Weihnachtsduft und Erfindergeist. 24 Geschichten über berühmte Frauen (eBook)
350 Seiten
Piper Verlag
978-3-377-90069-2 (ISBN)
Laura Baldini alias Beate Maly absolvierte eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin, arbeitete zunächst als Kindergärtnerin und veröffentlichte Kindergeschichten, Kinderbücher und pädagogische Fachbücher. 2007 erhielt sie das Wiener Autorenstipendium für den Entwurf zu ihrem ersten historischen Roman Die Hebamme von Wien. Mit dem Stipendium nahm sie sich eine Auszeit vom Kindergarten und beendete neben dem Roman auch eine Zusatzausbildung zur mobilen Frühförderin, seitdem ist sie in der Frühförderung tätig. Bei Piper erschienen bereits ihre Romane Lehrerin einer neuen Zeit über Maria Montessori, Ein Traum von Schönheit über Estée Lauder sowie Der strahlendste Stern von Hollywood über Katharine Hepburn. Sie lebt mit ihren drei Kindern in Wien.
Laura Baldini alias Beate Maly absolvierte eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin, arbeitete zunächst als Kindergärtnerin und veröffentlichte Kindergeschichten, Kinderbücher und pädagogische Fachbücher. 2007 erhielt sie das Wiener Autorenstipendium für den Entwurf zu ihrem ersten historischen Roman Die Hebamme von Wien. Mit dem Stipendium nahm sie sich eine Auszeit vom Kindergarten und beendete neben dem Roman auch eine Zusatzausbildung zur mobilen Frühförderin, seitdem ist sie in der Frühförderung tätig. Bei Piper erschienen bereits ihre Romane Lehrerin einer neuen Zeit über Maria Montessori und Ein Traum von Schönheit über Estée Lauder. Beate Maly lebt mit ihren drei Kindern in Wien.
Maria Montessori
Der Duft von Panettone
Laura Baldini
Rom, 1909
Seit Wochen herrschte im Casa dei Bambini im Arbeiterviertel San Lorenzo in Rom eine fröhliche Vorfreude. Es war das zweite Weihnachtsfest, das die Kinder hier gemeinsam feierten. Im vorletzten Sommer hatten die Stadtväter Roms die Schule eröffnet. Es handelte sich um ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Maria Montessori, die international renommierte italienische Ärztin, die sich auch als Pädagogin einen Namen gemacht hatte, leitete das Projekt. Ziel war es, die unbeaufsichtigten Kinder der Arbeiterfamilien von der Straße zu holen, damit das generalsanierte Stadtviertel nicht sofort wieder verwüstet wurde.
Die Erziehungsmethoden, die die junge, engagierte Ärztin anwandte, waren nicht unumstritten. Sie ging völlig neue Wege in der Pädagogik und war davon überzeugt, dass Kinder von sich aus lernen wollten. Von Zwang und Strafen hielt sie nichts. Ihre Methoden zeigten bei den meisten Kindern Erfolg.
Eines ihrer Sorgenkinder war im Moment Giovanni. Während sich alle anderen Kinder an den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest beteiligten, weigerte sich Giovanni mitzuhelfen. Dabei war er stets ein aufgeweckter Junge gewesen. Irgendetwas schien ihn zu bedrücken, doch er wollte nicht darüber reden. Hartnäckig lehnte er Marias Angebote ab.
»Giovanni, willst du Anna nicht beim Putzen unterstützen? Wir wollen doch, dass der Unterrichtsraum bei der Weihnachtsfeier glänzt.«
Mit finsterem Gesicht schüttelte der Junge den Kopf.
»Ein paar Tannenzweige aufhängen und mit Goldsternen schmücken?«
Wieder verneinte der Junge.
»Ein Musikstück einstudieren?« Im Nebenraum probten drei Kinder Tu scendi dalle stelle. Der Klang von Flöten wurde immer wieder von fröhlichem Lachen unterbrochen.
