Revanche (eBook)
368 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01653-6 (ISBN)
Alexander Oetker, geboren 1982, berichtet als Frankreich-Experte von RTL und n-tv seit 15 Jahren über Politik und Gesellschaft der Grande Nation. Er ist zudem Kolumnist und Restaurantkritiker der Gourmetzeitschrift Der Feinschmecker. Seine Krimis stehen regelmäßig auf der Bestsellerliste. Mit seiner Familie pendelt er zwischen Brandenburg, Berlin und der französischen Atlantikküste.
Alexander Oetker, geboren 1982, berichtet als Frankreich-Experte von RTL und n-tv seit 15 Jahren über Politik und Gesellschaft der Grande Nation. Er ist zudem Kolumnist und Restaurantkritiker der Gourmetzeitschrift Der Feinschmecker. Seine Krimis stehen regelmäßig auf der Bestsellerliste. Mit seiner Familie pendelt er zwischen Brandenburg, Berlin und der französischen Atlantikküste.
Cover
Verlagslogo
Titelseite
Prolog Miniatures
Vendredi, 8 juillet Mann über Bord
Samedi, 9 juillet Place des Vosges
Dimanche, 10 juillet Les pieds dans l'eau – Die Füße im Wasser
Jeudi, 14 juillet Voyage dans le temps – Zeitreise
Liebe Leserinnen und Leser,
Merci beaucoup
Über Alexander Oetker
Impressum
Café du Marché, Carcans Plage Vendredi, 8 juillet, 8:12
»Gaston, machst du mir bitte einen Kaffee, mon cher?«, fragte Luc.
»Und mir auch – den größten, der deiner Kaffeemaschine möglich ist.« Anouk hatte sich kurzerhand angeschlossen.
Der alte Wirt stand lächelnd vor ihnen, die Hände auf den Tisch gestützt, seine liebste Geste. »Ein kleiner Espresso und ein riesiger Becher mit einem allongée. Das habe ich verstanden. Und die petite princesse, will die auch etwas? Ein bisschen Milchschaum?«
Zum sechsten Mal an diesem Morgen steckte Gaston seinen Kopf in den Kinderwagen, doch Aurélie hatte kein Herz für schockverliebte Wirte, sie schlief einfach weiter.
»Sollte sie in den nächsten sechs Stunden aufwachen, fragen wir sie, in Ordnung?«
»So lange wollt ihr bleiben? Macht mir bloß die Terrasse frei, bevor die Touristen kommen.« Gaston zog scherzhaft die Stirn in Falten, dann ging er nach drinnen, wo seine Frau an der Kaffeemaschine wartete, um die Bestellungen der frühen Kundschaft entgegenzunehmen.
Hier draußen streifte der leichte Morgenwind durch die Bäume, sodass die Blätter sanft knisterten. Die Gäste saßen unter einem grünen Dach. Zum hellgrünen Flimmern kamen die weißen Möwen, die über ihnen ihre Kreise zogen, Frühsport am Himmel gewissermaßen.
Abgesehen von ihnen und dem Kinderwagen war die Terrasse tatsächlich leer. Die Urlauber schliefen in ihren Ferienhäusern, Chalets und Wohnungen wohl noch aus.
Doch Anouk und Luc hatten es nicht ausgehalten in ihrer Cabane. Schon als Luc um kurz nach sieben die Fensterläden geöffnet hatte, waren die ersten Worte seiner Freundin: »Wow, was für eine schöne Morgensonne.« Dann hatte sie sich noch einmal an ihn geschmiegt und gemurmelt: »Noch im Bett bleiben oder ein Spaziergang?«
»Hm«, hatte Luc gemacht und Anouk zu streicheln begonnen, »ich finde, wir sollten noch etwas liegen…« Und genau in diesem Augenblick hatte Aurélie begonnen sich zu regen, mit ihrem ganz leisen Glucksen. Luc hatte Anouk angesehen, und sie mussten beide lachen.
»Da ist jemand wohl schon länger wach, hm?«, sagte Luc, nachdem er sich aus dem Bett geschwungen hatte und zum Kinderbettchen hinübergegangen war, in dem die Kleine mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin giggelte, offenbar bester Laune, weil sie ihren Eltern das Schäferstündchen verdorben hatte.
»Also doch ein Spaziergang!«, hatte Anouk gerufen und war schon aus dem Bett.
