Erin Sterling ist das Pseudonym der erfolgreichen »New York Times«-Bestsellerautorin Rachel Hawkins. Geboren in Virgina und aufgewachsen in Alabama, arbeitete sie nach ihrem Studium zunächst als Lehrerin, bevor sie sich ganz dem schreiben widmete. Mit ihrem ersten Fantasy-Roman »Ex Hex« landete sie sofort auf der »New York Times«-Bestsellerliste. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Alabama.
Prolog
Dreizehn Jahre zuvor,
Penhaven College …
Angesichts der Tatsache, dass der Zauber »Verwandle dieses Blatt in etwas anderes« lautete und Gwynnevere Jones das Blatt wirklich in etwas anderes verwandelt hatte, kam es ihr mächtig unfair vor, dass alle sie jetzt anschrien.
Okay, sie schrien nicht direkt sie an, sie schrien eher so generell, und ja, vielleicht ähnelte das Blatt jetzt einem kleinen Dinosaurier mit äußerst scharfen Zähnen, der aktuell die Zehenpartie des sehr spitz zulaufenden Stiefels ihrer Professorin in der Mangel hatte, aber hatte der Zauber explizit vorgegeben, in was sie das Blatt verwandeln sollte?
Das hatte er nicht!
Hatten alle anderen sterbenslangweiliges Zeug wie Stifte oder etwas größere Blätter gemacht?
Ja!
War Gwyns Zauber der einzige mit diesem abgefahrenen Animationseffekt und sollten ihr deshalb nicht alle dankbar sein und ihr sagen, was für eine unfassbar coole Hexe sie war, statt Sachen wie »Mach, dass es aufhört!« und »Was zum Teufel?« zu schreien?
Also Gwyns Meinung nach schon.
Und das, dachte sie, als sie einmal mehr versuchte, genug Energie zu sammeln, um ihre bissige Kreatur zurück in ein Eichenblatt zu verwandeln, ist der Grund, warum ich gar nicht erst hierherkommen wollte.
Am Penhaven College in Graves Glen, Georgia, konnten sowohl normale Menschen als auch Hexen studieren, wobei die Hexerei-Vorlesungen im Geheimen abgehalten wurden, und jeder dachte, dass die Leute, die die etwas merkwürdigeren Gebäude auf dem Campus besuchten, einfach esoterische Abschlüsse in Folklore oder so etwas machten. Fortgeschrittenes Kräutersammeln oder so was.
Gwyn war in Graves Glen aufgewachsen, aber ihr wäre nie in den Sinn gekommen, dass man sie irgendwann tatsächlich nach Penhaven schicken würde. Sie hatte ihre Mum für cooler gehalten, viel weniger traditionell als andere Hexen – oder Mütter –, und Gwyn hatte gedacht, einmal an einer normalen Uni zu landen, Bier aus roten Plastikbechern zu trinken und nur im Privaten Magie zu praktizieren.
Aber nein. In dieser einen Angelegenheit hatte ihre Mutter beschlossen, spießig zu werden und darauf zu bestehen, dass sie nach Penhaven ging.
Gwyn kannte niemanden, der weniger auf Traditionen hielt als ihre Mom, Elaine. Sie hatte Gwyn allein aufgezogen und verdiente ihr Geld mit dem Verkauf von Badesalz und Spezialtees auf diversen Festivals und Jahrmärkten und Kartenlesen in der gemütlichen Küche ihrer Holzhütte. Gwyn hatte dieses Leben geliebt und immer angenommen, dass sie einmal in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und ihr eigenes Ding machen würde. Doch dann, als das Ende ihrer Highschool-Zeit nahte, tauchte die hässliche Fratze Penhavens in ihrer Zukunft auf.
»Es wird dir guttun«, hatte Elaine mit gütigem Blick zu ihr gesagt, während das Sonnenlicht, das durch das Küchenfenster schien, ihr blondes Haar zum Leuchten brachte, bis sie aussah wie eine Heilige oder, noch schlimmer, Stevie Nicks. Wer konnte schon Nein zu Stevie Nicks sagen?
