«
»Keine Ahnung. Hab sie noch nicht zu Gesicht gekriegt. Anweisung der Familie.«
Ellie blinzelte. Was meinte er damit? »Das ist schon ein ganz besonderes Jubiläum.«
»Großmama ist außergewöhnlich. Sie herrscht immer noch über den Clan.« Ben lächelte. »Meine Mutter war lange krank, und nach ihrem Tod hat Großmama sich um mich gekümmert.«
»Ja, es tat mir sehr leid, davon zu hören. Deine Großmutter muss eine bemerkenswerte Frau sein. Wie steht es um ihre Gesundheit?«
»Wenn du wissen willst, ob sie geistig noch fit ist – da kannst du Gift drauf nehmen! Früher bin ich auf Craigmore gern mit ihr in ihrem Garten spazieren gegangen. Sie kurvt noch heute mit einem kleinen Elektromobil dort herum. Und kennt jede Pflanze wie ihr eigenes Kind.«
»Oh, ich habe schon von diesem Garten gehört. Es soll ein ganz toller Park sein. Hat sie ihn angelegt?«, erkundigte sich Ellie.
»Ich glaube, den Anfang hat meine Urgroßmutter gemacht, aber Großmama hat sehr viel Arbeit in ihn investiert. Und der Botanische Garten neben dem Campingplatz wurde ein weiteres Lieblingsprojekt von ihr. Sie ist eine passionierte Gärtnerin und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Parks zu dem wurden, was sie heute sind. Hey, hast du Lust auf einen Kaffee?«, fragte Ben.
Ellie schüttelte den Kopf. »Hab gerade einen zum Mitnehmen bestellt, danke. Lebst du auf Craigmore?«
»Nein, das ist mir zu weit draußen. Ich wohne in der Stadt.«
Ellie dachte an die Gerüchte, die sich bereits in seiner Kindheit um Ben gerankt hatten. Sie kannte ihn nur aus ihrer kurzen gemeinsamen Zeit an der Highschool von Storm Harbour. Damals wurde gemunkelt, er sei ein kleiner Rebell. Er hatte als Einziger der O’Neills eine örtliche Schule besucht.
»Bleibst du länger hier?«, fragte sie.
Ben zog eine Grimasse. »Eine Weile noch. Auf alle Fälle bis zu Großmamas Geburtstag. Mal sehen, vielleicht kann ich ja bis dahin sogar ein paar Aufträge ergattern.«
Der Mann an der Ausgabe reichte Ellie ihren Becher Kaffee. »Vorsicht, heiß. Bringen Sie den Becher bitte zurück oder lassen Sie ihn noch einmal auffüllen.«
»Danke.« Sie trat beiseite, damit Ben seine Bestellung aufgeben konnte. »Tja, ich geh dann mal zu Opa rein«, sagte sie zu Ben.
»Und ich setze mich in die Sonne und lese Zeitung.« Ben wies auf den noch druckfrischen Chronicle auf jedem Tisch. »Wie lange bleibst du hier?«
»Weiß nicht. Ich habe noch keine Pläne«, antwortete sie leichthin, dann hielt sie inne und musterte ihn. Hinter Bens draufgängerischer Fassade erahnte sie einen verletzlichen Kern. »Na, dann viel Spaß, Bennie. Wir laufen uns bestimmt wieder über den Weg.«
Ben starrte mit abwesendem Blick an ihr vorbei. »So hat mich seit der Schulzeit keiner mehr genannt.« Dann richtete er seine tiefblauen Augen wieder auf sie. »Spaßig wird es eher nicht werden. Ich hoffe, wir sehen uns noch mal. Bis bald, Ellie.«
Sie lächelte ihn an, bevor sie über die Straße in die Redaktion des Chronicle ging.
Als sie eintrat, hob Maggie den Blick. »Wie schön, dich zu sehen, Ellie. Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Tut mir leid, dass ich dich gestern verpasst habe.«
Maggie war groß und hielt sich kerzengerade. Ein üppiger Schopf blonder Locken, die allmählich grau wurden, umrahmte ihr Gesicht. Ellie kannte sie seit ihrer Schulzeit, und soweit sie sich erinnern konnte, hatte Maggie schon immer zur Redaktion des Chronicle gehört.
»Ich freue mich auch sehr, dich wiederzusehen, Maggie.«
In diesem Augenblick kam Jon aus dem Kabuff des Chefredakteurs gerollt.
»Hier riecht es so gut nach Kaffee. Hi, Ellie.«
»Hi, Jon. Wie läuft’s?«, fragte sie.
»Das Übliche. Sieben Artikel und Aufmacher gleichzeitig. Patrick wollte dich auf den neuesten Stand bringen, wenn du kommst.«
Ellie hob die Augenbrauen. »Okay, dann wage ich mich mal in die Höhle des Löwen.«
Patricks Schreibtisch war mit Aktenstapeln und Papieren übersät, aber Ellie wusste, wenn er etwas suchte, hatte er es im Handumdrehen parat.
