Zwei Fantasy Romane: Der Magier Aylon & Das Schwert der Zentauren (eBook)
600 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7159-0 (ISBN)
Das Inquisitionstribunal
Innerhalb der letzten Viertelstunde war es zu dunkel geworden, um mehr als vage Konturen zu erkennen, doch die flachen, regelmäßigen Atemzüge des Mädchens neben ihm zeigten Aylon, dass es eingeschlafen war. Er griff nach seiner Kleidung, die neben dem Bett verstreut auf dem Boden lag und zog einen knapp fingerlangen Metallstab aus einer Tasche des Gürtels. Ein Flämmchen sprang aus dem Stab, nachdem er auf einen kleinen Knopf gedrückt hatte, und er entzündete eine Kerze damit. In ihrem Schein betrachtete er den Stab nachdenklich. Einst hatte er seinem Vater gehört, bis dieser ihn Maziroc anvertraute. Der greise Magier hatte ihn fast zwei Jahrzehnte lang aufbewahrt und Aylon erst vor wenigen Wochen gegeben. Seinen Worten zufolge, handelte es sich um ein Feuerzeug.
Es war ein nützliches Ding, zweifellos, aber anders als zunächst vermutet hatte es nichts mit Magie zu tun, und inzwischen hatte Aylon die Funktion auch weitgehend ergründen können. Durch Drücken des Knopfes wurden zwei winzige Feuersteine aneinander gerieben, die ein brennbares Gas entzündeten. Im Grunde nichts besonderes, wenn nicht alles so klein wäre. Niemand in den bekannten Ländern Arcanas wäre in der Lage, eine so winzige Düse und so feine Schrauben zu schmieden.
Sorgfältig verstaute Aylon das Feuerzeug wieder in der Tasche, dann beugte er sich über das Mädchen. Ein entspanntes Lächeln spielte noch im Schlaf um Lirs Mundwinkel. Sanft strich er ihr eine schwarze Haarlocke aus der Stirn und betrachtete ihre schlanke Figur. Eine Spur halb getrockneten Schweißes glänzte im Tal ihrer Brüste, die sich im Rhythmus ihrer Atemzüge hoben und senkten. Aylon ließ seinen Blick weiterwandern, über ihren festen Bauch, bis hin zu dem schwarzen Dreieck zwischen ihren Schenkeln. Der Anblick ihrer Scham erregte ihn nicht sonderlich, so wie ihr gesamter, unbestreitbar schöner Körper eher bewunderndes Interesse als Begierde in ihm weckte. Der Sex mit Lir war ekstatisch und voller Leidenschaft gewesen, aber wie schon in den vergangenen Nächten ohne sonderliche Befriedigung. Sie war für ihn nicht mehr als irgendein beliebiges Mädchen, und er für sie nur irgendein - zudem reichlich unerfahrener - Mann, auch wenn Aylon zu spüren glaubte, dass sie ihn mehr mochte als ihre anderen Freier, denen sie nur rein körperlich zu Diensten war. Sie verlangte nicht einmal Geld von ihm, sondern begnügte sich damit, heimlich in seinem Bett schlafen zu dürfen, statt auf das unbequeme Lager in ihrem Zelt zurückkehren zu müssen.
Natürlich war es verboten, doch die Gefahr einer Entdeckung war äußerst gering. Die Satzungen der Ishar schrieben vor, dass jeder Adept die letzten zwei Wochen vor seiner Magierweihe abgeschieden von der Welt in seiner Kammer zu verbringen hatte, um durch Meditation innere Reinheit zu erlangen. Der Gedanke ließ Aylon spöttisch das Gesicht verziehen. Für jemanden wie ihn, der in Cavillon aufgewachsen war und fast sein gesamtes Leben hier verbracht hatte, stellte es kein Problem dar, das Kloster unbemerkt für eine Weile zu verlassen.