Und so war Gwyn am Penhaven College gelandet, wo sie Kurse wie Ritualkerzen und Mondphasen besuchte.
Und Grundlagen der Verwandlung, ein Kurs, dem sie von Anfang an skeptisch gegenübergestanden hatte, weil er so technisch klang.
»Miss! Jones!«, schrie ihre Professorin, und Gwyn schüttelte den Kopf, während sie weiterhin versuchte, so viel Magie wie möglich zu sammeln. Das war nicht leicht, immerhin hatte sie sich mächtig ins – magische – Zeug gelegt, um das Blatt in das zu verwandeln, was jetzt auf Dr. Arbuthnots zugegebenermaßen ziemlich abgefahrenem Stiefel herumkaute.
Sei nicht immer so eine Angeberin.
Gwyns Cousine Vivi war nicht hier – vor ihr lagen noch zwei weitere Jahre Highschool, bevor ihr zweifellos das gleiche Schicksal blühte. Aber Gwyn wusste, dass sie genau das zu ihr gesagt hätte, und bei dem Gedanken verzog sie das Gesicht und bemühte sich noch mehr um Konzentration.
Sie hatte die Hände flach auf den leicht vibrierenden Tisch vor ihr gelegt, und die Enden ihrer langen violetten Haare schmiegten sich an ihre Handkanten.
Die Farbe war ein Akt der Rebellion vor dem Beginn des Semesters gewesen, und ihr sonst rotes Haar wies jetzt ein tiefes Amethyst auf, aber natürlich hatte ihre Mom nur gelächelt, ihr über den Kopf gestreichelt und gemeint, es stehe ihr.
Und das war das Problem, wenn man eine coole Mom hatte.
»Schaffst du es?«
Für den Bruchteil einer Sekunde verlor Gwyn die Konzentration, als ihre Laborpartnerin, ein hübsches braunhaariges Mädchen namens Morgan, sich ihr mit großen Augen näherte.
»Ja«, antwortete Gwyn und zwang sich zu einem Lächeln, obwohl sie es ziemlich eindeutig nicht schaffte. »Gleich.«
Der Göttin sei Dank hatte das Ding mittlerweile von Dr. Arbuthnots Stiefel abgelassen.
Allerdings warf es jetzt dem baumelnden Ende ihres Schals hungrige Blicke zu, und Gwyn biss die Zähne zusammen und grub die knallblau lackierten Nägel in die Tischplatte. Sie würde nicht als die erste Studentin Penhavens, die schuld daran war, dass ihre Professorin aufgefressen wurde, in die Geschichte eingehen.
Also während des Zaubers hatte sie einfach die Hände auf das Blatt gelegt und ganz angestrengt gedacht, dass es sich verändern solle. Andere Anweisungen hatte sie ihm nicht gegeben. Vielleicht lag da ja das Problem?
Gwyn hob den Kopf und konzentrierte sich auf die Szene im Unterrichtsraum vor ihr.
Es gab keine Fenster, und mit den Kerzenhaltern an den Wänden, den schweren Holztischen, hinter denen die Studenten saßen und zu einer leicht erhöhten Plattform aufblickten, wirkte es, als säßen sie in einem viktorianischen Theater oder so etwas.
Vorne stand Dr. Arbuthnot hinter einem altmodischen Rednerpult. Nun, normalerweise tat sie das. Im Moment befand sie sich davor und hielt sich daran fest, während sie die Kreatur, die gerade zu ihren Füßen kauerte und knurrte, mit blauen Lichtblitzen aus ihren Fingerspitzen beschoss.
Aber Gwyns kleines Blattmonster war schlau und wich jedes Mal in Windeseile aus, und hätte sie sich keine Sorgen gemacht, dass man sie nach der ganzen Sache von der Uni werfen oder gleich auf dem Scheiterhaufen verbrennen würde – sofern das noch Brauch war –, dann wäre sie beinahe … stolz auf den kleinen Kerl gewesen.
Er war rauflustig wie Gwyn selbst.