Eine halbe Stunde später nahmen sie den Strandübergang über die Düne – und genau dort hatte es sich Aurélie noch einmal überlegt und war wieder tief und fest eingeschlafen. »Erst wirft sie uns aus dem Bett, und nun sind wir die Einzigen, die wach sind«, grinste Anouk. Doch als sie über die Düne kamen, verstummte sie. Der Anblick machte sie beide sprachlos – jedes Mal, an jedem neuen Tag.
Erst war da der Strandhafer, der sich sanft im Wind wiegte, waren da die Büsche und Sträucher, die den Deich stabilisierten. Dann der goldene Sand, endlos, angestrahlt von der Sonne hinter ihnen – und davor der Ozean, gerade in einem ganz hellen Blau, weil der Einfallswinkel des Sonnenlichts die Wellen wie fein geschnittene weiße Kronen aufleuchten ließ, schnittige Kronen, die heranrasten, majestätisch und wunderschön.
»Wow«, murmelte Luc nur. Sie standen da und genossen den einmaligen Anblick. Einmalig, weil es hier oben auf der Düne einfach jeden Morgen anders aussah – nie glich der Atlantische Ozean sich selbst, jeder Tag brachte neue Wellen, ein neues Panorama, mal aufgewühlt vom Sturm, mal klar und windstill, mal rau und lieblich zugleich – das gab es nur hier, an dieser Westküste, die keine Wünsche offenließ.
»Da juckt es in den Fingern, hm?«, fragte Anouk und hatte den Kinderwagen hin- und hergewiegt, damit Aurélie weiterschlafen konnte. »Willst du gleich mal surfen gehen? Du musst ja nicht so früh ins Büro wie ich.«
»Wenn ich mir das noch länger ansehe, dann hole ich wirklich gleich das Board raus«, antwortete Luc.
»Mach das doch«, ermunterte ihn seine Freundin. »Nachher sind die Urlauber da – und surfen dir alle Wellen weg.«
»Da du meine Chefin bist«, sagte Luc und legte den Arm um ihre Hüfte, »muss ich den Befehl befolgen, oder?«
»Ansonsten würde es zu einer Abmahnung führen.« Sie lächelte wieder und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Noch ein paar Minuten betrachteten sie die Wellen, die tosend den Strand erreichten. Diesen Strand, den Luc liebte, seit er denken konnte. Er war hier aufgewachsen, in diesem kleinen Dorf hinter der Düne, er hatte als Kind jeden Tag an diesem Strand verbracht. Immer noch betrachtete er ihn mit derselben Begeisterung wie damals. Inzwischen war er selbst Vater geworden, Vater dieser wunderschönen kleinen Tochter, die nun schon ein Dreivierteljahr alt war. Und den Kinderwagen hielt Anouk in ihren Händen, die in so kurzer Zeit, in nur zwei Jahren, ein elementarer Bestandteil seines Lebens geworden war. Noch vor drei Jahren hatte er nicht gewusst, ob er sich jemals fest binden wollte – und nun war es geschehen, Hals über Kopf, eine Liebe wie ein Blitzschlag, am Tag seiner Ankunft in der Aquitaine.
»Jetzt brauche ich aber dringend einen Kaffee«, hatte Anouk gesagt, die seit dem Abstillen geradezu koffeinsüchtig geworden war. Sie waren also wieder die Düne hinuntergelaufen und hatten ihre Stammplätze am Rand der Terrasse von Gastons Bistro eingenommen.
Drinnen war das Zischen der Kaffeemaschine zu hören, ein herrliches Geräusch, das sich vermischte mit dem Klang der Wellen auf der anderen Seite der Düne. Der Wirt pfiff ein heiteres Lied.
