Twelve Secrets - (eBook)
416 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-30329-7 (ISBN)
Ben Harpers Leben änderte sich für immer, als sein älterer Bruder scheinbar grundlos von zwei Klassenkameradinnen getötet wurde. Der kaltblütige Mord schockierte damals die Welt und katapultierte Bens Familie und ihre idyllische englische Heimatstadt Haddley ins Rampenlicht der Medien. Zwanzig Jahre später ist Ben einer der besten Journalisten des Landes und lebt wieder in Haddley. Als ein Mordfall neue Hinweise zum Tod seines Bruders liefert, beschließt Ben, zusammen mit der Polizistin Dani Cash der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Doch je mehr er in die Ermittlungen eintaucht, desto verdächtiger werden diejenigen, die ihm am nächsten stehen ...
Robert Gold begann seine Karriere als Praktikant bei CNN in Washington, D.C., bevor er in die Verlagswelt wechselte und als Bucheinkäufer tätig war. Heute arbeitet er im Vertrieb für einen Verlag. Er lebt im Londoner Stadtteil West Putney, wo man ihn oft beim Laufen am Flussufer trifft. »Twelve Secrets« ist der Auftakt einer neuen Thrillerreihe und sein Debüt.
Kapitel 1
Die Besprechungseinladung von Madeline kam am späten Vormittag in meinen Posteingang geflattert. Sie hatte keinen Betreff, aber ich wusste sofort, worum es ging. Wenn Madeline eines ist, dann hartnäckig.
Den Nachmittag habe ich seither damit zugebracht, Zeit totzuschlagen. Den Gedanken, was Vernünftiges zu arbeiten, musste ich ziemlich schnell aufgeben, da ich unfähig war, mich auf irgendwas zu konzentrieren. Innerhalb der letzten Dreiviertelstunde drei Becher Kaffee zu trinken, hat auch nicht gerade geholfen. Und so habe ich vornehmlich den endlosen Schwall von Promi-News auf unserer 24-Stunden-Nachrichten-Webseite gelesen.
»Die königliche Familie hat sich einen neuen fuchsroten Labradoodle zugelegt«, sage ich zu Min, die mir gegenüber im Großraumbüro unserer Redaktion sitzt. »Ich wette mit dir, dass sie ihn Harry nennen.«
Min hebt bloß eine Augenbraue. Ich habe die letzte Stunde mehrfach versucht, sie in ein Gespräch zu verwickeln, obwohl ich weiß, dass sie eine Deadline hat.
»Sorry«, forme ich stumm und wende mich wieder meinem Bildschirm zu. Noch ein Hollywood-Pärchen hat seine Verlobung verkündet. Und ein Premier-League-Fußballer hat den Schädel seines Teamkollegen gegen einen Umkleidespind geknallt. Nett.
Ein Reminder, den ich nicht benötige, ploppt in meinem Terminkalender auf. Ich schaue zu Madelines Goldfischglas-Büro und sehe, wie sie wild gestikulierend auf zwei Marketingleiter einredet. Beide schrumpfen in ihrer Gegenwart zusammen. Mir selbst ist schon vor langer Zeit klar geworden, dass der einzige Weg, erfolgreich mit Madeline zusammenzuarbeiten, darin besteht, ihr die Stirn zu bieten. Es ist eine Lektion, die viele meiner Kollegen erst noch lernen müssen.
»Wirst du ehrlich zu ihr sein?«, fragt Min, als würde sie meine Gedanken lesen.
»Das versuche ich immer zu sein«, erwidere ich. Doch Madeline hat mir ihre eigene Entschlossenheit, an den Kern einer guten Story ranzukommen, eingeimpft. Und genau deswegen fürchte ich dieses Gespräch.
»Du bist ohnehin der Einzige, auf den sie überhaupt je hört.«
»Das Problem ist, dass es bei dieser Sache keinen Mittelweg gibt.«
Min verzieht mitfühlend das Gesicht, bevor sie ihre Kopfhörer aufsetzt. Ich blicke erneut durch den Raum und sehe die beiden Marketing-Typen verdruckst davonschleichen. Entschlossen klappe ich meinen Laptop zu und stehe auf.
