Das Haus, in dem das Böse wohnt (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
287 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3007-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus, in dem das Böse wohnt -  Trude Teige
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Eine helfende Hand.

Fernsehjournalistin Kajsa Coren dreht einen Dokumentarfilm über ihre Mutter, als ihr Gerüchte über falsch verabreichte Medikamente und verdächtige Todesfälle in dem Pflegeheim, in dem auch Bibbi untergebracht ist, zu Ohren kommen. Als die Krankenschwester Ingrid brutal ermordet wird, richtet Kajsa ihre Kamera nicht mehr allein auf ihre Mutter. Was hat Ingrid über die plötzlichen Todesfälle im Heim gewusst - und war ihr genau dieses Wissen zum Verhängnis geworden? Kajsas Unruhe wächst, als ein zehnjähriger Junge vom Fußballplatz vor dem Pflegeheim spurlos verschwindet. Dabei ahnt sie nicht, wie nah ihr dieser Fall noch gehen wird ...

Kajsa Corens zweiter Fall - ein packender Roman von der norwegischen Bestsellerautorin.



Trude Teige, Jahrgang 1960, ist eine bekannte Journalistin und gehört zu den erfolgreichsten Kriminalautorinnen Norwegens.

Im Aufbau Taschenbuch liegen ihre Kriminalromane »Der Junge, der Rache schwor«, »Das Mädchen, das schwieg«, »Totensommer«, »Die Frau, die verschwand«, »Der Mann, der nicht vergessen konnte« und »Das Haus der Lügen« vor.

Tape 1
00:00:10


Ich weiß gar nicht richtig, wo ich anfangen soll …

Aber als Erstes möchte ich gern sagen, dass mich niemand daran hindern wird, das mir widerfahrene Unrecht zu rächen. Das ist das Wichtigste. Auf alles andere werde ich dann nach und nach zurückkommen; wie das Böse aussieht, wo es zu finden ist.

Frau Albertsen klatschte in die Hände. »Einfach verschwunden. Puff!«

Die alte Dame saß im Aufenthaltsraum neben Bibbi, Kajsas Mutter, in ihrem Sessel. Ihre Augen waren weit aufgerissen.

Vor drei Monaten hatte Kajsa mit den Aufnahmen für eine Fernsehdokumentation über ihre Mutter begonnen. Am Heiligabend hatte sie zum ersten Mal die Kamera in das Pflege- und Seniorenheim Solgløtt in Asker mitgenommen. Die Anfangsszene sollte die von Kindern und Enkeln umgebene Mutter zeigen.

Seit fünf, sechs Jahren war Kajsa als Politikjournalistin bei Kanal 4 für die Berichterstattung über die norwegische Gesundheitspolitik und Altenfürsorge verantwortlich. Das Thema hatte sie lange Zeit persönlich nicht betroffen; erst als ihre Mutter im Solgløtt-Heim gelandet war, hatte Kajsa verstanden, wie es eigentlich um diese Dinge bestellt war. Als Angehörige hatte sie jetzt die einzigartige Möglichkeit, eine realistische Darstellung der Zustände in einem Bereich vorzunehmen, der in Wahljahren stets die Aufmerksamkeit der Politiker auf sich zog, gleichwohl nie die dringend benötigten Ressourcen zugeteilt bekam.

Kajsa hatte vorab die Heimbewohner, die Angestellten und die Angehörigen von ihrem Projekt unterrichtet. Nur einige wenige Personen wollten nicht gefilmt werden. In der ersten Zeit hatten sich viele seltsam künstlich verhalten, sobald sie die Kamera einschaltete, so dass sie sich angewöhnt hatte, das Gerät die ganze Zeit mit sich herumzutragen, auch wenn es nicht lief. Nach einer Weile schien sich niemand mehr daran zu stören, und die Aufnahmen wirkten viel authentischer.

Ohne Frau Albertsen zu antworten, griff Kajsa in die Handtasche, nahm die Kamera hervor, legte sie beiläufig auf den Schoß, drückte auf den Aufnahmeknopf und sah auf dem kleinen Bildschirm an der Seite, dass sie einen schönen Ausschnitt von der alten Dame eingefangen hatte. »Was haben Sie gesagt?«, fragte sie dann.

»Noch eine«, erwiderte Frau Albertsen. »Einfach verschwunden. Puff!«

Sie beugte sich vor und legte eine Hand auf Kajsas Arm. Ihre Augen waren blass, mit dunklen Ringen um die Pupillen, so wie die Augen alter Menschen häufig aussehen. Sie schielte zu Kajsa herüber, von der Nasenwurzel zogen sich zwei tiefe Falten über ihre Stirn. Ihr Blick war eindringlich.

