Abstürzen -  Marina Filp

Abstürzen (eBook)

Showdown auf Kreta

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99139-798-4 (ISBN)
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Showdown auf Kreta Die Journalistin Barbara will nach dem Scheitern ihrer Ehe Ruhe in einem kretischen Fischerdorf finden. Sie trifft auf die faszinierende, schillernde Else und freundet sich mit ihr an. Allmählich wird klar, dass die beiden mehr verbindet als eine ähnliche Kindheit in der österreichischen Provinz und die Zeit in der radikalen Studentenszene der Achtziger Jahre in Wien. Es beginnt ein Verwirrspiel von Erinnerungen und Verdächtigungen, und nach einem Showdown über den Klippen liegt eine der Frauen reglos am Strand.

Marina Filp, geboren in Oberösterreich, war Sprachlehrerin, Jazzclubbetreiberin, Köchin, Lehrbuchautorin, Schubladendichterin. Auslandsaufenthalte in Spanien, Russland, Lateinamerika. Schreibt jetzt Thriller in Wien und im Seewinkel.

4

KRETA, 22. AUGUST 2014

Nach zwei Tagen nahm ich ein Taxi in den Süden der Insel, nach Chora Sfakion, von wo die Fähre nach Loutro ablegte, und unter den Wartenden am Kai – viele Frauen in meinem Alter, neben der Uniform aus Jeans und T-Shirts sah man einige flatternde Gewänder, Pumphosen aus indischen Stoffen wie in den Siebzigerjahren, mit Henna rot gefärbte Haare oder graue Schöpfe, wenige Männer – erkannte ich die Frau vom Flughafen. Sie stand an einem Mäuerchen, mit ihren zwei Rucksäcken, eine Zigarette in der Hand, eine Flasche Amstel-Bier vor sich.

Sie würde mich nicht kennen, nahm ich an, nach so einem Rausch erinnerte sie sich wahrscheinlich nicht an die Personen, die im Raum waren, als sie in Ohnmacht fiel. Sie sah ein paar Mal in meine Richtung, hielt den Blick einige Sekunden auf mich gerichtet, zündete sich eine Zigarette an, zog lange daran, nahm einen Schluck aus der Flasche, machte Fotos mit ihrem Handy.

Hatte sie mich doch erkannt? Wohl nicht. Was trieb mich, langsam zu ihr zu gehen, meinen Rucksack neben ihr auf den Boden zu stellen und sie anzulächeln, als sie mich bemerkte?

„Hallo“, sagte ich, „auch nach Loutro?“

„Ja, wieder einmal! Ich komme jedes Jahr her.“

„Ich war schon lange nicht mehr da, das letzte Mal vor zwanzig Jahren. Früher war ich sehr oft in Kreta. Einmal bin ich in den Bergen fast verdurstet, das war auch im Süden, zwischen Sougia und Aghia Roumeli.“ „Was, echt? Ja, das darf man nicht unterschätzen, das ist nicht das Waldviertel hier!“

Sie lachte, nahm die Zigarette in die linke Hand und streckte mir die rechte entgegen.

„Ich bin Else.“

„Ich Barbara. Du, kennst du mich noch?“

Sie schloss halb die Lider, wie es Kurzsichtige tun, wenn sie etwas genauer sehen wollen, die Zigarette noch immer zwischen den Fingern. „Nein, aber du kommst mir bekannt vor.“

„Ich habe deinen Rucksack abgegeben, als du in der Bar umgefallen bist. Ich habe meine Telefonnummer dazugelegt.“ Sie lachte auf.

„Nein, bitte nicht! Wie peinlich! Oh Gott, so peinlich!“

Sie dämpfte die Zigarette aus und warf sie in den Abfallkorb an der Mauer.

„Ich erinnere mich an gar nichts mehr, sorry. Jetzt gibt‘s eine Zeugin für meine Schande, echt ein Pech.“

Sie verzog das Gesicht in einer Grimasse des Ekels, die Oberlippe hochgezogen, die langen Schneidezähne freigelegt.

„Der Ouzo war einfach tödlich … naja, nicht ganz, ich hab‘s ja überlebt.“

Sie lächelte nun, ich lächelte zurück. Ich wusste etwas von ihr, vielleicht ein Geheimnis. Liebe. Verrat. Rache. Und wir waren verbunden durch ein gemeinsames Erlebnis. Sie hatte sich aus der Realität getrunken und ich war Zeugin. Beobachterin und Zeugin. Beobachterin, Zeugin und Helferin.

„Danke, dass du den Rucksack abgegeben hast, wer weiß, was damit passiert wäre. Es ist ja nichts Wertvolles drin, aber für mich das Allerheiligste.“

So dicht neben ihr sah ich, wie klein sie war, viel kleiner als ich. Sie sah mädchenhaft aus trotz der breiten weißen Linie am Scheitel, ein puppenhaftes Gesicht mit großen Augen, kurzer Nase und kleinem Mund. „Bist du aus Wien?“, fragte sie.

„Ja, irgendwie. Eigentlich aus Oberösterreich, mit achtzehn nach Wien, aber bald nach Amsterdam. Dort habe ich lange gelebt. Jetzt wohne ich wieder in Wien.“

„Aus Oberösterreich? Das hört man dir gar nicht an. Bei mir merken das die Leute sofort. Ich bin auch mit achtzehn nach Wien, aber den Akzent habe ich behalten.“

Ich hörte die oberösterreichische Melodie, das gleichsam Hüpfende im Rhythmus und die lang gehaltenen Konsonanten, und es war wie ein vertrauter Ton aus Kindertagen, den ich schon vergessen hatte.

Wir sahen die Fähre näherkommen und stellten uns zur Warteschlange auf dem Anlegesteg. Kleine Taxiboote legten an und holten Leute ab, offensichtlich im Voraus bestellt.

