Zeta (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024
608 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-30544-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zeta - Andreas Brandhorst
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Aus den Tiefen des Alls, aus interstellaren Fernen, taucht ein Objekt auf, das zunächst für einen Asteroiden gehalten wird. Doch dann steuert es eine Umlaufbahn um den Saturn an und beginnt, ein regelmäßiges Signal auszusenden. Man tauft es auf den Namen Zeta. Eine auf dem Saturnmond Titan stationierte Forschungsgruppe, eine vom Mars entsandte Expedition und ein Forschungsschiff der Erde machen sich auf den Weg, um die Geheimnisse des Objektes zu erkunden. Noch ahnt niemand, dass Zeta die Menschheit vor ihre größte Herausforderung stellen wird ...

Andreas Brandhorst, geboren 1956 im norddeutschen Sielhorst, hat mit seinen Romanen die deutsche Science-Fiction-Literatur der letzten Jahre entscheidend geprägt. Spektakuläre Zukunftsvisionen verbunden mit einem atemberaubenden Thrillerplot sind zu seinem Markenzeichen geworden. Etliche seiner Romane wurden preisgekrönt und zu Bestsellern. Andreas Brandhorst hat viele Jahre in Italien gelebt und ist inzwischen in seine alte Heimat in Norddeutschland zurückgekehrt.

2


Eine halbe Stunde später saß Nightingale Loi in einem schmucklosen Besprechungszimmer an Bord von Luna Drei. Francis Lorean, Obmann der Werft, brachte zwei Becher mit heißem synthetischem Kaffee und setzte sich zu ihr an den rechteckigen Tisch.

»Wir waren gerade erst aufgebrochen, Lukas und ich«, sagte Nightingale. »Warum haben Sie uns zurückgerufen?«

»Anweisungen«, antwortete der dürre, langgliedrige Lorean knapp. Er stand wieder auf, wankte wie schwerfällig zum großen Wandbildschirm und schaltete ihn ein. Die Kraterlandschaft des Mondes erschien auf dem Schirm, wie durch ein Fenster betrachtet.

Der Obmann kehrte ungelenk zum Tisch zurück und sank vorsichtig in seinen Sessel. Er war in der dritten Generation auf Luna geboren und an eine wesentlich geringere Schwerkraft gewöhnt als Nightingale. In Luna Drei hatte man sich auf einen Kompromiss geeinigt. In den zentralen Bereichen schufen die Gravitatoren eine Schwerkraft von vierzig Prozent der Erdnorm, noch immer recht viel für jemanden von Luna, passend für Marsianer und gerade noch genug für Menschen von der Erde.

Nightingale trank einen Schluck vom kalt werdenden Kaffee. Sie war nicht verärgert, nur neugierig. »Von wem stammen die Anweisungen?«

Der wortkarge Obmann deutete mit dem Zeigefinger nach oben.

»Von der Erde?«

Lorean nickte.

»Warum?«, wollte Nightingale wissen. »Was steckt dahinter? Worauf warten wir hier?«

Die Tür öffnete sich, und zwei Sicherheitsbeauftragte in leichten Einsatzanzügen traten ein, mit Kommunikationshelmen, die über dunkle Datenvisiere verfügten, und Waffen in den Gürtelhalftern. Ihnen folgte eine Frau in mittleren Jahren, die eine türkisfarbene Hose-Jacke-Kombination trug, ein Tablet in der rechten Hand hielt und sich kurz im Besprechungszimmer umsah, bevor sie zur Seite trat und einer vierten Person mit einem Nicken bedeutete, dass sie hereinkommen konnte, einem schlanken, hochgewachsenen Mann, dessen anthrazitfarbener Anzug das Emblem des Gremiums aufwies: eine stilisierte Darstellung der Erde, umrahmt vom Schriftzug Pax et Libertas, Frieden und Freiheit. Nightingale schätzte ihn auf fünfzig oder sechzig, womit er in den besten Jahren war, aber in seinen Augen gab es etwas, das nicht dazu passte, eine besondere Klarheit, wie man sie vielleicht bei einem viel jüngeren Menschen erwartete. Hinzu kam ein dünner heller Streifen am Hals, der vom rechten Ohr nach unten reichte und unter dem Jackenkragen verschwand. Ein Langlebiger, schloss sie. Jemand, der genug Meriten für die teure lebensverlängernde Behandlung erworben hatte. Ein Ehrenwerter.

