Die venezianische Verschwörung (eBook)

Historischer Kriminalroman

(Autor)

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2024
448 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-30859-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die venezianische Verschwörung - Matteo Strukul
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Venedig 1725: Im kalten Wasser eines Kanals wird eine der berühmtesten Frauen der Stadt ermordet aufgefunden. Kurz darauf wird der bekannte Maler Canaletto dem Dogen vorgeführt. Dieser interessiert sich brennend für ein Gemälde Canalettos, das den Fundort der Toten zeigt - und eine Szene, die eine bedeutende venezianische Familie in gefährliche Schwierigkeiten bringen könnte. Im Auftrag des Dogen soll Canaletto die Hintergründe seiner gemalten Beobachtung erforschen - und deren Zusammenhang mit dem Mord. Seine Nachforschungen führen den Maler in illustre Kreise, in denen seltsame Rituale stattfinden und sich zwielichtige Gestalten herumtreiben. Schon bald wird deutlich, dass hinter den Mauern der venezianischen Paläste viele Geheimnisse verborgen sind. Und manche dürfen niemals ans Licht kommen ...

Matteo Strukul wurde 1973 in Padua geboren. Er hat Jura studiert und in Europäischem Recht promoviert. Er gehört zu den neuen Stimmen der italienischen Literatur. Seine historischen Romane erobern regelmäßig die italienischen Bestsellerlisten. Strukul lebt mit seiner Frau Silvia abwechselnd in Padua, Berlin und Transsilvanien.

3
Der Saal der Qualen


Ah«, sagte der Staatsinquisitor und klang überrascht, als Antonio Canal, durchnässt von Schnee und Nebel, die Camera del Tormento, den Saal der Qualen, betrat. »Da seid Ihr ja, mio Signore! Eskortiert und mir übergeben, so wie befohlen. Wenigstens ist auf die Polizeischergen in dieser verdammten Stadt noch Verlass.« Mit diesen Worten entließ er den Hauptmann der Wache mit einem Kopfnicken.

Sobald Matteo Dandolo, der Staatsinquisitor der Serenissima Repubblica, mit Antonio allein war, schien er sich zu entspannen. Wenigstens einen Augenblick lang. »Nehmt Platz«, sagte er mit ausladender Geste. Dabei rauschte die rote Robe durch die Luft wie der Flügel eines Raubvogels. Mit seinem purpurfarbenen Handschuh wies er auf einen unbequemen Holzschemel.

Antonio ließ sich das nicht zweimal sagen und setzte sich, weiterhin abwartend. Er versuchte, sich nicht zu sehr von der kargen und einschüchternden Umgebung beeindrucken zu lassen. Er wusste genau, was der Name des Raumes zu bedeuten hatte, doch er vertraute auch auf seinen Ruhm als Maler, der eine wirksame Abschreckung vor jedweder übereilten ­Entscheidung sein würde. Nicht einmal der Staats­inquisitor würde ihn, einen der wichtigsten Künstler von Venedig, ungestraft einer Folter mit dem Seil unterziehen, das geradewegs vor der Nase hing. Egal, um welche Anklage es sich auch handeln mochte. Aufmerksam beobachtete er den Mann, den er vor sich hatte. Zweifelsohne war der Inquisitor ein Mensch mit immensem Ego, und sein pompöser Auftritt bestätigte das voll und ganz. Es war besser, ihm die Bühne zu überlassen und sich darauf zu beschränken, ihm Paroli zu bieten. Umso mehr, als er nicht die blasseste Ahnung hatte, was der Grund für diese Einberufung war. Sein Blick fiel auf die wenigen entzündeten Kerzen: Sie verbreiteten ein warmes Licht rings umher und ließen einen Großteil der Umgebung im Schatten. In der Tiefe des Raums genau ihm gegenüber war das Dunkel besonders intensiv und beun­ruhigend.

