Ich, Lady Macbeth (eBook)

Roman
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2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30286-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich, Lady Macbeth -  Isabelle Schuler
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Die Geschichte der Lady Macbeth, wie niemand sie kennt: ein erfrischendes, feministisches Debüt?
Schottland, 11. Jahrhundert: Mächtige Männer kämpfen um den Thron. Daher wagt das Mädchen Gruoch kaum zu hoffen, was ihre Großmutter, eine Druidin, prophezeit: Als spätere Königin wird Gruoch die christliche Welt ihres Vaters und das heidnische Erbe ihrer Mutter miteinander versöhnen - und selbst zur Legende werden. Jahre später verlässt sie ihre Heimat und ihren Jugendfreund Macbeth, um sich mit dem auserwählten Thronfolger, Duncan, zu verloben. Doch am königlichen Sitz in Scone wird ihr Traum schnell zum Albtraum. Sie tut, was sie tun muss, um zu überleben. Denn eines Tages soll sich ihr Schicksal erfüllen. Nur mit der Liebe hat sie nicht gerechnet.

»Spannend, atmosphärisch und voll unerwarteter Wendungen.« Jennifer Saint

Isabelle Schuler ist eine schweizerisch-hawaiianisch-amerikanische Autorin, Schauspielerin und ehemalige Buchhändlerin. Sie hat einen Bachelor in Journalismus und schreibt preisgekrönte Drehbücher für Film und Theater. »Ich, Lady Macbeth« ist ihr Debüt. Isabelle Schuler lebt in Hertfordshire, England.

Kapitel 1


Picti bedeutet die Bemalten, hat mir meine Großmutter einmal gesagt. Meine Vorfahren, die Pikten, bemalten ihre Haut in Blau-, Rot- und Grüntönen. Nur wenn sie verwundet wurden verriet ihr Blut, dass sie Menschen waren.

Meine Großmutter konnte sich an all das erinnern, sie gehörte zu dieser aussterbenden Art – eine Tochter von Druiden, die einst im Königreich der Pikten Königen und Prinzen gedient hatten, bevor das Königreich Schottland entstand und diese alte Kultur verdrängt wurde. Der Untergang ihrer Kultur war sehr schmerzlich für sie. Besonders, als sie und meine Mutter Ailith nach Scone an den Hof meines Vaters, des großen Prinzen Boedhe, gebracht wurden. Als junges Mädchen hatte Ailith den Hof meines Großvaters König Coinneach besucht und war seinem Sohn versprochen worden. Zwar war Coinneach ein Anhänger der neuen Religion, doch er versuchte jene Schotten zusammenzubringen, die sich nicht dem Christengott zugewandt hatten; es war ein Akt großen Wohlwollens, eine Heidin neben seinem Sohn auf den Thron zu setzen.

Malcolm, der Vetter meines Großvaters, bereitete diesen Hoffnungen ein Ende, als er König Coinneach ermordete und ihm die Krone raubte. Viele hielten meinem Großvater jedoch auch noch nach seinem Tod die Treue, und so machte König Malcolm meinen Vater zum Earl von Fife, um diejenigen zu beschwichtigen, die sich vielleicht andernfalls mit ihm zusammen gegen den neuen König erhoben hätten.

Mein Vater verabscheute König Malcolm, aber seine Angst, das wenige, was ihm geblieben war, zu verlieren, war noch größer. Und als im Namen der neuen Religion das Druidentum verboten wurde, zwang er Ailith, ihrem Glauben abzuschwören. Meine Großmutter dagegen ließ sich nicht so leicht zum Schweigen bringen.

Und so zerstörte mein Vater jedes Amulett und jeden rituellen Gegenstand, den sie mitgebracht hatte. Wenn er sie dabei erwischte, dass sie ein geweihtes Feuer angezündet hatte, trat er es wortlos aus. Jedes Mal, wenn sie irgendwo einen Vorrat an heiligen Kräutern anlegte, schickte er mit grimmiger Miene seine Leute los, um ihn zu vernichten, so schnell, dass meine Großmutter zu der Überzeugung gelangte, dass er sie beobachten ließ.

Erst als sie darauf bestand, mir einen piktischen Namen zu geben, machte Vater seiner Wut Luft. Später erzählte Großmutter mir die Geschichte gern mit der Inbrunst der Märtyrerin.

»Boedhe, sie muss Groa heißen! Sieh dir ihre Augen an! Es sind tiefe Quellen der Weisheit, genau wie die der großen Seherin selbst!«, beschwor sie ihn.