Giovanni hatte auch dazu keine Lust. Stattdessen setzte er sich in eine Ecke und widmete sich halbherzig einer Mathematikaufgabe. Maria konnte sehen, dass er unkonzentriert war. Keine der Rechenaufgaben würde richtig gelöst sein. Warum ließ sich der Junge von der Vorfreude der anderen nicht anstecken? Gab es ein tragisches Ereignis in seiner Familie? Davon hätte Maria gehört. In diesem Stadtteil blieb nichts lange geheim. Die Bewohner kannten die großen und kleinen Geheimnisse ihrer Nachbarn. Es gab keinen von außen ersichtlichen Grund, warum sich der Junge in diesem Jahr nicht auf Weihnachten freuen konnte. Im letzten Jahr war er eines von den Kindern gewesen, die es nicht hatten erwarten können, die ersten Goldsterne auszuschneiden.
»Ich weiß, womit ich dich begeistern kann.« Maria startete einen weiteren Versuch. »Am Nachmittag backen wir Pandoro und Panettone.«
Giovannis großer Traum war es, eines Tages Zuckerbäcker zu werden. Er liebte die Düfte einer Backstube und interessierte sich für Rezepte aller Art. Im letzten Jahr hatte er zu Weihnachten wunderschöne Lebkuchenherzen gebacken. Doch in diesem Jahr konnte nicht einmal die Aussicht auf den Höhepunkt des Advents seine Laune heben.
»Ich mag keinen Panettone«, sagte er leise.
»Das glaube ich dir nicht«, widersprach Maria. »Komm am Nachmittag vorbei und beweise es mir.«
Giovanni antwortete nicht, doch Maria ging davon aus, dass er sich den Nachmittag nicht entgehen lassen würde.
Kurz vor fünf schoben Maria und ihre Mitarbeiterin Sophia mehrere Tische in den Unterrichtsraum. Sie holten Mehl, Zucker, Rosinen, Nüsse und kandierte Marillen aus der Küche.
Als die ersten Kinder zurück in die Schule kamen, war alles vorbereitet.
»Ich will den Teig kneten«, rief Luigi und zappelte vor Begeisterung am Stand.
»Aber zuvor heißt es Händewaschen!« Maria schickte alle in den Waschraum. Suchend sah sie sich um. Wo war Giovanni? Wollte er wirklich nicht kommen? Der Junge liebte Süßigkeiten, er schwärmte für Panettone.
»Weiß jemand, warum Giovanni nicht hier ist?«, fragte Maria die anderen Kinder.
Keines hatte eine Antwort.
Es wurde ein lustiger Nachmittag, bei dem eine Menge Mehl auf dem Boden landete und die Kinder ausgelassen Teig kneteten und Rosinen sowie Nüsse naschten. Schon bald duftete es im Unterrichtsraum nach Vanille, Zucker und Hefe. Während der Hefeteig ruhte, wurde der Raum wieder sauber gefegt. Ein paar Kinder stimmten dazu ein Weihnachtslied an. Maria ließ ihren Blick immer wieder zur Tür und zum Fenster gleiten. Wo blieb Giovanni? Sie machte sich Sorgen. Als Sophia mit zwei der Jungs die ersten Kuchenformen in die Küche trug, meinte Maria ein trauriges Kindergesicht am Fenster zu sehen. Eine helle Nase war platt gegen die Fensterscheibe gedrückt. Sofort sprang sie auf und eilte zur Tür. Aber das Kind war weg. Sie konnte nur noch die Schritte vernehmen, die in der Dunkelheit verklangen. Jemand lief eiligst davon. Maria war sich sicher, dass es Giovanni gewesen war.
Am nächsten Morgen erschien er nicht zum Unterricht. Es war höchste Zeit, bei der Familie nachzufragen. Maria würde mit den Eltern reden müssen.
Als am späten Nachmittag alle Kinder die Schule verlassen hatten, machte sich Maria auf den Weg. Die Familie Lamponi wohnte in dem Viertel von San Lorenzo, das noch nicht saniert worden war. Erst im kommenden Jahr würde man die Barracken abreißen und moderne, hübsche Mietshäuser errichten. Im Moment gab es kein fließendes Wasser, die Wohnungen waren beengt und feucht. Es stank nach Schimmel und billigem Essen. Auf Leinen, die zwischen den Häusern gespannt waren, hing Wäsche, die bei diesen Temperaturen niemals trocknen würde. Die Menschen schlüpften in nasse Kleidung. Gaslaternen zwischen den Wohnblocks flackerten und boten nur notdürftig Licht. Im dritten Stockwerk eines baufälligen Gebäudes fand Maria Giovannis Zuhause. Sie war noch nie bei ihm gewesen und kannte nur Giovannis Mutter von der Schuleinschreibung.