Als hätte Dandolo seine Gedanken erraten, stellte er ihm die rhetorischste aller Fragen: »Ihr wisst, warum ich Euch habe herbringen lassen?«

»Eigentlich nicht, Euer Exzellenz.«

Der Inquisitor lächelte. »Natürlich. Ich gebe Euch selbstverständlich keinerlei Schuld«, sagte er mit einem Ausdruck der Genugtuung. »Erst recht, da die Angelegenheit recht komplex ist. Nicht nur einer, sondern zwei Magistratsbeamte müssen Euch befragen.« Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, betrat, als hätte das Dunkel ihn hervorgebracht, Giovanni Morosini, der Capitan Grando, den Raum. Er war das Oberhaupt der Signori di Notte al Criminal und somit der zweite hochstehende Magistrat, zu dessen Aufgaben es gehörte, die Ermittlungen zu all den Delikten zu koordinieren, die nach Sonnenuntergang begangen worden waren. Er trug einen langen Mantel, der völlig durchnässt war, und einen Dreispitz, der ebenso nass war. Als er ihn abnahm, kamen darunter dunkle Haare zum Vorschein, von denen große Tropfen herabrannen. Seine Kleidung konnte jedoch das Futteral des Schwertes nicht verbergen, das unter dem Mantel hervorschaute wie eine etwas verstörende Schwanzspitze aus Eisen. Kniehohe Stiefel und Strümpfe aus schwarzem Samt vervollständigten sein Erscheinungsbild, am Gürtel schimmerte zudem der perlmuttbesetzte Griff eines Dolches.

Die Sache wurde ernst. Allzu ernst. Auch wenn Antonio sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, worauf diese Geschichte hinauslaufen sollte.

»Signor Morosini muss sich Euch nicht vorstellen, nicht wahr?«, sagte der Inquisitor, während der andere nach all dem eisigen Schnee, den er auf seinem Weg durch die Calli abbekommen hatte, husten musste. »Ihr wisst genau, wer er ist. Aber lasst mich Euch eins sagen, Signor Canal: Ihr enttäuscht mich. Doch, wirklich. Und wisst Ihr, warum? Wenn man es sich so anschaut, seid Ihr in Eurer Karriere so weit ­gekommen, wie es sich viele nur wünschen können. Ihr seid heute bei Weitem der meist geschätzte Künstler der Serenissima. Canaletto nennt man Euch. Und es gibt niemanden, der Euren Namen nicht mit Hochachtung, ja ich würde sogar sagen Ehrfurcht, aussprechen und Eure Werke preisen würde, die mehr als alle anderen den Ruhm Venedigs mehren. Daher frage ich Euch: Warum? Warum habt Ihr das getan?«

»Was getan?« Antonio hatte eigentlich nicht mit einer Gegenfrage antworten wollen, doch er hatte nicht die geringste Ahnung, worum es ging.

»Warum habt Ihr ausgerechnet den Rio dei Mendicanti gemalt?«, rief Morosini aus und betonte dabei die drei Worte des Namens, als stellten sie in ihrer Zusammenstellung eine fürchterliche Unflätigkeit dar.

Antonio begriff immer noch nichts. Doch in jedem Fall versuchte er zu antworten. Er sprach über das, was geschehen war. »In den letzten Jahren habe ich beschlossen, mich einem ganz bestimmten Genre der Malerei zu widmen: der Vedute. Ich bediene mich dafür einer Lochkamera, mithilfe derer ich Proportionen und Perspektiven der Palazzi und Campi, der Kanäle und Piazze festhalte, um im zweiten Schritt der malerischen Ausarbeitung meine Auswahl zu verdichten. Es gibt keinen bestimmten Grund dafür, warum ich den Rio dei Mendicanti gemalt habe. Ich fand das Sujet dieser Vedute einfach reizvoll, um daran einige Techniken auszuprobieren. So wie ich es auch bei der Piazza di San Marco und dem Canal Grande zwischen Palazzo Balbi und Rialto gemacht habe.«

»Wollt Ihr uns weismachen, dass Ihr willkürlich auswählt, was Ihr malen wollt?«

Antonio räusperte sich. »Nein, das meine ich nicht. Ich wähle eine bestimmte Ansicht, einen perspektivischen Fluchtpunkt, und zwar unter dem Aspekt, wie schwierig sie umzusetzen ist und welche Möglich­keiten sie bietet, eine visionäre Sicht auf unsere geliebte Stadt zu werfen – dabei den malerischen und darstellerischen Kanons folgend, die dafür am meisten in Betracht kommen.«

»Ja, gewiss. Nur dass Ihr bisher die prachtvollen Orte der Serenissima gewählt habt, nicht eine der übelsten und verrufensten Wasserstraßen, die sie zu bieten hat. Mit schmutziger Wäsche, die im Wind hängt, und den Behausungen der Elenden im Vordergrund. Erscheint Euch das angemessen?« Es war bei dieser Frage vollkommen klar, dass der Inquisitor keine Antwort erwartete. »Ganz zu schweigen davon, dass Ihr mit Vivaldi an einem subversiven Werk ­arbeitet.«

