Die Magd des Medicus (eBook)

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2023 | 1. Auflage
560 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01507-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Magd des Medicus -  Astrid Fritz
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Packend und modern: spannende Medizingeschichte von der Erfolgsautorin der großen historischen Romane «Turm aus Licht» und «Der dunkle Himmel». Eine starke, wissbegierige junge Frau und der bedeutende Arzt Paracelsus, der bis heute unser Verständnis einer ganzheitlichen Lehre von Körper und Seele prägt.  Ausgerechnet in den Dienst des buckligen Stadtarztes von Basel soll Barbara gehen. Als Tochter eines als unehrenhaft geltenden Abdeckers bleibt ihr keine andere Wahl. Mit ihrer patenten und pragmatischen Art ist die junge Frau das Gegenteil ihres neuen Herrn Paracelsus. Sein Zuhause ist die Wissenschaft, die Medizin, die Lehre. Wegen seiner unkonventionellen Methoden und der aufbrausenden Art wird er jedoch immer wieder angefeindet. So sind sie beide Außenseiter. Bald lernt die Magd den Arzt zu schätzen und ist fasziniert von den Geheimnissen des menschlichen Körpers. Doch dann muss Barbara sich entscheiden, ob sie weiter zu ihm halten kann - und was ihr eigenes Ziel im Leben ist.

Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen «Die Hexe von Freiburg», «Die Tochter der Hexe», «Turm aus Licht», «Der dunkle Himmel». Astrid Fritz lebt in der Nähe von Stuttgart.

Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen «Die Hexe von Freiburg», «Die Tochter der Hexe», «Turm aus Licht», «Der dunkle Himmel». Astrid Fritz lebt in der Nähe von Stuttgart.

Kapitel 1


Zu Basel, Mitte März Anno Domini 1527

Wann immer das Wetter es erlaubte, standen die beiden Flügel des Holztors weit offen, auch an diesem freundlichen, milden Frühlingstag. Was nichts daran änderte, dass die Luft in der Schindhütte durchdrungen war von den süßlichen Geruchsschwaden nach Blut, frischen Tierhäuten und dem Fett, das heute im Kessel über der gemauerten Feuerstelle zischte und dampfte. Bei Kadavern, die größer als eine Katze waren, lohnte es sich nämlich, aus den Eingeweiden Schmalz und Talg für die Seifensieder und Lichterzieher auszulassen, sofern der städtische Jägermeister sie nicht als Aas für die Wolfsjagd benötigte.

Jeder Nachbar hätte wahrscheinlich laut geflucht über den Gestank, den die Abdeckerei verbreitete, vor allem an den Tagen, an denen die Fischhändler ihren alten oder schlechten Fisch zur Vernichtung abluden. Aber die nächsten Häuser waren mehr als einen Steinwurf entfernt, und auf dem Basler Kohlenberg stank es, wie Barbara fand, ohnehin mehr als anderswo in der Stadt.

Sie streckte den Rücken durch und hielt für einen Augenblick in der Arbeit inne. Sehnsüchtig blickte sie hinaus auf die sonnenbeschienene Gasse. An manchen Tagen hasste sie diesen Gestank, der einem in der Kleidung, in den Haaren, zwischen den Fingern klebte. Aber es half ja nichts, wenn man die Tochter des Wasenmeisters war. Da blieben einem nur die Sonn- und Festtage, an denen man sich, frisch gewaschen und im Sonntagsgewand, als halbwegs normaler Mensch fühlen durfte.

«Träumst dich mal wieder fort?», raunzte der Vater sie an, und ihr Bruder grinste frech dazu. Die beiden hatten gerade eine tote, viel zu magere Sau von der Schindkarre auf den langen, glatt geschliffenen Holztisch neben dem Tor gehievt und würden dem Tier gleich mit geübten Schnitten die Haut abziehen, um diese anschließend in dem riesigen Wasserbottich zu waschen.

Barbara streckte Stoffel die Zunge heraus, bevor sie sich mit ihrem scharfen Messer erneut über den Steintrog beugte, in dem ein ganzer Berg von grob zerteilten Fleischstücken lag, während die Eingeweide bereits im Kessel schmorten. Ihre Aufgabe war es, seit der Kindheit schon, für den Leimsieder in der Steinenvorstadt die Knochen, Knorpel und Sehnen aus den blutigen Brocken herauszutrennen. Dass diese zu einem verendeten Kalb gehört hatten, war nicht mehr zu erkennen. Was ihr mehr als recht war, da sie alles, was vier Beine hatte, mochte. Das gesäuberte Fell indessen, hübsch schwarz-weiß gescheckt, hing bereits neben anderen Häuten zum Trocknen über dem Balken.

