Ein Frachtraumschiff auf Reisen 1: Raumzeitflucht -  Miguel de Torres

Ein Frachtraumschiff auf Reisen 1: Raumzeitflucht (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
140 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7010-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
0,00 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
von Miguel de Torres Eigentlich will Kapitän Abdullah mit seinem Partner nur Spielzeug liefern, doch er löst damit eine Revolution aus, schaut dem Tod ins Gesicht und findet sich plötzlich auf dem Herrscherthron wieder. Als er einen galaktischen Krieg auslöst gibt es nur eines: Flucht.

1.


Es war kein guter Tag für Kapitän Abdullah.

Er hatte es geahnt, als er beim Aufstehen feststellen musste, dass er am Abend zuvor genau dreizehn Bierdosen nach NGU [1] 144/99/272C geleert hatte. Diese Ahnung hatte sich verdichtet, als am Vormittag das Aggregat, das für die Erhaltung der künstlichen Schwerkraft an Bord der INSCHALLAH verantwortlich war, endgültig seinen maschinellen Geist aufgegeben hatte, nachdem es bereits seit einigen Wochen nur noch stotternd und mit deutlich hörbarem Widerwillen gearbeitet hatte.

Und nun mischte sich ein hirnzermarterndes, auf- und abschwellendes Jaulen in den ohnehin nicht gerade niedrigen Geräuschpegel des alten Frachtraumers. Mit einem weiten Satz, den dem Kapitän ob seiner reichlich einhundertfünfzig Kilogramm Lebendgewicht niemand zugetraut hätte, katapultierte sich Abdullah aus dem Kommandantensessel – und konnte gerade noch einen sehnsüchtigen Blick auf seine Magnetschuhe werfen, die er um seiner Hühneraugen Willen ausgezogen hatte, bevor sein Schädel unsanfte Bekanntschaft mit der für das Alter des Schiffes noch erstaunlich stabilen Stahldecke der Zentrale schloss.

„Angriffsalarm!“, zeterte er, nachdem er kurz darauf das Bewusstsein wiedererlangt hatte. „Jemand will uns ans Leder! Ich hab’s ja immer gesagt: Eines Tages … Aber was sitzt du hier seelenruhig herum? Schließlich bist du mein I.O! Bring’ uns gefälligst aus der Schusslinie, aber etwas plötzlich, wenn ich bitten darf!“

Der angesprochene „Erste Offizier“ des alten Raumers ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Nun, ich denke …“

„Denken kannst du später! Jetzt erst mal nichts wie weg hier, wenn überhaupt noch Zeit dazu ist! O Allah! Vielleicht ist das der Beginn einer galaxisweiten Invasion von schlabberhäutigen und glubschäugigen Monstren auf dem Vivisektionstrip! Heute wir, morgen die Galaxis, und nächste Woche dann der Rest des Universums!“

„Ich erinnere mich daran …“

„Er erinnert sich!“ Abdullah schlug die Hände zur Demonstration seiner Fassungslosigkeit über seinem haarlosen Vollmondschädel zusammen. „Erinnere dich lieber daran, wie man ein stolzes Raumschiff wie die INSCHALLAH im Notfall aus der Gefahrenzone bringt. Schließlich wollen wir nicht, dass unsere kostbare Ladung irgendwelchen Schleimis in die Hände fällt, die vielleicht Mottenkugeln als Zahlungsmittel haben – von unseren eigenen zarten Persönlichkeiten höchstselbst gar nicht zu reden!“

„Ich erinnere mich daran“, begann Tsarong, der gebürtige Tibeter – Freund und Partner Abdullahs sowie gleichzeitig Pilot und einziges Besatzungsmitglied der INSCHALLAH – erneut, und diesmal war etwas in seiner Stimme, das den Kapitän daran hinderte, ihn nochmals zu unterbrechen, „dass ein gewisser Hadschi Abdullah Ibrahim vor einigen Wochen die Funkanlage mit der Alarmsirene gekoppelt hat, damit er auch dann keinen Anruf verpasst, wenn er gerade mal ein besonders tiefes Nickerchen macht.“

„Oooooohhhh …“ Beinahe ebenso schnell, wie er aus dem Sessel gesprungen war, saß Abdullah wieder drin, diesmal sorgfältig darauf bedacht, der nicht vorhandenen Schwerkraft Rechnung zu tragen. „Du meinst, das war das Funkgerät?“

Schweigend nickte Tsarong.

