Romantic Thriller Spezialband 3009 - 3 Romane (eBook)
500 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7334-1 (ISBN)
2
Jennys Vater, William Wheelan, war mit Leidenschaft Archäologe gewesen. Sein besonderes Interesse galt den Inka, eine Vorliebe, die niemand so recht hatte verstehen können. Drei große Expeditionen hatte er nach Südamerika geführt, und er war in der Lage gewesen, den größten Teil der Kosten selbst zu tragen und damit von einem Sponsor oder einem wissenschaftlichen Institut unabhängig zu sein. Er konnte auf ererbtes großes Vermögen zurückgreifen, und Jenny besaß nach seinem Tod das Erbrecht. Doch es gab eine Klausel, die verhinderte, dass ihr bereits alles ausgezahlt wurde. Das Geld war treuhänderisch festgelegt, und erst im Alter von fünfunddreißig Jahren würde es ihr voll und ganz zur Verfügung stehen. William Wheelan hatte damit verhindern wollen, dass Erbschleicher sich um seine Tochter bemühten. Ihm war dabei entgangen, dass seine Tochter einen sicheren Instinkt und ein gesundes Selbstbewusstsein besaß, sie würde nicht so einfach auf einen Mann hereinfallen, mochte er auch noch so treue Augen und schöne Worte machen.
Im Übrigen war Jenny nicht einmal auf das Geld angewiesen, sie arbeitete für ein Museum und verdiente ihr eigenes Geld, so dass sie die regelmäßigen monatlichen Zahlungen meist selbst noch anlegen ließ, weil sie gar nicht so recht wusste, was sie mit all dem Geld anfangen sollte.
Sie selbst träumte allerdings davon, eine längere Forschungsreise nach Frankreich und Italien zu machen, denn ihr Fachgebiet war das Mittelalter, und zahllose Kirchen und Museen hatte sie schon besichtigt oder auch gründlich erforscht.
Nun, vielleicht würde sie wirklich eine ausgedehnte Reise unternehmen, wenn sie über all das Geld verfügte, das ihr mit dem fünfunddreißigsten Geburtstag zustand, doch bis dahin waren es noch rund neun Jahre, Jenny hatte gerade erst ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag gefeiert.
An diesem Tag war ihr aus dem Nachlass ihres Vaters ein ganz besonderes Geschenk zuteil geworden – ein Kipu.
Es handelte sich dabei um eine Überlieferung der Inka, eine Art Buch, allerdings anders, als wir modernen Menschen uns ein Buch vorstellen.
Ein Kipu besteht aus bunten Bändern mit unzähligen Knoten. Jeder dieser Knoten hat eine besondere Bedeutung, alles zusammen erzählt eine Geschichte, eine Tatsache, die uns heute unglaublich erscheint. Es bedurfte vieler Jahre und ungeheurer Erfahrung, um diese Knoten zu lesen, und selbst unter den weisen Männern der Inka hatte es nur wenige gegeben, die in der Lage waren, diese Bänder zu knüpfen und zu entschlüsseln.
William Wheelan war zu seiner Zeit einer der wenigen Menschen auf der Welt gewesen, der wenigstens noch einen Teil des Kipus hatte entschlüsseln können, oder vielmehr deuten.
Für Jennys Geschenk lag eine Übersetzung der Geschichte dabei, und sie hatte das Ganze wie ein Märchen gelesen. Immerhin ging es um einen verborgenen Schatz. Doch das alles war lange her, und ganz bestimmt gab es diesen Schatz schon ebenso lange nicht mehr. Doch ein Anhang in ihres Vaters Handschrift hatte sie dann stutzig werden lassen. Demnach war der Schatz von einem europäischen Eroberer gefunden und seltsamerweise nach Schottland gebracht worden, dann jedoch durch eine Reihe von Zufällen und unvorhergesehenen Ereignissen in Vergessenheit geraten.
Chris hatte gescherzt und ihr vorgeschlagen, gemeinsam mit ihm eine Expedition in die Highlands zu unternehmen und Höhlenforschung zu betreiben. Sie hatte lachend abgewehrt. Doch der Gedanke spukte mit schöner Regelmäßigkeit durch den Kopf des jungen Mannes. Zu konkret waren seiner Meinung nach die Hinweise, die Wheelan hinterlassen hatte. Und dass Jenny dieses Geschenk bekam, quasi noch aus dem Grab heraus, deutete doch einfach darauf hin, dass Wheelan von seiner Tochter erwartete, gewissermaßen als Vermächtnis, dass sie dieses Unternehmen in die Wege leitete.
Aber Jenny blieb hartnäckig bei ihrer Weigerung, sie wollte nichts von einer Expedition in die Highlands wissen.
Doch als die beiden nach diesem Ausflug in die Vergangenheit zurück nach Hause fuhren, kam Chris noch einmal darauf zu sprechen.
„Es macht mich stutzig“, begann er. „Diese Frau sprach von deinem Kipu, als würde sie ganz genau wissen, um was es geht.“
„Unsinn. Vielleicht hat sie mich einmal im Museum gesehen und hielt das jetzt einfach für einen guten Einfall, als wüsste sie wirklich etwas über mich. Du weißt doch, wie diese Leute arbeiten. Neunzig Prozent ihrer Vorhersagen sind Psychologie. Sie beobachten die Menschen und achten auf kleinste Anzeichen, der Rest ist einfach Erfindung, die sich aus dem Gesehenen ergibt. Und im Museum gibt es schließlich eine ganze Menge alter Dinge, auf die sie sich beziehen konnte. Ich bin sicher, so lässt sich das alles aufklären. Mach also bitte keine Staatsaffäre daraus. Ich bin dafür, dass wir die ganze Sache schnell wieder vergessen, wahrscheinlich haben wir auch einfach zuviel dahinein gedacht. Es war sicher nicht mehr als ein Scherz.“ Jenny wollte den Vorfall vergessen, allein schon deswegen, weil ihr auch bei der Erinnerung daran noch nicht wohl zumute war.
