Die Akte Vaterland (eBook)

Der vierte Rath-Roman
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2023 | 1. Auflage
576 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60434-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Akte Vaterland -  Volker Kutscher
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Berlin am Abgrund: Gereon Raths vierter Fall. Juli 1932, die Berliner Polizei steht vor einem Rätsel: Ein Mann liegt tot im Lastenaufzug von »Haus Vaterland«, dem legendären Vergnügungstempel am Potsdamer Platz, und alles deutet darauf hin, dass er dort ertrunken ist. Kommissar Gereon Rath hat schon genug Ärger. Seine Ermittlungen gegen einen mysteriösen Auftragsmörder treten seit Wochen auf der Stelle, seine große Liebe Charlotte Ritter fängt als Kommissaranwärterin am Alex an - ausgerechnet in der Mordkommission. Und der Tote vom Potsdamer Platz scheint Teil einer Mordserie zu sein, deren Spur weit nach Osten führt. »Ein fabelhafter Krimi, dessen Spannung sich neben der politischen Düsternis aufbaut« Die Literarische Welt

Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte als Tageszeitungsredakteur und Drehbuchautor, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Er lebt als freier Autor in Köln und Berlin. Mit dem Roman »Der nasse Fisch« (2007), dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Gereon Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem bisher acht weitere folgten. Die Reihe ist die Vorlage für die internationale Fernsehproduktion »Babylon Berlin«, deren erste drei Staffeln auf Sky und in der ARD zu sehen waren. Die vierte Staffel folgt im Frühjahr 2023 in der ARD. OLYMPIA, der achte Band der Reihe, verkaufte sich weit über 150.000-mal. Mit den von Kat Menschik illustrierten, im Rath- Universum angesiedelten Erzählungen »Moabit« und »Mitte« gelangen ihm ebenfalls Bestseller.

Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte als Tageszeitungsredakteur und Drehbuchautor, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier Autor in Köln und Berlin. Mit »Der nasse Fisch« (2007), dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Gereon Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem acht weitere folgten. Die Reihe ist die Vorlage für die internationale Fernsehproduktion »Babylon Berlin«. TRANSATLANTIK, der neunte Band der Reihe, verkaufte sich bisher 120.000-mal. Mit der von Kat Menschik illustrierten Erzählung »Moabit« gelang ihm ein weiterer Bestseller, dem im November 2021 die illustrierte Erzählung »Mitte« folgte.

Prolog


Sonntag, 11. Juli 1920

Er ist wieder unterwegs und schleicht durch die Wälder, hat seinen Unterschlupf verlassen und schnürt durchs Gehölz, niemand wird ihn hören, niemand ihn sehen. Eine gelbfarbene Trägheit liegt in der Luft, selbst im Schatten der Bäume spürt er die Wärme des Tages, der Sommer ist mit Macht ins Land gekommen. Die Lindenblüten verbreiten ihren Duft und die Wintergerste auf den Feldern drüben bei Markowsken. Tokala hält inne und nimmt einen tiefen Atemzug. Auch den See kann er bereits riechen und freut sich auf das Bad im kalten, weichen Wasser.

Je näher er seinem Ziel kommt, desto langsamer werden seine Bewegungen. Er ist scheu, und wenn er sich einmal zeigt, dann nur, um den Menschen einen Schrecken einzujagen. Er mag es nicht, wenn sie in seinen Wald kommen, er mag ihr lautes Rufen nicht, nicht ihr rücksichtsloses Trampeln durchs Unterholz, das ihre Verachtung zeigt für alles, was ihm heilig ist.

Er hat einen Spiegel in seiner Hütte hängen, und manchmal, bevor er hinausgeht, reibt er sein Gesicht mit schwarzer Erde ein, bis seine Augen wild leuchten und er aussieht wie ein Raubtier, wenn er die Zähne bleckt. In der Dämmerung macht ihn das so gut wie unsichtbar, jetzt aber steht die Sonne hoch am Himmel, und er hat auf diese Tarnung verzichtet. Umso vorsichtiger bewegt er sich, seine Mokassins sind aus Elchleder, in ihnen schleicht er leise wie eine Katze.

Tokala muss aufpassen, der See gehört schon zu ihrem Reich, er könnte auf Menschen stoßen. In seine Wälder trauen sie sich nicht, dort haben sie Angst, Angst vor dem Moor und vor dem Kaubuk.