Erneut beugte er sich über Lir. "Wach auf", verlangte er und zeichnete mit dem Finger die Linien ihres Gesichts nach.
Sie stöhnte unwillig. "Ich will nicht."
"Du musst gehen", beharrte er. "Du weißt, dass du heute nicht hierbleiben kannst."
Lir öffnete die Augen. "Wie lange habe ich geschlafen?"
"Nur ein paar Minuten. Aber es wird Zeit. Maziroc kann jeden Moment kommen." Als sein Lehrer und Ziehvater war der Magier der Einzige, der während der zweiwöchigen Vorbereitungszeit zu ihm durfte, und er hatte angekündigt, ihn an diesem Abend noch einmal zu besuchen. "Morgen findet meine Weihe statt. Danach können wir uns treffen, so oft wir wollen."
"Schon gut, ich gehe ja." Lir stand auf und streifte ihr Kleid über. Auch Aylon schlüpfte in sein Gewand. "Ach übrigens, heute Mittag ist ein Fremder nach Cavillon gekommen", sagte sie. "Er behauptet, dass er dich kennt."
Verwundert runzelte Aylon die Stirn. "Wie hieß er?"
"Den Namen habe ich vergessen, aber ich kann ihn dir beschreiben." Lir überlegte kurz. "Er ist schlank, einen halben Kopf größer als ich, und hat schwarze Haare. Sieht recht gut aus. Er scheint Gaukler oder so etwas zu sein, jedenfalls trug er ein ziemlich auffälliges, buntes Kostüm."
"Floyd?", erkundigte sich Aylon aufgeregt. "Hieß er vielleicht Floyd?"
Lir nickte. "Ich glaube ja, zumindest so ähnlich. Er sagt, dass er dich unbedingt noch heute Nacht sprechen müsste. Soll ich ihm etwas ausrichten?"
"Aber ja, ich werde mich mit ihm treffen. Bring ihn um Mitternacht zu der Pforte, an der du immer auf mich wartest. Ich werde ihn dort abholen."
"Ach, und für mich hast du keine Zeit?" Sie zog einen Schmollmund.
"Ab morgen wieder, so viel du willst. Und jetzt mach, dass du verschwindest. Ich kann nicht mehr mitkommen, aber du kennst ja den Weg. Und pass auf, dass dich niemand sieht."
Es klopfte an der Tür. Lir gab ihm einen Abschiedskuss, dann schwang sie sich auf die Fensterbank und kletterte katzengleich an den Rankpflanzen hinab, die das Mauerwerk an dieser Seite des Ostturmes bedeckten. Nach wenigen Sekunden war sie in der Dunkelheit verschwunden.
Aylon grinste, als er daran dachte, welchen Skandal es auslösen würde, wenn der Rat der Ishar von seinem nächtlichen Treiben erfahren sollte. Schon in der zweiten Nacht seiner Meditationszeit hatte er die Einsamkeit und Langeweile nicht länger ertragen und den ersten unerlaubten Ausflug unternommen. Anfangs war es nur ein Spaß gewesen, ein harmloser Verstoß gegen die in seinen Augen unsinnige Regel. Einige Tage später hatte eine Gruppe reisender Händler und Künstler ihre Zelte vor den Mauern Cavillons aufgeschlagen. Er hatte sich heimlich unter das fahrende Volk gemischt und dabei Lir kennengelernt, die die Truppe begleitete. Es hatte ihn gereizt, sich von ihr tiefer in die Geheimnisse des Liebesspiels einweihen zu lassen, und sie war eine erfahrene Lehrerin gewesen, doch der eigentliche Grund, weshalb er sie mit auf sein Zimmer genommen hatte, war der Wunsch gewesen, ganz bewusst dieses ungeheuerliche Sakrileg zu begehen. Was genau ihn dazu getrieben hatte, war ihm jedoch immer noch unklar. Noch vor kurzer Zeit wäre schon der bloße Gedanke daran für ihn unvorstellbar gewesen. Er war bei den Ishar aufgewachsen und hatte immer ein vollwertiges Mitglied des Ordens werden wollen. Auch jetzt noch akzeptierte er ihren Ehrenkodex und teilte die Werte, die sie vertraten, aber er hatte sich verändert, seit er mit Laira und Floyd, dem Gaukler, zusammengetroffen war. Mit Laira hatte er sein erstes sexuelles Erlebnis gehabt, und wenn er sich auch mittlerweile so gut wie sicher war, dass sie ihn hauptsächlich deshalb verführt hatte, um sich seiner Hilfe zu vergewissern, war es für ihn fast bedeutungsvoller gewesen, als ihr gemeinsamer Kampf gegen den Kult der Drachenpriester. Sie hatte ihn mit einer ganz anderen Art zu denken konfrontiert, hatte ihm das Tor zu einer sinnlicheren, freizügigeren Art der Wahrnehmung aufgestoßen.
