Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva -  Christoph Martin Wieland

Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva (eBook)

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2017 | 1. Auflage
Sharp Ink (Verlag)
978-80-282-5788-0 (ISBN)
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Christoph Martin Wieland (1733-1813) war ein deutscher Dichter, Übersetzer und Herausgeber zur Zeit der Aufklärung. Um 1761 wurde der Roman Agathon begonnen, der ein großer Erfolg wurde. Es folgte 1764 Don Silvio von Rosalva, oder der Sieg der Natur über die Schwärmerey. In beiden Werken lassen sich zahlreiche Einflüsse von Miguel de Cervantes, Laurence Sterne und Henry Fielding nachweisen. Aus dem Buch: 'In einem alten baufälligen Schloß der spanischen ProvinzValencialebte vor einigen Jahren ein Frauenzimmervon Stande, die zu der jenigen Zeit, da sie in der folgenden Geschichte ihre Rolle spielte, bereits sechzig Jahre unter dem Namen DonnaMencia von Rosalvasehr wenig Aufsehens in der Welt gemacht hatte. Diese Dame hatte die Hofnung, sich durch ihre persönliche Annehmlichkeiten zu unterscheiden, schon seit dem Succeßions-Krieg aufgegeben, in dessen Zeiten sie zwar jung und nicht ungeneigt gewesen war, einen würdigen Liebhaber glücklich zu machen, aber immer so empfindliche Kränkungen von der Kaltsinnigkeit der Mannspersonen erfahren hatte, daß sie mehr als einmal in Versuchung gerathen war, in der Abgeschiedenheit einer Kloster-Celle ein Herz, dessen die Welt sich so unwürdig bezeugte, dem Himmel aufzuopfern. Allein, ihre Klugheit ließ sie jedesmal bemerken, daß dieses Mittel, wie alle diejenigen, so der Unmuth einzugeben pflegt, ihre Absicht nur sehr unvollkommen erreichen, und in der That die Undankbarkeit der Welt nur an ihr selbst bestrafen würde...'

Kapitel 10.
Worin Fern, Salamander, Princessinnen und grüne Zwerge auftreten

So bald die größte Hitze vorbei, begab sich Don Sylvio mit seinem getreuen Pedrillo in den Garten, setzte sich an dem schattenreichesten Ort desselben unter eine Laube von Jasmin, und nachdem er ihm ernstlich untersagt hatte, ihn in seiner Rede nicht zu unterbrechen, wie es so ziemlich seine Gewohnheit war, so erzählte er ihm umständlich alles, was ihm, von dem Abenteuer mit dem Laubfrosch an bis auf den Augenblick, da er ihn in der Grotte schlafend gefunden, begegnet war.

Wir übergehen dasjenige, was unsern Lesern schon bekannt ist, und fangen seine Erzählung da an, wo die unsrige stille gestanden, nämlich bei seiner Entfernung, welche seine Hausgenossen in so große Unruhe gesetzt hatte.

So bald meine Tante abgereist war, fuhr Don Sylvio fort, so ging ich wieder in den Wald, um den Ort zu suchen, wo der blaue Papilion verschwunden war, und mir an seiner statt dieses Bildnis hinterlassen hatte, wovon nunmehr das Glück oder Unglück meines Lebens abhängt. Ich nahm den kleinen Pimpimp mit mir, weil ich hoffte, daß er den Weg, den wir miteinander gegangen, durch seinen Instinct leichter wieder ausspüren würde, als ich mich dessen erinnern könnte. Ich betrog mich nicht, ich erkannte den Ort, und nachdem ich ihn aufs sorgfältigste durchsucht hatte, in der Hoffnung, vielleicht etwas zu finden, das mir einiges Licht geben könnte, wem das Bildnis zugehöre, fing ich an allenthalben umher zu laufen, ob ich den blauen Sommer – Vogel wieder entdecken möchte, den ich, nachdem was mir begegnet war, für keinen gewöhnlichen Sommer-Vogel halten konnte. Wenn es, dachte ich, eine Fee ist, wie ich zu glauben Ursach habe, so bewegt sie vielleicht die Unruhe, worin sie mich sieht, mir wieder sichtbar zu werden, und mir die Nachrichten zu geben, ohne welche ich nicht länger leben kann.