Kaubuk. Ja, so nennen sie ihn, weil sie keinen anderen Namen finden. Seinen alten Namen, an den er sich selbst kaum erinnert, haben sie längst vergessen, und noch weniger kennen sie seinen neuen, den er sich zugelegt hat, als er ihre Welt verlassen hat vor vielen Wintern, seinen wahren Namen, seinen Kriegernamen.

Tokala.

Der Fuchs.

Wie ein Fuchs schnürt er durch die Wälder, versteckt sich in seinem Bau, und sie lassen ihn gewähren. Sie lassen ihn in Ruhe seine Dinge tun und er sie die ihren; niemand mischt sich ein in die Welt des anderen, das ist die unausgesprochene Abmachung seit Jahren. Es ist gefährlich in ihrer Welt, doch ab und zu muss er es wagen, muss des Nachts in ihre Städte und Dörfer, wenn er neue Bücher braucht oder Petroleum oder ein paar von den Früchten, die bei ihm im Moor nicht wachsen wollen.

Seine Vorsicht ist nicht übertrieben, er hat den See schon fast erreicht, da hört er ein Summen und Singen und hält inne, inmitten der Bewegung, und lauscht. Eine Frauenstimme, eine unbestimmte Melodie. Langsam schleicht er zu seinem Uferversteck. Tokala hat sie erkannt, schon an ihrer Stimme erkannt, noch bevor er ihr Sommerkleid weiß und rot durchs Geäst schimmern sieht.

Niyaha Luta, so nennt er sie.

Er hat sie schon einmal gesehen, vor wenigen Wochen an derselben Stelle, und auch da hat er in seinem Versteck gehockt und sich nicht zu rühren gewagt. Er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnte im Dunkel des dichten Buschwerks, und doch schien sie ihn direkt anzuschauen, als sie aufblickte von ihrem Buch. Dass sie sich nicht allein fortgestohlen hatte aus der Stadt, das merkte er, als ein metallisches Scheppern und Klingeln in sein Versteck drang und kurz darauf ein Mann mit einem Fahrrad aus dem Wald trat. Sie hatte ihn erwartet, das konnte man sehen. Und dann küsste sie ihn. Es war tatsächlich sie, die ihn küsste, nicht umgekehrt, und da wurde Tokala klar, dass sie sich nicht zum ersten Mal trafen und dass ihre Begegnung kein Zufall war.

Das war der Moment, in dem er sich aus seinem Versteck zurückgezogen hatte ins Dunkel des Waldes.

Und jetzt ist sie wieder hier, und Tokala hockt in seinem Versteck, sieht ihr Kleid, ein Muster wie aus roten Federn auf leuchtendem Weiß, er sieht ihre nackten Beine, die ins Wasser baumeln. Sie sitzt auf dem sonnenbeschienenen Ast, der in den See hinausragt, genau wie damals, und wieder liest sie in einem Buch.

Zweige knacken, als ein Mann aus dem Wald tritt. Nicht der Mann mit dem Fahrrad, es ist ein anderer, und Tokala sieht in ihrem Gesicht, dass sie diesen Mann nicht erwartet hat. Sie klappt ihr Buch zu, als habe er sie bei etwas Verbotenem ertappt.

»Hier also treibst du dich rum«, sagt der Mann.

»Ich treibe mich nicht rum, ich lese.«

»Du liest! Mitten in der Wildnis, wo alle in die Stadt gekommen sind, selbst die Bauern aus Jewarken und Urbanken, um ihre vaterländische Pflicht zu erfüllen?«

Sie reden viel von Vaterland in diesen Tagen. Tokala versteht ihre Reden nicht. Und warum Männer in Uniformen ihn jagen, wenn er von Suwalki ein paar Flaschen Petroleum mitbringt oder Salz im Tausch für seine Pelze. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob er im Markowsker Wald unterwegs ist oder bei Karassewo, sie aber tun, als sei es der Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Die Grenze. Er hat noch nie verstanden, was sie damit meinen. Der Wald ist derselbe, zu beiden Seiten der Grenze, und Tokala wird nie verstehen, warum der eine Baum preußisch sein soll und der nächste polnisch.

Es plätschert, als der Mann ins seichte Uferwasser tritt und zu Niyaha Luta hinübergeht.

