Vergänglich (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46505-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vergänglich -  Sabine Fitzek
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Sterbehilfe - oder Mord? »Vergänglich« ist der 5. Medizin-Krimi von Sabine Fitzek, der mit Insider-Wissen und brisanten Einblicken in unser Gesundheitssystem punktet.  Vom Mitarbeiter eines Pflegedienstes wird der Berliner Kommissar Kammowski zu einem Todesfall gerufen. Auf den ersten Blick sieht alles nach einer assistierten Selbsttötung mithilfe eines Schweizer Vereins für Sterbehilfe aus - der 72-jährige Theodor von Hausmann war unheilbar an ALS erkrankt und hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Doch seine Tochter ist fassungslos: Ihr Vater wollte unbedingt, dass sie an seiner Seite ist, wenn er stirbt; ein Apartment am Meer war bereits gebucht. Auch einige weitere Indizien sprechen dafür, dass von Hausmann sich nicht selbst das Leben genommen hat. Aber wer würde einen Mann ermorden, der seinen eigenen Tod bereits geplant hat? Beunruhigend, emotional und hochspannend geht Sabine Fitzek im 5. Band ihrer Krimi-Reihe der Frage nach, wie anfällig für Missbrauch die Sterbehilfe ist - und wie dubiose »Heiler« mit der Gesundheit und den Gefühlen kranker Menschen spielen. Die Krimi-Reihe um Kommissar Kammowski aus Berlin ist in folgender Reihenfolge erschienen: - Verrat - Verrückt - Verstorben - Vertuscht - Vergänglich   

Sabine Fitzek arbeitete nach dem Medizinstudium an den Universitäten Berlin, Erlangen, Mainz und Jena, wo sie sich im Fach Neurologie habilitierte. Danach war sie mehr als zehn Jahre lang als Chefärztin tätig. Heute ist sie Inhaberin einer neurologischen Praxis und schreibt nebenher über gesundheitspolitische Missstände, mit denen sie unfreiwillig immer wieder in Berührung kam und kommt. Überdies berät sie gelegentlich ihren Schwager Sebastian Fitzek zum Thema psychische Extremzustände.

Sabine Fitzek arbeitete nach dem Medizinstudium an den Universitäten Berlin, Erlangen, Mainz und Jena, wo sie sich im Fach Neurologie habilitierte. Danach war sie mehr als zehn Jahre lang als Chefärztin tätig. Heute ist sie Inhaberin einer neurologischen Praxis und schreibt nebenher über gesundheitspolitische Missstände, mit denen sie unfreiwillig immer wieder in Berührung kam und kommt. Überdies berät sie gelegentlich ihren Schwager Sebastian Fitzek zum Thema psychische Extremzustände.

Kapitel 2


Die Einschläge kommen näher

Einige Wochen später saß Theodor im Wartezimmer eines Neurologen. Diesmal schien der Spruch seines Vaters sich nicht zu bewahrheiten. Die Schwäche im Fuß wollte einfach nicht abklingen. Theodor hatte sogar den Eindruck, dass sie etwas zugenommen hatte.

Während er sich die Wartezeit mit abgegriffenen Zeitschriften vertrieb, die ihn nicht interessierten, ging ihm allerhand durch den Kopf. Was, wenn er einen Schlaganfall hatte? Er war jetzt in dem Alter. Mit zweiundsiebzig musste man mit so was rechnen. Nicht wenige Bekannte oder ehemalige Kollegen hatte es schon erwischt, und keineswegs nur die, die sich gehen ließen, fett wurden, zu viel Alkohol tranken und nie Sport trieben. Sein langjähriger Tennispartner und Freund Gerd lag jetzt mit einer Lähmung in der Reha. Musste schlimm um ihn stehen. Theo hatte Claudia, Gerds Frau, angerufen und angeboten, ihn zu besuchen, aber sie hatte abgeraten. Gerd könne nicht sprechen, und Besuch quäle ihn nur. Außerdem seien Besuche in der Rehaklinik wegen Corona ohnehin schwierig bis unmöglich. Theo war erleichtert gewesen, Krankenbesuche waren nicht so seine Sache.

Und Gerd war nicht der Einzige: Ein Geschäftspartner, zu dem Theo nach dem Verkauf seiner Firma vier Jahre zuvor noch lockeren Kontakt gehalten hatte, war von einer Sekunde auf die andere im Fitnessstudio tot umgefallen. Herzinfarkt.

Tja, so war das in ihrem Alter, die Einschläge kamen näher. Aber eine Fußlähmung hatte in seinem Umfeld keiner gehabt. Jedenfalls nicht, soweit er wusste. Sicher war es nur ein eingeklemmter Nerv.

Theo sah sich in dem Wartezimmer um. Ein Sammelsurium abgeschabter Holz- und billiger Korbstühle war auf brüchigem PVC-Boden zu einem U angeordnet, dazwischen hier und da eine traurige Topfpflanze und ein Stehboard für Zeitschriften und Informationsbroschüren der Drogenberatungsstelle. Der selbst gebaut wirkende Anmeldetresen war vom Wartebereich durch eine dünne Stellwand nur notdürftig abgetrennt, sodass man zwangsläufig jedes Gespräch, das am Tresen geführt wurde, mitbekam.

