Die Tränen der Königin (eBook)

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2023 | 1. Auflage
544 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3278-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tränen der Königin -  C. W. Gortner
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Mit 13 Jahren erlebt Johanna von Kastilien die Vereinigung des Königreichs Spaniens unter ihren Eltern Isabella und Fernando mit. Intelligent, schön, und stolz auf ihre Herkunft kämpft Johanna gegen ihr Schicksal an, als sie als zukünftige Braut des Habsburgers Philip des Schönen auserwählt wird. Aber als sie in Flandern dem attraktiven und sympathischen Prinzen gegenübersteht schlagen ihre Gefühle um.

Doch weiß sie noch nicht, dass dieser Mann, nicht nur die größte Liebe ihres Lebens sein wird, sondern auch ihre bitterste Enttäuschung ...


Opulent und mitreißend: ein Roman über Johanna, die letzte Königin Spaniens




C. W. Gortner wuchs in Südspanien auf. In Kalifornien lehrte er an der Universität Geschichte mit einem Fokus auf starke Frauen inder Historie. Er lebt und schreibt in Nordkalifornien. Im Aufbau Taschenbuch ist bereits sein Roman 'Marlene und die Suche nach Liebe' erschienen.

Mehr Informationen zum Autor unter www.cwgortner.com

Kapitel 1


Ich war dreizehn Jahre alt, als meine Eltern Granada eroberten. Das geschah 1492, im Jahr der Wunder, als dreihundert Jahre maurischer Herrschaft der Macht unserer Armeen erlagen und die zerschlagenen Königreiche Spaniens endlich wieder vereinigt wurden.

Seit meiner Geburt war ich auf Kreuzzug gewesen. Oft war mir erzählt worden, wie die Geburtswehen meine Mutter ausgerechnet in dem Moment niederwarfen, als sie sich anschickte, mit ihrer Streitmacht zu den Belagerungstruppen meines Vaters zu stoßen, und sie aufs Kindbett zwangen – eine Störung, die ihr überhaupt nicht behagte. Schon binnen weniger Stunden vertraute sie mich einem Kindermädchen an, damit sie sich aufs Neue in ihre Schlachten stürzen konnte. Zusammen mit meinem Bruder Johann und meinen vier Schwestern hatte ich von Anfang an nur das Chaos eines umherziehenden Königshofs gekannt, der sich in allem nach den Erfordernissen der Rückeroberung, des Kreuzzugs gegen die Mauren, gerichtet hatte. Eingeschlafen und aufgewacht war ich stets bei ohrenbetäubendem Getöse, veranstaltet von Tausenden Seelen in Rüstung; von Lasttieren, die Katapulte, Belagerungstürme und primitive Kanonen schleppten; von endlosen Wagenkolonnen, beladen mit Kleidern, Ausrüstungsgegenständen, Vorräten und Werkzeugen. Selten hatte ich Marmor unter den Füßen oder ein Dach über dem Kopf genießen dürfen. Das Leben bestand aus einer Serie von Pavillons, errichtet auf steinigem Gelände, und aus ängstlichen Lehrern, die beim Herunterleiern ihrer Lektionen zusammenzuckten, sobald brennende Pfeile über sie hinwegzischten oder Steingeschosse in der Ferne eine Festung zertrümmerten.

Mit der Eroberung von Granada änderte sich alles – für mich und für Spanien. Die hochbegehrte Bergzitadelle war das prächtigste Juwel in der versinkenden Welt der Mauren, und meine Eltern, Isabella und Ferdinand, Ihre Katholischen Majestäten von Kastilien und Aragonien, schworen, sie eher bis auf die Grundmauern niederzureißen, bevor sie sich noch länger den Trotz der Frevler bieten ließen.

Ich habe das Bild noch vor Augen, als stünde ich im Eingang zu unserem Pavillon: längs der Wegesränder die Reihen von Soldaten, in deren zerbeulten Brustharnischen und Lanzen die Wintersonne glitzerte. Sie warteten, die eingefallenen Gesichter vorgereckt, als hätten sie Not und Elend nie kennengelernt und die zahllosen Entbehrungen und Toten in zehn langen, von Schlachten geprägten Jahren in diesem Moment völlig vergessen.