„Das hätten wir auch machen können“, meinte ich zu Else, „das wäre wohl bequemer.“

„Das machen wir das nächste Mal“, sagte sie.

Ich trat schnell einen Schritt zur Seite, als müsste ich so klarstellen, dass es ein nächstes Mal nicht geben würde, dass ich Ruhe wollte. Kein Teil von Plänen sein wollte. Else sah mich an und lächelte wieder, als wüsste sie schon, wie eng unser Band die nächsten Tage werden würde.

Die Fahrt auf der Fähre, das herrliche Wasser, die fast kahlen Berge, karg bewachsen mit silbergrauen, genügsamen Büschen, riesige Felsklötze über den schmalen Stränden, kleine weiße Kapellen, Ziegen mit bimmelnden Glocken um den Hals. Möwen. Um jedes Schiff auf der Welt fliegen Möwen.

„Mir geht das Herz auf“, sagte ich zu Else, „jedes Mal, wenn ich nach Griechenland komme.“

„Mir geht‘s genauso“, flüsterte Else. Die ganze Fahrt lang standen wir gemeinsam an der Reling und schauten aufs Land, und als wir – schon in der Abenddämmerung – in die bezaubernde Bucht von Loutro einfuhren, gesäumt von weißen Häusern und bewacht von den grauen Steinriesen, kamen wir drauf, dass wir beide nicht nur dasselbe Hotel am Hafen gebucht hatten, sondern dass unsere Zimmer auch noch nebeneinander an einer Terrasse lagen.

„Das ist ein Zeichen, wir sind gesegnet“, sagte sie und ich erschauderte. Sie hob die Hand, die Handfläche zu mir gewandt, ähnlich wie in der Flughafenbar, als sie allen zeigte, dass kein Blut daran war.

Wir aßen im kleinen Restaurant des Hotels zu Abend, die Tische am äußersten Rand an der Hafenmauer, das Meer unter uns gluckernd, nachlässig bedient von einem jungen Mann im typischen weißen Unterhemd, mit einer selbstverständlichen, in sich ruhenden, unaufdringlichen Männlichkeit, der schweigend das Bestellte brachte und sich dann wieder auf seinen Hocker an der Hauswand zurückzog und am Handy tippte. Ein großer Käfig mit einem Graupapagei stand auf einem Gestell neben der Tür, der Vogel saß reglos auf der Stange.

Gefülltes Gemüse, gekochte Kartoffeln dazu und ein Teller Tzatziki für mich, für Else Pommes frites und auch Tzatziki. „Ich habe eigentlich keinen Hunger“, meinte sie. Ich bot ihr an, von meinen gefüllten Zucchini, Melanzani und Tomaten zu nehmen, und sie griff dann doch zu und nahm von jedem Gemüse die Hälfte. „Das ist köstlich“, sagte sie. „Griechisches Essen hat einen schlechten Ruf, aber es ist köstlich, wenn man hier am Meer sitzt.“

Ich bestellte ein Bier, Else eine Flasche Weißwein, und wieder war ich erstaunt, wie viel und wie schnell diese kleine Person trinken konnte, wie Wasser trank sie den Wein, und als wir mit dem Essen fertig waren, war auch die Flasche Vasilissa leer. Sie wirkte nüchtern und konzentriert, redete nur schneller und mehr als zuvor.

„Aus deinem Rucksack sind Hefte mit Texten gefallen, bist du Schriftstellerin?“, fragte ich.

Sie lachte auf.

„Ja, wäre ich gern! Eigentlich bin ich Lehrerin, Deutsch und Geschichte.

Aber ich habe nur kurz unterrichtet, gegen diese tobenden Halbwüchsigen habe ich mich nicht durchsetzen können. Mir ging es sehr schlecht damals. Ich habe dann alles Mögliche gearbeitet, als Übersetzerin, Kellnerin, Reiseleiterin … was man halt so macht als verkrachte Existenz.“ Ich sagte nichts darauf.

Sie sah mich wieder auf diese kurzsichtige Art mit zusammengezogenen Augenlidern an, sie wartete auf eine Frage von mir. Ich fragte aber nicht. Hast du zu viel gesoffen?, war das einzige, was mir einfiel, und als ob sie mir das bestätigen wollte, sah sie zum Kellner. „Parakaló, bitte“, rief sie und zeigte auf die Flasche, „one more, please.“

Der Kellner nickte auf griechische Art, den Kopf zur Seite drehend. Es sah elegant und gleichzeitig beiläufig aus, und ohne weitere Worte holte er eine Flasche aus dem Kühlregal, das an der Außenwand stand, entkorkte sie und brachte sie an unseren Tisch.

„Another beer?“, fragte er mich, und ich wollte Else nicht allein lassen mit dem vielen Alkohol, vielleicht genierte sie sich und hatte ein schlechtes Gewissen und musste trotzdem trinken, also nickte ich, auf europäische Art, indem ich den Kopf auf und ab bewegte.

Ich zeigte Else die Broschüre mit den Wanderwegen rund um Loutro. „Das ist super, warum kenne ich das nicht? Machen wir doch alle Walks, die da drinstehen. Jeden Tag einen anderen.“

„Ja, das habe ich vor, schauen wir mal, wie viel wir schaffen. Zuerst möchte ich Walk Number 10 machen, nach Aghia Roumeli, weißt du, dorthin, wo ich damals fast verdurstet bin. Mit der Fähre nach Roumeli, ein paar Kilometer in die Samariá-Schlucht hineingehen, mit der Fähre wieder zurück.“

Else nahm die Broschüre, blätterte darin, und legte sie wieder auf...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99139-798-6 / 3991397986
ISBN-13 978-3-99139-798-4 / 9783991397984
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