Café Altschwabing (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60505-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Café Altschwabing -  Lea Kampe
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Das Café des Blauen Reiters Kaufering, 1913: Cläre ist ein Landei. Sie träumt vom Abitur, doch sie muss ihrem Vater in der Forellenzucht helfen. Als ihre Tante stirbt, steht ihr Leben plötzlich kopf, denn diese hat ihr das Geld für den Schulabschluss und ein Studium vererbt. Einzige Bedingung: Sie muss nach München ziehen. Und so landet Cläre bei einer Freundin ihrer Tante im Café Altschwabing, dem Zentrum der Boheme. Künstler und Literaten gehen ein und aus, es wird diskutiert und gestritten, gezeichnet, gedichtet und Geschichte geschrieben. Und während Cläre im Café aushilft, schnuppert sie Leben, Freiheit und Liebe ... Kunst und Liebe, Krawalle und Kriegsgefahr - im Künstlercafé Altschwabing trifft sich die Bohéme Die Maler und Literaten, die die beliebten Cafés wie das Altschwabing, das Simplicissimus oder das Stefanie in Schwabing und der Maxvorstadt bevölkerten, sind heute weltbekannte Namen wie Wassily Kandinsky und Franz Marc, der Anarchist Erich Mühsam und die Schriftsteller Joachim Ringelnatz, Paul Heyse und Franz Wedekind. Hier zeichnete Thomas Theodor Heine die bissigsten Karikaturen im Kaiserreich für die Satirezeitschrift Simplicissimus, und der Verleger Reinhard Piper diskutierte mit Wassily Kandinsky und Franz Marc die Herausgabe des Almanachs »Der Blaue Reiter«.

Lea Kampe alias Iris Claere Mueller, geboren 1971 in Mannheim, wuchs in Bad Wimpfen bei Heilbronn auf. Nach ihrem Studium der Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg zog sie in die USA, wo sie an der renommierten Yale University im Fachbereich Medieval Studies promovierte. Seit 2005 lebt sie mit ihrem Lebensgefährten im süditalienischen Salerno. Im nahegelegenen Neapel arbeitet sie an der Internationalen Schule und lehrt mittelalterliche Geschichte an der University of Maryland Europe.

Lea Kampe alias Iris Claere Mueller, geboren 1971 in Mannheim, wuchs in Bad Wimpfen bei Heilbronn auf. Nach ihrem Studium der Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg zog sie in die USA, wo sie an der renommierten Yale University im Fachbereich Medieval Studies promovierte. Seit 2005 lebt sie mit ihrem Lebensgefährten im süditalienischen Salerno. Im nahegelegenen Neapel arbeitet sie an der Internationalen Schule und lehrt mittelalterliche Geschichte an der University of Maryland Europe.

Kapitel 1


München, Dezember 1910

Von draußen klopfte es gegen die Scheibe des großen Rundbogenfensters, auf dem mit geschwungenen Buchstaben Café Altschwabing stand. Christine warf einen Blick auf die kleine Traube von Gästen vor der verschlossenen Eingangstür, dann sah sie zu Rosi. Die rundliche junge Frau mit den geflochtenen Zöpfen machte ihr ein Zeichen: Eine Minute noch! Dann hängte sie bedächtig die letzten Engel an den Weihnachtsbaum in der Ecke, zupfte das Lametta zurecht und betrachtete ihr Werk. Die weinroten und goldenen Kugeln glitzerten im einfallenden Morgenlicht, und der Tannenduft mischte sich mit dem von Bohnenkaffee.

Christines Mutter Ricarda trat aus der Küche und begutachtete die Gaststube. In den Vasen auf den dunklen Holztischen standen statt der üblichen Margeriten kleine Tannenzweige, und die Wände waren mit roten Samtschleifen geschmückt. Christine fand, dass auch ihre Mutter heute besonders adrett aussah. Die dunkelblonden Haare hatte sie elegant hochgesteckt, und sie trug das lange blaue Samtkleid, das Christine besonders mochte. Jetzt hängte Ricarda die Schürze, die sie in der Küche getragen hatte, an den Haken, tauschte einen Blick mit Rosi und lief dann zur Tür, um sie feierlich zu öffnen.