Beherzt stieg Maria die wackelige Treppe hoch, klopfte an die Tür und lauschte. Es war ungewöhnlich still für eine siebenköpfige Familie. Maria klopfte noch einmal.
Eine Frau mit grauem, müdem Gesicht öffnete. »Ja bitte?«
»Guten Abend, ich bin Maria Montessori, die Lehrerin Ihres Sohnes. Darf ich eintreten?«
Überraschung machte sich auf dem Gesicht breit. Widerwillig öffnete die Frau die Tür weiter.
»Ist Giovanni zu Hause?«
»Nein.«
»Wo ist er um diese Zeit noch?«
»Ich dachte, er sei in der Schule.«
Ein Mann trat aus dem Nebenzimmer. »Wenn es Probleme mit ihm gibt, dann geben Sie uns Bescheid«, meinte er finster. »Der Junge stellt nur Unfug an. Er hat eine Lektion verdient.«
»Was für Unfug?«, fragte Maria vorsichtig. Sie entschied sich, vorerst nichts von Giovannis Fernbleiben vom Unterricht zu erzählen. Sie wusste, dass in vielen Familien Gewalt an der Tagesordnung stand. Die meisten Eltern waren der Meinung, dass eine Strafe die Kinder zu besseren Menschen machen würde.
»Er hat unser Weihnachtsessen ruiniert«, sagte der Vater verärgert.
»Wie kann das sein?«, fragte Maria.
»Ich habe die Einkäufe in die Küche gestellt«, erklärte die Mutter leise. Sie wirkte bei Weitem nicht so grantig wie ihr Mann. »Mehl, Eier, Zucker. Eben alles, was ich für einen Panettone benötige. Als wir alle in der Fabrik waren, hat sich Giovanni darangemacht, einen Panettone für uns zu backen. Aber dabei ist alles schiefgelaufen, was nur danebengehen kann. Der Kuchen ist verbrannt. Jetzt haben wir keine Zutaten mehr für einen neuen. Das Geld reicht nicht für einen weiteren Einkauf. Wir werden Weihnachten ohne Nachspeise feiern.«
»Ich hätte ihm einen Tracht Prügel verabreichen sollen«, schimpfte Herr Lamponi.
»Warum?«, fragte Maria entsetzt. »Meinen Sie nicht, der Junge hat schon genug Strafe erhalten?«
»Haben Sie ihn etwa verprügelt?« Giovannis Vater wirkte überrascht.
»Gott bewahre!«, rief Maria. »Natürlich nicht.«
»Was hat er dann für eine Strafe bekommen?«
»Stellen Sie sich vor, was in Ihrem Jungen jetzt vorgeht«, bat Maria. »Statt seiner Mutter zu helfen, wie er es zweifellos vorgehabt hatte, hat er das Weihnachtsessen für die ganze Familie ruiniert. Bestimmt hat er die ganze Nacht geweint. Mir scheint, dass das Strafe genug ist.«
Beide Eltern starrten Maria erstaunt an. Schließlich sagte Herr...
Erscheint lt. Verlag | 28.9.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Anthologien |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 24 Geschichten • Advent • Adventskalender • Adventskalender Buch • Adventszeit • Anthologie • Bedeutende Frauen • Bedeutende Frauen, die die Welt verändern • Buch • Buchempfehlung für Frauen • Bücher • die die Welt verändern • Dramatische Erlebnisse • Frauen Geschichten • gefühlvoll • Geschenkbücher • Geschenke für Frauen • Geschenkidee • Ikonen • Kurzgeschichten • Roman für Frauen • Starke Frauen • Weihnachten • Winter |
ISBN-10 | 3-377-90069-1 / 3377900691 |
ISBN-13 | 978-3-377-90069-2 / 9783377900692 |
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