Ich suchte also den ganzen Wald aus, ich fand Sommer-Vögel genug, aber der blaue war nirgends zu sehen. Die Nacht nahm überhand, und Pimpimp war so müde, daß er nicht mehr laufen konnte. Ich war es nicht weniger als er, und da ich diese Grotte, wo du mich gefunden hast, gewahr wurde, so beschloß ich die Nacht da zuzubringen. Ich machte mir ein Lager, und Pimpimp schlief neben mir ein, während daß ich den Gedanken nachhing, die meine Umstände mit sich brachten. Der Mond schien so anmutig, daß er mich zu einem Spaziergang unter den Bäumen, die vor der Grotte stunden, einzuladen schien.

Ich war nicht lange auf und nieder gegangen, so sah ich einen plötzlichen Glanz, der die Bäume und Gesträuche weit umher vergüldete. Ich stutzte auf, und erblickte eine feurige Kugel in der Luft, die weit höher als der Mond zu schweben schien, und sich langsam gegen den Ort, wo ich stund, herab senkte. Du kannst dir nicht vorstellen, Pedrillo, wie groß die Freude war, die ich über diesen Anblick empfand.

Die Freude? unterbrach ihn Pedrillo, nun wahrhaftig, Herr, ihr seid doch nicht wie andre Leute gemacht; ich würde über ein solches Wunderzeichen gleich zu Tode erschrocken sein, und ihr konntet euch freuen? Sagte ich dir nicht, daß ich keine Zwischenreden haben wollte? versetzte Don Sylvio; wenn ich mich freute, so hatte ich eine sehr gute Ursache dazu; denn ich wußte wohl, daß es eine Fee war, und mein Herz sagte mir vor, daß es diejenige sei, die ich suchte. Meine Erwartung betrog mich nicht. Die feurige Kugel, die im Annähern immer größer wurde, zersprang nah über mir mit einem großen Knall, und an ihrer statt sah ich eine wunderschöne Dame auf einem Wagen von Carfunkeln, der von zween feuerfarben geflügelten Schlangen gezogen wurde. Um sie her flatterten auf einer kleinen silbernen Wolke eine Menge Salamander, in Gestalt kleiner geflügelten Knaben von überirdischer Schönheit, ihre Haare schienen gekräuselte Sonnenstrahlen, ihre Flügel Feuerflammen, ihr Leib weißer als der Schnee im Sonnenschein, und die Farbe der Morgenröte schimmerte um ihre Stirn und auf ihren Wangen. Dem ungeachtet wurden sie alle von dem Glanz der Fee verdunkelt, welcher so blendend war, daß mir das Gesicht davon vergangen wäre, wenn sie die Vorsicht nicht gebraucht hätte, mich mit ihrem Stabe zu berühren.

Don Sylvio, sagte sie zu mir, ich bin die Fee Radiante, welcher du neulich in der Gestalt eines kleinen Frosches ein Leben gerettet hast, von welchem so verächtlich es schien, dasjenige abhing, worin du mich jetzt siehest. Du weißt, daß wir alle hundert Jahre acht Tage lang die Gestalt irgend eines Vogels oder Tiers annehmen müssen, daß wir in dieser Zeit den Gebrauch aller unsrer Macht verlieren, und allen Zufällen aus gesetzt sind, denen die tierische Natur unterworfen ist. Die acht Tage, in denen ich genötiget war ein Laubfrosch zu sein, waren bis auf etliche Stunden verstrichen, als das Vergnügen, mich bald wieder in meiner eigenen Gestalt zu sehen, mich unvorsichtig genug machte, meinen Graben zu verlassen, und mich der Gefahr auszusetzen, die mir ohne deine großmütige Hülfe verderblich gewesen wäre. Der Schrecken, den ich in dem Schnabel des Storchs ausgestanden hatte, hielt mich ab, dir sogleich für meine Errettung zu danken, und da ich in wenigen Stunden meine eigne Gestalt wieder erlangt hatte, nötigten mich die Salamander, deren Königin ich bin, meine ersten Augenblicke ihren Angelegenheiten zu schenken. Allein so bald ich wieder Zeit hatte an die Meinigen zu gedenken, erinnerte ich mich, wie viel ich dir schuldig sei, und dachte auf Mittel, dir meine Dankbarkeit zu beweisen. Meine Bücher, die ich zu Rate zog, belehrten mich, daß du vom Schicksal bestimmt seiest eine gewisse Princessin zu lieben, aber daß deinem Glück Schwierigkeiten entgegen stünden, die du ohne einen mächtigen Beistand schwerlich zu besiegen vermögend sein werdest. Ich komme nun dir diesen Beistand anzubieten. Deine Geliebte wird von der Fee Fanferlüsch verfolgt, weil sie sich nicht überwinden konnte, einen gewissen Zwerg zu heuraten, der ein Neffe dieser Fee ist, und wegen seiner grünen Farbe der grüne Zwerg, oder auch, weil er gemeiniglich auf einer Bremse zu reiten pflegt, der Bremsen-Reiter genennt wird. Weil die Princessin unbeweglich blieb, so ist sie vor kurzem von dieser grausamen Fee in einen blauen Papilion mit purpurfarbem Saum verwandelt worden, mit der Bedingung, daß diese Bezauberung nicht eher aufhören solle, bis sie in diesem Zustand einen geliebten Liebhaber gefunden hätte, der ihr den Kopf und die Flügel abreißen würde. Unglücklicher Don Sylvio! der blaue Sommer-Vogel, den du diesen Morgen fingest, war deine Princessin; sie sah dich im Walde, und liebte dich so bald sie dich sah; sie floh nur vor dir, weil sie sehen wollte, ob du ihr nachgehen würdest; und ließ sich willig fangen, so bald sie versichert war, daß sie dir selbst in Gestalt eines Sommer-Vogels nicht gleichgültig sei. Als sie sich in deiner Hand sah, bemühte sie sich dir zu sagen, wie angenehm ihr diese Gefangenschaft sei; aber die grausame Fanferlüsch hatte ihr auch die Sprache geraubt, und sie konnte nichts hervor bringen als einen Seufzer, den du unglücklicher Weise für ein Zeichen hieltest, daß sie den Verlust ihrer Freiheit beklage. Dein mitleidiges Herz bewog dich, sie wieder fliegen zu lassen; sie flatterte traurig fort, würde aber vermutlich bald wieder zurück gekehrt sein, wenn sie nicht in eben demselben Augenblick den grünen Zwerg erblickt hätte, der auf seiner Bremse angeritten kam, und die Zähne so ab scheulich gegen sie blöckte, daß sie sich vor Angst zehen tausend Flügel wünschte, um desto schneller entfliehen zu können.

