Hüte den Morgen (eBook)

Die große TikTok-Sensation - Roman
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2023 | 1. Auflage
496 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31070-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hüte den Morgen -  Brigid Kemmerer
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Tessa hat es geschafft: Sie ist von der verfolgten Rebellin zur königlichen Beraterin aufgestiegen. Prinz Corrick sucht verzweifelt nach einem Weg, den Adel und das Volk zu versöhnen, doch die Kluft zwischen den Menschen wird immer größer. Vor allem, weil die Seuche noch immer in Kandala wütet und die Vorräte an Mondflor-Elixier langsam zur Neige gehen. Dann taucht eines Tages ein geheimnisvoller Bote am Königshof auf und unterbreitet Tessa und Corrick ein verlockendes Angebot. Gemeinsam begeben sie sich auf eine gefährliche Reise, um Kandala zu retten und tappen geradewegs in eine Falle. Schon bald können sie niemandem mehr trauen - auch einander nicht ...

Brigid Kemmerer ist eine New-York-Times-Bestsellerautorin. Sie hat bereits mehrere Jugendbücher veröffentlicht. »Ein Fluch so ewig und kalt« ist der Auftakt zu ihrer neuen Bestseller-Trilogie aus der magischen Welt von Emberfall. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren vier Jungen in der Nähe von Baltimore.

1  
DER GESETZLOSE


Als ich noch ein Junge war, roch der Sommer in der Wildnis immer nach Abenteuer. Die Luft war erfüllt vom Geruch frischer Kiefernzweige und der drückenden Süße von Heckenkirschblüten. Irgendwo brannte immer ein Lagerfeuer, und irgendwer reichte immer einen Krug saures Bier herum. Die Luft war erfüllt von heiteren Gesprächen oder derben Trinkliedern oder den Flüchen von Männern, die bei einer Wette ihre letzten Münzen verloren hatten.

Jetzt hängt im Sommer der vage Geruch von verrottenden Leichen in der Luft. Bei den meisten Feuern handelt es sich um Scheiterhaufen für die Toten. Es wird nur noch selten gesungen.

Getrunken wird immer noch. Vielleicht sogar mehr als früher.

Es wurden zusätzliche Mondflorblüten versprochen, aber die Lieferung läuft nur langsam an. Niemand hier vertraut irgendwem im Palast. Nur wenige trauen den Konsuln. Selbst die Rebellen, die angeblich eine bessere Versorgung mit Medizin ausgehandelt haben, werden inzwischen misstrauisch beäugt.

Die Gerüchte – und davon gibt es unzählige – sind haarsträubend.

Wenn ich hier in der Wildnis bin, halte ich den Kopf gesenkt und tue, was möglich ist.

Die gewundenen Pfade durch den Wald sind um diese Nachtzeit verlassen, aber ich klammere mich an die Dunkelheit wie ein Geist. Ich will auf keinen Fall der Nachtwache begegnen. Der Beutel an meinem Gürtel ist schwer von meinen eigenen Kupfermünzen, aber ich trage eine rote Maske vor dem Gesicht und den Hut tief in die Stirn gezogen. Wenn ich zu dieser Stunde in dieser Aufmachung erwischt werde, werde ich verhaftet. Noch schlimmer, ich werde ins Verlies gesperrt, um auf mein Verhör zu warten. Das wäre das Letzte, was ich brauchen kann.

Ich verlasse den Weg und ziehe ein paar Münzen aus dem Beutel. Das erste Haus ist kleiner als die meisten, besteht wahrscheinlich nur aus einem Raum, aber hinten gibt es einen Hühner- und einen Kaninchenstall. Ich habe nie gesehen, wer hier lebt, aber die Tiere wirken gut versorgt. Ich habe vor, ein paar Kupfermünzen auf einem Getreidefass zurückzulassen, aber dann entdecke ich ein kleines Bündel, das in Stoff eingeschlagen ist. Und im Staub daneben erwartet mich eine falsch geschriebene Botschaft.

Dancke dier

Ich schlage den Stoff zur Seite und entdecke zwei weiche Gebäckstücke, die nach Käse und Knoblauch riechen.

Es ist nicht das erste Geschenk, das ich finde, aber jedes Mal, wenn ich eines entdecke, verkrampft sich mein Magen. Ich tue das nicht, um etwas dafür zu erhalten.

