Der Knochenwald (eBook)
368 Seiten
Penhaligon Verlag
978-3-641-29115-0 (ISBN)
Die junge Mattie lebt mit ihrem Ehemann William allein in einer entlegenen Berghütte. Er ist ein gewalttätiger Mensch, den Mattie niemals verärgern darf. Doch als Mattie im Wald die verstümmelte Leiche eines Fuchses entdeckt, weiß sie, dass die Eheleute nicht alleine in der Wildnis sind. Wer - oder was - stößt jene seltsamen Schreie in der Nacht aus? Wessen krallenbewehrte Fußabdrücke sind im Schnee um die Hütte zu sehen? Als drei Fremde auf dem Berggipfel auftauchen und im Wald nach einer geheimnisvollen Kreatur suchen, weiß Mattie, dass die Neuankömmlinge William verärgern werden. Und wenn William wütend ist, passieren wahrlich schreckliche Dinge ...
Schaurig, düster, furchterregend - verpass nicht die anderen Bücher von Christina Henry wie »Die dunklen Chroniken« oder »Die Legende von Sleepy Hollow« und »Der Geisterbaum«.
Die Amerikanerin Christina Henry ist als Fantasy-Autorin bekannt für ihre finsteren Neuerzählungen von literarischen Klassikern wie »Alice im Wunderland«, »Peter Pan« oder »Die kleine Meerjungfrau«. Im deutschsprachigen Raum wurden diese unter dem Titel »Die Dunklen Chroniken« bekannt und gehören zu den erfolgreichsten Fantasy-Büchern der letzten Jahre. Die SPIEGEL-Bestsellerautorin liebt Langstreckenläufe, Bücher sowie Samurai- und Zombiefilme. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Chicago.
Kapitel eins
Da lag ein toter Fuchs auf dem Weg.
Zuerst sah Mattie nur einen scharlachroten Streifen auf dem frisch gefallenen Schnee. Ein Raubtier musste sich eines der Kaninchen aus den Fallen geholt haben, nach denen sie sehen wollte.
Dann entdeckte sie das orangefarbene, vom Blut verfilzte Fell und die Stelle, an der etwas Scharfes den Fuchs der Länge nach aufgerissen hatte. Eingeweide lagen überall im Schnee verteilt, der Geruch war noch frisch und intensiv trotz der Kälte.
Es gab nicht viele Tiere, die einen Fuchs fressen würden – außer einem Bären vielleicht. Bären fraßen alles. Vielleicht ein Berglöwe, manchmal ein Adler, aber sonst würde kaum ein Tier sich die Mühe machen, ein Lebewesen zu töten und dann gar nichts davon zu vertilgen. Keines, um genau zu sein, bis auf den Menschen natürlich, aber es gab keine Menschen hier oben auf dem Berg außer Mattie und William.
Mattie ging in die Hocke, um sich das Tier genauer anzusehen, aber sie fand keine Abdrücke oder Krallenspuren daran, die ihr einen Hinweis auf den Täter hätten geben können. Sie stand wieder auf, klopfte sich den Schnee von ihrem schweren Wollrock und hielt einen Moment inne, unschlüssig, was sie nun tun sollte.
Vielleicht sollte sie direkt zurückgehen, um William von dem Fuchs zu erzählen. Doch dann kam sie zu dem Schluss, dass es besser wäre, erst nach den Fallen zu sehen. Deshalb hatte er sie ja überhaupt zum Bach geschickt, und wenn sie nicht tat, wie ihr geheißen, würde sie dafür bezahlen müssen.
Mattie ging um den toten Fuchs herum und blieb erneut stehen. Hinter dem Kadaver war eine seltsame Spur im Schnee zu erkennen, auf die sie sich keinen Reim machen konnte.
Die Spur hätte von einem Bären stammen können, aber wenn es einer war, dann musste er viel größer sein als jeder Bär, den Mattie je gesehen hatte – vielleicht doppelt so groß wie der größte Grizzly in der gesamten Gegend. Der Abdruck sah aus wie der von einer Hintertatze – sie konnte den Abdruck der Ferse und der fünf Zehenballen erkennen. Aber die Abdrücke der Krallen an der Vorderseite waren viel länger und tiefer als gewöhnlich. Der Größe des Abdrucks nach zu schließen, musste es sich hierbei um den größten Bären der Welt handeln.