„Worauf wartest du dann noch? Geh gefälligst ran!“

„Für mich ist es bestimmt nicht. Außerdem: Wer ist denn hier der Kapitän?“

„Stimmt auch wieder. Aber für mich kann es eigentlich auch nicht sein.“

„Natürlich nicht“, antwortete Tsarong mit nicht zu überhörendem Sarkasmus. „Wer könnte schon etwas von einem Handelskapitän mitten im Weltraum wollen? Ein potentieller Auftraggeber wohl kaum!“

„Natürlich! Das ist es!“ Abdullah schlug seinem Partner mit der geballten Faust auf die Schulter, so dass dieser stöhnend in seinem Pilotensessel zusammensackte und der Kapitän selbst ein Stückchen abhob. „Genau das, worauf wir seit Jahren gewartet haben! Der Auftrag unseres Lebens! Los doch, stell’ schon durch! – Nein, warte noch einen Moment!“

Hastig brachte er den Kragen seiner Handelsraumschiffskapitänsphantasieuniform, die verdächtig einem altertümlichen und selten gewaschenen Kaftan ähnelte, in Ordnung beziehungsweise in das, was er für Ordnung hielt. „So. Ich bin bereit! O Allah, hoffentlich ist es kein R-Gespräch!“

Einen Sekundenbruchteil später erschien auf dem Bildschirm ein stilisierter Krake, das Symbol der Verwaltungsbehörden der GU [2] , und kurz darauf blickte ein ausdrucksloses Beamtengesicht aus toten Augen in die Zentrale der INSCHALLAH.

Einige Sekunden geschah überhaupt nichts. Dann drehte sich das Gesicht zur Seite und fragte, offensichtlich an ein Wesen außerhalb des Erfassungsbereiches der Optik gerichtet: „Was ist denn nun mit der Verbindung? Ich dachte, sie steht!“

„Sie steht auch“, hörten die beiden Partner eine andere, nicht minder ausdruckslose Stimme. „Wie ein – na, sagen wir lieber, wie eine Eins.“

„Ich sehe aber nichts.“

„Völlig unmöglich.“

„Bitte sehr!“ Ein Arm kam ins Bild, der offensichtlich zum gleichen Körper gehörte wie das Gesicht, und der in die Zentrale des Frachters deutete. Die 3-D-Darstellung auf dem Bildschirm der INSCHALLAH war so lebensecht, dass Abdullah unwillkürlich zurückzuckte. „Sehen Sie selbst!“

Wieder hörten die beiden Partner die andere Stimme. „Das brauche ich nicht zu sehen. Ich weiß, dass die Verbindung steht. Also ist auch das Bild da.“ Nun war zum ersten Mal etwas in dieser Beamtenstimme, was entfernt an eine Emotion denken ließ.

„Sehen Sie gefälligst selbst!“ Jetzt machte sich auch in der Stimme des Gesichts der Hauch einer Emotion bemerkbar. „Ich habe ein Recht darauf, dass Sie selbst sehen! Ich bestehe darauf, dass Sie selbst sehen!“

Nun hielt es der Tibeter an der Zeit, einzugreifen. „Hier spricht Tsarong, Eins-O des interstellaren Frachtraumschiffs vierter Klasse INSCHALLAH. Bevor es zu einem irreparablen Zerwürfnis kommt, halte ich es für meine Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass ein Defekt der Erfassungskamera in der Zentrale unseres Raumschiffs vorliegt. Eine Bildübertragung aus der INSCHALLAH ist derzeit leider nicht möglich.“

