Sturmmädchen (eBook)

Freundinnen in dunkler Zeit | Ein großer Roman der Bestsellerautorin Lilly Bernstein über die Kraft der Freundschaft
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2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3070-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sturmmädchen -  Lilly Bernstein
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Drei junge Frauen. Ein Schwur. Wie stark ist eine Freundschaft? Sie glaubten, die Welt stünde ihnen offen: Die drei Freundinnen Elli, Margot und Käthe werden mit Beginn der NS-Zeit mit der Schule fertig. Im malerischen Tal der Eifel, in dem sie zu Hause sind, muss die Jüdin Margot bald um ihr Leben und das ihrer Familie fürchten. Käthe wird zur überzeugten Nationalsozialistin. Die Halbwaise Elli muss sich entscheiden: Wählt sie die Liebe oder folgt sie ihrem Gewissen?

Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann, deren Debütroman Hinterhaus 2020 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Romane Trümmermädchen und Findelmädchen waren große Presse- und Publikumserfolge. 

Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann, deren Debütroman Hinterhaus 2020 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Romane Trümmermädchen und Findelmädchen waren große Presse- und Publikumserfolge. 

Prolog


Sonntag, 14. Mai 1933

»Zrib, Zrib«, zwitscherte die Wasseramsel. »Zip, zip, zrib.« Elli lag ganz still und spitzte die Ohren. Sie liebte es, den Geräuschen der Natur zu lauschen. Und was gab es alles zu hören in diesem stillen, grünen Tal! Zu ihren Füßen plätscherte das Wasser des Perlenbachs so munter, als könne der Bach sich gar nicht genug darüber freuen, das Eis des langen Winters endlich los zu sein. Der Wind, den sie auf ihren Wangen spürte, so sanft, als wolle er sie streicheln, entlockte dem hohen Gras, in dem sie lagen, ein verheißungsvolles Flüstern. Und aus dem nahen Wald drangen einzelne Vogelstimmen bis zu ihnen herüber. Das waren ganz unverkennbar die Bettelrufe aus dem Nest eines Buntspechtes und das Pfeifen der Weidenmeise.

Elli hielt die Augen fest geschlossen. Sie genoss die Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht, die tanzenden Lichtkringel hinter ihren Lidern. Wie hatte sie den Frühling herbeigesehnt! Und nun war er endlich da.

Von fern war jetzt noch ein Geräusch zu hören, eins, wie Elli es oft gehört hatte in den letzten Wochen, eine Art Grölen. Aber das konnte nicht sein, nicht in diesem stillen Tal. Oder etwa doch? Sie richtete sich auf, ließ den Blick schweifen.

Das Perlenbachtal lag so ruhig und friedlich da, wie Elli es seit ihrer frühesten Kindheit kannte. Sanft abfallende Hänge, oben, auf den Bergkuppen, dichter Wald und dort, wo das Tal am tiefsten war, der frisch gurgelnde Bach. An seinen Ufern blühten noch die letzten wilden Narzissen, die jedes Jahr zu Ostern den Frühling mit ihren gelben Köpfchen herbeilockten. Nun, im Mai, stand der Schlangenknöterich in voller Blüte und verwandelte das Tal in ein rosa wogendes Blütenmeer.

Elli spitzte die Ohren. Kein Grölen, nirgends. Sie atmete erleichtert auf und ließ sich seufzend zurücksinken.

Links von ihr lag ihre Freundin Käthe und schien, kaum dass sie ihren Lieblingsplatz erreicht hatten, in einen tiefen Schlaf gefallen, rechts von ihr summte Margot leise vor sich hin. Behutsam strich Elli mit der Spitze ihres Zeigefingers über die wollene Decke, die Margot für sie drei im Gras ausgebreitet hatte. Herrlich weich und warm fühlte sie sich an, viel zu gut, fand Elli, um sie auf eine Wiese zu legen.

»Ach was!«, hatte Margot gelacht. »Die schütteln wir später einfach aus, und fertig!«

So, wie Elli Käthe für ihre Verlässlichkeit liebte, so liebte sie Margot für ihre Unbekümmertheit. Kaum eine Minute verging, in der die Freundin nicht ein Lied auf den Lippen trug, so wie jetzt. Da machte es auch gar nichts, dass Margot niemals einen Ton traf.