Das Kalb hatte Stoffel aus der Johannisvorstadt hergekarrt, die sich ein gutes Stück entfernt den Rhein entlangzog. Hier oben auf dem Kohlenberg wäre auch keiner reich genug für ein Kalb oder Schwein, hier hielten sich die Leute höchstens ein paar Hühner, Ziegen oder, wie der Kohlenbergwirt und der Henker, ein Mastschwein. Das dann übrigens am Ende seiner Lebenszeit von ihrem Vater gemetzgt werden würde. Als Abdecker vermochte er das ebenso fachgerecht wie der Metzger vom Heuberg, obwohl es ihm eigentlich nicht erlaubt war. Aber dafür verlangte er auch weniger Lohn, und verraten würde ihn von den Kohlenbergern ohnehin keiner.

Mit leichtem Widerwillen entbeinte sie eine Kalbshaxe, wobei sie immer wieder eine der zahllosen streunenden Katzen verscheuchen musste. Sie wünschte, morgen wäre Sonntag, und sie könnte nach dem Kirchgang am Rheinufer in der Sonne sitzen. Aber heute war erst Mittwoch. Bis in vier Tagen hatte das Wetter bestimmt wieder umgeschlagen, und die ersten warmen Frühlingstage waren vorbei. Ja, da musste man schon die Zähne zusammenbeißen, um nicht mit dem Schicksal zu hadern. Täglich stundenlang in Kadaverstücken herumwühlen, in dieser stinkenden Hütte, das verlangte einem etwas ab. Sie verstand ihren Bruder nicht, der sich jetzt schon darauf freute, eines Tages die Nachfolge des Vaters zu übernehmen.

Als die nahe Leonhardskirche die fünfte Nachmittagsstunde schlug, war sie erlöst. Den Rest würde Stoffel erledigen, da sie als einzige Frau im Haus obendrein für die Haushaltung zuständig war und nun das Abendessen richten musste. Eine Magd konnten sie sich nicht leisten.

Sie tauchte das Messer in den Waschbottich, streifte es an einem Lumpen ab und legte es zurück in die Werkzeugkiste.

«Mach du den Rest vom Kalb fertig», beschied sie Stoffel. «Ist nicht mehr viel.»

«Nur wenn du mir dafür was Ordentliches zum Abendessen auf den Tisch stellst.»

«Heute gibt’s gepfefferte Gänsebrust mit Mandelmus.»

«Wirklich?» Mit offenem Mund glotzte er sie an.

«Ach Stoffel!» Sie musste laut lachen. «Du glaubst auch jeden Kuhmist. Es gibt Gemüsebrei wie immer.»

Sie mochte ihren älteren Bruder sehr. Er lachte viel, war fast immer guter Dinge und murrte nie über die Arbeit. Ganz anders als ihr anderer Bruder Lienhard, der ein rechtes Großmaul war und aufbrausend dazu. Vor zwei Jahren hatte er in Freiburg eine Lehre beim dortigen Scharfrichter begonnen, um etwas Besseres zu werden als ein gemeiner Schinder. Sie vermisste ihn kein bisschen. Da stand ihr der sanftmütige Stoffel doch um vieles näher. Aber leider war der mit seinen zweiundzwanzig Jahren manchmal noch einfältig wie ein Kind und eher langsam im Denken.

Zu ihrer Überraschung ergriff der Vater das Wort. Der sprach bei der Arbeit manchmal stundenlang gar nichts, war überhaupt ein Mensch, der die Ruhe liebte.

«Komm einmal her», brummte er in seinen rotblonden Vollbart und winkte Barbara zurück an den Steintrog. In der Hand hielt er den Blechnapf ihres Hundes, der während der Arbeit hinten im Hof angekettet war und nur nach Feierabend frei herumlaufen durfte.

«Das Kalb war nicht krank», fuhr er bedächtig fort. «Nur zu schwach zum Überleben, weil die Mutterkuh keine Milch hatte.»

Er bückte sich und lud zwei rosig glänzende Fleischbrocken in den Napf, der fast zu klein war für diese schiere Menge.

«Du brätst das in kleinen Stücken gut durch, verstanden? Das reicht uns für heute, morgen und übermorgen.»

Erstaunt nickte sie. Normalerweise wanderte solcherlei Fleisch nicht in die Pfanne oder in den Kochtopf, weil es, wie der ganze Rest der verendeten Tiere, draußen auf dem Schindanger verbrannt oder verscharrt werden musste. Meist blieb der Vater sogar hart, wenn die Ärmsten der Armen an seine Tür klopften. Dennoch vertraute sie ihm. Wenn er sagte, das Fleisch sei kein schlechtes, dann war dem so. Wie kein anderer kannte er sich nämlich aus mit Viehseuchen und Rosskuren. Manchmal riefen ihn sogar die Bürger unten in der Stadt zu sich, um ihn wegen ihrer Tiere um Rat zu fragen.

