Sisis Schwester (eBook)
416 Seiten
Piper ebooks (Verlag)
978-3-492-60450-5 (ISBN)
Eva-Maria Bast, geboren 1978, ist Journalistin, Verlegerin und Autorin. Für ihre Arbeiten erhielt sie diverse Auszeichnungen, darunter den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Kategorie Geschichte, und stand unter anderem mit dem Pseudonym Charlotte Jacobi (zusammen mit Jørn Precht) mehrfach auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt am Bodensee.
Eva-Maria Bast, geboren 1978, ist Journalistin, Verlegerin und Autorin. Für ihre Arbeiten erhielt sie diverse Auszeichnungen, darunter den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Kategorie Geschichte, und stand unter anderem unter dem Pseudonym Charlotte Jacobi (zusammen mit Jørn Precht) mehrfach auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt am Bodensee.
Prolog
Possenhofen, Sommer 1860 bis Februar 1861
»Sophie! Sophie!«
Ludwigs Schrei gellte über die Wiesen von Possenhofen und drang laut und dringlich an ihr Ohr. Lauschend hob Prinzessin Sophie Charlotte den Kopf und zügelte ihr Pferd. Sie kam gerade von einem Ausritt zurück und wollte das Tier zu den Ställen bringen. Nun jedoch wendete sie es und galoppierte mit wehendem Haar – sie hatte die blonde, lockige Pracht, die ihr bis zu den Knien reichte, nur mit ein paar Bändern zusammengebunden – bis zum Seeufer. Dort wartete ihr zwei Jahre älterer Cousin, der, wie so oft, mit seinem Boot von Schloss Berg herübergekommen war, um sie zu besuchen. Als er sie heranreiten sah, eilte er ihr mit glühenden Wangen entgegen. Sie brachte ihr Pferd vor ihm zum Stehen, saß ab und strahlte den gut aussehenden Fünfzehnjährigen an. Er wusste zum Glück nicht, dass sie ein wenig für ihn schwärmte. »Ludwig«, begann sie, »du hast so rote Backen wie die Äpfel, die wir hier im Herbst immer von den Bäumen holen.«
»Kein Wunder!«, rief Ludwig aufgeregt und packte ihre Hand. »Sophie, ich habe den … den … den …« Er rang um Worte und stieß dann hervor: »Den Himmel hab ich erlebt!«
»Aber was ist denn nur geschehen?«
»Vater hatte mir erlaubt, in die Oper zu gehen. Ich habe Lohengrin gesehen. Von Richard Wagner. Und Sophie, ich habe geweint, so ergreifend war es. O wärst du nur dabei gewesen!«
»Zu gern wäre ich dabei gewesen!«, stieß sie inbrünstig aus. Mit ihrem Cousin verband Sophie nicht nur die Liebe zur freien Natur, sondern auch und vor allem die Liebe zur Musik. Wie oft schon hatte sie für Ludwig Klavier gespielt und gesungen!
Aufgeregt sagte er: »Ich hab die Noten dabei, Sophie. Ein Geschenk für dich. Und wenn ich das nächste Mal zu dir herüberkomme, dann singst du den Lohengrin für mich.«
Er reichte ihr eine Mappe mit Noten.
Sophie schlug sie auf, begann neugierig darin zu blättern. Sogleich hatte sie die Melodie im Kopf und begann sie zu summen. »Es ist wunderschön«, sagte sie.