»Sie ist zwei Tage alt! Von welcher Weisheit sprichst du?«

»Sie heißt Groa«, erwiderte Großmutter, ohne auf seine Frage einzugehen.

»Es ist schon schlimm genug, dass König Malcolm argwöhnt, meine Frau sei eine Druidin«, fuhr Vater fort. »Ich werde nicht noch mehr Verdacht auf mich ziehen, indem ich meiner Tochter einen heidnischen Namen gebe.«

»Wenn du Pläne schmieden würdest, um dir die Krone zurückzuholen, anstatt dir ewig die Wunden zu lecken, bräuchtest du dich nicht auf solche Feigheit zu verlegen«, fauchte meine Mutter, womit sie seine Wut nur noch mehr anstachelte.

»Hör auf Ailith«, sagte meine Großmutter. »Gib ihr den Namen Groa zum Beweis, dass du niemandem untertan bist.«

»Genug!«, brüllte Vater. »Solches Gerede bringt uns den Tod! Der Krieg ist vorbei. Wir haben ihn verloren. Sie wird Gruoch heißen.« Das war sein letztes Wort.

Aber Großmutter nannte mich Groa.

Zur Strafe wurde sie auf eine Insel in einem See verbannt, der am äußersten Rand von Fife lag, und ihr wurde nur eine Handvoll Bedienstete zugestanden. Aber die Leute pilgerten zu ihr, baten sie um geheime Heilmittel gegen ihre Leiden und Segen für ihre Häuser, und so mangelte es ihr nie an Gesellschaft und gutem Essen.

Mutter und ich durften sie einmal im Jahr besuchen, wir nannten es unsere heidnische Pilgerfahrt. Ich liebte die Besuche bei meiner Großmutter und lauschte fasziniert ihren Geschichten von meinen piktischen Vorfahren. Gemeinsam mit den Einheimischen begingen wir das Mondfest Imbolc. Dabei brachte Großmutter meiner Mutter neue Zauberformeln bei, die sie flüsternd über dem Boden raunten, um die Kraft der Erde zu beschwören, die uns schützen und uns Glück bringen sollte. Am besten war immer der letzte Abend bei Großmutter, wenn sie den wunderschönen Wandbehang ausbreitete, den sie im Lauf des vergangenen Jahres gewebt hatte. Ihre Wände waren bedeckt mit diesen Bildteppichen, von denen jeder eine ruhmreiche Geschichte aus den Zeiten der Druiden und Pikten-Götter erzählte.

Ich saß zwischen Mutter und Großmutter und aß weiches, in Butter getränktes Rosmarinbrot, und im Kamin knisterte ein Feuer. Auf unseren Knien wurde der Teppich ausgebreitet, und wenn meine Mutter sich darüberbeugte, um das Bild zu betrachten, hätte ich ihr am liebsten mit beiden Händen in ihre lange rotbraune Mähne gegriffen, während ihre Finger über das kunstvolle Gewebe fuhren und ihre goldenen Armreifen, die im Feuerschein glitzerten, mich verzauberten.

Großmutters tiefe Stimme erfüllte den Raum, wenn sie Geschichten erzählte von gewonnenen Schlachten und dem Streben nach Liebe und Wahrheit. Die gewebten Bilder schimmerten vor meinen Augen, und wenn sie das uralte Lied vom Abschied anstimmte, spürte ich die Energie unserer Vorfahren in meiner Brust.

Cuin a choinnicheas sinn a-rithist?

Ann an dealanach tàirneanaich no uisge?

Nuair a tha am mi-òrdugh air tighinn agus air falbh

Nuair a thèid am blàr air chall agus bhuannaich.

Auch wenn ich die Bedeutung der Wörter nicht verstand, erfüllten sie mich mit Wärme und Magie und dem Gefühl von Freiheit. Diese eine Woche bei meiner Großmutter gab mir Kraft für ein weiteres Jahr im Schatten von König Malcolm, der über Fife und über meinem Vater lag.

Für meinen Vater war es schwer, so weit weg von Scone und dem Thron zu leben, der eigentlich ihm zustand, aber mir gefiel Fife von Jahr zu Jahr besser. Unsere Burg, die zwischen einem tiefen Tal und dem Meer stand, war ein Bau aus Holz und Stein. Es gab Stallungen und Wohnquartiere, die meistens unbewohnt waren. Als Earl stand Vater zwar direkt unter dem König, aber er durfte nur wenige Soldaten beschäftigen, die ausschließlich seinem persönlichen Schutz dienten und dem Bischof von St. Andrews unterstanden, einem Mann von König Malcolms Gnaden. Die Wohnquartiere dienten der Unterbringung von Gästen. Zu unserem Schutz war die Burg von Palisaden umgeben, die aber nur von einem einzigen Wachmann patrouilliert wurden.