«Danke, Vater. Das mach ich gern.»

«Also doch ein Festschmaus!», rief Stoffel freudig, und sie fuhr ihm nicht gerade sanft durch das dunkle Haar, das immer in alle Richtungen abstand. «Glück gehabt, Bruderherz. Bis später also.»

Ihr kleines, strohgedecktes Fachwerkhaus war mit der angrenzenden Schindhütte durch eine Tür verbunden. Dort stand auf einem wackligen Holzschemel eine Schüssel mit frischem Wasser nebst einem Stück Seife bereit. Darauf, dass sie sich hier nach der Arbeit gründlich die Hände wuschen, hatte ihre Mutter immer bestanden, und jetzt war es an Barbara, darauf zu achten. Auch darauf, dass in der Schindhütte alles ordentlich an seinem Platz verstaut war und sich kein abgehäutetes, verwesendes Vieh vor der Tür anhäufte, wie man es von anderen Abdeckereien kannte. «Wir sind zwar nur Schinder, aber dafür saubere Leut», hatte ihre Mutter ihnen immer wieder gesagt.

Für die Tierleichen, die nicht am selben Tag verarbeitet werden konnten, hatte der Vater hinten im Hof eigens einen Schopf aus Holzlatten bauen müssen. Dort allerdings stank es bestialisch. Wenn man das Türchen öffnete, flogen Schwärme von fetten, blau schillernden Fliegen auf. Zu manchen Zeiten allerdings gab es so viele Kadaver, dass der Vater sie wohl oder übel mitten auf dem Hof lagern musste, wenngleich unter dicken Decken. Dennoch wurden jedes Mal Scharen von Ratten und Rabenvögeln angelockt, und in der warmen Jahreszeit war der Gestank nicht mehr auszuhalten. Dann kamen die Taglöhner aus der Nachbarschaft, um bei ihnen auszuhelfen und sich ein paar Rappenpfennige zu verdienen.

Sie öffnete die Zwischentür zum Haus und stellte den Napf auf der Treppe zur Küche ab. Dann trat sie wie immer nach der Arbeit, wenn es nicht gerade Hunde und Katzen regnete, hinaus auf den Vorplatz, um an der frischen Luft erst einmal tief durchzuatmen. Dabei klopfte sie dem struppigen Maultier gegen den Hals. Eingespannt in die schwarz geteerte, zweirädrige Karre, die auch dem Henker für die Hinrichtungen diente, döste es neben dem Hüttentor vor sich hin. Noch vor dem Abendessen würden Stoffel und der Vater mit dem Schindluder hinaus zum Wasen fahren.

«Bald hast auch du deine Ruh», verkündete sie ihm gut gelaunt.

Sie ging ein paar Schritte die Gasse hinunter, die seit den letzten starken Regenfällen von Wagenrinnen durchfurcht war, und blinzelte gegen die tief stehende Sonne. An der Einmündung zur Kohlenberggasse, dort, wo die uralte Linde stand, spielte eine Horde Kinder Fangen.

Sie dachte an ihre eigene Kindheit zurück. Auch sie selbst hatte dort, nach getaner Arbeit, mit ihrer Freundin Marie und den anderen Kindern Fangen oder Murmeln gespielt. Oder Verstecken auf den verwilderten Brachen, die zusammen mit Wiesen und kleinen Feldstücken die Abdeckerei umgaben. Am liebsten mit Marie, ihrem Bruder Stoffel und dem Badersohn Beat Scherlin aus der angrenzenden Steinenvorstadt. Sie vier waren damals ein Herz und eine Seele gewesen. Doch irgendwann war Melcher, der älteste Sohn des...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 15. Jahrhundert • 16. Jahrhundert • Alchemie • Astrologie • Basel • berühmter arzt • Bestsellerautorin • Der Medicus • Frauen in der Medizin • Frauen in der Wissenschaft • ganzheitliche Medizin • Heilkunde • Heilkunde im Mittelalter • Historienroman • Historische Bücher • historische Bücher Bestseller • historische Frauenfiguren • historischer Roman 15. Jahrhundert • Historischer Roman 16. Jahrhundert • historischer Roman Neuerscheinungen 2023 • Historisch Romane • Innsbruck • Körper und Seele • Medizingeschichte • Mittelalter • Mittelalter Romane • mittelalter romane bestseller • Mord • Naturphilosoph • Naturphilosophie • neue historische romane • Neuerscheinung 2023 • Noah Gordon • Paracelsus • Pest • Romande Mittelalter • Roman historisch • Roman historisch Frauen • Salzburg • Schulmedizin • Schweiz • Serafina • Spagyrik • stadtarzt • Wissenschaft • Wundarznei • Wundarzt
ISBN-10 3-644-01507-4 / 3644015074
ISBN-13 978-3-644-01507-4 / 9783644015074
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