»Die erste Tasse Kaffee heute Morgen geht aufs Haus!«, rief sie strahlend. »Für Ihre Geduld – und zu Ehren unseres wunderschönen Baums.«

Christine kannte alle, die jetzt lachend eintraten. Zuallererst der achtzigjährige Schriftsteller Paul Heyse, der regelmäßig während seiner Spaziergänge im Altschwabing einen Kaffee trank. Wie meistens hatte er seinen Hund dabei, einen Rauhaardackel, der auch schon in die Jahre gekommen war. Man sah dem alten Herrn mit dem grauen Bart und der Halbglatze nicht an, dass er erst kürzlich den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte und als einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller galt.

Hinter ihm drängten zwei junge Maler in viel zu dünnen Mänteln ins Warme. Sie würden mehrere Stunden bleiben, um Kohle zu sparen und der Kälte ihrer kleinen Zimmer und Ateliers zu entgehen. Zum Schluss trat das »Trio« ein – oder zumindest nannte Christines Mutter Ricarda die drei Männer so, die sich häufig auf einen Kaffee oder ein Bier im Altschwabing zusammensetzten. Es waren die Verleger Georg Hirth, Albert Langen und Reinhard Piper.

Piper hängte seinen Mantel auf und griff nach der Zeitung, die an einer Holzstange befestigt an einem Wandhaken hing, doch schneller, als man es ihm zugetraut hätte, war Paul Heyse bei ihm und nahm sie ihm ab.

»Piper, Sie werden doch einem alten Mann nicht die Zeitung rauben?«, brummte er. »Die hier ist die einzige, die man als liberal denkender Mensch der Mitte noch lesen kann. Alle anderen sind voll von diesem unsäglich bigotten Chauvinismus und untertäniger Schwanzwedelei vor dem Kaiser, diesem Nichtsnutz. Der wird uns noch irgendwann ins Verderben stürzen.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und trug die ergatterte Zeitung zu seinem persönlichen Stammtisch, wo sein Dackel schon auf ihn wartete. Piper machte sich nichts daraus, sondern setzte sich augenzwinkernd zu den anderen beiden Verlegern an ihren angestammten Tisch.

Christine liebte die ersten Stunden des Tages im Altschwabing, das Auf und Ab der Gespräche, die mal bedächtig und fast noch schläfrig, mal laut und erregt geführt wurden. Aber da war auch dieser besondere Duft von Kaffee, warmem Teig und Pfeifentabak, in den sich im Lauf des Tages stärkere Gerüche wie von Suppe und Bier mischen würden. Das Café, in dem sich das Leben jeden Tag aufs Neue entfaltete, war für Christine wie ein Fels in der Brandung. Etwas, das ihr Sicherheit gab und so etwas wie Geborgenheit.

Heute gelang es ihr jedoch nicht, sich ganz zu entspannen. Als die kleine Glocke über der Tür erneut läutete, schreckte sie auf. Es war Luise, die Frau, die für sie und ihren Bruder Peter im Lauf der Jahre wie eine zweite Mutter geworden war. In den Händen trug sie zwei große Taschen, aus denen einige Stangen Lauch und ein Bund Petersilie hervorschauten. Sie zwinkerte ihr im Vorbeigehen zu, stellte die Taschen auf der Theke ab und kramte eine Tafel Schokolade heraus, die sie Ricarda gab. Die drückte Luise einen Kuss auf die Backe, dann steckten die beiden die Köpfe zusammen, tuschelten und lachten.

Wie zwei Backfische, dachte Christine amüsiert. Sie liebte es, ihre Mutter und Luise so unbeschwert zu sehen. Doch jetzt drehte sich Luise zu ihr um und kam auf sie zu.

»Oh, sehe ich da etwa eine steile Sorgenfalte auf dem hübschen Gesicht?«

Christine lächelte schwach. »Die Abschlussprüfung ist in zwei Stunden«, sagte sie kläglich, als ob Luise es noch nicht wüsste. »Ich weiß gar nicht, wie ich die Zeit bis dahin rumbringen soll.«

Luise nahm Christines Hände in ihre und lächelte. »Als Erstes hörst du jetzt mal auf, Kaffee zu trinken, Liebes, und dann solltest du auch bald los. Die Lehr- und Versuchsanstalt für Photografie ist ja nicht gerade um die Ecke. Hast du Geld für die Tram?«

Christine nickte.

