Der Samurai und der Fuchs -  Julia Kathrin Knoll

Der Samurai und der Fuchs (eBook)

Teil 2
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2022 | 1. Auflage
410 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-8688-3 (ISBN)
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"Im Moment ihres Falls sind die Kirschblüten am schönsten ..." Nach Claires Abreise spitzt sich die Lage in Kyoto dramatisch zu. Ein tödlicher Konflikt erschüttert die Machtverhältnisse der Shinsengumi, während eine finstere Verschwörung die gesamte Stadt bedroht. Immer tiefer verstrickt sich Soji in ein blutiges Netz aus Intrigen und politischen Machenschaften. Unterdessen macht Claire in Yokohama eine Entdeckung, die sowohl ihr eigenes als auch Sojis Leben für immer verändern wird. Das Finale der historischen Saga um Okita Soji und die Shinsengumi Genre: Historisch, Drama, Romantik

Julia Kathrin Knoll ist im Großraum München geboren und aufgewachsen, hat in Regensburg Germanistik, Italianistik und Pädagogik studiert und arbeitet heute in der Erwachsenenbildung. Sie schreibt hauptsächlich in den Genres Historischer Roman, Romantik und Fantasy.

Kapitel 1


Kyōto, 19. Oktober 1863

 

Der Herbst hatte Einzug gehalten in Kyōto und überschüttete die Blätter der Ahornbäume mit Blut und Gold. Rastlos wie die zitternden Blätter, die vom Wind erfasst zu Boden taumelten, war auch Sōjis Herz in diesen Tagen. War Claire wirklich ganz und gar aus seinem Leben verschwunden? Die Wärme ihrer Berührung, der Klang ihres Lachens … War all dies nur noch eine verblassende Erinnerung tief in seinem Inneren?

Ein Teil von ihm konnte, wollte es nicht glauben. Getrieben von einer brennenden Leere, die wie ein unstillbarer Hunger an ihm nagte, suchte er einige Tage nach ihrer letzten Begegnung Matsumotos Haus auf, in der irren Hoffnung, sie dort noch einmal zu sehen.

Natürlich gebrauchte er einen Vorwand, um den Arzt zu besuchen. Eine leichte Zerrung seiner linken Schulter, die er sich beim Training zugezogen hatte und die er unter normalen Umständen schlichtweg ignoriert hätte, kam ihm da gerade recht.

Matsumoto jedoch entließ ihn mit nichts als einer übelriechenden Kräutersalbe und der niederschmetternden Auskunft, Claire habe sein Haus bereits vor einiger Zeit verlassen.

Und was genau hatte er eigentlich erwartet? Er wagte nicht zu fragen, ob Claire dem Arzt geschrieben hatte, ob er ihren Aufenthaltsort kannte oder wenigstens wusste, ob sie in Sicherheit war.

Stattdessen behielt er die quälenden Fragen für sich und begab sich an Saitō Hajimes Seite auf Patrouille, eine liebgewonnene Gewohnheit, die ihn in den letzten Wochen vermutlich davon abgehalten hatte, schlichtweg den Verstand zu verlieren.

Anstatt gesetzlose Rōnin zu verhaften, nach Unruhestiftern Ausschau zu halten oder sich mit radikalen Kaisertreuen anzulegen, streiften sie an diesem Abend allerdings mehr oder weniger unbehelligt durch die Straßen.

»Willst du noch was trinken gehen?«, fragte Saitō, als Harada und Nagakura sie schließlich ablösten.

»Ja, gern.« Der Abend war noch nicht allzu weit fortgeschritten, und Sōji fiel es in letzter Zeit schwer, allein zu sein. Wenn er allein war, dann drängten sich zu viele Fragen in seinen Kopf, zu viele Gedanken, zu viele nach Bedauern und Reue schmeckende Sehnsüchte.

Vor ihrem bevorzugten Teehaus trafen sie überraschend auf Hijikata und Yamanami.

Misstrauisch blickte Sōji von einem zum anderen. Er wusste, die beiden Vize-Kommandanten der Shinsengumi empfanden eine Art widerwilligen Respekt voreinander und sie hatten im Laufe der Zeit sogar gelernt, halbwegs miteinander auszukommen. Und dennoch waren sie wie Feuer und Wasser. Zu behaupten, sie hätten einander nicht ausstehen können, wäre vielleicht übertrieben gewesen, Seite an Seite im Teehaus hätte Sōji sie jedoch niemals vermutet.