Elli rekelte sich, blinzelte gegen das Sonnenlicht. Und hielt im nächsten Moment die Luft an.

Ein winzig kleiner Schmetterling flatterte direkt vor ihrer Nase. Er war gerade einmal so groß wie der Daumennagel eines erwachsenen Mannes. Doch seine Flügel leuchteten so farbenfroh, dass man meinen konnte, sie seien mit fein gemahlenem Pulver aus lauter Edelsteinen bestäubt.

»Ein blau schillernder Feuerfalter«, flüsterte sie, sorgsam darauf bedacht, bloß nicht Käthe zu wecken. Die Freundin war ständig müde, seit sie in der Fabrik in Monschau arbeitete. »Ein Männchen. Siehst du?« Vorsichtig stupste sie Margot in die Seite. »Seine Flügel sind oben tief violett und unten fast vollkommen orange mit kleinen schwarzen Punkten und weißen Halbmonden!«

»Hübsch, wirklich«, erklärte Käthe. Sie hatte wohl doch noch nicht tief geschlafen, jetzt streckte sie alle viere von sich und warf sich auf die Seite. Der Schmetterling trudelte durch die Luft und ließ sich auf einer der rosafarbenen Blüten nieder.

»Der blau schillernde Feuerfalter«, fuhr Elli noch leiser fort, »ist ein Relikt aus der Eiszeit. Das weiß ich von meiner Mutter. Kann man sich das vorstellen? Die Weibchen legen ihre Eier an den Blättern des Schlangenknöterichs ab. Wenn die Raupen geschlüpft sind, fressen sie sich satt, verpuppen sich, lassen sich einfach ins Gras fallen und verbringen dort den ganzen Winter. Es ist phänomenal: Kälte, Schnee und Eis machen ihnen nicht das Geringste aus! Sie warten einfach ab, bis es warm genug ist, um zu schlüpfen.«

»Wirklich phänomenal«, murmelte Margot, »sich verpuppen und abwarten, bis das Leben wieder leicht ist. Ich wünschte, ich könnte das auch.« Aus ihren Worten meinte Elli etwas herauszuhören, was sie nie zuvor an Margot wahrgenommen hatte, eine Art Schmerz, der gar nicht zu ihr passte, und einen Moment lang fragte sie sich, wie Margot das wohl meinte. Dann aber hörte sie sie sogleich wieder vor sich hin summen, sie musste sich getäuscht haben. Käthe begann leise zu schnarchen, der blau schillernde Feuerfalter schwebte davon. Elli schloss die Augen, und ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, an dem ihre Freundschaft begann.

Vor genau acht Jahren, Käthe und Elli waren gerade eingeschult worden, hielt an einem frühen Samstagnachmittag ein Auto auf der einzigen Straße des Dorfes. Was nicht nur deshalb außergewöhnlich war, weil es damals genau ein Auto gab, das man ab und zu im Dorf sah, nämlich das des Arztes aus Mon­schau, sondern auch, weil dieses Auto sehr viel vornehmer wirkte als das von Doktor Jung, mit seinen schwarz glänzenden Kotflügeln und dem offenen Verdeck. Hinter dem Steuer saß ein vornehm gekleideter Herr, eine ebenso vornehme Dame daneben, und auf dem Rücksitz ein Mädchen mit blasser Haut und dunklen Zöpfen. Als es Elli und Margot erblickte, die gerade mit ihren wenn schon nicht neuen, so doch von ihren Müttern sorgfältig ausgebesserten Schulranzen auf den Rücken nach Hause kamen, kletterte es aus dem Auto, trat geradewegs auf sie zu und streckte ihnen seine kleine, nach teurer Seife duftende Hand entgegen.

»Ich bin Margot. Wir haben ab heute hier ein Ferienhaus. Wollen wir Freundinnen sein?«

Elli und Käthe blieb gar nichts anderes übrig, als die Hand dieses erstaunlichen Mädchens zu schütteln und verblüfft zu nicken.