Durch die offene Tür sehe ich Madeline in ihrem weißen Ledersessel sitzen, die Augen fest auf den Monitor vor sich gerichtet. Ohne aufzuschauen, ruft sie meinen Namen. »Ben, nur nicht trödeln.«
»Es gibt keinen Grund, sich deswegen gleich aufzuregen.« Ich betrete ihr Eckbüro, dessen deckenhohe Fenster einen unverstellten Blick auf die Tower Bridge gewähren. Hinter Madelines geschwungenem Glasschreibtisch hängen drei eindrucksvolle sonnengeflutete Fotografien, allesamt von Madeline selbst aufgenommen, wie sie mir schon zigmal erzählt hat. Die erste zeigt die Houses of Parliaments hier in London, die zweite das Weiße Haus in Washington und die dritte ihr eigenes Zuhause mit Blick auf den Richmond Park. Sie nennt sie »die drei Häuser globaler Macht«, und ich glaube, sie meint das nur halb im Scherz.
»Neunundzwanzig Komma vier Millionen«, sagt sie, den Blick immer noch nicht vom Monitor hebend. »Knapp drei Prozent runter – und diese beiden Clowns wollen mir erzählen, ich müsse mir keine Sorgen machen. Wir liegen keine zwei Millionen User vor der Mail Online. Ich habe nicht vor, unsere Erstplatzierung unter meiner Obhut zu verlieren.«
Sie erwartet keine Antwort, und ich gebe ihr auch keine. Stattdessen gehe ich um den riesigen Konferenztisch herum und setze mich ihr gegenüber.
»Außerdem rege ich mich gar nicht auf«, fügt sie hinzu. »Ich weiß, dass das hier eine schwierige Zeit für dich ist, Ben. Der Todestag deiner Mutter rückt näher, und wir alle werden in Gedanken bei dir sein.«
Ihre Stimme ist aalglatt. Sie hat das hier einstudiert, doch ich habe nicht vor, mich einlullen zu lassen.
»Deine Mutter wäre so stolz auf das, was du erreicht hast. Uns allen hat es vor zehn Jahren das Herz gebrochen. Wenn sie dich heute nur sehen könnte. Einer der besten True-Crime-Reporter des Landes. Es war ein ziemlich langer Weg, Ben, ein wahrer Triumph über diese Tragödie. Es ist an dir, die Geschichte zu erzählen.«
»Egal, wie oft wir das hier diskutieren«, erwidere ich, »die Antwort lautet immer noch Nein.«
»Ben!«, ruft sie aus. »Du hast mir noch nicht mal bis zum Schluss zugehört.«
»Ich weiß, worauf du aus bist. Aber das bin nicht ich. Ich schreibe investigative Storys, keine rührseligen Dramen.«
»Ich bin hier doch nicht auf reißerische Schnulzen aus. Es wäre schlicht die Wahrheit – emotional, bewegend, ungeschminkt, eine Erlösung. Die wahre Geschichte, erzählt von dem Mann, den alle in diesem Land so schätzen.«
»Tja, ich bin nicht daran interessiert.«
»Aber Millionen von Menschen sind es, Ben.« Madelines Stimme hat nun den Tonfall angenommen, den sie anschlägt, wenn sie entschlossen ist, ihren Willen zu bekommen – jedes Wort präzise und mit Nachdruck. »Du unterschätzt, wie sehr du den Leuten am Herzen liegst. Was Nick widerfahren ist und dann der Tod deiner Mutter … alle erinnern sich. Die Leute wissen, wer du bist, und glauben, dass sie eine echte Verbindung mit dir haben.« Sie steht auf, kommt um ihren Schreibtisch herum zu mir und hockt sich auf die Tischkante. »Ich sage ja nicht, dass ein paar von ihnen nicht ein wenig durchgeknallt sind – aber ob es dir nun gefällt oder nicht, sie bilden sich ein, dass sie deine Trauer mit dir geteilt haben. Sie wollen dich unterstützen – auch aus tiefer Dankbarkeit dafür, dass es nicht ihnen selbst widerfahren ist. Und sie wollen lesen, was du in deinen eigenen Worten darüber zu schreiben hast, und zwar in unserem weltweiten Exklusivbericht.«
Direktheit ist nichts, wovor Madeline je zurückschreckt. Diese Fähigkeit, schonungslos und ohne Umschweife zum Punkt zu kommen, ist es, die sie zu einer so großartigen Journalistin macht.