»Das wird ein richtig heißer Tag«, sagte Anouk und blickte zum Himmel, der noch mit kleinen Wölkchen überzogen war, Schäfchenwolken, die sich langsam durchs Blau schoben. Luc nickte. »Ja, ich glaube, ab heute Nachmittag wird es am Strand reichlich eng zugehen.« Er wusste natürlich, dass die ganze Küste vom nördlichen Médoc bis hinunter ins Baskenland ein einziger Sandstrand von fast dreihundert Kilometern Länge war. Deshalb war hier genug Platz für alle: Urlauber und Einheimische, Familien und Ruhesuchende. Es wurde niemals so eng wie an den Stränden der Provence und der Côte d’Azur, auch wenn die Strände an den Wochenenden in der Hochsaison definitiv gut besucht waren. Mit Grauen dachte der Commissaire an den Verkehr, der ab heute Nachmittag herrschen würde, wenn die Bordelais ihre Büros verlassen und sich direkt in ihre Autos setzen würden – ab gen Westen, ab an den Strand. Es würde eine schier endlose Odyssee werden, immer in Richtung Lacanau und Carcans. Mangels anderer Verbindungen wurde die Départementale zu einer gigantischen Staufalle. Züge gab es in diesem Teil des Médoc Atlantique nicht, und der Linienbus konnte sich um den Stau kaum herummogeln. Luc würde also nach Feierabend noch eine Weile in Bordeaux bleiben und erst spät am Abend wieder in den kleinen Strandort fahren.
»Sie schläft echt wie ein Murmeltier«, bemerkte Anouk und warf einen Blick in den Kinderwagen. Gaston kam mit dem Tablett, darauf standen die dampfenden Tassen und zwei Teller. Anouk schaute fragend zu ihm auf, doch Luc ahnte schon, was sie erwartete – und schwelgte in Vorfreude.
»Zwei Kaffee für meine Freunde«, sagte der Wirt. »Und du weißt es ja, Luc, Freitag backt Evelyne immer, weil die Boulangerie so überfordert ist mit dem Andrang der Urlauber. Deshalb machen wir unser Baguette selbst im Pizzaofen – und heute hat sie noch torsades mitgebacken. Hier, ich hab euch zwei mitgebracht, sie sind noch warm.«
Er stellte die Teller vor ihnen ab, und Anouk strahlte Luc an. »Ich komme nur noch freitags hierher!«, rief sie fröhlich aus und riss sich ein Stück von der torsade ab.
Luc mochte eigentlich keine süße Sachen, aber bei diesem Anblick und diesem Duft musste er einfach eine Ausnahme machen.
Torsade wurde dieses Gebäck nur hier im Südwesten genannt, im Rest des Landes war es schlicht eine suisse: ein längliches Gebäckstück aus Briocheteig, das in Kringel gelegt wurde. Es war mit einer feinen Schicht Crème pâtissière und kleinen Kugeln aus Schokolade sowie etwas Hagelzucker gefüllt. Luc konnte es nicht abwarten und biss herzhaft in dieses süße Teilchen, dann schloss er einen Moment die Augen, weil das Aroma, der warme Teig, die feine Süße, die leckere Creme ihn regelrecht überwältigten und er in diesem Augenblick so glücklich war – hier, auf dieser Terrasse hinter dem Strand, mit der Frau seines Lebens, seiner kleinen Tochter, dem Wirt und seiner Frau, die genau wie die anderen Händler und Bewohner des Dorfes Teil seiner Familie waren. An diesem Ort, den er endlich Heimat nannte.
»Sag Evelyne, sie soll nie wieder etwas anderes backen«, sagte Luc und griff nach der kleinen Espressotasse. Gaston lächelte stolz. Dann verschwand er, um das Kompliment auszurichten.
Als Luc den ersten Schluck Kaffee nahm, surrte es auf einmal. Anouks Handy. Sie stand auf, um in ihre Hosentasche zu greifen, und während sie das tat, surrte auch sein Telefon. »Was denn jetzt?«, murmelte er und sah Anouk fragend an, die auf das Display blickte und die Stirn in Falten legte.
»Präfekt«, flüsterte sie.
»Hugo«, flüsterte Luc nach einem Blick auf sein Handy.
Er hörte der Stimme seines Capitaine sofort an, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Um diese Zeit war niemand im Büro, aber Capitaine Hugo Pannetier hatte in dieser Nacht Bereitschaftsdienst in der Brigade criminelle gehabt.
»Luc, die haben mich...
Erscheint lt. Verlag | 2.11.2023 |
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Reihe/Serie | Luc Verlain ermittelt | Luc Verlain ermittelt |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bestseller • Cosy Crime • Ertrinken • Frankreich • Frankreichkrimi • Französisch • Krimi • Mysteriös • rätselhaft • Regiokrimi • Regionalkrimi • Rettungsschwimmer • Spiegel • Verschwinden |
ISBN-10 | 3-455-01653-7 / 3455016537 |
ISBN-13 | 978-3-455-01653-6 / 9783455016536 |
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