„Aber Jenny, Liebes, ich bin sicher, dein Vater wollte, dass...“
„Lass meinen Vater und diesen verflixten Kipu aus dem Spiel“, unterbrach sie ihn scharf. „Daddy hatte seine Welt, ich habe die meine. Und es liegt mir nichts daran, mich auf die Suche nach einem imaginären Schatz zu machen, den ich nicht einmal brauche.“
Chris lenkte ein. Wenn Jenny in dieser Stimmung war, würde er tauben Ohren predigen. Er legte ihr eine Hand auf den Arm und lächelte sie reumütig an.
„Sorry, Liebes, es geht einfach manchmal mit mir durch.“
„Schon gut“, grinste sie zurück, längst wieder versöhnt. „Ich habe deine Leidenschaft für diese unnütze Suche registriert. Aber wenn du unbedingt losziehen willst, musst du das schon allein tun.“
Als Jenny den Wagen über die weiße Kiesauffahrt zu Winters Tale Manors fuhr, entdeckte sie den großen schwarzen Jaguar vor dem Eingang. „Onkel Daniel ist da“, bemerkte sie überrascht.
Daniel Thornton war Anwalt von Beruf, einst der beste Freund von William Wheelan, dann Testamentsvollstrecker, heute Verwalter des Treuhandfonts. Er liebte Jenny wie ein Vater, hatte sie aufwachsen sehen und ihre großen und kleinen Sorgen geteilt. Sie hatte volles Vertrauen zu ihm, auch wenn er, wie schon William, grundsätzlich der Meinung war, dass es keinen Mann gab, der gut genug für seine kleine Jenny wäre. Auch Christopher mochte er nicht besonders, obwohl er ihm wenigstens nicht unterstellte, hinter Jennys Geld her zu sein. Doch jeder Mann, der sich für Jennifer interessierte, war in seinen Augen suspekt. Vermutlich wäre nicht einmal der Kronprinz in seinen Augen gut genug.
Thornton saß im großen Arbeitszimmer, das einst William Wheelan benutzt hatte, und das heute Jenny belegte. Er hatte einige Papiere auf dem Schreibtisch vor sich liegen, stand aber mit einem fröhlichen Lächeln auf, als er die junge Frau erblickte. Chris ignorierte er großzügig. Er zog Jenny an sich und küsste sie auf beide Wangen, eine zärtliche, vertraute Begrüßung, die sie ebenso erwiderte.
„Was machst du hier?“, erkundigte sie sich erstaunt. „Ich habe dich nicht vor Ende des Monats erwartet. Gibt es etwas Wichtiges, oder kommst du einfach mal so vorbei?“
Thornton lebte und praktizierte in Edinburgh, und er kam für gewöhnlich einmal im Monat zum Herrenhaus hinaus, um Jenny den Scheck zu bringen, der ihr zustand, und den sie ihm meistens wieder mitgab, damit er das Geld weiter anlegte. Und dieses Geld wurde selbst schon aus den Zinsen des angelegten Vermögens erwirtschaftet.
„Ich habe hier die jährliche Aufstellung der Anlagewerte“, sagte der Anwalt und deutete auf die Papiere auf dem Schreibtisch. Jenny machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Das interessiert mich nicht. Du machst das schon. Warum soll ich mir den Kopf darüber zerbrechen, ob du alles richtig angelegt hast? Ich bin sicher, du hast nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Lass es also da liegen.“
„Du gehst sehr leichtsinnig damit um“, rügte Daniel, und doch klang ein liebevoller Unterton aus seiner Stimme.
„Ich bitte dich, Onkel Daniel, ich habe nicht die geringste Ahnung von Geldgeschäften. Das alles könnte ich sowieso nicht nachprüfen. Soll ich jetzt noch jemanden beauftragen, der dich überprüft? Das kann doch nicht dein Ernst sein“, lachte sie. Eine Diskussion dieser oder ähnlicher Art führten die beiden mindestens einmal jährlich, immer dann, wenn die Abrechnung fällig war.
„Dein blindes Vertrauen in allen Ehren“, warf jetzt Chris ein. „Aber wenn es um Geld geht, und hier sind es doch wohl bedeutende Summen, spielt absolute Korrektheit eine Rolle. Du solltest wirklich überprüfen, oder überprüfen lassen, ob alles seine Richtigkeit hat.“
Ein verärgerter Ausdruck erschien in Thorntons Gesicht. „Ich glaube nicht, dass Ihr Rat hier gefragt ist, junger Mann“, stellte er abweisend fest.
„Es ist schon komisch. Ihr seid beide einer Meinung, und trotzdem kommt ihr nicht auf einen gemeinsamen Punkt“, seufzte Jenny. „Was ist nur los mit euch?“
„Nichts, ich mag nur keine Einmischung“, brummte Thornton, noch immer verärgert.
Chris zuckte die Schultern und schwieg.
„Lasst...
Erscheint lt. Verlag | 19.3.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
ISBN-10 | 3-7389-7334-6 / 3738973346 |
ISBN-13 | 978-3-7389-7334-1 / 9783738973341 |
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