»Guten Morgen, Liebes. Wie geht’s Sam?«
»Ganz gut. Als ich gefahren bin, hat er sich in die alte Decke gekuschelt, die du ihm hingelegt hast.« Sie setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Patrick. »Du glaubst nicht, wen ich gerade getroffen habe – Ben O’Neill. Er ist zum Geburtstag seiner Großmutter hier.«
»Das ist ja witzig, wo wir erst gestern über ihn gesprochen haben. Was treibt Benjamin inzwischen so?«
»Genau weiß ich das nicht, aber angeblich irgendwas Künstlerisches.«
Patrick hob die Augenbrauen. »Das kommt bei seiner leistungsorientierten Familie bestimmt nicht gut an.«
»Wenn du mich fragst, schien er durchaus stolz darauf, aus der Art zu schlagen. Er hat erzählt, dass seine Großmutter fünfundneunzig wird.«
»So alt ist Kathryn schon?«, rief Patrick. »Ich habe sie vor ein paar Wochen bei einer Veranstaltung in der Bibliothek getroffen. Kluge Frau.«
»Mmm. Laut Ben hat sie im Clan immer noch das Sagen. Erinnerst du dich an ihren Ehemann?«
»Boyd O’Neill? Ich kannte ihn nicht besonders gut. Er ist vor über zehn Jahren gestorben. Kathryn war immer die Diplomatin, das freundliche Gesicht der Familie. Und die treibende Kraft hinter einigen sozialen Einrichtungen, die die Familie gestiftet hat.« Patrick begann, auf dem Notizblock auf seinem Schreibtisch herumzukritzeln. »Ihr Geburtstag wäre eine gute Gelegenheit, sie zu würdigen, mit einem Rückblick auf die Familiengeschichte. Ich habe mich schon des Öfteren gefragt, wo sie eigentlich herkommt.«
»Stammte sie aus reichem Haus, oder war es eine echte Liebesheirat, was meinst du?«
»Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Wir sollten sie fragen, solange sie noch gesund und munter ist. Wo sie aufgewachsen ist, wovon sie träumte. Und dann zu ihrem Geburtstag ein hübsches kleines Feature bringen.« Patrick sah sie an. »Möchtest du es schreiben, Ellie?«
»Ich? Ach du meine Güte, nein. Ich bin IT-Projektleiterin, keine Journalistin. Das ist definitiv Jons Gebiet.«
»Im Prinzip schon, aber bei Lokalzeitungen schreiben längst nicht nur Journalisten. Dafür gibt es einfach zu wenige! Bei uns reichen alle möglichen Leute aus den verschiedensten Bereichen Artikel ein. Wenn ich mich recht erinnere, hast du in der Schule ziemlich gut geschrieben, und ich könnte mir vorstellen, dass die alte Kate O’Neill gegenüber einer jungen Frau, die hier neu ist, aufgeschlossen reagiert.«
»Schulaufsätze haben mir das Schreiben eher verleidet.« Ellie biss sich auf die Unterlippe. »Aber ich habe im Job ellenlange Ausschreibungen formuliert und auch der Marketingabteilung gelegentlich beim Texten geholfen. Vor ein paar Jahren habe ich sogar eine Kurzgeschichte über Fitzroy bei einem Wettbewerb eingereicht. Ich sollte also auch für die Zeitung etwas zusammenschustern können.«
»He, unsere Artikel werden nicht einfach in die Tastatur gehämmert. Sie müssen gut recherchiert, wahrheitsgemäß, gehaltvoll, handwerklich sauber und mit Herzblut geschrieben sein. Es geht nicht nur um die nackten Fakten«, erklärte Patrick. »Dir würde bestimmt ein spannendes Porträt gelingen, Ellie.«
Er lächelte sie ermutigend an, und zu ihrer eigenen Überraschung nickte sie: »Na gut, ich versuch’s.« Nachdem sie kurz überlegt hatte, fügte sie hinzu: »Aber nur über Kathryn. Die O’Neill-Männer sind oft genug in den Medien.«
Patrick lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Wunderbar! Du kannst dich jederzeit an mich wenden,...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2023 |
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Übersetzer | Christa Prummer-Lehmair, Gerlinde Schermer-Rauwolf, Robert A. Weiß |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Australien • Australien Liebesroman • Australien-Roman • australien romane • Di Morrissey • Ellie Conlan • Enkelkinder • Erbschaftsbetrug • Erinnerungen • Erinnerungen bewahren • Familie • Familiengeheimnis • Familiengeschichten • Familiengeschichten Romane • Familienleben • Familienroman • Flucht aus dem Alltag • Frauenbücher • Frauenroman • Gemeinschaft • Generationengeschichte • Generationenroman • Großvater • Intrige • Kathryn O'Neill • Kleinstadt • Küste • Liebe • Liebesroman • Love and Landscape • Machenschaften • Matriarchat • Matriarchin • Melbourne • Mental Health • Natur • Romane für Frauen • Romane Liebe • Romane Neuanfang • Romane über starke Frauen • Romane zum Träumen • Roman Neubeginn • Ronan O'Neill • Selbstfindung • Selbstfindung Roman • spannende Romane für Frauen • Storm Harbour • Unterhaltungsromane für Frauen • Zeitung • Zeitungsverlegerfamilie |
ISBN-10 | 3-426-46464-0 / 3426464640 |
ISBN-13 | 978-3-426-46464-9 / 9783426464649 |
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