Kajsas Mutter lebte jetzt seit fast zwei Jahren im Altenheim, und Kajsa hatte enge Bekanntschaft mit Frau Albertsen geschlossen. Eine krummgebeugte Dame von zweiundachtzig Jahren. Ihre Gesichtshaut ähnelte der Schale einer getrockneten Weintraube. Sie war ungeheuer mitteilsam, sprach viel und lange mit allen, denen sie begegnete, und zuallererst mit sich selbst. Während der Besuche bei ihrer Mutter empfand Kajsa es mitunter als bedrückend, all diese alten Menschen zu sehen, die sich in ihrer eigenen Welt befanden und häufig ganz unverständliche Dinge sagten.

Kajsa betrachtete die alten Männer und Frauen, die um sie herumsaßen. Einige von ihnen schliefen, andere sabberten, ein älterer Mann versuchte aufzustehen, schaffte es aber nicht. Er sank in seinen Sessel zurück, ein Anflug von Resignation huschte über sein Gesicht, aber er sagte nichts. Er blieb bloß sitzen und starrte in die Luft, während er mit langen, dünnen Fingern am Stoff der Armlehne herumzupfte. Eine Frau in der Nähe flüsterte vor sich hin, lächelte und nickte dabei, als ob sie sich mit jemandem unterhielte. Dann wurde sie still. Eine andere Frau stand am Fenster und sah hinaus, ein paarmal klatschte sie in die Hände, als gäbe es dort draußen etwas, das sie in Begeisterung versetzte.

Martin Roland saß in seinem großen elektrischen Rollstuhl vor dem Fernseher und schaute irgendeine amerikanische Seifenoper. Woran er dabei wohl dachte? An das Leben? Wie es war, ohne Kinder zu leben, zwischen alten Menschen, die seine Eltern, ja, sogar seine Großeltern sein konnten?

Er saß nicht oft mit den anderen im Aufenthaltsraum, überwiegend hielt er sich in seiner Wohnung auf. Ein kleines Wohnzimmer mit Teeküche, Schlafzimmer und Bad. Ab und zu schaute Kajsa bei ihm auf einen Schwatz herein. Martin Roland konnte zwar nicht sprechen, hatte aber ein Rolltalk. Mithilfe dieses Geräts konnte er den Fernseher einschalten, den Kanal wechseln, das Licht ein- und ausknipsen, ins Internet gehen oder mit anderen Menschen kommunizieren, indem er auf einem Computer schrieb. Er hatte eine Brille mit Maus-Funktion, und wenn er den Kopf bewegte, konnte er den Cursor auf einem Bildschirm bewegen. Über einen kleinen Schalter, der an seiner Hand befestigt war, ließen sich Symbole, vorprogrammierte Wörter oder einzelne Buchstaben anklicken.

Vier Jahre zuvor hatte Martin einen Verkehrsunfall erlitten und war seitdem vom Hals abwärts gelähmt. Da war er gerade Vater seines dritten Kindes geworden. Kajsa schätzte ihn auf etwa vierzig. Bevor ihre Mutter ins Altenheim gezogen war, war Kajsa ihm nie persönlich begegnet, wusste aber, wer er war. Vor dem Unfall hatte Martin Roland für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet. Der NRK hatte ihn etwa sechs Monate lang auf seinen Reisen in verschiedene Kriegs- und Katastrophengebiete begleitet. Sie hatten seine Tränen und sein Lachen gezeigt, seinen Einsatz für die Schwächsten und seine unverhohlene Wut auf Kriegsherren und Nationen, die nicht genug taten, »um den Irrsinn zu stoppen« und »die Unschuldigen zu retten«. Dabei waren hart gegeneinander geschnittene Szenen entstanden, zu Hause mit seinen eigenen Kindern, die unter Tränen einen Vater verabschiedeten, der hinausfuhr, »um die Welt zu retten«, gefolgt von Aufnahmen, die ihn in einem notdürftig eingerichteten OP-Zelt zeigten, während er ein Kind betrauerte, für das er nichts mehr hatte tun können.

Mittlerweile war von dem starken und eloquenten Mann nicht mehr viel übrig. Kajsa glaubte nicht, dass sie ihn wiedererkannt hätte, wenn sie nicht gewusst hätte, wie er hieß. Sein Gesicht war etwas angeschwollen, vermutlich eine Folge der Medikamente. Er war extrem dünn, einer seiner Füße war völlig verdreht. Sein langes Haar, das er früher als Pferdeschwanz getragen hatte, war – vermutlich aus praktischen Gründen – auf wenige Millimeter hinuntergestutzt.