Theos Blick fiel auf eines der Bilder an den Wänden. Vergilbte Drucke in zerkratzten Kunststoffwechselrahmen. Hinter eine der Kunststoffscheiben hatte sich – sicher schon vor Jahren – ein Insekt gedrängt und war dort verendet. Auf einmal hatte Theo ein Kloßgefühl im Hals. Die Stühle des Wartebereichs waren bereits alle besetzt, es kamen immer weitere Personen mit Wünschen in die Praxis und bildeten vor dem Tresen eine Schlange, die bereits bis in den Flur reichte. Eine aufgeheizte, aggressive Stimmung dampfte von ihr ab. Die Atmosphäre einer Bahnhofswartehalle, wo der Beamte gerade den einzigen Fahrkartenschalter schloss.

Obwohl die Praxis in einem Altbau lag und die Fenster weit offen standen, war es heiß. Nach einem kühlen und regnerischen Mai hatte der Juni mit sommerlichen Temperaturen überrascht. Die Praxis befand sich im ersten Stock und war nach Süden ausgerichtet, die hohen Fenster fingen die Sonne ungehindert ein. Es roch nach Mensch und nach aufdringlichem Parfüm. Ein Standventilator kämpfte vergebens gegen die Hitze an. Unentwegt klingelte das Telefon, was niemanden zu interessieren schien. Am Anmeldetresen stritt sich eine energische alte Dame mit der völlig entnervten medizinischen Fachangestellten darüber, ob sie denn nun einen Termin habe oder nicht. Außerdem sehe sie es nicht ein, eine Maske zu tragen. Darunter bekomme sie keine Luft, und schließlich habe sie eine medizinische Befreiung. Die Angestellte hinter dem Tresen redete ihrerseits auf die Frau ein und versuchte, ihr zu erklären, dass sie heute nicht drankommen könne, weil sie keinen Termin habe. Es könne zwar durchaus sein, dass der Irrtum auf ihrer Seite liege, sie machten ja auch einmal Fehler, das sei schließlich menschlich, aber das ändere nun einmal nichts daran, dass der Arzt für heute ausgelastet sei. Es seien schon andere Patienten mit dringenderen Problemen ohne Termin gekommen. Außerdem müsse sie jetzt sofort eine Maske aufsetzen, weil das wegen Corona nun mal Vorschrift sei.

»Niemals rechtfertigen, sofort deeskalieren«, ging Theo durch den Kopf. Einer der Grundsätze professioneller Kommunikation. Das Ganze hier machte keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Er war noch nie bei einem Neurologen gewesen. Sein Hausarzt hatte ihm mehrere genannt, aber die hatten alle keine kurzfristigen Termine gehabt, und so hatte er sich über das Internet selbst umgesehen und sich für den Erstbesten entschieden, der ihm einen Termin noch in derselben Woche angeboten hatte. Und nun saß er hier in Reinickendorf in dieser heruntergekommenen Praxis und wartete schon seit zwei Stunden. Ein Gefühl von Beklemmung packte ihn. In einem Anflug von Panik sprang er auf, warf der verdutzten Sprechstundenhilfe eine Entschuldigung zu und verließ fluchtartig das Haus.

 

Abends traf Theo sich mit seinem Freund Frank Möbius. Die beiden kannten sich schon seit vielen Jahren und sahen sich, wenn nichts dazwischenkam, immer am ersten Freitag des Monats zum Abendessen. Eine Männerrunde, zu der bis vor Kurzem auch Gerd Hoffmann gehört hatte.

»Das sieht nicht gut aus mit Gerd«, wusste Frank zu berichten. »Claudia ist mit den Nerven völlig runter. Ich habe heute mit ihr telefoniert. Sie hat erzählt, dass er bisher das rechte Bein nur ein ganz klein wenig bewegen kann. Der rechte Arm ist komplett gelähmt und wenn er was sagen will, kommen immer dieselben drei Wörter raus. Furchtbar! Die Ärzte sagen, es kann sich noch etwas bessern, aber der Alte wird er wohl nie mehr werden.«

Sie schwiegen betreten.

»Dabei ist er der Jüngste von uns dreien«, sagte Theo. Gerd war im vergangenen Sommer erst fünfundsechzig geworden, während Frank und er in diesem Jahr zweiundsiebzig wurden.

»Ja, irgendwann trifft es uns alle«, sagte Frank. »Bei dir alles in Ordnung?«

Theo erzählte, dass er sich wegen seines Fußes Sorgen machte. Dass der Hausarzt gesagt hatte, er müsse damit zu einem Neurologen. Er berichtete von seiner Termin-Odyssee und seiner Flucht aus der Praxis.

»Ich frage mal Mareike«, versprach Frank. Seine Frau Mareike war bis vor Kurzem als Ärztin tätig gewesen und hatte noch Kontakte. »Sicher kann sie dir einen Termin bei einem vernünftigen Arzt vermitteln. Und wie geht’s Nadja und den Kindern?«, wechselte er dann das Thema. Offenbar war ihm das Gespräch etwas zu krankheitslastig.