Mattie sah sich um und hielt nach weiteren Abdrücken Ausschau. Der Pfad, dem sie folgte, war kein von Menschen angelegter Weg, sondern ein Wildwechsel, der zwischen den Stämmen hoher Bergkiefern und den kahlen Resten des Gestrüpps aus dem Sommer hindurchführte. Sie fand noch einen Abdruck – wieder eine Hinterpfote, in einiger Entfernung von der ersten. Auch das war seltsam.
Die Spur sah aus, als sei der Bär auf den Hinterbeinen gelaufen wie ein Mensch.
Manchmal taten sie das, vor allem wenn sie ein anderes Tier einschüchtern wollten, aber sie gingen nicht über längere Strecken auf zwei Beinen.
Mattie schüttelte den Kopf. Das war nichts, worüber sie sich den Kopf zerbrechen sollte. Im Geist konnte sie Williams Stimme schon hören, die sagte: »Spute dich, Mädchen. Das geht dich nichts an. Du bist viel zu neugierig, immer steckst du deine Nase in Sachen, die dich nichts angehen.«
Ja, sie sollte nach den Fallen sehen, bevor William noch selbst kommen musste, um herauszufinden, warum sie so lange brauchte.
Mattie ging weiter und wirbelte dabei mit ihren Stiefeln den Pulverschnee auf. Es war noch nicht einmal richtig Winter – im Grunde war der Sommer gerade erst zu Ende gegangen –, aber sie hatten bereits den ersten Schnee und mehrere ungewöhnlich kalte Tage gehabt. William machte sich Sorgen, dass sie vielleicht nicht genug Vorräte eingelagert haben könnten, sollte der Winter besonders hart werden. Zumal bald auch nicht mehr sehr viele Tiere unterwegs sein würden. Sie würden es sich alle in ihren warmen Höhlen gemütlich machen.
Das brachte Mattie zu der Frage, was mit einem Grizzly nicht stimmte, der frisches Fleisch einfach so liegen ließ. Um diese Jahreszeit waren die meisten von ihnen so gut wie im Winterschlaf. Die noch aktiven Bären würden sich die Gelegenheit, ein wenig zusätzlichen Winterspeck anzusetzen, nicht entgehen lassen. Wenn der Grizzly sich den Fuchs für später hätte aufheben wollen, hätte er die Beute irgendwo versteckt – auch wenn das bei einem so mageren Bissen kaum der Mühe wert gewesen wäre.
Sie musste aufhören, sich darüber Gedanken zu machen. William wartete.
Sie hatten drei Fallen im Unterholz am Bach aufgestellt.
Alle drei waren voll, was bedeutete, dass es Kanincheneintopf mit Karotten und Kartoffeln geben würde. William würde zufrieden sein.
Mattie packte die Kaninchen in ihren Leinensack, stellte die Schlingen sorgfältig wieder auf und machte sich auf den Weg zurück zur Hütte. Ein paar Schneeflocken schwebten vom Himmel, und sie streckte die Zunge heraus, um eine zu fangen.
(Hand in Hand mit Heather, wir legen die Köpfe in den Nacken und blicken in den Himmel, fangen so viele Schneeflocken wie möglich, unsere Wimpern sind weiß überkrustet)
Nein. Daran durfte sie auch nicht denken. Das war nur ein Traum. Wie oft hatte William ihr schon gesagt, dass sie sich das alles nur einbildete und er nichts mehr von diesem Unsinn hören wollte.
Sie sollte nicht länger über den Traum oder die seltsame Bärenspur oder den toten Fuchs nachgrübeln. Sie sollte mit den Kaninchen nach Hause eilen, wo ihr Mann sie erwartete. Er verlangte von ihr, dass sie ihm eine gute Ehefrau war.
Als sie auf dem Rückweg wieder bei dem toten Fuchs vorbeikam, achtete Mattie darauf, einen Bogen um den Kadaver und die Abdrücke im Schnee zu machen.
Vielleicht kam William später noch einmal her, um sie sich anzusehen, aber sie würde sich jetzt nicht länger damit aufhalten. Sie würde nicht darüber nachdenken, wie seltsam das alles war, denn William sagte ihr immer, was sie zu denken hatte, und sie war sicher, dass es ihm nicht gefallen würde, wenn sie hierüber nachdachte.
William stand draußen vor der Hütte und hackte Holz, als Mattie auf die Lichtung geeilt kam.