Ich wickele das Gebäck wieder in den Stoff und schiebe das Bündel in meinen Rucksack, lege ein paar Münzen auf das Fass und ziehe weiter.

Im nächsten Haus gibt es mehrere Kinder, unter anderem ein Neugeborenes. Manchmal höre ich es mitten in der Nacht schreien, daher schleiche ich vorsichtig voran, um nicht bemerkt zu werden. Ich schiebe Münzen in die Taschen der Kleidung, die noch auf der Leine hängt. Am nächsten Haus hinterlasse ich Münzen auf der Türschwelle. Beim nächsten auf dem Fensterbrett.

Am fünften Haus lege ich die Münzen gerade neben eine Axt, die noch in einem Baumstumpf steckt, als eine Gestalt aus den Schatten hervorkommt.

»Aha!«, flüstert eine Stimme. »Jetzt habe ich dich erwischt.«

Ich zucke so heftig zusammen, dass die Münzen ins Gras fallen, dann packe ich den Griff der Axt und drehe mich herum.

Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn es die Nachtwache ist. Eine Axt kann gegen eine Armbrust nicht viel ausrichten. Die Männer sollen eigentlich beim ersten Kontakt nicht schießen, aber ich habe genug Geschichten von Rebellen und Gesetzlosen gehört, um zu wissen, dass ihre angeblichen Befehle nicht immer mit der Wirklichkeit übereinstimmen.

Trotzdem halte ich meine Position, die Axt bereit.

Die Gestalt weicht mit erhobenen Händen zurück. »Oha!«

Es ist nicht die Nachtwache. Es ist ein Mädchen. Eine junge Frau. Sie ist groß, fast so groß wie ich, was mich vermuten lässt, dass sie schon älter ist, aber ihr Gesicht zeigt noch die weichen Konturen der Kindheit, und ihre Gliedmaßen sind lang und schlank. Sie trägt ein fahles Nachthemd ohne Ärmel, lang genug, dass der Saum über das Gras schleift. Ihr blondes Haar ist zu einem unordentlichen Zopf gebunden, der ihr bis auf die Hüfte hängt.

»Ich will keinen Ärger«, sage ich zu ihr.

»Du hast eine Axt.« Sie spricht leise, klingt aber nicht verängstigt. »Ich werde dir keinen Ärger machen.«

Ich lockere den Halt am Griff und lasse die Axt sinken. »Dann geh dahin zurück, wo du hergekommen bist, und ich ziehe weiter.«

Jetzt, wo ich keine Waffe mehr habe, nimmt sie die Hände runter, wendet sich aber nicht ab. Sie mustert mich aus zusammengekniffenen Augen, dann huscht ihr Blick über die Dunkelheit in meinem Rücken. »Du bist allein.«

»Das bin ich.«

»Als plötzlich diese Münzen aufgetaucht sind, dachte mein Cousin, Weston und Tessa würden wieder ihre Runden drehen. Du bist nicht Wes, oder?«

»Nein.« Ich suche mit meinem Blick die Dunkelheit ab, weil ich mich frage, ob sich noch jemand zwischen den Bäumen verborgen hält. Mein Herzschlag hat sich nicht beruhigt, seitdem das Mädchen aus dem Nichts erschienen ist.

»Nun«, meint sie, immer noch leise, »laut den Gerüchten war Weston Lark sowieso in Wirklichkeit der Bruder des Königs. Prinz Corrick.«

»Diese Geschichten habe ich gehört.«

»Einer der Rebellen hat ihn erwischt«, fährt sie fort. »In Artis, glaube ich. Er war gekleidet wie ein Gesetzloser. Mit Maske und allem. Die Armee des Königs musste ihn retten.«

Überall kursieren Gerüchte darüber. Ich schaue zum Himmel. Noch ist keine Helligkeit am Horizont zu erkennen, aber es wird nicht mehr lange dauern. Bald bricht der Morgen an, und ich muss zurückkehren. Ich zögere nachdenklich, dann schlage ich die Axt wieder in den Stumpf. Das Geräusch hallt durch die Nacht, und ich verziehe das Gesicht. Die Augen des Mädchens blitzen auf, und sie schnappt nach Luft, aber ich lasse nur ein paar weitere Münzen auf den Baumstumpf fallen und wende mich ab.

Meine Schultern sind angespannt. Ich rechne halb damit, dass sie Alarm gibt – aber ich vergesse, dass die Leute in der Wildnis gewöhnlich auf sich selbst aufpassen. Stattdessen läuft sie durchs Gras, um sich neben mir einzureihen.