»Es ist mehr als das«, begeisterte sich Ludwig. »Sophie, es ist … eine Offenbarung.«
»Sophie!«, unterbrach eine strenge Stimme vom Haus her ihr Gespräch. »Nun komm doch bitte endlich herein, wir essen gleich zu Abend.«
Bedauernd sah Sophie ihren Cousin an. »Tut mir leid. Ich hätte noch so gerne mit dir geplaudert und alles, einfach alles über diese Aufführung erfahren. Aber du kennst Mutter ja. So viel Freiheit sie uns sonst auch lässt, wenn wir nicht alle beim Abendessen um den Tisch sitzen …«
Ludwig sandte ihr ein trauriges Lächeln. »Wenn ich ehrlich sein soll: Ich beneide dich um deine Mutter.«
»Mutter ist wirklich wunderbar«, bestätigte Sophie. »Dabei wird sie so viel kritisiert.« Sie äffte den hochnäsigen Ton der vornehmlich weiblichen Kritiker nach: »Für eine Familie unseres Standes gehört es sich nicht, sich selbst so viel um seine Kinder zu kümmern. Zum Glück kann Papa die Etikette auch nicht leiden und lässt Mama gewähren.«
Ludwig lachte. »Und sie ihn auch, nicht wahr? Onkel Max ist wirklich der unkonventionellste Mann, den ich kenne. Wobei deine Mutter ja doch eher auf die Etikette bedacht ist.«
»Na ja«, sagte Sophie, »Mama rügt Papa schon immer wieder mal, dass er sich benehmen soll. Vor allem seine Artusrunden mag sie gar nicht. Aber ich liebe ihn.«
Sophie war klar, dass Herzog Max’ Benehmen und die Artusrunden nicht die einzigen Probleme zwischen ihren Eltern waren. Ihr Vater verkehrte auch mit anderen Frauen und hatte mit diesen Damen einige Kinder, mit denen er sogar regelmäßig zu Mittag aß. Aber dennoch hatte sie eine glückliche Kindheit, die sich im Winter im Palais der Familie in München und im Sommer vornehmlich auf Schloss Possenhofen am Würmsee abspielte.
Ihr Vater Herzog Max hatte das aus dem 16. Jahrhundert stammende Schloss mit seinen vier Ecktürmen im Jahr 1834 für hundertfünfundvierzigtausend Gulden erworben und es umbauen und erweitern lassen, sodass Gäste und Pferde nun mehr Platz hatten. Sophie liebte den riesigen Park, der das Schloss umgab, sie liebte es, über die weiten Wiesen zu galoppieren, in den dichten Wäldern spazieren zu gehen oder, vom Bootshaus aus, in See zu stechen.
Doch glücklich waren sie nicht nur wegen all dieses Komforts und dem Leben in der Natur, sondern vor allem deshalb, weil sich ihre Mutter Ludovika, genannt Luise, so liebevoll um sie und ihre Geschwister kümmerte. Ihr Cousin tat ihr stets ein wenig leid. Aus einem Grund, den Sophie nie verstanden hatte, erzog man den Königssohn derart spartanisch, dass er manchmal sogar über Hunger klagte. Sophie wusste, dass die Bediensteten auf Schloss Berg Ludwig oft heimlich etwas zusteckten, und auch sie hielt meist etwas Essbares für ihn bereit. Diesmal aber war er derart überraschend herübergekommen, dass sie nichts für ihn hatte.
»Sophie!«, rief Ludovika, in deren Stimme nun deutliche Verärgerung mitschwang, erneut vom Haus her. »Mach sofort, dass du hereinkommst.«
Sophie überlegte kurz. »Möchtest du mitessen?«, fragte sie Ludwig und sah auf seinem Gesicht für einen Moment so etwas wie Sehnsucht und Verlangen aufflammen, doch dann schüttelte er traurig den Kopf.
»Ich habe leider nicht Bescheid gesagt, dass ich über den See fahre«, erwiderte er bedauernd. »Wenn ich nicht bald wieder zurück bin, wird das zu jeder Menge Aufregung führen. Aber morgen, Sophie, da komme ich wieder.«
»Fein«, sagte sie. »Und dann spielen wir zusammen den Lohengrin.«
***
Als Sophie Charlotte am nächsten Morgen von einem langen Ausritt zurückkehrte, erlebte sie eine große Überraschung: Die Kutsche der österreichischen Kaiserin stand vor der Tür.