Irgendetwas stimmte hier nicht … Ganz und gar nicht.

Und tatsächlich trogen ihn seine Instinkte nicht.

»Niimi Nishiki hat heute Abend Seppuku begangen«, erklärte ihm Hijikata, ohne sich mit einleitenden Worten aufzuhalten.

»Wie bitte?« Fassungslos starrte Sōji ihn an und vergaß für einen Moment sogar seine Trauer um Claire. »Serizawa-sans rechte Hand ist tot?«

»Ja.«

»So plötzlich?«, mischte sich Saitō ein, dem die Angelegenheit offenbar ebenso verdächtig erschien wie Sōji.

Yamanami indes wich den Blicken der anderen aus und hielt den Kopf auffällig gesenkt. Seine Wangen wirkten unnatürlich bleich im fahlen Licht der Straßenlaternen.

»Niimi hat wiederholt gegen den Verhaltenscodex der Truppe verstoßen«, erwiderte Hijikata ungerührt. »Unter anderem hat er regelmäßig Geld im Namen der Shinsengumi erpresst, um es für private Zwecke zu verschleudern. In diesem Teehaus zum Beispiel.« Mit einer lässigen Handbewegung deutete er auf das Etablissement hinter ihnen. »Yamanami-san und ich konnten ihn heute Abend seiner Vergehen überführen.«

Sōji schnaubte verächtlich, versuchte Yamanamis noch immer in den Boden gerammten Blick aufzufangen und funkelte dann Hijikata an. »Ach, und aus lauter schlechtem Gewissen hat er sich dann sogleich in sein Schwert gestürzt, ja?«, höhnte er bitter.

Sein Sarkasmus prallte an Hijikata ab. »Möglicherweise haben wir ein wenig nachgeholfen«, gab er widerwillig zu.

»Nachgeholfen? Das heißt ihr … ihr habt ihn zum Seppuku gezwungen? Noch im Teehaus?« Sōji wusste selbst nicht, warum er so schockiert war. Er hatte Niimi und seine aalglatte Art nie gemocht. Dass Hijikata – und vor allem Yamanami – zu solchen Methoden griffen, um ihre Gegner aus dem Weg zu räumen, gefiel ihm allerdings keineswegs.

»Was macht das denn für einen Unterschied?«, gab Hijikata kaltblütig zurück. »Niimi hat gegen die Truppenregeln verstoßen. Die Strafe dafür ist Seppuku. Ob er sich in ein paar Tagen die Eingeweide aufschlitzen muss oder heute, tut doch nichts zur Sache.«

Sōji unterdrückte ein Seufzen. Niimi hatte Kaufleute erpresst, er hatte bei der Zerstörung Yamatoyas entscheidend mitgewirkt, er hatte die Menschen in Kyōto tyrannisiert und die Geishas und Kurtisanen der Teehäuser in Angst und Schrecken versetzt. Genau wie Serizawa es getan hatte.

Und doch … Eine Verurteilung nach einem fairen Prozess … Machte es nicht doch einen Unterschied, ob er sich hätte rechtfertigen dürfen – oder nicht?

»Weiß Kondō-sensei, was ihr getan habt?«, fragte Sōji, nur noch mühsam beherrscht.

Niemand antwortete.

»Kondō-sensei wird bald alleiniger Kommandant der Shinsengumi sein«, erklärte Hijikata stattdessen. »Wir können Serizawa und seiner Gruppe ihr Verhalten nicht länger durchgehen lassen.«

»Kondō-sensei hat nie nach der alleinigen Macht gestrebt, das weißt du so gut wie ich!« Aufgebracht funkelte Sōji ihn an. »Er würde niemals wollen, dass ihr ihm den Posten des Kommandanten mit blutgetränkten Händen überreicht!«

»Und genau deshalb muss Kondō-sensei die Shinsengumi befehligen«, bemerkte Yamanami leise. »Nur er allein. Sind wir denn nicht nach Kyōto gekommen, um für Frieden und Sicherheit zu sorgen? Um die Bevölkerung zu beschützen? Stattdessen zittern die Menschen vor Angst, wenn sie nur unsere Uniformen sehen! Hinter vorgehaltener Hand nennt man uns Wölfe. Und das alles ist Serizawa-sans Schuld. Und die seiner Männer. Willst du wirklich weiter tatenlos zusehen, wie sie unschuldige Menschen tyrannisieren und dabei unser aller Namen in den Schmutz ziehen, Okita-kun?«

Mit ungewohnt brennender Intensität bohrte sich Yamanamis Blick in den Sōjis. Selten zuvor hatte Sōji den Freund so aufgebracht erlebt. Yamanami wirkte immer so gefasst, so ruhig und beherrscht. Unter dieser dünnen Schicht aus Eis aber, das spürte er plötzlich, befand sich ein brodelnder Vulkan.

Seltsamerweise schien diese Erkenntnis das zarte Band zwischen ihnen jedoch nur noch enger zu knüpfen. Denn es war ein Vulkan, der für Kondō brannte.

»Ich will nicht, dass Kondō-sensei sich mit diesen Dingen die Hände schmutzig macht, verstehst du?«, bemerkte Hijikata eindringlich, fasste Sōji bei der Schulter und zwang ihn, ihn anzusehen, wobei er ihn gleichzeitig ein Stück von den anderen wegschob. »Sein Gewissen muss rein bleiben. Wir sind es, die unsere Schwerter für ihn beflecken müssen, damit er es nicht tun muss. Begreifst du das, Sōji?«

Der Druck auf seine Schulter verstärkte sich. Es war die, die er sich gezerrt hatte, und Sōji musste sich beherrschen, um keinen Schmerzlaut von sich zu geben. »Natürlich verstehe ich das«, entgegnete er mit erzwungener Ruhe.

Hijikatas Ausdruck wurde weicher. »Ich habe dir gesagt, du würdest dich eines Tages entscheiden müssen«, erklärte er, fast sanft. »Dieser Tag ist nun gekommen.«

Aber Sōji hatte sich längst entschieden.

 

***

 

Einige Tage später sah Sōji Serizawa im Garten des Yagi-Anwesens unter einem Baum sitzen. Es war ein schöner, ungewöhnlich warmer Herbstnachmittag, und mildes, goldweiches Licht fiel durch die Zweige der alten Zeder auf ihn herab. Neben ihm lag, den Kopf auf sein Knie gebettet, eine schlafende junge Frau mit offenem Haar, das sich in schwarzen Kaskaden über das Gras unter ihrem Körper ergoss.

Der Anblick hinterließ einen bittersüßen Stich in Sōjis Herzen, und obwohl er einen solch intimen Moment ungern stören wollte, hielt er für einen Atemzug inne, um den Geschmack der Einsamkeit in seinem Inneren voll auszukosten.

Seine Wirkung auf Frauen gehörte zu den größten Widersprüchen in Serizawas Charakter. Er konnte brutal sein, ja sogar grausam. Er hatte Teehäuser zerstört, Kaufleute erpresst und konnte bei der geringsten Provokation zum eiskalten Killer werden. Und doch schien er gleichzeitig eine sonderbar weiche, charmante Seite zu besitzen.

Sōji kannte die Frau, die bei ihm lag, flüchtig. Es war Oume, die Ehefrau eines Kimono-Händlers, bei dem Serizawa eine große Menge Schulden angesammelt hatte. Anstatt selbst zu kommen, um die Schulden einzutreiben, hatte der Mann seine Frau geschickt, wohl in der Absicht, Serizawa durch deren Schönheit um den Finger zu wickeln. Der Plan war kläglich gescheitert, denn Serizawa hatte die Zahlung hartnäckig verweigert. Am Ende war Oume sogar bei ihm geblieben, ob nun freiwillig oder nicht, konnte Sōji nicht beurteilen. Die Art, wie sie schlafend in seinen Armen lag jedoch, hatte etwas sonderbar Friedliches an sich, eine Art von Erfüllung, die er selbst wohl niemals finden würde.

Seufzend wollte er sich abwenden, da streifte Serizawas Blick den seinen.

Ertappt zuckte Sōji zusammen, Serizawa indes reagierte ungewohnt freundlich und winkte ihn zu sich heran. Behutsam legte er Oumes Kopf im Gras ab, breitete seinen Mantel wie eine Decke über...

Erscheint lt. Verlag 18.12.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7568-8688-3 / 3756886883
ISBN-13 978-3-7568-8688-3 / 9783756886883
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