»Subversiv?«

»Uns ist zu Ohren gekommen, dass Antonio Vivaldi – der beste Komponist Venedigs und einer, den die Serenissima seit seinen Anfängen in ihrer Mitte aufgenommen und ermutigt hat, bis er schließlich zu einem der größten Vertreter der europäischen Musik wurde –, dass dieser also eifrig an einer Oper arbeitet. In dieser Oper soll es um eine Thronfolge gehen, um die sich Ränke und Racheakte reihen. Dabei soll es sich um eine Allegorie der Kämpfe zwischen den Patrizierhäusern der Serenissima handeln, die begierig unter sich aufteilen, was sie von der Republik erbeutet haben.«

»Eure Exzellenz, ich weiß nicht, worauf Ihr Euch bezieht.«

»So, das wisst Ihr nicht?«, herrschte ihn Morosini an.

»Ich möchte behaupten, dass das Thema, das der Maestro gewählt hat, in keiner Weise subversiv ist.«

»Das zu beurteilen überlasst Ihr besser uns, meint Ihr nicht?«, unterbrach ihn Dandolo in äußerst schneidendem Ton.

»Natürlich«, stimmte Antonio zu. »Was ich sagen kann, ist, dass ich ein paar Skizzen für das Bühnenbild gemacht habe, doch dann habe ich diese Arbeit aufgegeben, denn wie ich schon mehrmals sagte, habe ich mich vom Theater losgesagt, da es Fiktion ist. Ich hingegen möchte mich als Künstler an der Wiedergabe der Wirklichkeit schulen.« Hier log Antonio, was ihm zuwider war. Er wollte jedoch auch nicht zu viel riskieren, in Anbetracht dessen, welche Wendung die Befragung genommen hatte.

Der Inquisitore Rosso nickte. »Nun gut, ich will Eure Erklärung gelten lassen. Auch wenn ich von verschiedenen Seiten höre, dass Eure ›Lossagung‹ vom Theater bloß so dahingesagt ist, eine Behauptung, die Ihr in die Welt gesetzt habt, um in aller Ruhe weiter Bühnenbildentwürfe malen zu können. Und doch will ich Euch den Grund für diese Fragen nennen und Euch somit erklären, aus welchem Anlass ich Euch rate, von nun an nicht weiter an einem Verhalten festzuhalten, das alles andere als untadelig ist.« Dann warf Dandolo Morosini einen Blick zu und fügte hinzu: »Daher wird Euch künftig der Chef der Signori di Notte al Criminal beratend zur Seite stehen.«

Der Capitan Grando räusperte sich. Er ging auf die Flammen des Leuchters zu, die Hände nach ihnen ausgestreckt. Es sah so aus, als hätte er das dringende Verlangen nach ein bisschen Wärme. Als er zu sprechen begann, wandte er Antonio den Rücken zu und machte auch keine Anstalten, sich umzudrehen.

»Seht Ihr, Signor Canal, Ihr werdet es nicht glauben, doch vor zwei Tagen erst führte ein Mann sein Boot bei Tagesanbruch den Rio dei Mendicanti hinauf. Sein sandolo stieß gegen irgendetwas. Anfangs war ihm nicht klar, worum es sich handelte, dann entpuppte sich das Objekt als die Leiche einer jungen Frau. Nun wird man sicher sagen, dass dies nichts Neues ist. Wie viele Leichen von Prostituierten finden sich wohl in den Kanälen von Venedig in diesen elenden Zeiten? Allzu viele. Und es ist eine Schande, glaubt mir. Arme Geschöpfe, die gezwungen sind, vom Einzigen zu leben, was diese erbarmungslose Stadt im Übermaß zu bieten hat: die Unzucht. Doch diesem Mädchen wurde das Herz herausgerissen. Barbarisch ermordet, auf eine Weise, die einem den Atem stocken lässt. Und...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2024
Übersetzer Ingrid Exo, Christine Heinzius
Sprache deutsch
Original-Titel Il cimitero di Venezia
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2024 • Barock • Canaletto • eBooks • Geheimgesellschaft • Historische Kriminalromane • Historische Persönlichkeit • historischer Krimi • Historische Romane • il cimitero di venezia • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Maler • Medici-Reihe • Neue Reihe • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • ungewöhnliche Ermittler • Venedig
ISBN-10 3-641-30859-3 / 3641308593
ISBN-13 978-3-641-30859-9 / 9783641308599
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