»Dass du dich so weit in den Wald hineinwagst! Hast du keine Angst, dass du dich ins Moor verirrst? Oder dass der Kaubuk dich holt?«

»Ich bin kein Kind mehr, dem man mit so etwas Angst einjagt.«

»Nein, du bist kein Kind mehr, fürwahr.« Der Mann schaut sie an, auf eine Art und Weise, die Tokala nicht gefällt. »Du bist eine erwachsene Frau. Hast jetzt sogar Stimmrecht.«

»Ich habe abgestimmt, gleich nach dem Kirchgang. Wenn das deine Sorge sein sollte.«

Sie will laut und mutig klingen, das spürt Tokala, doch ein leises Zittern schwingt in ihrer Stimme mit.

»Meine Sorge …« Er schnaubt verächtlich. »Und danach hattest du nichts Eiligeres zu tun, als hier hinauszureiten …«

Sie schaut sich um, ängstlich. Als fürchte sie, der Mann mit dem Fahrrad könne jeden Augenblick aus dem Wald kommen. Tokala hockt in seinem Versteck und fürchtet sich mit ihr.

»Liegt es vielleicht daran, dass da ein rotes Taschentuch bei der Stadtmühle am Brückengeländer hängt?«

Sie sagt nichts, und der Mann tritt näher, bis an den Ast, auf dem sie sitzt, und zeigt auf die Rinde.

»Da hat jemand ein Herz reingeritzt«, sagt er.

»Ach ja?«

Sie klingt wieder mutiger. Der Mut der Verzweiflung.

»A Punkt, Em Punkt«, sagt er und pult mit seinen Fingern im Holz, »und daneben Jot Punkt, Pe Punkt. Ganz frisch reingeritzt.«

Sie sagt nichts, doch Tokala sieht die Angst in ihren Augen.

»A Punkt, Em Punkt, das könntest ja glatt du sein, mein Täubchen.«

Sein Zeigefinger fährt den Buchstaben in der Rinde nach.

»Aber wer ist Jot Punkt Pe Punkt?«, fragt er.

Tokala sieht, wie sich ihre Angst langsam in Wut verwandelt.

»Was willst du mir sagen?«, herrscht sie ihn an, »was zum Teufel willst du mir sagen?«

»Dass du dir einen Schmisser angelacht hast, das will ich dir sagen! Und was ich davon halte!«

Der Mann brüllt jetzt. Tokala in seinem Versteck hält sich die Ohren zu, doch das Brüllen dringt hindurch.

»Ich habe dir nie irgendwas versprochen!«

Sie ist heruntergesprungen vom Ast, steht mit den nackten Füßen im seichten Wasser und funkelt ihn wütend an.

»Ach ja?«, sagt er. »Aber dem Polack, dem hast du was versprochen, oder wie muss ich das hier verstehen?«

»Du musst gar nichts verstehen, das geht dich alles einen feuchten Kehricht an!«

»Man redet schon über euch! Du bist nicht einmal großjährig und treibst dich mit diesem Kerl rum, wirfst ihm verliebte Blicke zu!«

»Ich habe dir nie etwas versprochen, und niemals, nie im Leben werde ich zulassen, dass ein Kerl wie du mich anfasst!«

Der Mann taumelt zurück, als hätten ihre Worte ihn körperlich getroffen. Wie Stockhiebe. Dann steht er wieder ruhig. Und spricht auch wieder leiser.

»Aber ihn lässt du ran, was? Den Polack!«

»Er ist kein Pole, er ist Preuße, so wie du.«

»Du gibst es also zu!«

»Und wenn schon? Vielleicht...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2023
Reihe/Serie Die Gereon-Rath-Romane
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte ARD-Serie • Babylon Berlin • Berlin • Der nasse Fisch • Der stumme Tod • Die Akte Vaterland • Dreißigerjahre • Gereon Rath • Gereon-Rath-Roman • Goldstein • Historische Krimis • Historischer Roman • Krimi • Kriminalroman • Lunapark • Marlow • Märzgefallene • Sky-Serie • Stummfilm • Thriller • Tonfilm • Zeitgeschichtlicher Krimi
ISBN-10 3-492-60434-X / 349260434X
ISBN-13 978-3-492-60434-5 / 9783492604345
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