»Wenn du nicht Weston Lark bist«, meint sie, »wie heißt du dann?«

»Spielt keine Rolle.«

»Deine Maske ist rot«, plappert sie weiter, ohne sich um mich zu kümmern. Ich habe sie für vierzehn oder fünfzehn gehalten, aber inzwischen glaube ich, dass sie jünger ist. »Mit dieser roten Maske siehst du aus wie Reineke Fuchs. Ich habe gehört, dass Westons Maske schwarz war.«

»Geh nach Hause.«

Sie hört nicht auf mich. »Manche Leute denken, dein Geld wäre eine Falle«, sagt sie, während sie neben mir hergeht. »Mein Onkel nennt dich …«

»Eine Falle?« Ich drehe mich herum, um sie zu mustern. »Wie sollen Münzen, die mitten in der Nacht heimlich abgelegt werden, eine Falle sein?«

»Nun, laut den Gerüchten hat Prinz Corrick nur vorgegeben, Weston Lark zu sein, damit die Leute sich als Schmuggler zu erkennen geben.« Ihre Augen sind groß und arglos. »Damit er sie hinrichten lassen kann.«

Ich schnaube und gehe weiter. »Das klingt nach ziemlich viel Mühe für einen Mann, der jeden beliebigen Menschen hinrichten lassen kann.«

»Also glaubst du nicht, dass es stimmt?«

»Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass der Bruder des Königs sich heimlich als Gesetzloser verkleidet hat, um Schmuggler gefangen zu nehmen.«

»Nun, man nennt ihn aus gutem Grund den grausamen Corrick. Oder glaubst du, in Wirklichkeit ist der König der barbarisch … – Aua!« Sie stolpert, zieht abrupt einen Fuß nach oben und umklammert meinen Arm, um sich aufrecht zu halten.

Sie ist so laut, dass ich nicht übel Lust verspüre, mich aus ihrem Griff zu befreien und sie zurückzulassen. Aber ich bin nicht herzlos, also senke ich mit einem Seufzen den Blick.

Sie ist barfuß und hält einen Fuß nach oben gezogen. Eine Blutspur glänzt auf der fahlen Haut ihrer Ferse, schwarz im Mondlicht.

»Ist es schlimm?«, fragt sie, ein leises Zittern in der Stimme.

»Kann ich noch nicht sagen. Setz dich.«

Sie setzt sich, legt den Knöchel über das andere Knie. Blut tropft ins Gras. Etwas glänzt in der Wunde, entweder ein scharfer Stein oder ein Stück Metall.

Sie verzieht das Gesicht. »Ma wird mich umbringen.«

»Du warst so laut, dass die Nachtwache ihr vielleicht zuvorkommen wird.« Ich lasse meinen Rucksack ins Gras fallen, dann gehe ich in die Hocke, um ihre Wunde zu mustern. »Du hättest einfach nach Hause gehen sollen.«

»Ich wollte wissen, wer du bist. Mein Cousin wird mir nicht glauben, dass ich dich erwischt habe.«

»Du hast mich nicht erwischt. Halt still.« Ich ziehe das Gebäck aus der Tasche und löse den Stoff darum, um ihr das Essen zu reichen. »Hier.«

Stirnrunzelnd nimmt sie das Essen entgegen. Ich strecke die Hand aus, um den Fremdkörper aus ihrem Fuß zu entfernen, dann überlege ich es mir noch mal anders. Ich werfe ihr einen strengen Blick zu. »Das könnte wehtun. Du musst still sein.«

Sie beißt die Zähne zusammen und nickt heftig.

Mit den Fingerspitzen packe ich den Gegenstand und ziehe ihn heraus. Sie kreischt und hätte mir fast den...

Erscheint lt. Verlag 13.12.2023
Reihe/Serie Mondflor-Saga
Übersetzer Vanessa Lamatsch
Sprache deutsch
Original-Titel Defend the Dawn
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2023 • eBooks • enemies to lovers • Fantasy • Fantasy Romance • High Fantasy • Königreich • Magie • Neuerscheinung • New-York-Times-Bestsellerautorin • Rebellion • Romantasy
ISBN-10 3-641-31070-9 / 3641310709
ISBN-13 978-3-641-31070-7 / 9783641310707
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