Die Lichtung war groß genug, um ihr Haus mit den zwei Zimmern, ein kleines Lagerhaus für Vorräte, ein Toilettenhäuschen mit Plumpsklo und einen Garten zu beherbergen. William hatte noch ein paar Bäume mehr gefällt, sodass sich vor dem Haus noch ein wenig offenes Gelände befand. Das musste so sein, damit sich niemand unbemerkt an ihr Heim anschleichen konnte, sagte er.
Ihr Mann war hochgewachsen und kräftig gebaut – er überragte Mattie deutlich –, mit breiten Schultern und riesigen Händen und Füßen. Sein Haar war dunkel, von grauen Strähnen durchzogen, doch seine Augen waren blauer als das Eis auf einem zugefrorenen Bachbett.
William stand mit dem Rücken zu ihr, drehte sich aber augenblicklich um, sobald er ihre Anwesenheit spürte, die schwere Axt noch immer in der Hand.
Er sagte nichts, während sie sich näherte, erwartete sie nur mit diesem fordernden, ungeduldigen Blick, der ihr verriet, dass sie etwas falsch gemacht hatte.
»Da war ein toter Fuchs auf dem Weg«, erklärte sie. »Aber die Fallen waren voll.«
Mattie dachte, der Verweis auf ein gutes Nachtmahl würde genügen, um ihn abzulenken – sie hätte es besser wissen müssen.
»Was geht dich ein toter Fuchs an? Ich habe gesagt, du sollst nach den Schlingen sehen und sofort zurückkommen.«
Mattie biss sich auf die Lippe. Sie saß in der Falle. Wenn sie nicht antwortete, würde ihn das erzürnen. Wenn sie versuchte, sich zu erklären, würde ihn das ebenfalls erzürnen.
»Nun?«
Sie sollte es wenigstens versuchen. Vielleicht verstand er es dieses Mal ja.
»Irgendetwas hat den Fuchs getötet und ihn dann dort liegen lassen«, sagte sie.
Sein Blick wurde schärfer. »Ein Mensch? Treibt sich da etwa jemand in unseren Wäldern herum?«
»Nein, nein«, antwortete sie schnell. Sie wusste, wie sehr er darauf bedacht war, den Standort ihres Hauses geheim zu halten, und wie unruhig er wurde, wenn es Anzeichen dafür gab, dass sich Menschen in der Nähe aufhielten. »Da war eine Spur wie die eines Bären, aber viel größer als von jedem Bären, den ich jemals gesehen habe.«
Williams Kiefer entspannte sich ein wenig. Er schien erleichtert zu sein, dass sie keine Hinweise auf die Anwesenheit anderer Menschen gefunden hatte.
Doch diese leichte Entspannung täuschte – und Mattie war nicht darauf gefasst, als die Axt in den Schnee fiel und seine Faust auf sie zuschoss.
Sterne tanzten in ihrem Blickfeld, und sie konnte Blut auf der Zunge schmecken. Ihr Hintern fühlte sich kalt an.
Du sitzt im Schnee. Steh auf, bevor dein Rock nass wird, dachte sie.
»Wenn du etwas Ungewöhnliches findest, kommst du zurück und holst mich, das weißt du genau.« William klang nicht zornig, das tat er nie. Es gab nie Geschrei oder sonst irgendeine Warnung, bevor der Schlag sie traf.
»Ich dachte, es wäre besser, wenn ich zuerst nach den Fallen sehe«, erklärte sie.
Sie wusste, dass sie aufstehen sollte, aber wenn sie auf dem Boden sitzen blieb, war sie für ihn schwerer zu erreichen.
»Das ist das Problem mit dir, Martha«, sagte er – es war immer ein schlechtes Zeichen, wenn er sie bei ihrem vollen Namen nannte. »Es ist nicht deine Aufgabe zu denken.«
»Ja«, sagte sie. »Es tut mir sehr leid.«
Er starrte sie an, und sie konnte erkennen, dass er überlegte, ob er sie für ihr Vergehen ausreichend bestraft hatte oder nicht.
»Nimm die Kaninchen mit ins...
Erscheint lt. Verlag | 20.9.2023 |
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Übersetzer | Sigrun Zühlke |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Near the Bone |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | 2023 • All Age Fantasy • der geisterbaum • Die Chroniken von Alice • Die Dunklen Chroniken • eBooks • Fantasy • Fantasy Bestseller • Fantasy Neuerscheinung 2023 • Horror • Horror Neuerscheinung 2023 • Near the Bone • Neuerscheinung • Sleepy Hollow |
ISBN-10 | 3-641-29115-1 / 3641291151 |
ISBN-13 | 978-3-641-29115-0 / 9783641291150 |
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