Zum Glück für sie war ich eben im Begriff dich aufzusuchen; ich sah die Gefahr, worin sich die arme Princessin befand, und eilte ihr zu Hülfe, nachdem ich einem meiner Salamander befohlen hatte, das Bildnis der Princessin in deinen Weg zu legen.

Ich setzte dem grünen Zwerge nach, welcher, zu schwach sich mit mir in einen Kampf einzulassen, alle mögliche Gestalten annahm, um mir zu entwischen. Endlich verwandelte er sich in eine kleine Wolke, allein ich ward es so gleich gewahr, und druckte ihn zwischen meinen Händen so fest zusammen, daß er in Tropfen zerfloß. Die Leute, die unten im Feld arbeiteten, sahen daß es Blut regnete, und hielten es für eine böse Vorbedeutung. Der grüne Zwerg befand sich so übel in dieser Presse, daß er in seine eigene Gestalt zurück trat; allein er behielt sie nicht lange; ich verwandelte ihn in einen elfenbeinernen Zahnstocher, mit der Bedingung, daß er seine natürliche Gestalt nicht eher wieder bekommen sollte, bis er gedient hätte, den hintersten Stockzahn eines achtzigjährigen Mädchens auszustochern, die noch eine unbefleckte Jungfer wäre.

Beim Element, unterbrach ihn Pedrillo, ich bin der Fee Radamante ihr gehorsamer Diener, aber sie denkt nicht, was sie tut; auf diese Art wird der arme grüne Zwerg ewig ein Zahnstocher bleiben; denn seht ihr, Herr Don Sylvio, ich will nicht Pedrillo heißen, wenn ihr mir in der alten und in der neuen Welt eine achtzigjährige Jungfer finden könnt, die noch Zähne auszustochern hat, oder ein achtzigjähriges Mädchen mit Zähnen, die noch eine Jungfer ist.

Dafür laß ich den grünen Zwerg sorgen, versetzte Don Sylvio, wenigstens wird er lange genug suchen müssen, daß ich nichts von ihm zu besorgen habe. Aber sagte ich dir nicht schon zweimal, daß ich nicht unterbrochen sein will? wenn wir gute Freunde bleiben sollen, Herr Pedrillo, so laß michs nicht zum drittenmal sagen.

Gut, Herr, erwiderte Pedrillo, fahret nur fort, und erzürnet euch nicht; ich will so still sein wie eine Maus, ihr wisset, daß ich sonst kein Plauderer bin, aber wie ihr von dem Zahnstocher und von der achtzigjährigen Jungfer – –

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Erscheint lt. Verlag 15.2.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Historische Romane
ISBN-10 80-282-5788-7 / 8028257887
ISBN-13 978-80-282-5788-0 / 9788028257880
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