„Ja, wie finde ich denn das?“ Das Gesicht schien nun die für ihn unsichtbaren Partner zu mustern. „Wann war die INSCHALLAH zum letzten Mal beim GTÜV [3] ?“

„Was für’n Ding?“, rutschte es Abdullah heraus

„Ihre Antwort wurde gespeichert und an die zuständigen Stellen weitergeleitet, die Sie diesbezüglich kontaktieren werden. Nun zu Vorgang 123GU/Y-0815Z. Spreche ich mit dem Kapitän?“

„Für Sie immer noch Reïs Hadschi Abdullah Ibrahim ben Hadschi Muhammad Marib ibn Hadschi Selim Omar!“, polterte der Kapitän, der es gar nicht liebte, wenn dazu nicht autorisierte Personen ihm und seinen Vorfahren den nötigen Respekt verweigerten.

„Mir auch recht“, antwortete das Gesicht. „Meine Dienstnummer ist 17179869180, ich bin verbeamteter Funker zweiter Klasse mit doppelter Pensionsberechtigung des GU-Normenkontrollkreuzers FRACHTERSCHRECK MDCCXVIII. Machen Sie sich bereit, einen Normenkontrolleur an Bord zu nehmen!“

„Ein GU-Normenkontrolleur!“, stieß Abdullah totenbleich hervor. „O Allah, wenn es wenigstens Piraten oder außergalaktische Monstren mit Vivisektionstick wären!“

Geistesgegenwärtig hatte Tsarong das Mikrophon abgeschaltet, während der Kapitän weiterhin sein Schicksal beklagte: „Wie konnte das passieren? Warum haben wir die nicht geortet? Die Schiffe der FRACHTERSCHRECK-Klasse sind immerhin so groß wie ein gestandener Asteroid!“

Die Frage war nicht unberechtigt. Größer als die FRACHTERSCHRECK-Raumer waren nur die mondgroßen GU-Verwaltungskreuzer, die vor einem knappen Jahrhundert eingeführt worden waren, nachdem es den in der GU zusammengeschlossenen Sonnensystemen nicht gelungen war, sich auf einen Verwaltungsplaneten zu einigen. [4] Davon abgesehen hätte ein einziger Planet niemals ausgereicht, ein Staatengebilde mit mehr als tausend Sonnensystemen zu verwalten, vor allem, wenn man die GU-weite stetig wachsende Beamtenquote von derzeit gut fünfzig Prozent berücksichtigt.

„Ich erinnere mich daran …“, begann Tsarong.

„O nein, bitte nicht!“ Abdullah sackte in sich zusammen, doch der Tibeter fuhr unbeeindruckt fort:

„… dass der Herr Kapitän befohlen hat, die Ortungsgeräte im interstellaren Raum auszuschalten, damit sie uns nicht um die Ohren fliegen, bevor wir Libera erreichen …“

Die emotionsleere Stimme unterbrach sie: „Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass mittlerweile auch die Tonübertragung ausgefallen ist. Wahrscheinlich wird es das Beste sein, die, äh, INSCHALLAH, als Wrack fünfter Klasse nach NGU 288/77/546C zu klassifizieren und an Ort und Stelle zu desintegrieren, da sie eine ernste Gefahr für die interstellare Schifffahrt zu bilden scheint.“

Mühsam unterdrückte Abdullah eine Verwünschung und schaltete das Mikrofon wieder ein. „Es war nur ein temporärer Defekt“, entschuldigte er sich. „Sie haben bestimmt Verständnis …“, begann er, doch ein Blick in das ausdruckslose Gesicht auf dem Bildschirm belehrte ihn, dass das Wort „Verständnis“, im NGU-normierten Sprachschatz ...

Erscheint lt. Verlag 21.1.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-7389-7010-X / 373897010X
ISBN-13 978-3-7389-7010-4 / 9783738970104
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 833 KB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Jo Koren

eBook Download (2024)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99

von Jo Koren

eBook Download (2024)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99