Sie wusste natürlich, dass Dr. Arbuthnot ihn mit einem einfachen Zauber vernichten konnte, doch die Professorin wollte, dass ihre Studentin lernte, ihn zu kontrollieren, oder besser noch, zurück in ein Blatt zu verwandeln. Schließlich ging es in diesem Kurs genau darum, und Gwyn war entschlossen, es zu meistern.
Sie hatte vielleicht nicht nach Penhaven kommen wollen, aber sie würde auf keinen Fall die Versagerin ihres Semesters werden.
Entschlossen konzentrierte sie sich auf die winzige Kreatur, hob die Hände und spürte, wie sie begann, sich zu regen.
Zu verwandeln.
Fast geschafft.
Ihre Finger verkrampften sich, und die Blattkreatur drehte ruckartig den Kopf in ihre Richtung.
Im gleichen Moment flog die Tür des Unterrichtsraums auf und knallte gegen die Wand.
Gwyn achtete gar nicht darauf, sie hatte den Blick auf den vorderen Teil des Raums gerichtet, ihre Macht begann anzuschwellen, und dann …
Gab es einen plötzlichen Lichtblitz, und ein Geruch, der Gwyn an Lagerfeuer und Herbstnächte erinnerte, erfüllte den Raum.
Am Rednerpult richtete Dr. Arbuthnot sich mit einem Mal stocksteif auf, und Gwyn sah zu, wie kleine Rauchschwaden und winzige brennende Fetzen – flammende Blattstückchen – zur Decke aufstiegen.
Gwyn ließ mit offenem Mund die Hände sinken. Verdammt.
Verdammt.
Sie hatte es übertrieben. Irgendwie hatte sie zu viel Macht in den Zauber gelegt, und statt das Ding zurück in ein Blatt zu verwandeln, hatte sie es … vernichtet.
Und dann hörte sie Morgan seufzen und sah, wie Dr. Arbuthnot sich zur Tür drehte.
Gwyn folgte ihrem Blick.
Dort stand ein Junge.
Nein, ein Mann. Älter als Gwyn, aber nicht viel, struppiges dunkles Haar, Augen, die so blau waren, dass sie es sogar aus der Ferne erkennen konnte. Er war ganz in Schwarz gekleidet und hatte die Hände immer noch in Richtung Podium erhoben, und egal, wer er war, Gwyn war sich sicher, dass seine Vorfahren irgendwann einmal eine Guillotine von Nahem gesehen hatten.
Man kam nicht zu Wangenknochen wie diesen, ohne irgendwann mal ein paar Bauern unterdrückt zu haben.
»Penhallow«, sagte Dr. Arbuthnot und richtete ihren Schal.
Gwyn verengte die Augen. Sie hatte also recht gehabt. Die Penhallows regierten diese Stadt praktisch, obwohl sie gar nicht hier lebten. Aber einer ihrer Vorfahren hatte Graves Glen – und das College – gegründet, deshalb ließ sich von Zeit zu Zeit einer von ihnen dazu herab, sich für einen Sommer unter das einfache Volk zu mischen.
»Geht es allen gut?«, fragte er und sah sich im Klassenzimmer um, während er sich das Haar aus dem Gesicht strich.
Gwyn öffnete den Mund, um ihm mitzuteilen, dass es ihnen mehr als gut ging und sie die Sache jede Sekunde unter Kontrolle gehabt hätte und dass ein Zauber, der Zeug explodieren ließ, ja nun wirklich nichts allzu Beeindruckendes war, aber...
Erscheint lt. Verlag | 13.3.2024 |
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Reihe/Serie | Graves-Glen-Reihe | Graves-Glen-Reihe |
Übersetzer | Antonia Zauner |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Kiss Curse |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | 2024 • eBooks • enemies to lovers • Fantasy • Flüche • Hexen • Liebe • Liebesromane • Magie • Neuerscheinung • New-York-Times-Bestsellerautorin • Romantasy |
ISBN-10 | 3-641-28441-4 / 3641284414 |
ISBN-13 | 978-3-641-28441-1 / 9783641284411 |
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