Theo zuckte die Achseln. »Nadja geht es gut, solange sie Geld ausgeben kann. Du kennst sie ja. Und an Geld mangelt es zum Glück nicht.« Er grinste. Dann wurde er wieder ernst. »Zu den Kindern habe ich kaum noch Kontakt. Wir telefonieren gelegentlich. Das ist alles.«

»Mensch, Theo, ich verstehe dich nicht. Du hast doch auch nur dieses eine Leben. Versuch doch, dich mit den Kindern auszusöhnen! Die haben es doch auch nicht leicht gehabt nach dem Tod ihrer Mutter.«

Theo hob eine Augenbraue. Das sah er ganz anders, aber er sagte nichts. Frank der Harmoniemensch. Das war er immer schon gewesen. Eigentlich ein Langweiler, der außer von seiner Arbeit nur von seiner Familie zu erzählen wusste. Manchmal fragte sich Theo, warum sie schon so lange befreundet waren. Eigentlich hatten sie nicht viel gemeinsam. Vielleicht war es gerade dieser Gegensatz, der sie füreinander anziehend machte. Die Möglichkeit, an dem, was sie selbst nicht repräsentierten, in den Geschichten des anderen teilhaben zu können, ohne es selbst ausleben zu müssen. Sich immer wieder sagen zu können: Wie gut, dass ich nicht so leben muss wie der …

Frank hatte das ganze Drama mit Ulrike mitbekommen. Ulrike, Theos erste Frau, die einzige, die er jemals geheiratet hatte, von der er sich bereits in jungen Jahren, als die Kinder noch klein waren, hatte scheiden lassen und die sich einige Jahre später das Leben genommen hatte. Da sah Theo bei sich selbst aber keinerlei Schuld. Ulrike war immer schon depressiv gewesen, das lag bei ihr in der Familie, die Mutter war genauso. Und genau das war ja einer der Gründe gewesen, warum er sich von ihr getrennt hatte. Er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. Sie waren so unterschiedlich gewesen, er voller Tatendrang und sie immer müde, ohne Interessen, ohne Ziele.

Die Kinder hatten dann einige Jahre bei den Eltern von Ulrike gelebt. Erstens hatten die es angeboten und gern gemacht, und zweitens: Wie hätte er das allein hinbekommen sollen? Er war damals gerade dabei gewesen, seinen Betrieb aufzubauen. Für Kinder hatte er einfach keine Zeit gehabt. Aber er hatte alles getan, damit es ihnen finanziell an nichts fehlte. Natürlich wusste er, dass Frank der Meinung war, das sei nicht genug gewesen, aber es war das, was er hatte ermöglichen können. Er hatte ihnen eine ordentliche Schulbildung und ein sorgenfreies Studium ermöglicht. Das war mehr, als er selbst jemals von seinem Vater bekommen hatte. Nachdem er sich geweigert hatte, in den Elektrobetrieb seines Vaters einzusteigen, und stattdessen studieren wollte, hatte sein Vater ihm jede finanzielle Unterstützung entzogen. Das ganze BWL-Studium hatte er sich selbst finanziert. Das war nicht einfach gewesen. Seinen Kindern dagegen hatte es an nichts gefehlt, dafür hatte er gesorgt. Und was hatten sie daraus gemacht? Nichts. Valentin hatte sein BWL-Studium abgebrochen, hatte sich als Restaurantbetreiber versucht, war mehrfach gescheitert. Zum großen Streit war es gekommen, als Valentin von ihm einen größeren Geldbetrag erbeten hatte, um seinen letzten Konkurs zu verhindern. Aber Theo investierte nicht in aussichtslose...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2023
Reihe/Serie Kammowski ermittelt
Kammowski ermittelt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte ALS • Bereicherung • Berlin Krimi • Ehedrama • Erbschleicher • ethischer Konflikt • Gesellschaftskritische Bücher • gesellschaftskritische Romane • Gesundheitssystem Deutschland • Gesundheitswesen in Deutschland • Giftmord • Heiler • Heilpraktiker • Kammowski • Kammowski Band 5 • Kammowski ermittelt • Kommissarin Svenja Hansen • Kommissar Kammowski • krimi berlin • Krimi deutsche Autoren • Krimi Deutschland • Krimi Gesundheitssystem • Krimi Gesundheitswesen • Kriminalromane Serien • krimi reihen • Krimi Sterbehilfe • Krimis von Frauen • Medikamente • Medizin Krimi • Multiple Sklerose • Polizei Krimis/Thriller • Roman Medizin • Sabine Fitzek • Sabine Fitzek Bücher • Sabine Fitzek Kammowski • Sabine Fitzek Krimi • Sterbehilfe • Sterbehilfe Missbrauch • Sterbehilfe Schweiz • Sterbehilfe-Verein • Suizid • Testament • Unheilbare Krankheit • Verrat • Verrückt • Verstorben
ISBN-10 3-426-46505-1 / 3426465051
ISBN-13 978-3-426-46505-9 / 9783426465059
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