»Die schriftlichen Prüfungen hast du doch schon mit Auszeichnung bestanden«, fuhr Luise fort. »Was also kann beim mündlichen Teil schiefgehen?«

»Ach, ich weiß nicht. Alles kann schiefgehen. Ich kann mich verhaspeln oder die Antworten nicht wissen, oder meine Fotomappe gefällt der Kommission nicht …«

Luise blätterte in der Mappe, in die Christine sorgfältig ihre besten Fotografien eingeklebt hatte.

»Ich habe diese Bilder jetzt schon so oft gesehen, und trotzdem bin ich immer noch beeindruckt«, sagte sie mit fester Stimme. »Du hast ein untrügliches Gespür für die Spannung des Augenblicks. Jedes dieser Bilder ist so echt wie das Leben selbst. Du wirst einmal eine hervorragende Fotografin, und das wissen deine Prüfer auch.«

»Ach, Luise.« Christine beugte sich über den kleinen Tisch und drückte sie kurz. »Du bist die Beste, auch wenn ich weiß, dass du parteiisch bist.«

»Parteiisch oder nicht«, sagte Luise unerwartet ernst. »Eines ist jedenfalls klar. Du, Peter und auch meine Nichte Cläre, die hoffentlich bald die Reifeprüfung machen wird – ihr seid eine neue Generation. Vor allem ihr Mädchen … Ihr seid fähige junge Frauen und werdet euren Weg gehen. Ach, ich wünsche mir so, dass du und Cläre euch einmal kennenlernen könntet …« Das Lächeln verschwand aus Luises Gesicht.

»Wann macht sie denn nun eigentlich ihre Prüfung?«, fragte Christine, doch schon im nächsten Moment bereute sie die Frage, denn ein Schatten legte sich über Luises Gesicht.

»In den Monaten vor dem Tod meiner Schwester lagen Cläres Prüfungsvorbereitungen auf Eis, und als ich auf der Beerdigung mit meinem Schwager Michael darüber sprechen wollte, hat er jede weitere Einmischung abgelehnt. Ich habe das Geld für die privaten Lehrer auch weiterhin jeden Monat hingeschickt, aber ich fürchte …« Sie sprach nicht weiter und griff noch einmal nach Christines Händen. »Was meinst du … vielleicht sollte ich selbst nach Kaufering fahren und nach dem Rechten sehen?«

Christine nickte ohne große Überzeugung, doch zu ihrer Überraschung wechselte Luise das Thema. »Ach, was belaste ich dich mit solchen Sachen. Denk jetzt besser an deine Prüfung. Wenn du magst, bringe ich dich hin. Ich bin mir sicher, dass Ricarda mich eine Stunde entbehren kann, oder willst du lieber mit ihr gehen?«

Christine lachte. »Am besten mit euch beiden – so wie früher, als ihr Peter und mich zur Schule gebracht habt? Um Himmels willen, Luise, auf keinen Fall. Ich bin erwachsen.«

»Das stimmt. Und nun mach dich auf den Weg. Ich wünsche dir alles Gute.«

Sie standen auf, und Christine gab Luise einen Kuss. »Wenn alles gut geht, habe ich nächstes Jahr um diese Zeit schon eine Stellung. Vielleicht können wir bald mal wieder eine Winterwanderung machen, so wie letzten Dezember? Es war so schön, als wir alle zusammen auf der Hütte Chanukka und Weihnachten zugleich gefeiert haben, oben auf der Neureuth.«

Luise lachte. »So ist’s richtig. Immer nach vorne schauen und Pläne schmieden. Aber jetzt los.«

»Drück mir die Daumen.« Christine nahm ihre Mappe und ging zur Theke, um sich von ihrer Mutter zu verabschieden.

Als kurz darauf die Glastür des Cafés hinter ihr zufiel,...

Erscheint lt. Verlag 27.7.2023
Reihe/Serie Cafés, die Geschichte schreiben
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Berühmte Cafés • Blauer Reiter • Bücher • bücher für frauen • Bücher nach einer wahren Geschichte • Cafés die Geschichte schreiben • Familie • Gefühle • Geheimnis • Künstlercafés • Künstlerleben • Künstlermilieu • Liebe • Liebesroman • München • Münchner Bohème • Nach einer wahren Begebenheit • Roman Blauer Reiter • Romane • Romane für Frauen • Roman München • Schicksal • Schwabing • Simplicissimus
ISBN-10 3-492-60505-2 / 3492605052
ISBN-13 978-3-492-60505-2 / 9783492605052
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