»Darf ich vorstellen?« Die Frau in der türkisfarbenen Kombination wandte sich dem großen Mann zu und deutete eine Verbeugung an. »Der ehrenwerte Elroy Emmon Skarabi, Gesandter des Gremiums.«

Nightingale stand respektvoll auf, ebenso Lukas Linraki.

Skarabi, der möglicherweise nicht fünfzig oder sechzig Jahre alt war, sondern hundertzwanzig oder hundertdreißig, sah den Obmann an. »Bitte gehen Sie.«

Linraki hob die weißen Brauen. »Dies ist meine Werft.«

»Bitte gehen Sie«, wiederholte Skarabi.

Die Frau, die ihren Namen nicht genannt hatte, wies zur offenen Tür.

Mit einem leisen Schnaufen setzte sich Obmann Linraki in Bewegung und verließ den Raum, gefolgt von den beiden bewaffneten Sicherheitsbeamten.

Die Frau legte ihr Tablet auf den Tisch. »Niemand kann Sie sehen oder hören«, verkündete sie und verließ das Besprechungszimmer ebenfalls.

Hinter ihr schloss sich die Tür.

Skarabi deutete auf den Sessel, in dem Nightingale eben noch gesessen hatte. »Bitte nehmen Sie Platz.«

Nightingale kam der Aufforderung nach. Der ehrenwerte Gesandte des Gremiums nahm das Tablet, strich mit dem Zeigefinger übers Display und legte es wieder auf den Tisch.

»Sie fliegen nicht nach Proxima Centauri«, sagte er.

Die Enttäuschung war so immens, dass Nightingale für einige Sekunden keinen Ton hervorbrachte.

»Warum nicht?«, fragte sie schließlich.

Skarabi ging zum Wandschirm und berührte die Schaltflächen am unteren Rand. Die Kraterlandschaft des Mondes verschwand und wich einer schematischen Darstellung des Sonnensystems mit seinen acht Planeten, dem Kuipergürtel und der Oortschen Wolke. Das System schrumpfte und wich nach links, und auf der rechten Seite erschien ein Dreifachsystem, bestehend aus dem Doppelstern Alpha Centauri A und B, beide etwa so groß wie die Sonne, und dem abseits davon gelegenen Roten Zwerg Proxima Centauri. Eine grüne Linie entstand, führte zunächst von Alpha nach Beta, dann nach Proxima und schließlich in Richtung des Sonnensystems auf der linken Seite.

»Deshalb«, sagte Skarabi. Er kehrte zum Tisch zurück und setzte sich. Die Augen mit der auffallenden Klarheit in ihnen richteten einen ernsten Blick auf Nightingale.

»Was Sie hier sehen und hören, bleibt unter uns«, sagte er. »Das Gremium verpflichtet Sie hiermit zu strengster Geheimhaltung, Expeditionsdirektorin Loi. Allein mit Ihrer Crew dürfen Sie darüber sprechen.«

»Bin ich noch Expeditionsdirektorin?«, fragte Nightingale. »Gibt es noch eine Crew?«

»Haben Sie mich verstanden?«, erwiderte der Ehrenwerte. »Wenn Sie Ihre Geheimhaltungspflicht verletzen, werden Sie als Expeditionsdirektorin abgesetzt und verlieren alle Meriten, die Ihnen bisher gutgeschrieben wurden.«

»Ja«, sagte Nightingale, »ich habe verstanden.«

»Gut.« Skarabi zeigte auf den Wandschirm. »Kennen Sie den wahren Grund für den geplanten Flug nach Proxima Centauri?«

»Den wahren Grund?«, wiederholte Nightingale verwundert. »Es geht darum, ein fremdes Sonnensystem zu erreichen und zu erkunden. Proxima Centauri ist uns am nächsten und wird von fünf Planeten umkreist, mindestens einer davon in der habitablen Zone. Vielleicht gibt es dort Leben. Und selbst wenn nicht, Proximas Welten eignen sich möglicherweise für eine Besiedlung.«

»Proxima Centauri ist ein Flare-Stern«, erklärte Skarabi. »Es kommt immer wieder zu starken koronalen Massenauswürfen, wodurch die Helligkeit des Sterns und seine Röntgenstrahlung stark zunehmen. Das sind eher lebensfeindliche Bedingungen.«

Nightingale schwieg und wartete.

»Der eigentliche Grund für Ihre Mission ist – beziehungsweise war – das Signal.«

Nightingale beugte sich langsam vor. »Ein Signal?«

»Zum ersten Mal haben wir es vor zwanzig Jahren empfangen, von Alpha Centauri A«, sagte Skarabi. »Ein halbes Jahr später wiederholte es sich von Alpha Centauri B, und nach einem weiteren halben Jahr kam es von Proxima Centauri. Anschließend empfingen wir es einmal etwa alle drei Jahre, immer von Proxima. Ein moduliertes Signal, eindeutig nicht natürlichen Ursprungs.«

Lieber Himmel, dachte Nightingale. »Ein künstliches Signal?«

»Davon gehen wir aus.« Der ehrenwerte Elroy Emmon Skarabi sprach mit ruhiger, kühler Stimme. Er klang fast wie ein Enhu, fand Nightingale. »Das war der Grund, vor zwölf Jahren mit der Planung der Proxima-Mission und dem Bau der Excelsior zu beginnen.« Er blickte wieder zum Wandschirm. »Vor einem Jahr kam das Signal zum letzten Mal von Proxima Centauri. Wir rechneten mit einer Wiederholung in weiteren zwei Jahren, aber stattdessen erreichte uns ein Signal nicht von Proxima Centauri, mehr als vier Lichtjahre entfernt, sondern vom Rand unseres Sonnensystems, aus einer Distanz von acht Lichtstunden. Und knapp einen Tag später empfingen wir ein weiteres Signal von Proxima, eigentlich zwei Jahre zu früh und etwas anders moduliert als die ersten. Die Botschaft könnte ›Wir kommen‹ lauten und die Mitteilung vom Rand unseres Sonnensystems so viel wie ›Wir sind da‹.«

Nightingale dachte darüber nach und betrachtete die grüne Linie, die von Proxima Centauri zum Sonnensystem führte.

»Wenn ich das richtig verstehe …«, begann sie.

Diesmal schwieg und wartete der Ehrenwerte.

Nightingale überlegte laut. »Was auch immer das Signal während der vergangenen Jahre gesendet hat … Es befindet sich nicht mehr bei Proxima Centauri, vier Komma zwei Lichtjahre entfernt, sondern am Rand unseres Sonnensystems, in einer Entfernung von nur noch etwa acht Lichtstunden. Und das Signal seiner Ankunft erreichte uns eher als das des Aufbruchs.«

Sie zögerte erneut und glaubte, einen Knoten in ihren Gedanken zu haben.

Einige Sekunden lang blieb es still. Skarabi saß reglos und stumm da.

»Das ist absurd«, sagte Nightingale schließlich. »Das ›Signal des Aufbruchs‹, wenn wir es so nennen wollen, bewegte sich mit Lichtgeschwindigkeit und war vier Komma zwei Jahre zu uns unterwegs. Aber der Sender traf vorher bei uns ein. Das ist unmöglich! Es würde bedeuten, dass er sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegt, und nichts in unserem Universum kann schneller sein als das Licht.«

Der ehrenwerte Skarabi sah sie wortlos an. Seine Miene gab nichts preis.

»Sind Sie sicher, dass die Signale in allen Fällen denselben Ursprung haben?«

»Es gibt keine absolute Gewissheit«, gestand Skarabi ein. »Doch unsere QIs gehen mit einer Wahrscheinlichkeit von neunundneunzig Komma vier Prozent davon aus, dass es sich um ein und dieselbe Signalquelle handelt.«

»Also tatsächlich Überlichtgeschwindigkeit?«

»Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Wir müssen sie akzeptieren.«

»Aber es ist unmöglich!«, wiederholte Nightingale.

»Etwas ist nur so lange unmöglich, bis das Gegenteil bewiesen...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2024 • Alien-Artefakt • deutschsprachige Science-Fiction • eBooks • Neuerscheinung • Saturn • Sonnensystem • Space Opera
ISBN-10 3-641-30544-6 / 3641305446
ISBN-13 978-3-641-30544-4 / 9783641305444
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