Ich schüttle bloß den Kopf. »Madeline, du weißt, was ich über diesen Artikel denke. Ich habe dir gesagt, dass ich ihn nicht schreiben werde. Und das wird sich nicht ändern.«
»Ben, wir beide wissen, dass du schreiben wirst. Egal, wie schmerzhaft – die Story ist zu gut, um es nicht zu tun.«
»Wenn ich diesen Artikel schreibe, werden nächstes Jahr ständig Leute auf der Straße auf mich zukommen und mich fragen, wie es mir geht, und mir versichern, dass sie immer für mich beten.«
»Das klingt doch nicht allzu schlimm. Diese Menschen meinen es gut, selbst die etwas sonderbaren unter ihnen.«
»Es bleibt ein Nein, Madeline.«
»Ben.« Sie steht abrupt auf, durchquert das Büro, um die Tür zu schließen, und dreht sich dann wieder zu mir um. »Ich werde ganz offen sein. Unsere Zahlen befinden sich im freien Fall. Wir stehen mächtig unter Druck. Wir brauchen eine große Story.«
»Die Antwort ist immer noch Nein.«
Madeline selbst hat mich in ihrer unerbittlichen Jagd nach Lesern geschult. Nun jedoch ist mir schlagartig klar geworden, dass, wenn die Jagd sich der eigenen Tür nähert, die Perspektive sich komplett verschiebt.
»Niemand hat sich dem Erfolg unserer Seite so verschrieben wie ich«, fahre ich fort. »Meine Reportagen ziehen mehr Leser an als alle anderen Artikel. Und dann bleiben genau diese Leser, um den reißerischen Tratsch zu lesen, den du ›Nachrichten‹ nennst.«
Madelines Augen blitzen auf, und kurz glaube ich, dass wir hier fertig sind. Dann entspannen sich ihre Schultern.
»Du hast es selbst gesagt«, schiebe ich hinterher, »ich bin der beste Journalist, den du hast.«
»Eine Auszeichnung macht dich nicht zu meinem besten Journalisten.«
»Nein, denn es sind gleich zwei, und die einzigen Auszeichnungen, die diese Seite je gewonnen hat.«
»Wir sind nicht hier, um Auszeichnungen zu sammeln, sondern Leser«, entgegnet sie. »Und wir brauchen mehr von ihnen. Und zwar schnell.«
Ich spüre, wie ich die Geduld verliere. Ich mache einen tiefen Atemzug. Würde ich Madeline nicht kennen, fände ich es schwer zu glauben, dass sie mich ernsthaft zu dieser Sache drängen will. Da sie in der Nähe meines Zuhauses aufgewachsen ist, weiß sie aus erster Hand, wie traumatisch der Tod meines Bruders Nick war – nicht nur für meine Familie, sondern für die gesamte Gemeinde. Ich habe mich noch mal damit befasst und die Artikel gelesen, die sie damals dazu verfasste. Sie verstand die verheerende Wirkung des Geschehens auf unseren Heimatort.
Ich drehe mich auf dem Stuhl zu ihr herum, als sie von der Tür zum Fenster schreitet. »Ich werde es nicht tun, Madeline. Das musst du akzeptieren. Du wirst nie auch nur ansatzweise ahnen, wie es war – Nicks Gesicht auf sämtlichen Titelseiten … das von Mum, meins. Ich verspüre keinerlei Wunsch, das letzte Fitzelchen Privatleben, das ich für mich behalten konnte, auch noch zu veröffentlichen.«
Es ist nicht die Antwort, die sie hören will, und ich sehe den Ärger in ihr aufsteigen. Sie trommelt mit den Fingern auf der Tischplatte. Schmallippig lässt sie sich in ihrem Sessel nieder und beginnt, auf ihre Tastatur einzuhacken. Nachdem sie nichts mehr sagt, gehe ich davon aus, dass ich vorerst entlassen bin, und erhebe mich erleichtert, um zu gehen. Aber gerade als ich die Tür erreiche, ergreift sie wieder das Wort.
»Ben, bist du je auf den Gedanken gekommen, dass, wenn du...
Erscheint lt. Verlag | 1.12.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Ben Harper |
Übersetzer | Ivana Marinovi? |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Twelve Secrets |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • ben harper • Broadchurch • Claire Douglas • eBooks • englische Kleinstadt • Erstmals auf Deutsch • Harlan Coben • Journalist als Ermittler • Karen Slaughter • London • Mord • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • spannende Bücher • Sunday-Times-Bestseller • Thriller • Thrillerdebüt |
ISBN-10 | 3-641-30329-X / 364130329X |
ISBN-13 | 978-3-641-30329-7 / 9783641303297 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 4,3 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich