Die dunklen Fälle des Harry Dresden - Geistergeschichten (eBook)
720 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-31214-5 (ISBN)
Mein Name ist Harry Blackstone Copperfield Dresden, und ich war der mächtigste Magier Chicagos - bis ich ermordet wurde. Dass ich diese Geschichte erzählen kann, liegt daran, dass ich ein Geist bin. Ich schien dazu verdammt zu sein zuzusehen, wie meine Freunde ohne mich den übernatürlichen Gefahren meiner Heimatstadt gegenübertreten mussten. Doch auch für Geister ist Chicago gefährlich, und vielleicht war es ganz gut, dass ich nun ein körperloses Gespenst war. Denn so erkannte ich den Ursprung der Bedrohung für meine lebenden Freunde - und konnte ihnen auch nach meinem Tod eine Hilfe sein ...
Die dunklen Fälle des Harry Dresden: spannend, überraschend, mitreißend. Lassen Sie sich kein Abenteuer des besten Magiers von Chicago entgehen!
Jim Butcher ist der Autor der dunklen Fälle des Harry Dresden, des Codex Alera und der Cinder-Spires-Serie. Sein Lebenslauf enthält eine lange Liste von Fähigkeiten, die vor ein paar Jahrhunderten nützlich waren - wie zum Beispiel Kampfsport -, und er spielt ziemlich schlecht Gitarre. Als begeisterter Gamer beschäftigt er sich mit Tabletop-Spielen in verschiedenen Systemen, einer Vielzahl von Videospielen auf PC und Konsole und LARPs, wann immer er Zeit dafür findet. Zurzeit lebt Jim in den Bergen außerhalb von Denver, Colorado.
1. Kapitel
Leben ist schwer.
Sterben ist leicht.
So viele Dinge müssen stimmen, wenn Leben entstehen soll. Man braucht eine Umgebung, in der Leben überhaupt möglich ist, und die ist im Gesamtuniversum so selten wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Eltern müssen zusammenfinden, in welcher Form auch immer. Unzählige Widrigkeiten können dem möglichen Leben zwischen Empfängnis und Geburt ein Ende bereiten. Wenn das neue Wesen da ist, muss man sich darum kümmern, bis es sich allein versorgen kann, was viel Zuwendung und Energie kostet.
Das Leben selbst ist dann voller Opfer, Qualen und Schmerz. Sobald wir aufhören zu wachsen, fangen wir auch schon an zu sterben, und das wissen wir natürlich. Wir müssen hilflos mit ansehen, wie unsere Körper von Jahr zu Jahr älter und schwächer werden, während unser Überlebensinstinkt uns zum Weitermachen treibt. Wir leben also ständig mit dem erschreckenden Wissen, dass der Tod letztlich unvermeidlich ist. Ein Leben zu erschaffen und zu erhalten, bedeutet enorme Anstrengung, wobei der gesamte Vorgang voller Fallstricke und unerwarteter Komplikationen ist.
Ein Leben zu beenden, ist dagegen recht unkompliziert, man könnte sogar sagen einfach. Viel Aufwand bedarf es da nicht: eine einzelne Mikrobe, eine scharfe Klinge, ein schweres Gewicht – oder ein paar Gramm Blei.
So schwer zu erschaffen, so leicht zu beenden.
Vielleicht sollten wir dem Leben an sich größeren Wert beimessen.
Ich bin im Wasser gestorben.
Ob ich letztlich verblutet oder ertrunken bin, kann ich nicht sagen. Sobald alles vorbei ist, sobald man tot ist, sind die Details des Sterbens unwichtig.
Eigentlich seltsam, da doch der Tod letztlich der größte Schrecken ist, den die menschliche Existenz bereithält. Aber wenn alles vorbei ist, schreckt einen das Sterben so gar nicht mehr. Sie kennen die Geschichten über den Tunnel mit dem Licht am anderen Ende, von dem Leute nach einer Nahtoderfahrung berichten? Für mich eine alte Kamelle.
Aber dass jemand auf dem Weg ins Licht die Sirene eines Schnellzugs zu hören glaubt? Ich muss zugeben, das war mir neu.
Offenbar stand ich auf Schienen, denn unter meinen Füßen spürte ich das Vibrieren des herannahenden Zuges. Es war so heftig, dass meine Füße zitterten und es in meinen Fußsohlen summte. Und mein Herz raste.
Habe ich nicht gerade erzählt, dass einen der Tod nicht mehr schreckt, hat man ihn erst einmal hinter sich? Vielleicht hätte das mal jemand meinen Drüsen erklären sollen.
Trotzig stützte ich beide Hände in die Hüften und starrte dem heranrasenden Zug entgegen.
Hinter mir lag ein langer, harter Tag. Ich hatte gegen die Mächte des Bösen gekämpft, den Roten Hof vernichtet, meine Tochter gerettet, ihre Mutter getötet und war ganz nebenbei auch noch erschossen worden. Allmählich reichte es mir.
Wo war der tiefe Frieden, der mir zustand? Warum verschmolz ich nicht mit dem segensreichen Licht oder stand für meine nächste Tour auf der Achterbahn an? Oder schmorte in einem Ofen, von einer Stereoanlage bis in alle Ewigkeit mit Barry Manilow beschallt? Denn das passierte doch, wenn man gestorben ist, oder? Man bekommt, was man verdient.
Auf jeden Fall wird man nicht von einem Zug überfahren!
Ich stemmte die Beine fest auf den Boden und reckte dem herandonnernden Schienengefährt herausfordernd das Kinn entgegen.
»Was ist denn in dich gefahren?«, herrschte mich eine Männerstimme an, ehe sich eine schwere Hand um meinen rechten Bizeps legte und mich mit roher Gewalt von den Schienen riss. »Hast du den verdammten Zug nicht gesehen?«
Besagter Zug röhrte wie ein lebendes Wesen an uns vorbei, ein enttäuscht heulendes, jammerndes Biest, dem es gar nicht recht schien, mich nicht erwischt zu haben. Mit heißen, spitzen Fingern zerrte der Fahrtwind an mir, zog meinen Körper ein paar Zentimeter näher an die Bahnsteigkante heran.
Nach einer gefühlten Ewigkeit war der Zug vorbeigebraust, während ich keuchend bäuchlings auf dem Boden lag. Mein Herz hämmerte wie eine Dampframme. Erst als es endlich etwas langsamer schlug, konnte ich mir meine Umgebung näher ansehen.
Ich lag auf dem sauberen, abgetretenen Beton eines Bahnsteigs, den urplötzlich helle Neonröhren beleuchteten und der auf den ersten Blick genauso aussah, wie in der Gegend von Chicago unzählige Bahnsteige aussehen. Er kam mir irgendwie vertraut vor, ohne dass ich jedoch genau hätte sagen können, wo ich mich befand. Außer mir hielt sich nicht ein Fahrgast auf dem Bahnsteig auf, und ich entdeckte weder Reklamezettel noch Anschlagtafeln. Alles leer, alles sauber, alles ohne besondere Merkmale.
Vor mir standen zwei blank polierte Halbschuhe.
Ich hob den Kopf und sah über den Halbschuhen eine billige Hose in nicht ganz passender Länge, darüber eine Anzugjacke von der Stange. Vor mir stand ein Mann von vielleicht dreißig Jahren und starrte auf mich herunter. Er war gebaut wie ein Feuerhydrant: Wenn man ihn versehentlich mit dem Auto anfahren würde, würde er einem den Kotflügel verbeulen. Seine dunklen Augen glänzten lebhaft und ließen auf wache Intelligenz schließen, sein Haar hatte sich schon vor einiger Zeit deutlich vom ursprünglichen Ansatz zurückgezogen. Obwohl er nicht wirklich gut aussah, weckte sein Gesicht Vertrauen.
»Die Züge nach Süden rasen hier in letzter Zeit einfach nur durch«, bemerkte er. »Ich dachte, den wolltest du bestimmt nicht nehmen, Großer.«
Hilflos starrte ich ihn an, addierte im Kopf zwanzig Jahre und vierzig Pfund, strich noch ein paar Haare weg und gelangte schließlich zu dem Ergebnis, dass der Mann kein Unbekannter war.
»Ca…«, stotterte ich. »Ca… Ca… Ca…«
»Ich helfe Ihnen!«, sagte er munter. »Los, zusammen: Carmichael.«
»Aber Sie sind doch … Sie sind doch tot!«
Er prustete. »Bravo, Kumpel, das nenne ich einen waschechten Detektiv mit einer nahezu magischen Intelligenz!« Grinsend streckte er mir die Hand hin. »Sie müssen mir grade was vom Tod erzählen, Dresden.«
Völlig verdattert ergriff ich die Hand von Sergeant Ron Carmichael von der Sondereinheit der Chicagoer Polizei. Carmichael ist Murphys Partner gewesen und hat sein Leben gegeben, als er sie vor einem durchgedrehten Loup-Garou gerettet hat. Das war jetzt … Herrje, das war jetzt mehr als zehn Jahre her! Damals hatte ich ihn sterben sehen.