Seither war ihm das von starren Regeln beherrschte Leben in Cavillon manchmal schier unerträglich vorgekommen. Er hatte erlebt, welches Elend die Damonen verbreiteten, während die Ishar tatenlos abwarteten und sich aus allen politischen Angelegenheiten heraushielten, obwohl sie vermutlich die Einzigen waren, die die Invasoren aus einer fremden Welt noch aufzuhalten vermochten. Der Gedanke erfüllte ihn mit ohnmächtiger Wut, und wenn er das Gebot der Askese missachtete und sich stattdessen mit Lir vergnügte, geschah dies zum Teil als ein Akt der Auflehnung gegen den Orden, wenn auch nur vor sich selbst.
Wieder wurde an die Tür geklopft, lauter und fordernder diesmal. "Ich komme ja schon!", rief Aylon. Er richtete die Decken auf dem Bett flüchtig her, dann öffnete er. Ihm blieb gerade noch Zeit zu erkennen, dass es sich bei dem Besucher nicht wie erwartet um Maziroc handelte, dann überschlugen sich die Ereignisse. Ein halbes Dutzend Gestalten in grauen, bodenlangen Kutten drangen in sein Zimmer ein. Über den Köpfen trugen sie spitz zulaufende Kapuzen in der gleichen Farbe, die bis zu den Schultern reichten und nur zwei Schlitze vor den Augen freiließen. Aylon versuchte zu schreien, doch einer der Unbekannten presste ihm eine behandschuhte, prankenartige Hand auf den Mund und erstickte seinen Schrei, sodass er nur ein leises Stöhnen hervorbrachte.
Aylon wehrte sich verbissen, aber er war niemals besonders kräftig gewesen, sodass die unheimlichen Gestalten nur wenige Sekunden brauchten, um ihn zu überwältigen. Mit einem grausamen Ruck wurden ihm die Arme auf den Rücken gedreht. Panik überfiel ihn, doch immer noch verschloss ihm die Hand des ersten Eindringlings den Mund und erstickte jeden Schrei.
"Bindet ihn!", ertönte eine Stimme vom Eingang her. Aylon erhaschte einen flüchtigen Blick auf etwas Violettes, dann wurde er brutal herumgerissen. Lederschnüre schlossen sich um seine Hand- und Fußgelenke, etwas wurde ihm über den Kopf gestülpt und nahm ihm die Sicht. Ein scharfer, stechender Geruch stieg in seine Nase, verwirrte ihm die Sinne. Aylon erkannte, dass es sich um eine betäubende Droge handelte. Er versuchte die Luft anzuhalten, doch in seinem Kopf schien sich bereits alles zu drehen, schneller und schneller, bis er aufhörte zu denken und willenlos in einem Meer aus bodenloser Schwärze...
Erscheint lt. Verlag | 20.2.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
ISBN-10 | 3-7389-7159-9 / 3738971599 |
ISBN-13 | 978-3-7389-7159-0 / 9783738971590 |
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