Mich durchlief ein Schauer. Von der sicheren Hügelkuppe aus, auf der unsere Zelte standen, hatte ich beobachtet, wie Granada fiel. Ich verfolgte die Flugbahn der brennenden Steine, die in Pech getränkt, angezündet und gegen die Stadtmauern katapultiert worden waren, und sah, wie Gräben ausgehoben und mit vergiftetem Wasser gefüllt wurden, damit niemand sie durchqueren konnte. Wenn der Wind aus der richtigen Richtung wehte, vernahm ich bisweilen sogar das Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden. Solange die Stadt schwelte, flackerte in der Nacht auf den Stoffplanen unseres Zelts ein gespenstisches Wechselspiel aus Licht und Schatten, und jeden Morgen waren unsere Gesichter und sämtliche Kissen von Asche bedeckt, wie auch unsere Teller und überhaupt alles, was wir aßen oder anfassten.

Ich konnte kaum glauben, dass es wirklich vorbei war. Ich kehrte ins Zelt zurück und stellte verdrießlich fest, dass meine Schwestern sich immer noch mit ihren Kleidern abmühten. Ich war als Erste aufgewacht und hatte sogleich meinen neuen karmesinroten Brokatumhang angelegt, nachdem meine Mutter für jede von uns einen angefordert hatte. Ungeduldig mit den Füßen stampfend, schaute ich zu, wie unsere Kinderfrau Doña Ana die mit Spitzen besetzten Schleier ausschüttelte, die wir immer in der Öffentlichkeit tragen mussten.

»Dieser verfluchte Staub!«, stöhnte sie. »Er ist sogar in die schöne weiße Bettwäsche eingedrungen! Ach, ich kann die Stunde gar nicht erwarten, in der dieser Krieg zu Ende ist!«

»Diese Stunde ist da!« Ich lachte. »Heute übergibt Boabdil den Schlüssel für die Stadt. Mama wartet schon im Feld auf uns und …« Ich unterbrach mich. »Bei allen Heiligen! Isabella, du hast doch nicht vor, von allen Tagen ausgerechnet heute Trauer zu tragen?«

Unter der schwarzen Haube flammten die blauen Augen meiner älteren Schwester auf. »Was weißt du, ein Kind, denn schon von meinem Kummer? Einen Ehemann zu verlieren ist die schlimmste Tragödie, die einer Frau zustoßen kann. Ich werde nie aufhören, um meinen geliebten Alfonso zu trauern.«

Isabella hatte einen Hang zum Dramatischen, aber ich weigerte mich, ihr das durchgehen zu lassen. »Du warst noch keine sechs Monate mit deinem geliebten Prinzen verheiratet, als er vom Pferd gefallen ist und sich das Genick gebrochen hat. Du redest doch bloß deswegen so, weil Mama erwähnt hat, dass sie dich mit seinem Cousin verloben möchte – das heißt, falls du je damit aufhörst, die verzweifelte Witwe zu spielen.«

Die züchtige Maria, ein Jahr jünger als ich und ebenso altklug wie humorlos, mischte sich ein. »Johanna, bitte! Du musst Isabella etwas mehr Respekt zeigen.«

Ich warf ärgerlich den Kopf zurück. »Soll sie erst Respekt vor Spanien zeigen! Was wird Boabdil denken, wenn ihm die Infantin von Spanien wie eine Krähe gekleidet gegenübertritt?«

»Boabdil ist ein Häretiker!«, blaffte Doña Ana. »Seine Meinung ist ohne Belang.« Sie drückte mir einen Schleier in die Hand. »Hört auf zu plappern und helft lieber Katharina.« Geronnene Milch hätte nicht saurer sein können. Andererseits hätte ich wohl durchaus auch den einen oder anderen Gedanken an die Zumutung erübrigen können, die der Kreuzzug für die müden Knochen unserer Kinderfrau bedeutet hatte. Gehorsam ging ich zu meiner jüngsten Schwester hinüber. Wie Isabella, unser Bruder Johann und bis zu einem bestimmten Grad auch Maria ähnelte Katharina unserer Mutter: rundlich, klein, wunderschöne blasse Haut, blondes Haar und Augen von der Farbe des Meeres.

»Du siehst bezaubernd aus«, versicherte ich ihr und legte ihr den verzierten Schleier über den Kopf.