Endlich stand ich wieder. Ich war um einiges größer als mein Retter. Kopfschüttelnd sah ich ihn mir genauer an. »Du siehst klasse aus.«
»Erstaunlich, wie der Tod einen verändert, was?« Carmichael riss dramatisch die Augen auf. »Tausendmal besser als die Weight Watchers oder die anderen Sachen, die ich ausprobiert habe.« Er warf einen raschen Blick auf die Uhr. »Ich würde gern noch ein Weilchen mit Ihnen hier rumstehen, aber eigentlich müssten wir langsam mal los.«
»Mhm.« Ich nickte vorsichtig. »Wo müssen wir denn hin?«
Carmichael steckte sich einen Zahnstocher in den Mund. »Ins Büro«, knurrte er. »Kommen Sie.«
Vor dem Bahnhof wartete ein alter, golden lackierter Mustang. Carmichael stieg auf der Fahrerseite ein. Es war dunkel, und es regnete. Die Straßenlaternen brannten, aber trotzdem sah alles ganz verlassen aus, wir schienen als Einzige unterwegs zu sein. Noch immer hätte ich nicht genau sagen können, wo wir waren, was mehr als seltsam war. Ich kannte Chicago wie meine Westentasche. Zögernd sah ich mich um, hielt Ausschau nach einem bekannten Gebäude, an dem ich mich orientieren könnte.
Carmichael öffnete mir die Beifahrertür. »Lass es, Junge, spar dir die Mühe! Da draußen stehen die Gebäude, die es wirklich gibt, neben denen, die dort hätten stehen können. Du kriegst nur Kopfschmerzen, wenn du darüber nachdenkst.«
Ich schaute mich noch einmal um, stieg dann in den Wagen und schlug die Tür zu. Carmichael lenkte den Mustang auf die leere Straße.
»Chicago ist das nicht«, sagte ich.
»Unser Genie!«, lobte er.
»Aber … wo sind wir dann?«
»Dazwischen.«
»Zwischen was?«
»Zwischen was?«, fragte er zurück. »Zwischen wem, zwischen wo, zwischen wann?«
»›Warum‹ haben Sie ausgelassen.«
Carmichael schüttelte grinsend den Kopf. »Nein, Junge. ›Warum‹ haben wir hier alle sehr gern. Wir sind die totalen Warum-Fans.«
Darüber musste ich erst einmal nachdenken. »Warum bin ich hier?«, fragte ich dann.
»Noch nie was von Vorspiel gehört?« Carmichael runzelte missbilligend die Stirn. »Sie kommen immer gleich zur Sache, was?«
»Warum bin ich hier und nicht … Sie wissen schon, wo ich eigentlich sein sollte?«
»Vielleicht durchleben Sie gerade eine Nahtoderfahrung. Vielleicht ertrinken Sie gerade, und Ihr Hirn gaukelt Ihnen was vor, um Sie vor der Wahrheit des Todes zu schützen.«
»Wieso sollte es mich hierherschicken, zu Ihnen? Ich kenne mein Unterbewusstsein, so krank ist es nicht.«
Carmichaels Lachen klang warm und echt. »Aber das alles könnte doch gerade passieren, oder? Genau darum geht es.«
Ich schüttelte den Kopf. »Aber ich versteh es nicht. Ich verstehe überhaupt nichts!«
»Auch darum geht es.«
Ich fixierte ihn mit finsterem Blick.
Davon zeigte er sich unbeeindruckt, er grinste einfach weiter. »Mann, Sie kriegen so viel zu sehen, wie Sie verdauen können. Momentan sind wir in einer Stadt, die Chicago ähnlich sieht, und fahren in einem alten Mustang im Regen rum, weil das deine Grenzen sind. Alles Weitere …« Er legte eine Pause...
Erscheint lt. Verlag | 15.11.2023 |
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Reihe/Serie | Die Harry-Dresden-Serie | Die Harry-Dresden-Serie |
Übersetzer | Dorothee Danzmann |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Ghost Story (The Dresden Files 13) |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | 2023 • Ben Aaronovitch • benedict jacka • Bestsellersserie • Chicago • Dresden Files • eBooks • Fantasy • Fantasy Bestseller • Fantasy Neuerscheinung 2023 • Geister • Harry Blackstone Copperfield Dresden • Kevin Hearne • Krimi • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • Leben nach dem Tod • Magier • Neuerscheinung • New York Times Bestseller • Paul Blackthorne • Privatdetektiv • Serie • Urban Fantasy |
ISBN-10 | 3-641-31214-0 / 3641312140 |
ISBN-13 | 978-3-641-31214-5 / 9783641312145 |
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