Seither waren sie unzertrennlich.

Margot kam mit ihren Eltern jedes Wochenende ins Dorf, zumindest im Sommer, sowie immer in den Schulferien. Ihr Ferienhaus entpuppte sich als ein alter Heuschober ein ganzes Stück außerhalb, den der Bauer Janssen für ein Heidengeld, wie Ellis Mutter es ausdrückte, an die Schiffmanns verkauft hatte. Die freilich verpassten dem Schober einen neuen Anstrich, neue Böden und ein Badezimmer, sie stellten sogar ein Klavier hinein, auf dem Frau Schiffmann stundenlang spielte, während ihr Mann den Mädchen zu Ellis und Käthes großem Erstaunen eiskalte Limonade servierte.

Das Erstaunlichste jedoch war Margot selbst. Sie hatte ein so sonniges Gemüt, dass Elli und Käthe ihrer niemals überdrüssig wurden. Da war es auch egal, dass Margot mit den praktischen Dingen des Alltags heillos überfordert war, dass sie nicht einmal wusste, was ein Hoal war und erst recht nicht, wie man diesen eisernen Haken, der in jedem Haus über dem Herd hing, nach oben und unten verstellte, um Kessel und Töpfe daran zu befestigen. Für Käthe und Elli, die von Kindesbeinen an daran gewöhnt waren, an der Seite der Erwachsenen mitzuarbeiten, waren die Zeiten mit Margot, in denen sie sich dem süßen Nichtstun hingaben, ein kostbares Vergnügen.

So wie jetzt, dachte Elli und rekelte sich noch einmal genießerisch.

Keinen Ort weit und breit liebte sie so sehr wie das Perlenbachtal, und sie wusste, dass es Margot und Käthe ebenso erging. Wie ein silbernes Band wand sich der Bach durch dieses sanft geschwungene Tal, wo es ab dem zeitigen Frühjahr stets ein bisschen wärmer war als in den Nachbartälern. Dafür sorgten die Bauern. Sie stauten das Wasser des Perlenbachs alle paar Hundert Meter auf und leiteten es um in Gräben, die sie parallel zum Bach in die Hänge gruben, sie nannten sie Flüxgräben. Auf diese Weise düngten sie mit den Mineralien des Bachwassers die Wiesen, außerdem schmolz der Schnee schneller, und das Gras begann früher zu wachsen als überall sonst. Im Herbst fuhr man hier die reichste Heuernte ein.

Die Mädchen schafften es selten ins Perlenbachtal, es war einfach zu abgelegen. Doch heute, an diesem ersten warmen Tag des Jahres, wollten Margot und Käthe baden, und dafür gab es nun wirklich keinen geeigneteren Ort als das Perlenbachtal, eben weil es so abgelegen war. Für Elli war der Fußweg eine Tortur, doch das, beschloss sie, war es wert gewesen. Himmel, sie hatte einen blau schillernden Feuerfalter entdeckt!

»So, genug geträumt!« Käthe setzte sich auf. »Wer ist als Erste drin?« Sie begann, energisch ihre Schnürsenkel zu lösen, und sofort tat Margot es ihr nach. Im Nu landeten zwei Paar Schuhe im Gras – Käthes waren ihr reichlich zu groß und ursprünglich von ihrem Vater, Margots Stiefel aus ganz weichem Leder –, Käthe zog sich mit einem einzigen Ruck das schwere Baumwollkleid über den Kopf, Margot streifte blitzschnell Strümpfe, Hose und Bluse ab, und schon wateten beide schnurstracks in den kleinen Bach.

»Herrlich!«, kreischte Käthe.

»Es ist weniger kalt, als...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2023 • Autorin • Bestseller • Eifel • Frauen • Freundinnen • Große Gefühle • Juden • Liebe • Monschau • Nationalsozialismus • Neuerscheinung • Schwestern • Unterhaltung • Verfolgung
ISBN-10 3-8437-3070-9 / 3843730709
ISBN-13 978-3-8437-3070-9 / 9783843730709
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