»Sisi!«, rief Sophie, riss die Eingangstür des Schlosses auf und stürmte nach oben. In der Tat fand sie ihre zweitälteste Schwester im Salon vor, zusammen mit den Eltern und ihrer Schwester Mathilde, dreieinhalb Jahre älter als Sophie und in der Familie Spatz genannt.
Die meisten Kinder in ihrer Familie hatten Spitznamen. Sophies ältester Bruder Ludwig war Louis, die älteste Schwester Helene hieß Nené, Elisabeth war Sisi, Carl Theodor wurde in der Familie Gackel gerufen, und der Jüngste im Bunde, Max Emanuel, hörte auf den Namen Mapperl. Inzwischen waren diese Namen allgemein bekannt, das war aber, wie Sophie wusste, nicht immer so gewesen. Ihre Mutter hatte ihr schon oft erzählt, dass sie einmal bei einer Reise ihre Ankunft mit einem Telegramm angekündigt hatte: Komme mit Gackel und Spatz. Eigentlich hatte sie dieses Telegramm an Nené schicken wollen, die sie zu besuchen gedachte. Ihre Tochter hätte selbstverständlich gewusst, wer mit den Kosenamen gemeint war. Doch das Telegramm landete in dem Hotel, in dem sie gebucht hatten, und dort hatte man vermutet, die Herzogin reise mit einem Vogel und einem Gockel, also einem Hahn, weshalb man sie mit zwei Käfigen in Empfang genommen hatte. Sooft Sophie sich diese Schilderung auch in Erinnerung rief, sie musste immer wieder kichern. Zu herrlich war die Vorstellung von den beiden Dienern mit ihren leeren Käfigen.
Nun rief Sophie: »O Sisi, wie wunderbar, dass du da bist!«, und fiel der Älteren um den Hals. Doch Sisi erwiderte die Umarmung nicht so herzlich wie sonst. Erst da fiel Sophie auf, was für ernste Gesichter sie alle machten. Ludovika, die sonst nie die Fassung verlor, sah gar aus, als habe sie geweint!
»Ist etwas passiert?«, fragte sie erschrocken.
»Es ist Marie!«, presste Ludovika hervor und brach zu Sophies Entsetzen nun wirklich in Tränen aus.
»Ist sie tot?«, rief Sophie. Einen anderen Grund konnte sie sich für die Tränen ihrer Mutter nicht vorstellen.
Doch Ludovika schüttelte zu ihrer unendlichen Erleichterung den Kopf. »Aber nein, wo denkst du hin!«
Sophie atmete erleichtert auf. Wie an allen ihren Schwestern hing sie auch an Marie sehr. Und Marie dauerte sie fast noch mehr als Sisi. Marie hatte nämlich in Gestalt von Maria Theresia von Habsburg nicht nur eine ähnlich schreckliche Schwiegermutter wie Sisi, nein, sie hatte auch noch einen furchtbaren Mann geheiratet. Heiraten müssen! Ohne ihn jemals zuvor gesehen zu haben, musste sie im Alter von...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2023 |
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Reihe/Serie | Bedeutende Frauen, die die Welt verändern | Bedeutende Frauen, die die Welt verändern |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Schlagworte | 125. Todestag Kaiserin Sisi • 19. Jahrhundert • Adelige • Bayern • Buch Prinzessin • Bürgerlicher • England • Frankreich • Herzogin Ludovika in Bayern • Herzog Max Joseph in Bayern • Historischer Liebesroman • Historischer Roman • Kaiserin Sisi von Österreich • König Ludwig II. • Possenhofen • Royals • Sissi Buch • Starnberger See • Verbotene Gefühle • Verbotene Liebe |
ISBN-10 | 3-492-60450-1 / 3492604501 |
ISBN-13 | 978-3-492-60450-5 / 9783492604505 |
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