Ich hatte nicht viel von der Welt gesehen, und in meiner Naivität hielt ich unsere Burg mit der Großen Halle für das prächtigste Gebäude, das je errichtet worden war. Meine Mutter und ich verwandten viel Mühe darauf, die Glücksbringer, die Großmutter uns mitgab, nicht nur überall im Haus, sondern auch in der Siedlung zu verstecken. Unser Land und unsere Leute mithilfe der alten Riten zu schützen, gab mir das Gefühl, eine wichtige Rolle zu spielen.

All das änderte sich an einem Sommernachmittag, als ich fünf Jahre alt war.

Ich hatte meine Mutter überredet, mit mir Selkies zu spielen; wir waren während der wärmsten Stunden des Tages in den Wellen herumgesprungen und hatten so getan, als wären wir Selkies, mythische Frauen, die sich in Robben verwandeln und sowohl an Land als auch im Wasser leben konnten. Das kalte Wasser raubte uns fast den Atem, aber wenn wir uns in den Sand sinken ließen, wurden wir schnell von der Sonne gewärmt.

Damit wir auch wie richtige Selkies aussahen, hatte meine Mutter die blaue und grüne Farbe aus dem Versteck in ihrer Kammer geholt und unsere Arme und Bäuche zu Ehren des Meeresgottes Lir mit verschlungenen Symbolen bemalt. Wir strahlten wie Fabelwesen, und meine Mutter sah aus wie eine richtige Meeresgöttin mit ihrer langen Mähne, den leuchtenden Augen und ihrer bunt bemalten Haut, die im Sonnenlicht glänzte.

Ich dachte, wir würden uns die Farbe abwaschen, bevor wir in die Halle zurückkehrten, aber meine Mutter war in verwegener Stimmung. Wir zogen unsere Kleider bis zur Taille herunter und marschierten stolz nach Hause. Vater kam uns entgegen, um uns zu begrüßen, sein goldener Halsreif, das Herrschaftszeichen eines Earls, glänzte in der Sonne. Es fühlte sich an wie eine Szene aus einer von Großmutters Geschichten – ein schottischer Prinz, der seine Frau, die Meeresgöttin, begrüßt.

Doch als er unsere stolze Haltung bemerkte, beschleunigte er seinen Gang. Meine Mutter breitete liebevoll die Arme aus, ihre nackten Brüste und ihre Hüften wiegten sich im Takt ihrer Schritte. Erst als wir näher kamen und seinen stählernen Blick gewahrten, zögerte sie.

Er trat auf uns zu und schlug sie so hart, wie ich noch nie einen Mann eine Frau hatte schlagen sehen.

Ich schrie auf, als sie zu Boden ging.

Unsere Männer schlugen ihre Frauen ständig. Die Thanes, die uns besuchen kamen, ebenso wie ihre Diener. Sogar die Küchenjungen schlugen ihre Schwestern und fluchten dabei wie ihre Väter. In dem Alter schlugen die Mädchen allerdings noch zurück.

Aber noch nie ich hatte erlebt, dass mein Vater meine Mutter schlug.

Er packte meine Mutter am Arm, als sie sich aufrappelte, und zog sie dicht an sich, um sie vor den Blicken der Wachmänner zu schützen, die am Tor zu unserer Halle standen. Ich klammerte mich an seinen Arm, doch er schüttelte mich mühelos ab.

»Was treibst du?«, zischte er meiner Mutter ins Ohr. »Möchtest du etwa, dass wir aus Schottland vertrieben...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2023
Übersetzer Charlotte Breuer, Norbert Möllemann
Sprache deutsch
Original-Titel Lady Macbethad
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 11. Jahrhundert • 2023 • Abenteuer • Die Nebel von Avalon • eBooks • Familie • Feministisch • Game of Thrones • Historische Romane • Jennifer Saint • Königin • Liebesgeschichte • Machtkampf • Madeline Miller • maggie o'farrell • Mittelalter • Mittelalter Romane • Neuerscheinung • Retelling • Schottland • Selbstbestimmung • Shakespeare • Starke Frau • Weibliche Emanzipationsgeschichte
ISBN-10 3-641-30286-2 / 3641302862
ISBN-13 978-3-641-30286-3 / 9783641302863
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