Frau Albertsens Stimme riss Kajsa aus ihren Gedanken. »Ja«, sagte sie und blickte Kajsa durchdringend an. »Einfach verschwunden, sie auch.«

»Wer denn?«, fragte Kajsa und ließ die Kamera weiterlaufen.

Aber Frau Albertsen gab keine Antwort. »Verschwunden«, flüsterte sie nur und verstärkte den Druck um Kajsas Arm.

Kajsa blickte sie an. Hätte sie nicht gewusst, dass die alte Dame völlig in ihrer eigenen Welt lebte, hätte sie geglaubt, dass sie sich fürchtete.

»Was …«, setzte Kajsa an.

»Psst!«, entgegnete Frau Albertsen, als einer der Krankenpfleger hereinkam. Laut fing sie an zu summen, als wollte sie davon ablenken, dass sie etwas gesagt hatte.

»Wie schön Sie singen, Frau Albertsen«, bemerkte der Pfleger.

Sturla Bjerke war der Charmeur der Abteilung und der jüngste des festen Personals. Mit seinem goldenen Hautton, den dunklen Augen und dem halblangen, lockigen Haar weckte er Assoziationen an einen »griechischen Gott«. Er kam zu ihnen, legte den Arm um Kajsas Schulter, zog sie an sich und wiegte sie singend hin und her. »Kleine Vöglein sangen so schön im Gras, so schön, dass ich alles vergaß. So vieles geschah am Ufer des Fjords, als in der Abendsonne ich saß.«

Kajsa löste sich aus seiner Umarmung und ließ die Kamera von Frau Albertsen über die Mutter zum Krankenpfleger und wieder zurück schweifen. Sturla setzte sich zu Bibbi und nahm jetzt sie in die Arme. Wie unfassbar nervig er sein kann, dachte Kajsa. Ständig tauchte er irgendwo auf und schob sich vor das Objektiv, wenn sie Aufnahmen machte. Sie zoomte an das Gesicht der Mutter heran. Bibbi saß ganz still da und starrte Sturla verwundert an, lächelte nicht und sang auch nicht mit.

Als Kajsa die Kamera wieder in den Schoß legte, stand Sturla auf und ging hinaus. Kajsa folgte ihm. »Ist jemand gestorben?«, fragte sie.

»Frau Bakke«, erwiderte er.

»Ging es ihr so schlecht?« Kajsa konnte sich gut an Frau Bakke erinnern. Die ganze Zeit hatte sie gestrickt, im Aufenthaltsraum, im Gang, auf ihrem Zimmer. Immer hatte sie gesagt, sie stricke Pullover und Jacken, aber es waren nur lange Streifen, die zu nichts verwendet werden konnten.

»Wie man’s nimmt … Etwas krank sind hier ja alle«, sagte Sturla. »Deshalb sind sie ja auch im Pflegeheim«, fügte er hinzu und lächelte breit in die Kamera.

Kajsa ging zurück zu ihrer Mutter. Die Wanduhr zeigte halb vier. Sie hatte völlig vergessen, dass sie eine Verabredung mit Ingrid Steffensen hatte, die als Krankenschwester hier arbeitete.

Ingrid hatte sich Kajsas Mutter besonders angenommen, als sie ins Pflegeheim Solgløtt gezogen war. Kajsa hatte sich oft mit Ingrid unterhalten, und nach einer Weile waren sie vertraut miteinander geworden. Ingrid war nicht nur eine gute Pflegerin, sondern auch ein warmherziger Mensch, mit dem sich leicht plaudern ließ.

In der letzten Woche hatte Bibbi einen ihrer vielen Angstanfälle bekommen, während Kajsa zu Besuch gewesen war. Mehrere Angestellte, darunter auch Ingrid, waren dazugekommen, um...

Erscheint lt. Verlag 4.7.2023
Reihe/Serie Kajsa Coren
Übersetzer Gabriele Haefs, Andreas Brunstermann
Sprache deutsch
Original-Titel En hjelpende hånd (Kajsa Coren 2)
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestsellerautorin • Das Mädchen, das schwieg • Der Mann, der nicht vergessen konnte • Die Frau, die verschwand • Journalistin • Kajsa Coren • Norwegen • Pflegeheim • Skandinavien • Skandinavischer Krimi • Totensommer
ISBN-10 3-8412-3007-5 / 3841230075
ISBN-13 978-3-8412-3007-2 / 9783841230072
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