»Du auch«, flüsterte die kleine Katharina. »Eres la más bonita.«

Ich lächelte. Katharina war acht Jahre alt. Die Kunst, Komplimente zu machen, musste sie erst noch lernen. Sie konnte unmöglich gewusst haben, dass ihre Worte mich in dem Gefühl bestärkt hatten, unter meinen Geschwistern einzigartig zu sein. Das Aussehen verdankte ich bis hin zu einem leichten Schielen eines meiner bernsteinfarbenen Augen und der nicht so modischen olivbraunen Haut meinen Verwandten väterlicherseits. Ich war die Größte von uns allen und zudem die Einzige mit üppigen kupferfarbenen Locken.

»Nein, die Schönste bist du«, widersprach ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Als ich die Finger um ihre Hand schlang, ertönte in der Ferne der Klang von Trompeten.

Doña Ana winkte uns zu sich. »Schnell! Ihre Majestät wartet!«

Gemeinsam eilten wir zu einem weiten verkohlten Feld, wo ein mit einem Baldachin überdachtes Podium errichtet worden war.

Meine Mutter stand dort in ihrem hochgeschlossenen malvenfarbenen Gewand, um ihr Haarnetz ein Diadem. Wie immer in ihrer Gegenwart beugte ich unwillkürlich leicht die Knie, um meine hohe Gestalt zu verbergen.

»Ah!« Sie winkte mit ihrer beringten Hand. »Kommt her! Isabella und Johanna, ihr stellt euch rechts von mir auf, und ihr, Maria und Katharina, links von mir. Ihr seid verspätet. Ich war schon etwas besorgt.«

»Vergebt uns bitte, Eure Majestät«, bat Doña Ana mit einer tiefen Verbeugung. »Die Truhen waren voller Staub. Ich musste die Roben und Schleier Ihrer Hoheiten ausschütteln.«

Meine Mutter musterte uns. »Sie sehen vorbildlich aus.« Dann bildete sich eine Falte auf ihrer Stirn. »Isabella, hija mia, schon wieder in Schwarz?« Ihr Blick wanderte zu mir herüber. »Johanna, richte dich auf!«

Während ich gehorsam die Knie durchstreckte, erreichte uns aus viel größerer Nähe eine neuerliche Trompetenfanfare. Meine Mutter bestieg das Podest, auf dem ihr Thron stand. In der Straße tauchte in einem Wirbel von flatternden Standarten die Kavalkade der Grandes auf, der hohen Fürsten und Edelleute Spaniens. Ich hätte vor Aufregung fast geschrien. An der Spitze des Zugs ritt mein Vater, unverkennbar mit seinem schwarzen Wams und seinem berühmten roten Umhang, der seine breiten Schultern betonte. Sein mit schwarzen und goldenen Decken in den Farben von Aragonien herausgeputztes andalusisches Streitross tänzelte. Hinter ihm ritt mein Bruder Johann, dessen zerzaustes weißblondes Haar sein schmales gerötetes Gesicht umrahmte.

Ihr Auftauchen entlockte den Soldaten spontane Jubelrufe. »Viva el Infante!«, schrien die Männer und schlugen mit ihren Schwertern gegen die Schilde. »Viva el Rey!«

Als Nächstes folgten feierlich die Bischöfe. Aber erst als der Zug das Feld erreichte, bemerkte ich inmitten all dieser Männer den Gefangenen. Die Männer wichen zurück. Auf ein Zeichen meines Vaters hin wurde der Gefangene gezwungen, von dem Esel, auf dem er hockte, abzusteigen und zu Fuß weiterzugehen. Unter wildem Gelächter geriet er sogleich ins Stolpern.

Ich schnappte nach Luft. Seine bloßen Füße waren blutbedeckt. Dennoch fiel mir auf, mit welch natürlicher Würde er seinen Turban aufwickelte, beiseitewarf und sein dunkles Haar entblößte, das ihm über die Schultern fiel. Er war nicht das, was ich erwartet hatte, und schon gar nicht der häretische Kalif, der uns bis in...

Erscheint lt. Verlag 21.3.2023
Übersetzer Peter Pfaffinger
Sprache deutsch
Original-Titel The last Queen
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aragon • Heirat • Kastilien • Königin • Philippa Gregory • Rebecca Gablé • Regentin • Spanien
ISBN-10 3-8412-3278-7 / 3841232787
ISBN-13 978-3-8412-3278-6 / 9783841232786
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